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Dokumentation Theatertreffen der Jugend 2013 - Berliner Festspiele

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<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> <strong>2013</strong><br />

BlickRück<br />

www.berlinerfestspiele.de


Inhaltsverzeichnis<br />

11 Editorial<br />

13 Auszug aus dem Grußwort<br />

15 Prolog<br />

17 Jury Rückblick<br />

18 Bühne<br />

20 Almost Lovers – Ein Theater Mobil-Projekt<br />

26 Parallele Welten – Die Insel<br />

34 hell erzählen<br />

42 Lochland<br />

50 99 Prozent<br />

60 Romeo und Julia<br />

68 Hamlet<br />

76 Urban Sounds Clash Classic<br />

84 Bühne Spezial<br />

86 Nominierungen <strong>2013</strong><br />

88 Campus<br />

90 Praxis<br />

94 Dialog<br />

97 Essay<br />

98 Spezial<br />

100 Forum<br />

103 Praxis<br />

110 Dialog<br />

111 Fokus<br />

112 Essay<br />

114 Epilog<br />

132 Jury<br />

135 Kuratorium<br />

136 Statistik<br />

138 Bundeswettbewerbe<br />

139 Impressum


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Editorial<br />

BlickRück ist eine Einladung, auf das 34. <strong>Theatertreffen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> vom 24. 05. bis 01. 06. <strong>2013</strong> im<br />

Haus <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> zurückzuschauen.<br />

Im Zentrum <strong>der</strong> Festivalwoche standen die acht<br />

eingeladenen Produktionen aus Berlin, Bielefeld,<br />

Düsseldorf, Grevenbroich, Heidelberg und<br />

Solingen. Mit eigenen Themen und Haltungen<br />

und in höchst unterschiedlicher Form befragten<br />

die jugendlichen Spieler/-innen in ihren Stücken<br />

die Welt im Kleinen wie im Großen. Was ist heute<br />

eigentlich Männlichkeit? Wie lebt es sich in<br />

parallelen Kulturen und virtuellen Welten? Wie<br />

gelingt die Verän<strong>der</strong>ung, wenn sie doch eigentlich<br />

unmöglich erscheint? Was bedeutet <strong>der</strong><br />

Verlust von Heimat für die eigene Zukunft?<br />

Kann bloße Empörung uns heute noch zu einer<br />

echten Revolution führen? Ist das Liebe, was ich<br />

jetzt fühle? Was wird, wenn eine ganze Generation<br />

nicht entscheiden kann o<strong>der</strong> will? Wonach<br />

suchen wir, wenn wir rausziehen in die Großstadt?<br />

Über diese Fragen und viele mehr wurde debattiert<br />

im Campus-Programm des Festivals: in den<br />

Workshops, den Aufführungsgesprächen, in <strong>der</strong><br />

Festivalzeitung und den vielen Begegnungen <strong>der</strong><br />

Teilnehmer/-innen im Garten, beim Essen, in<br />

kleinen Gruppen irgendwo im Haus <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong><br />

<strong>Festspiele</strong>. Und ganz nebenbei wurde natürlich<br />

auch gefeiert auf und unter <strong>der</strong> Bühne, sich<br />

selbst und die Zeit, die hier geteilt wurde.<br />

Im Programm des Forums für künstlerische<br />

Leiter/- innen von jugendlichen Theatergruppen<br />

sowie für Studierende ging es ebenfalls um den<br />

gegenseitigen Austausch. In Workshops und<br />

Gesprächen wurden theatrale Formen und Inhalte<br />

<strong>der</strong> eingeladenen Produktionen im Hinblick<br />

auf die eigene Theaterarbeit befragt und<br />

praktisch reflektiert. Darüber hinaus wurden zu<br />

verschiedenen Schwerpunkten Impulse für die<br />

weitere Theaterarbeit gegeben.<br />

Das Festivalkonzept des <strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong>, das im Kern darauf setzt, das Miteinan<strong>der</strong><br />

und den Austausch aller Teilnehmer/-innen<br />

unter einan<strong>der</strong> in den Vor<strong>der</strong>grund zu stellen,<br />

erweist sich nach wie vor als richtig. So spielt es<br />

für die eingeladenen Produktionen keine Rolle<br />

mehr, aus welchem institutionellen Kontext sie<br />

kommen, ob sie in DS-Kursen o<strong>der</strong> Theater-AGs<br />

in Schulen, in selbstorganisierten Strukturen aller<br />

Art o<strong>der</strong> in Spielgruppen von freien und/o<strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong>-, Stadt- o<strong>der</strong> Staatstheatern entstehen.<br />

