26.10.2012 Aufrufe

Welche Angebote und Hilfen stehen dem Jugendamt bei ... - Bkjpp

Welche Angebote und Hilfen stehen dem Jugendamt bei ... - Bkjpp

Welche Angebote und Hilfen stehen dem Jugendamt bei ... - Bkjpp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Forum der Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie 3 – 2006 42<br />

3. Pseudologia Phantastica, Nebenrealität, dissoziative Zustände<br />

<strong>und</strong> (Gewalt-) Fantasien<br />

Bereits 1891 hat Delbrück auf pseudologische Schilderungen („Pseudologia<br />

Phantastica“) – also das Erzählen von „Lügengeschichten“ - <strong>bei</strong> dissozialen<br />

Personen hingewiesen, das psychodynamisch betrachtet den Wunsch<br />

<strong>bei</strong>nhalten soll, die eigene Hilflosigkeit zu überspielen (vgl. Rauchfleisch,<br />

1999, S. 96-98). Charakteristischerweise soll ein ambivalent erlebtes reales<br />

Ereignis sowohl geleugnet als auch zugleich lustvoll erlebt <strong>und</strong> in der Außenwelt<br />

inszeniert werden. Dadurch könne eine wirkungsvolle Kompensation<br />

zentraler Insuffizienzgefühle <strong>und</strong> eines narzisstischen Defizits stattfinden.<br />

Hare (2003) hat diese Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen seiner<br />

„Psychopathy“-Konzeption aufgenommen („Pathologisches Lügen“), ohne<br />

allerdings die psychodynamischen Erklärungsmechanismen zu berücksichtigen.<br />

Damit ist ersichtlich, dass auch in aktuellen forensischen Forschungs<strong>bei</strong>trägen<br />

dieses „altbekannte“ Phänomen wieder aufgegriffen<br />

wird.<br />

Der Begriff der „Nebenrealität“ geht auf Vorstellungen von Lempp<br />

(1990) zurück, der bereits in den 80er Jahren <strong>bei</strong> jungen Tötungsdelinquenten<br />

dieses Phänomen beobachtet hat. Durch die Verwendung seines Begriffs<br />

vermeidet Lempp zunächst einmal eine intentionale Zuschreibung des<br />

„Lügens“ <strong>und</strong> formuliert somit eine „wertungsfreiere“ Beschreibung des<br />

Phänomens. Lempp (1990, 1977) geht davon aus, dass alle Menschen neben<br />

einer „Hauptrealität“ auch über eine in der frühen Kindheit entwickelte<br />

„Nebenrealität“ verfügen. Die „Hauptrealität“ entspricht einer von den<br />

meisten Menschen geteilten Wirklichkeitssicht <strong>und</strong> wird benötigt, um mit<br />

<strong>dem</strong> sozialen Umfeld kommunizieren zu können. Bei der „Nebenrealität“<br />

handelt es sich also um ein (meist noch) normalpsychologisches Phänomen<br />

der sozial nicht geteilten Wirklichkeitskonstruktion. Robertz (1999) weist<br />

daraufhin, dass Lempp (1990) in seinen Formulierungen den Begriff der<br />

„Nebenrealität“ synonym mit Fantasie verwendet. Bei einigen jugendlichen<br />

Tötungsdelinquenten soll nach Lempp (1990) die Fähigkeit, zwischen<br />

den <strong>bei</strong>den Realitätsebenen wechseln zu können („Überstieg“), bedeutsam<br />

beeinträchtigt sein. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sollen diese Jugendlichen Handlungen<br />

aus ihrer Fantasie („Nebenrealität“ nach Lempp) ausgeführt haben,<br />

ohne diese Verhaltensweisen ver<strong>stehen</strong> zu können. Im Jugendalter stellt die<br />

Fantasie nach Lempp (1990) quasi eine Bewältigungsstrategie <strong>bei</strong> Überforderungen<br />

dar. Da<strong>bei</strong> kann in dieser Lebensspanne mitunter ein sehr geringer<br />

Realitätsbezug vorliegen <strong>und</strong> die Jugendlichen kehren nur <strong>bei</strong> absoluter<br />

Notwendigkeit zur Hauptrealität zurück. Bei fehlenden kognitiven,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!