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Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH

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stärken sollte, ihre Zeitbedürfnisse in die Praxis umzusetzen.<br />

Der Betriebsrat musste zunächst viel Arbeit investieren, um die<br />

tarifl ichen Möglichkeiten der Arbeitszeitreduzierung aus familiären<br />

Gründen zu verbreiten. Dabei wurden auch härtere Konfl ikte und<br />

die Anrufung der Einigungsstelle nicht gescheut, um die Teilzeitwünsche<br />

der Kollegen/innen umzusetzen. Mittlerweile gehört es zur<br />

Normalität Teilzeit anzubieten.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Betriebsratsarbeit lag auf der<br />

Sensibilisierung für Vereinbarkeitsthemen. Beschäftigten, die<br />

sich oft mit ihrer „helfenden Grundhaltung“ vor den Karren der<br />

Krankenhausleitung spannen ließen, sollte Mut gemacht werden,<br />

die eigenen Bedürfnisse anzumelden und eigene Zeitinteressen zu<br />

verwirklichen. Initiativen des Betriebsrates wie Gesundheitstage<br />

oder Informationsveranstaltungen mit Experten/innen (z. B. um<br />

Auswirkungen von <strong>Schichtarbeit</strong> zu verdeutlichen) halfen ebenso<br />

wie die ver.di-Kampagne „mein Frei gehört mir“, den Einfl uss des<br />

Arbeitgebers zurückzudrängen und eine positive Stimmung für<br />

die Neugestaltung von Schichten mit kürzeren Blöcken und eingestreuten<br />

Nachtschichten zu erzeugen. Dies hat wesentlich dazu<br />

beigetragen, eine „Kultur des Wünscheäußerns“ zu etablieren und<br />

gleichzeitig die Solidarität für Kollegen/innen mit <strong>Familie</strong>naufgaben<br />

zu fördern.<br />

Das aktuell eingeleitete Auditverfahren „<strong>Beruf</strong> und <strong>Familie</strong>“<br />

verfolgt das Ziel, die guten Arbeitszeitpraktiken zu systematisieren.<br />

Hier soll ein Kompromiss gefunden werden zwischen kollektiven<br />

Standards, die für alle Beschäftigten gelten und kreativen<br />

Lösungen, die aus den Teams kommen. Um mehr Gerechtigkeit<br />

herzustellen, sollen nun verstärkt auch die Abteilungen im<br />

Krankenhaus profi tieren, deren Bedingungen ungünstiger waren.<br />

Aktuell wird an einer gerechteren Urlaubsfestlegung gefeilt, die<br />

allgemeine Kriterien festlegt. Wer dann z. B. im Sommerurlaub zu<br />

kurz gekommen ist, wird in den nächsten Ferien bevorzugt berücksichtigt.<br />

Ob die Vereinheitlichungen am Ende in eine Betriebsvereinbarung<br />

fl ießen werden, ist noch nicht sicher. Denn zu viele Regelungen<br />

bergen nach Einschätzung des Betriebsratsvorsitzenden Arthur<br />

Harms auch die Gefahr, dass die Flexibilität in den Teams wieder<br />

eingeengt wird und neue Entwicklungen unterbunden werden.<br />

Wie produktiv diese Freiräume sein können, hat die Einführung<br />

des Zwischendienstes gezeigt, der zuerst als individuelle Lösung<br />

in einer Abteilung eingeführt wurde. Hier hatten die Kollegen/<br />

innen diskutiert, ob es nicht andere Lösungen für den frühen<br />

Arbeitsbeginn geben kann und untereinander Zwischenlösungen<br />

abgesprochen, die dann im Team ausgedehnt wurden. Schließlich<br />

sprach sich das Beispiel in den anderen Stationen herum und<br />

wurde auch dort übernommen. Daran zeigt sich wie ein neues<br />

Zeitelement behutsam in bestehende Schichtmodelle integriert<br />

werden kann.<br />

Aufgabe des Betriebsrates<br />

Der Betriebsrat hat diesen Prozess insoweit unterstützt, dass die<br />

Freiheiten in den Teams geschützt wurden und die Verbreitung<br />

neuer Ideen und Lösungen in anderen Abteilungen begleitet wurde<br />

und wird. Ansonsten besteht die Hauptaufgabe der Interessenvertretung<br />

darin, zum einen die überbordenden Ansprüche des<br />

Arbeitgebers zurückzuweisen und zum anderen, den Beschäftigten<br />

den Rücken zu stärken. Durch die Stärkung der individuellen Durchsetzungsmöglichkeiten<br />