Die <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> wünschen sich, dass<br />

diese Festivalkonzeption auch für die Zukunft<br />

weiter trägt und sich möglichst viele Gruppen aus<br />

allen Bereichen <strong>der</strong> Theaterarbeit von und mit <strong>Jugend</strong>lichen<br />

weiterhin am Wettbewerb beteiligen.<br />

Christina Schulz<br />

Leiterin <strong>der</strong> Bundeswettbewerbe<br />

<strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />

11


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Auszug aus dem Grußwort<br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>: Das ist eine Woche<br />

voller kreativer Theateraufführungen. Eine<br />

Woche, in <strong>der</strong> an jedem Abend ein an<strong>der</strong>es<br />

Theater-Ensemble seine Produktion zeigt. Und<br />

eine Woche voller spannen<strong>der</strong> Diskussionen<br />

darüber. Begleitet werden die Aufführungen von<br />

Workshops mit Theatermusikern, Tänzern und<br />

Choreografen, Regisseuren und Theaterautoren.<br />

Darüber hinaus ermöglicht das neue strukturierte<br />

Konzept <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> eine<br />

immer stärkere Vernetzung unserer gemeinsamen<br />

Bundeswettbewerbe. …<br />

… Dem diesjährigen <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong><br />

wünsche ich großen Erfolg, unvergessliche<br />

Aufführungen und Begegnungen sowie Ausstrahlung<br />

weit über die <strong>Berliner</strong> Theaterwoche hinaus.<br />

Prof. Dr. Johanna Wanka<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

13


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Prolog<br />

Vorhang auf –<br />

von Anna Theresia Bohn<br />

Angekommen. Im Haus <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />

zum <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>. Was eigentlich<br />

<strong>der</strong> Anfang all dessen war, ist nun vermutlich nur<br />

vage zu erzählen. War es <strong>der</strong> Film, dessen<br />

Schauspielerin zum eigenen Vorbild gewählt<br />

wurde? Der Zettel am schwarzen Brett, <strong>der</strong> die<br />

Gründung <strong>der</strong> Theater AG nach <strong>der</strong> Schule angekündigt<br />

hat? Der Freund, <strong>der</strong> einen dazu ermuntert<br />

hat, einmal zur Probe des <strong>Jugend</strong>theaters<br />

einfach so vorbei zu kommen?<br />

Wie es auch begonnen hat: Nun ist Mai und man<br />

ist endlich angekommen. Der Wettstreit ist vorbei.<br />

Hier sind bereits alle Spielende von Beginn an<br />

Preisträger. Tiefes Ein- und Ausatmen: tatsächlich<br />

angekommen. Sei es aus Berlin o<strong>der</strong> aus Grevenbroich;<br />

man trägt Ähnliches im Gepäck: Bequemes<br />

für die Workshops, vielleicht etwas Kurzes zum<br />

Tanzen, Zahnbürste, Requisiten, aber vor allem<br />

Neugier, Erwartungen, Vorfreude und Theaterfieber.<br />

Wie mögen die kommenden Tage werden?<br />

Man sieht sich von <strong>der</strong> Bühne zum Workshop,<br />

vom Festivalgarten zum Theatersitz huschen, mit<br />

Bier und Brause, und das alles gemeinsam mit<br />

neuen Gesichtern, <strong>der</strong>en Handynummern man<br />

später einspeichern wird. Es wird viel gesprochen<br />

werden an diesen Tagen, von Theater und insbeson<strong>der</strong>e<br />

von <strong>Jugend</strong>theater. Was bedeutet<br />

<strong>Jugend</strong>theater? Es bedeutet vor allem Spielen.<br />

Das meint nichts Geringeres als das Ausprobieren<br />

einer Unzahl an möglichen Lebensrealitäten<br />

– wie könnte, wie müsste, wie dürfte, wie würde<br />

alles sein? Spielen mit Spaß, mit Humor, mit<br />

Ernst, mit Achselschweiß, mit Lichteffekten und<br />

lauter Musik, mit eigener o<strong>der</strong> frem<strong>der</strong> Kleidung,<br />

