Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH
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ingen. Durch Teilzeitangebote, fl exible Arbeitszeiten und Unterstützung<br />
bei der Kinderbetreuung werden z. B. Beschäftigte nach<br />
der Elternzeit im Betrieb gehalten. Die im Team selbst organisierten<br />
Schichtpläne helfen dabei, Lösungen zu fi nden, wenn ein Kind<br />
krank ist.<br />
In größeren Betrieben oder Verwaltungen lassen sich Entscheidungsspielräume<br />
für die Beschäftigten insbesondere in teilautonomen<br />
und autonomen Gruppen- oder Teamstrukturen verwirklichen.<br />
Das Beispiel der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)<br />
zeigt, dass für die eigenverantwortliche Schichteinteilung der<br />
Beschäftigten bestimmte Voraussetzungen sowohl im Team als<br />
auch bei den Vorgesetzten geschaffen werden müssen. Im Team<br />
müssen die sozialen Kompetenzen so weit gestärkt werden, dass<br />
Ungerechtigkeiten vermieden werden, jede/r in die Lage versetzt<br />
wird die eigenen Interessen zu artikulieren und schließlich die<br />
Gruppe für die Einzelinteressen sensibilisiert wird. Weiter sind<br />
Leitungskompetenzen als Gruppensprecher/in für Entscheidungsprozesse<br />
oder die Moderation von Konfl ikten notwendig, um<br />
die Eigenständigkeit der Teams zu gewährleisten. Auf Seiten der<br />
Vorgesetzten verursacht der Kontrollverlust zunächst Misstrauen<br />
gegenüber den größeren Handlungsspielräumen der Beschäftigten,<br />
das abgebaut werden muss. Oft verändern sich auf den unteren<br />
Vorgesetztenebenen (Meister, Abteilungsleiter) die Tätigkeiten oder<br />
werden sogar ganz überfl üssig. Auch aufwendige Zeiterfassungssysteme<br />
und Formen der Arbeitsorganisation können zur Disposition<br />
gestellt werden, die sich auch auf die Betriebskulturen<br />
auswirken.<br />
Das Beispiel des „Bedarfsorientierten Schichtdienstmanagements“<br />
(BSM) in der Polizei zeigt die Schwierigkeiten, ein starres Schichtdienstsystem<br />
fl ächendeckend umzustellen und individuelle und<br />
autonome Elemente dabei zu integrieren. Hintergrund der Veränderung<br />
waren einerseits die betriebswirtschaftlichen Über legungen,<br />
den Personaleinsatz bedarfs- und belastungsorientierter zu<br />
gestalten, um damit vor allem systematische Mehrarbeit einzusparen.<br />
Andererseits sollten die Arbeitszeitwünsche der Polizisten/<br />
innen mehr Berücksichtigung fi nden und eine bessere Vereinbarkeit<br />
von <strong>Familie</strong> und <strong>Beruf</strong> ermöglicht werden. Die größere Autonomie<br />
in der Zeitgestaltung konnte dazu genutzt werden, Schichten freier<br />
einzuteilen und Freizeiten und <strong>Familie</strong>nzeiten besser zu planen.<br />
Auch sollten Teilzeitbeschäftigte besser in den Dienstplan integriert<br />
werden. Mit der Vermeidung von Mehrarbeit sollten auch die<br />
Belastungen im Schichtdienst reduziert werden.<br />
In der Praxis wurden nur noch die Rahmenbedingungen der<br />
Dienstplanung festgelegt und die konkrete Ausgestaltung individuell<br />
entschieden. Grundlage der bedarfsorientierten Schichten<br />
sind Jahresarbeitszeitkonten, auf die die geleisteten Dienste<br />
gutgeschrieben werden. Entscheidend für die Umsetzung sind die<br />
Aufl ösung der bestehenden festen Dienstgruppen und die Bildung<br />
von Beschäftigtenpools. Ein Personalverantwortlicher („Koordinator/in“)<br />
hat die Aufgabe zwischen persönlichen Wünschen und<br />
übergeordneten Kriterien (z. B. gerechte Urlaubseinteilung) zu<br />
vermitteln.<br />
Die Beurteilung des BSM durch die Polizisten/innen hat eine heiße<br />
Diskussion um das Pro und Contra des neuen Schichtsystems<br />
ausgelöst. Dabei scheint das BSM die Beschäftigten in Befürworter<br />
und Gegner zu polarisieren. Während in Dienststellen mit geringer<br />
Fluktuation und hoher Verlässlichkeit unter den Kollegen/innen das<br />
Modell breite Zustimmung fi ndet, sieht die Beurteilung in Dienststellen<br />
mit häufi gem Personalwechsel völlig anders aus. In ersteren<br />
führen die langfristigen Absprachen zu einer gerechteren Verteilung<br />
von ungeliebten Schichten und individuelle Freiräume lassen sich auf<br />
Grundlage von kollegialer Kooperation und Rücksichtnahme verwirklichen.<br />
Anders in Dienststellen mit häufi gen Personalwechseln: Die<br />
Aufl ösung von festen Teams, Vorgesetztenanweisungen und wenig<br />
Kollegialität führen zu hoher Unzufriedenheit, kaum Planungssicherheit<br />
und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die auf Kosten<br />
der Work-Life-Balance gehen (vgl. Mensching u. a. 2004). Hier<br />
wünschen sich die Kollegen/innen mehrheitlich die alten starren<br />
Arbeitszeiten zurück. Insgesamt wird deutlich, wie entscheidend die<br />
Rahmenbedingungen für die Wahl des Arbeitszeitmodells sind.<br />
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