Familienbewusste Schichtarbeit - Beruf & Familie gGmbH
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9. Individuelle Zeitoptionen<br />
Unabhängig von den einzelnen Schichtmodellen lassen sich überall<br />
individuelle Zeitoptionen und Regelungen in bestehende Systeme<br />
integrieren. Inwieweit diese Möglichkeiten über Verträge wie<br />
Betriebsvereinbarungen oder Betriebsabsprachen festgeschrieben<br />
werden sollen, muss in der Praxis entschieden werden. In funktionierenden<br />
Teams sind informelle Absprachen in der Regel völlig<br />
ausreichend. Kommt es allerdings zu Ungleichbehandlungen in<br />
den verschiedenen Teams/Abteilungen und/oder entscheiden<br />
Vorgesetzte nach unterschiedlichen Kriterien, dann haben sich<br />
festgelegte Vereinbarungen bewährt, auf die sich die Beschäftigten<br />
berufen können. Auch um normale Personalschwankungen<br />
aufgrund von Urlaub und Erkrankung abzudecken, sind individuelle<br />
Zeitlösungen nichts Unbekanntes und dürften den Personalplanern<br />
keine großen Schwierigkeiten bereiten.<br />
Flexibilität in der Arbeitsorganisation<br />
Eine Möglichkeit, die individuelle Flexibilität zu erhöhen sind<br />
teamübergreifende Vertretungen und/oder die Option das Schichtmodell<br />
zu wechseln. In Absprache mit den Kollegen/innen und<br />
Vorgesetzen sind solche Wechsel fast immer ohne Schwierigkeiten<br />
zu realisieren. Bereichs- oder abteilungsübergreifend können solche<br />
Vertretungen allerdings an den unterschiedlichen Anforderungen<br />
scheitern. Einige Betriebe versuchen daher über zusätzliche Qualifi<br />
zierungsmaßnahmen die personelle Flexibilität zu erhöhen. Im<br />
Daimler-LKW-Werk in Wörth können sich zwei Beschäftigte einen<br />
Platz in der Schicht teilen, um ihre Arbeitszeit zu halbieren. In der<br />
Vergangenheit war die Suche nach der/dem geeigneten Teilzeit-<br />
Partner/in kompliziert, weil nicht genügend gleich ausgebildete<br />
Beschäftigte zur Verfügung standen. Jetzt können zwei Teilzeitkandidaten/innen<br />
über eine Qualifi zierungsmaßnahme die Fähigkeiten<br />
der/des jeweils anderen erwerben und sich den Arbeitsplatz<br />
teilen (Job-Sharing). Auch bei Boehringer in Ingelheim und Biberach<br />
wurde ein Qualifi zierungsprojekt für alle Beschäftigten gestartet,<br />
um abteilungsübergreifende Einsätze zu ermöglichen und die<br />
personelle Flexibilität zu erhöhen.<br />
Klassisch werden in Schichtsystemen Springer eingesetzt, um die<br />
Flexibilität aufrecht zu erhalten. Bei Audi z. B. ist der Einsatz von<br />
Springern so geregelt, dass die Springer selbst in einem festen,<br />
vorhersehbaren Schichtplan arbeiten und fl exibel auf die Abteilungen<br />
verteilt werden. Das setzt allerdings ein relativ großes<br />
Spektrum an Fähigkeiten voraus.<br />
Viele Maßnahmen, die für die Teilzeit beschrieben wurden wie<br />
zusätzliche Freischichten, Sonderschichten, ausgedünnte Schichten<br />
oder versetzte Arbeitszeiten (siehe Kapitel 7 Teilzeit ist möglich)<br />
lassen sich natürlich auch ohne Arbeitszeitreduzierungen realisieren<br />
und vergrößern die Optionen in der Arbeitsorganisation.<br />
Darüber hinaus sind gerade für Beschäftigte mit Fürsorgeaufgaben<br />
spezielle Schichtlagen besonders interessant. Zum Beispiel nur<br />
Früh- oder nur Spätschichten. Pfl egende Beschäftigte bevorzugen<br />
vor allem die klassischen Normalarbeitszeiten, da viele Pfl egedienste,<br />
Arzt- oder Behördentermine daran ausgerichtet sind.<br />
Bei der Fraport AG, der Gesellschaft des Flughafens Frankfurt, die<br />
mit 8.000 Schichtbeschäftigten den größten Flughafen Deutschlands<br />
betreibt, wird mit verschiedenen Maßnahmen versucht, einen<br />
individuellen Schichtdienst zu organisieren. Neben vielen Teilzeitvarianten<br />
und Einzeldienstplänen ist eine Tauschbörse für Schichten<br />
eingerichtet, die zukünftig auch elektronisch vom PC aus bedient<br />
werden kann. Darüber hinaus stellt der Arbeitgeber zwei „Joker-<br />
Tage“ pro Jahr zur Verfügung, an denen kurzfristige Freistellungen<br />
möglich sind. In bestimmten Abteilungen gibt es die Möglichkeit<br />
zur sogenannten „Wunschdienstplanung“: Beschäftigte planen<br />
in kleinen Gruppen gemeinsam ihre Wunschdienste für einen<br />
Zeitraum von sechs Wochen. Die Planer korrigieren gegebenenfalls<br />
in Absprache mit den Gruppenmitgliedern, wobei eine 85 – 90 %<br />
Wunscherfüllung erreicht wird. Allerdings stoßen die Wunschdienste<br />
noch schnell an technische Grenzen, so dass die „Wunschdienstplanung“<br />
auf wenige Abteilungen beschränkt bleibt. Auch<br />
im regulären Schichtdienst werden verschiedene Wunsch-Arbeitszeitlagen<br />
berücksichtigt und zwischen Dauer wünschen (bestimmte<br />
Dienstplanmuster) und kurzfristigen Arbeitszeitwünschen unterschieden.<br />
In anderen Abteilungen kommen ebenfalls autonome<br />
Gestaltungskriterien zum Zuge. So werden u. a. unattraktive<br />
Schichten in Eigenregie verteilt. Um die Nachteile gleichmäßig zu<br />
verteilen und gleichzeitig individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen,<br />
werden verschiedene Kriterien zugrunde gelegt.<br />
Eine autonome Schichtgestaltung kann auch betriebsweit<br />
eingeführt werden. Während im Frankfurter Flughafen einzelne<br />
Abteilungen ihre Schichten im Team festlegen, werden z. B. bei<br />
der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) alle Schichten in<br />
kollegialer Absprache festgelegt. Die Schichtgruppensprecher/innen<br />
sind hier für die Festlegung verantwortlich. Sie organisieren den<br />
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