mit Unbekannten, die im Spiel bekannter werden;<br />

und vielleicht, wenn man von <strong>der</strong> Bühne hüpft,<br />

sieht man sich selbst plötzlich als jemand an<strong>der</strong>es.<br />

Das Spiel scheint die Taktik dessen, was an<strong>der</strong>e<br />

Leben nennen. Intuition und Handwerk. Applaus.<br />

Natürlich geht uns das etwas an, denn es<br />

geht um uns und um jeden an<strong>der</strong>en.<br />

Angekommen im Haus, dessen verschiedene<br />

Theaterbühnen im Grunde eine große Bühne<br />

ergeben, <strong>der</strong>en Textur über diese Tage einen<br />

Imprint hinterlassen wird; vielleicht die kaputte<br />

Hose und <strong>der</strong> Holzspan im Knie, vielleicht eine<br />

Rolle, die man im Workshop ausprobiert, die<br />

dann Monate später im neuen Stück auftaucht.<br />

Vielleicht das frei gemachte Regalfach, in das<br />

man dann die Festivalzeitungen einordnet, die<br />

vielen Programmheftchen, die nachts geschriebenen<br />

Liebesbriefe, den Notizblock mit Literaturund<br />

Filmempfehlungen, den Festivalausweis mit<br />

dem eigenen Namen, welchen einmal Freunde in<br />

die Hand nehmen werden, um zu fragen, was<br />

das sei. In diesen Tagen werden wir die Präpositionen<br />

aus dem Ärmel schütteln, sodass wir uns<br />

auf, an, hinter, vor, neben, über und sogar unter<br />

<strong>der</strong> Bühne zum Feiern treffen. Es wird ein Anschauen,<br />

Anfassen, Anhören und Anziehen.<br />

Wie find ich das, wie steht mir das, wie geht das,<br />

ein wenig wie Shoppen vielleicht, aber umsonst<br />

und mit Applaus, ein Spiel eben. Es gibt Bil<strong>der</strong><br />

von vergangenen Jahren, da sieht man Menschen,<br />

die sich im Garten gegenseitig Frisuren machen,<br />

die in neu geformten Gruppen Zahnpasta essen,<br />

die vor einem Fenster filmen, wie dahinter einer<br />

die Scheibe küsst. Was zum Theater moment<br />

wird, den man erzählt, wird hier gespielt, wird frei<br />

gewählt. Heute Abend geht <strong>der</strong> Vorhang auf. Wir<br />

lassen ihn offen.<br />

15


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Jury Rückblick<br />

Ein Nachwort aus<br />

Jury-Perspektive – vom Juryvorsitzenden<br />

Martin Frank<br />

Ein äußerst anregen<strong>der</strong> Festivalprozess einer<br />

sich entwickelnden Theaterwahrnehmung<br />

klingt nach – ein sehr erfreuliches Merkmal <strong>der</strong><br />

Programmstruktur des 34. <strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong>. Wie von <strong>der</strong> Jury erhofft, wurde unser<br />