soll der kulturelle Wandel forciert werden.<br />

Vielfalt und neue Initiativen sollen zugelassen werden ohne die<br />

kollektiven Interessen aus dem Blick zu verlieren.<br />

Auch beim nächsten anstehenden Thema, dem demografi schen<br />

Wandel, sollen auf diese Weise Konzepte gefunden werden, wie<br />

Arbeitsabläufe und Arbeitszeitgestaltung angepasst werden<br />

können.<br />

Last but not least verweist Arthur Harms auf die schwierigen<br />

gesellschaftspolitischen Bedingungen der Krankenhäuser. Die<br />

Konditionen müssen hier dringend verbessert werden, um eine gute<br />

Pfl ege zu gewährleisten und gleichzeitig die Arbeitsverdichtung der<br />

Beschäftigten zu verhindern, damit deren Vereinbarkeit von <strong>Familie</strong><br />

und <strong>Beruf</strong> gelingen kann.<br />

B) Hotel Excelsior Berlin<br />

Nicht selten stehen kleine und mittlere Unternehmen vor der<br />

Herausforderung, Flexibilität für ihre Beschäftigten zu ermöglichen.<br />

Kommen schwierige Rahmenbedingungen der Branche hinzu,<br />

kann die Vereinbarkeit von <strong>Familie</strong> und <strong>Beruf</strong> leicht zu einem<br />

Exotenthema degradiert werden. Im Allgemeinen ist die Beschäftigung<br />

im Hotel- und Gaststättenbereich durch geringe Bezahlung<br />

und wenig familienbewusste Arbeitszeiten gekennzeichnet.<br />

Wechselnde Arbeitszeiten mit geringer Verlässlichkeit, <strong>Schichtarbeit</strong>,<br />

Arbeit zu ungewöhnlichen Zeiten, Wochenendarbeit oder Saisonarbeit<br />

sind nicht unüblich. Die Europäische Agentur für Sicherheit<br />

und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz stellte schon 2008 für die<br />

Beschäftigten von Hotels, Restaurants und Cateringunternehmen<br />

steigende Risiken im psychosozialen und körperlichen Bereich<br />

(z. B. Arbeiten im Stehen und Gehen, ungünstige klimatische Bedingungen)<br />

fest. Hinzu kommen unsichere Arbeitsverhältnisse mit<br />

Zeitverträgen und Arbeit unter Zeitdruck, unregelmäßiger Arbeitsanfall<br />

sowie ständiger Kontakt mit den Kunden. Dies hat zur Folge,<br />

dass die Fluktuation groß ist. Auch sind Interessenvertretungen<br />

besonders in privat geführten Hotels kaum zu fi nden. Weitere<br />

negative Bedingungen wie fehlende Tarifbindung, die Konkurrenz<br />

zu gelben Gewerkschaften und die Behinderung von Betriebsratsarbeit<br />

tragen nicht gerade dazu bei, die Arbeitsbedingungen sowie<br />

das Image der Branche zu verbessern.<br />

Umso wichtiger sind Ausnahmebeispiele in schwierigen Branchen.<br />

Das Vier-Sterne-Hotel Excelsior in Berlin beschäftigt 74 Menschen.<br />

Die Hälfte der Beschäftigten ist weiblich, vier Frauen arbeiten<br />

Teilzeit und drei befi nden sich in Elternzeit. In Schicht arbeiten<br />

sieben Beschäftigte.<br />

Eine Besonderheit im Hotel- und Gaststättengewerbe ist die hohe<br />

zeitliche Flexibilität, da die Belegungszahlen immer kurzfristig<br />

schwanken können. Auch wenn Berlin als Touristenmagnet<br />

ganzjährig wirkt und kaum jahreszeitliche Schwankungen<br />

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