theateraffines Publikum von <strong>der</strong> Qualität und<br />

Energie <strong>der</strong> ausgewählten Vorstellungen von<br />

Beginn an in Bann gezogen. Die inhaltlich und<br />

formal mutigen Inszenierungen <strong>der</strong> Wochenmitte<br />

gaben Anlass für fruchtbare Diskussionen<br />

sowohl unter den Spielleiter/-innen als auch<br />

bei den jugendlichen Teilnehmer/-innen. Mit<br />

fortschreiten<strong>der</strong> Festivaldauer, mit gewachsenem<br />

Vertrauen unter den Anwesenden, die sich<br />

in Workshops und Fachdiskussionen kennenlernen<br />

konnten, stieg das Diskussionsengagement<br />

stetig. Freundliche Rückmeldungen wichen<br />

for<strong>der</strong>nden Fragestellungen und differenzierter<br />

Kritik. Die Auswahl <strong>der</strong> Jury hielt dem Festivalprozess<br />

bis zuletzt stand. Danke an alle, von<br />

Spielleiter/-innen über Darsteller/-innen, bis<br />

Programmgestalter/-innen und <strong>der</strong> Technikcrew,<br />

die dieses komplexe Zusammenwirken<br />

und Mitgestalten möglich gemacht haben.<br />

Thema. Im Programmteil Fokus des Forums für<br />

die pädagogisch-künstlerischen Leiter/-innen<br />

sprachen sich viele engagierte Vertreter/-innen<br />

<strong>der</strong> Szene zur Situation des Theaters an Schulen<br />

aus. Man beriet sich über Initiativen und brachte<br />

Motivationsanstöße auf den Weg.<br />

Das <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> kann Probleme<br />

von solch strukturellen Dimensionen nicht<br />

lösen, kann allenfalls mit seinen Begegnungsanlässen<br />

Seismograph und Brennglas sein, den<br />

Austausch anregen. Die Jury versucht zu ermutigen,<br />

indem sie auf Produktionsformate hinweist,<br />

die im Wettbewerb auffielen und die institutionsübergreifend<br />

realisierbar erscheinen. Je<strong>der</strong> einzelne<br />

Impuls mag für sich klein erscheinen, in<br />

<strong>der</strong> Summe macht sich das <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong> als unübersehbarer Leuchtturm für die<br />

Sache des Theaters mit <strong>Jugend</strong>lichen in allen<br />

institutionellen Erscheinungsformen bemerkbar.<br />

Wir hoffen, die Diskussion in Schwung gebracht<br />

zu haben und freuen uns auf die neue Auswahl<br />

im Mai 2014.<br />

Wir sind mit <strong>der</strong> Sorge um den Rückgang <strong>der</strong><br />

Beteiligung von Schulen am Wettbewerb auf<br />

das Festival gekommen. Theaterlehrer/-innen<br />

brachten ihren Unmut über die erschwerten Bedingungen<br />

in Foren und Gesprächen am Rande<br />

des Programms immer wie<strong>der</strong> zur Sprache. Es<br />

gab offizielle Programmergänzungen zu diesem<br />

17


Bühne<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Almost Lovers – ein Theater Mobil-Projekt<br />

Junges Schauspielhaus Düsseldorf<br />

Freitag, 24. Mai <strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Philipp Brand, Sebastian Czwordon, Ali Dilekci,<br />

Islam Dulatov, Tamik Dulatov, Dennis Duszczak,<br />

Taleb-El-Haf, Kevin Galla, Maximilian Gängel,<br />

Astrit Muharemi, Mohammad Sawalha, Leon Wegener,<br />

Hana Zunic (Mädchen im Video)<br />

Regie: Ines Habich<br />

Ausstattung: Miriam Chouaib<br />

Choreografie: Corey Action<br />

Video: Sami Bill<br />

Dramaturgie und Theaterpädagogik:<br />

Dorle Trachternach<br />

Regieassistenz: Bente Loubier, Wera Mahne<br />

Assistenz des Choreografen: Aldo da Silva<br />

Kostümassistenz: Riet Desoete<br />

Ausstattungshospitanz: Tatjana von <strong>der</strong> Beek<br />

Gruppenportrait – von Felix Kracke<br />

Grad noch aus Wohnwägen und übelsten Sozialsiedlungen<br />

rausgekratzt, tritt die Düsseldorfer<br />

Krawallgruppe an, uns mit ihrer Testosteron-Parade<br />

mal so richtig einen vor den Bug zu knallen.<br />

Uns die Männlichkeit 3.0 hin zu performen,<br />

Klischees zu durchleben, abzulegen, auch mal<br />

zu weinen. Unsere Augen bleiben natürlich trocken.<br />

Sie sind losgezogen nach überall, haben<br />

die Männer aufgelesen, die nur Fast-Männer<br />

sind, die überhaupt erst mal wissen wollen, was<br />

sie sind und sein sollen. Gen<strong>der</strong>trouble Deluxe.<br />

Stars wollten sie eigentlich werden und sind<br />

dann doch im Theater gelandet. Gut für uns,<br />

denn wir freuen uns auf elfjährige Backstage-<br />

Mädchen, die kreischen, auf Action-Theater,<br />

das die Gebrüll-Skala sprengt (Vorschlag war<br />

„sechs Sterne“, aber wir bleiben seriös), auf diese<br />

Gruppe, die zischt und brodelt, ausbricht –<br />

wir verkünden schon mal den Notstand. Alle aus<br />

den Häusern, Kin<strong>der</strong> und Frauen zuerst! Übrig<br />

bleiben nur die Düsseldorfer Jungs. Sie haben<br />

diskutiert, beobachtet, rumgeschrien, aus ihrem<br />

Erleben die Stränge geflochten, die es zu<br />

erzählen gilt. Wi<strong>der</strong>spiegeln wollen sie, was<br />

nicht gezeigt werden kann da draußen, sie tragen<br />

es nach innen, zu uns. Wo bleibt er denn<br />

jetzt, <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Mann? Schwäche wollen sie<br />

zeigen und mal rauskommen aus sich, aus Vorstellungen,<br />

Normen, Strukturen. Da starten sie<br />

und notlanden schließlich alle beim eigenen Vater.<br />

Aber keine Sorge, die FZ übernimmt gern<br />

das Sorgerecht. Alles startklar, wir fahren weiter.<br />

Wie auch alles an<strong>der</strong>e, was hinter Bühnen<br />

aus ihnen herausfährt, worüber alle lachen, was<br />

alle riechen. Was könnte gemeint sein? Wir jedenfalls<br />

riechen Euren Schweiß. Wir sind bereit!<br />

Come and get some!<br />

21


Die Jury zur Auswahl – von Ulrike Hatzer<br />

Die Sache läuft schon, wenn wir,<br />

das Publikum, dazu kommen.<br />

Umkleidekabine, Fitnessstudio,<br />

Geruch nach Schweiß und Tränen<br />

(o<strong>der</strong> Theaternebel?) liegt<br />

in <strong>der</strong> Luft. Hier ist Kraft am<br />

Start, und Technik, Trauer,<br />

Träume und Humor.<br />

„Almost“ heißt „fast“, nicht<br />

„ganz“. Es heißt auch: Da fehlt<br />

noch was. Wenn man fragt,<br />

was da noch fehlt, stellt man<br />

schnell fest, dass das Stück<br />

auch „Almost Sons“, „Almost<br />

Winners“ o<strong>der</strong> „Almost Heroes“<br />

heißen könnte. Es fehlen die<br />

Väter, die Zukunftsaussichten,<br />

die Möglichkeiten, zu zeigen,<br />

was man kann, zu welchen<br />

Größen man aufsteigen könnte,<br />

wenn, ja wenn nicht immer<br />

alles nur „fast“ wäre: Fast ein<br />

Zuhause, fast eine Kindheit,<br />

fast eine Zukunft.<br />

Man wäre so gerne ein Held.<br />

Papa lebt es ja vor, er erwartet<br />

es von „Fast-schon“. Mit tapferem<br />

Kampf, mit Kraft und Mut<br />

lässt sich die Welt bezwingen.<br />

Nur keine Schwäche zeigen.<br />

Und so töten sie Drachen und<br />

kämpfen um alles. Klar nur auf<br />

<strong>der</strong> Bühne, aber „fast“ wie im<br />

richtigen Leben.<br />

Das Frauenbild ist zwiespältig,<br />

liegt irgendwo zwischen Mutter<br />

und Puppe, ist idealisiert, wenn<br />

es freilich ans Eingemachte<br />

geht, wird es schwierig. Wie<br />

schreibt man einen Brief? Wie<br />

redet man über Liebe? Tut man<br />

das überhaupt?<br />

Dann doch lieber in die Welt<br />

des Fans von Fortuna Düsseldorf.<br />

Da kann man sich beweisen,<br />

lärmen, drohen, Feindbil<strong>der</strong><br />

schüren, aber auch übers Ziel<br />

hinausschießen bis hin zur Verhaftung.<br />

Da hat man dann Zeit,<br />

sich mit seiner Zelle auseinan<strong>der</strong>zusetzen.<br />

Da kommen dann<br />

die Ideen von Kampf und Krieg.<br />

Aber wofür? Für die Freiheit?<br />

Die Erwachsenen sprechen über<br />

Projektionen zu den Jungs, sind<br />

real zunächst nicht existent.<br />

Dann aber doch ein unglaublich<br />

berühren<strong>der</strong> Monolog des<br />

Sohnes an <strong>der</strong> Hand des Vaters<br />

über dessen permanente Abwesenheit<br />

in Notlagen. Mit wem<br />

spricht <strong>der</strong> Sohn da?<br />

Und dann das leidige Thema<br />

Weggehen, Disko, Party. Wo<br />

sonst kann man sich bewähren?<br />

Mit herrlicher Selbstironie<br />

kommt aber auch zur Sprache,<br />

dass man da über Kondomkauf<br />

und dessen Peinlichkeit reden<br />

muss. Die Choreografien o<strong>der</strong><br />

die Anmache übers Mikro zeigen<br />

unmissverständlich die Distanz<br />

<strong>der</strong> Spieler zur eigenen<br />

Unbeholfenheit. Sie können<br />

über sich selbst lachen.<br />

Über Themen wie Altern kann<br />

man dagegen nicht reden:<br />

„Scheiß Thema“.<br />

Reden wir lieber über Geld. Wenn<br />

man nur welches hätte. Was<br />

wäre wenn? Wenn <strong>der</strong> Traum von<br />

100.000 € wahr würde? Ja dann<br />

... mehr wird nicht verraten.<br />

In „Almost Lovers“ vom Jungen<br />

Schauspiel Düsseldorf kommen<br />

alle Ängste und Nöte von<br />

Jungs zur Sprache, alle Träume<br />

und Hoffnungen. Sie sind nicht<br />

mehr Junge und noch nicht<br />

Mann, noch nicht Liebhaber,<br />

Ehemann, Steuerzahler. Sie<br />

bemühen sich und meistens<br />

reicht es nur fast, nicht ganz,<br />

im wahren Leben, über das sie<br />

erzählen, singen und tanzen.<br />

Auf <strong>der</strong> Bühne aber verschwindet<br />

das „fast“. Da sind sie nicht<br />

mehr „almost“, da sind sie<br />

„ganz und gar“: überzeugend,<br />

berührend, ironisch und durch<br />

und durch ehrlich. Ein Genuss.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Stimmen zum Stück<br />

+++ ein tolles eröffnungsstück, kurzweilig, da war viel drin +++ es<br />

war laut und verraucht, unglaublich schön, vital und voller energie<br />

+++ tolle choreografie +++ zu viele stereotype +++ manchmal zu viele<br />

filmszenen, aber, was ich gerne mochte, waren die ganz kleinen<br />

gesten, wie sie in <strong>der</strong> gruppe miteinan<strong>der</strong> umgegangen sind und hier<br />

noch die hand o<strong>der</strong> wie sie da vorne schüchtern die hände gehalten<br />

haben +++ war richtig klasse, wirklich super, die tänze, die jungs,<br />

von denen man denken würde, ihnen wäre es peinlich, so was zu<br />

machen +++ ich freue mich, dass es immer mehr jungsstücke im<br />

jugendtheater gibt, ich bin ein bisschen erstaunt, dass die söhne<br />

unserer kriegsveteranen inzwischen auch auf den bühnen des jugendtheaters<br />

angekommen sind +++ mich hat diese gewalterfahrung<br />

berührt, die die jungs mitkriegen und dann diese irrationalen träume<br />

mit medialem muster von aufstieg und absturz +++ bei aller komik<br />

und bei aller explosion und vielfalt fand ich’s doch oft sehr berührend<br />

+++ es hat mir gefallen, dass diese jungs, die eigentlich schon als so<br />

ziemliche typen gesprochen haben, sich überwunden haben, auch<br />

mal ihre weichen seiten zu zeigen +++ ich fand es sehr interessant,<br />

dass sie schöne brüche hatten, bei denen sie mit klischees gut<br />

umgegangen sind, mir hat es gefallen, dass sie den pathos genossen<br />

haben +++ ich habe es sehr genossen, dass diese ganzen jungsklischees<br />

aufgegriffen wurden, also dass damit gespielt wurde, und dann<br />

wie<strong>der</strong> gebrochen, das fand ich sehr kraftvoll, weil das jungs selbst<br />

durchmachen +++ mir gefällt die energie, mir gefällt die lust am<br />

scheitern, die lust am blöd dastehen +++<br />

23


Rezensionen<br />

So fühlen sich Jungenträume an – von Sebastian Meineck<br />

„Almost Lovers” vom Jungen<br />

Schauspielhaus Düsseldorf war<br />

eine Reise durch die Wünsche<br />

und Träume von Jungs und halben<br />

Männern. Das Bühnenbild:<br />

eine Umkleidekabine, Spinde,<br />

Handtücher, eine Bank, die<br />

Jungs in Adidas-Streifen. Eine<br />

Umkleidekabine, das ist auch<br />

Zwischenraum, wie <strong>der</strong> Raum<br />

vor dem Erwachsenwerden. In<br />

ihrer Gang träumen die Jungs<br />

davon, groß und stark zu sein.<br />

Ihre Fantasien bauschen sich<br />

auf wie <strong>der</strong> Nebel aus <strong>der</strong> Nebelmaschine,<br />

<strong>der</strong> auf die Bühne<br />

geblasen wird. Es spielt „Wild<br />

Boys“. Sie legen eine Choreografie<br />

hin, und schlagen mit<br />

den Fäusten in die Luft. Man<br />

denkt: Diesen Jungs ist alles<br />

zuzutrauen. Dann bricht die<br />

Musik plötzlich ab, und es heißt:<br />

„Du musst dein Zimmer aufräumen!“<br />

o<strong>der</strong> „Du musst das<br />

Geschirr spülen!“ Schließlich<br />

tanzt man doch nicht wirklich<br />

durch die Straßen einer verruchten<br />

Stadt. Man muss in die<br />

Schule gehen und mit seinen<br />

Eltern klarkommen und irgendwie<br />

ein Mädchen finden. Der<br />

Traum ist zerplatzt. Dieser Konflikt<br />

zwischen Wunschtraum<br />

und Wirklichkeit begegnet uns<br />

in fünf, sechs, sieben Variationen<br />

auf <strong>der</strong> Bühne. Immer wie<strong>der</strong><br />

gewinnt ein neuer Traum<br />

Gestalt. Zum Beispiel <strong>der</strong> Traum<br />

vom verführerischen Liebhaber,<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Traum vom Piraten<br />

im heldenhaften Fechtkampf,<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> vom Drachentöter,<br />

dessen Krönung gefeiert wird.<br />

Dabei geht es nicht darum,<br />

sich in Klischees zu flüchten,<br />

son<strong>der</strong>n ironisch mit ihnen zu<br />

spielen. Und es ist eine Ironie,<br />

bei <strong>der</strong> man nicht einmal weiß,<br />

ob sie sich selbst meint o<strong>der</strong> ihr<br />

Gegenteil. Es ist beides zusammen,<br />

gespielt mit voller<br />

Inbrunst und mit einem Augenzwinkern.<br />

Es sind unwirkliche<br />

Heldenbil<strong>der</strong> mit wirklicher Kraft<br />

dahinter. Es ist das Material, aus<br />

dem Jungenträume gemacht<br />

werden. Einer <strong>der</strong> Träume<br />

dauert am längsten. Die Jungs<br />

kaufen sich eine Yacht und fahren<br />

aufs Meer hinaus. Ein Boot<br />

auf Rä<strong>der</strong>n wirbelt über die<br />

Bühne, ein Kapitän wird ernannt,<br />

<strong>der</strong> Jubel ist groß. Doch<br />

plötzlich bröckelt <strong>der</strong> Traum,<br />

aber er bröckelt, ohne zu enden.<br />

Das Essen wird knapp und<br />

auch auf <strong>der</strong> Yacht muss geputzt<br />

werden. Die Probleme<br />

des Alltags erscheinen im<br />

Traum. Fast hat man das Gefühl,<br />

da kämpft eine an<strong>der</strong>e Geschichte<br />

um Aufmerksamkeit.<br />

Vielleicht ist das ein an<strong>der</strong>es<br />

Theaterstück, das für sich erzählt<br />

werden will, aber das ins<br />

flotte Tempo <strong>der</strong> Inszenierung<br />

nicht ganz hineinpasst. Doch<br />

schließlich geht auch <strong>der</strong> Traum<br />

von <strong>der</strong> Yacht zu Ende, und wir<br />

spüren: Es könnte eine unendliche<br />

Geschichte sein, so lang<br />

wie eine ganze <strong>Jugend</strong>.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Alles auf Probe – von Felix Kracke<br />

Abgekämpft sehen sie zu Beginn<br />

schon aus, hängen und<br />

lungern im angedeuteten Raum<br />

zwischen Umkleidekabine und<br />

Fitnessstudio. Spinde und Bänke,<br />

die später noch Schutzbunker<br />

und Königsthron sein werden,<br />

umgeworfen und malträtiert.<br />

Der Start als Training. Inmitten<br />

die jungen Wilden, die uns von<br />

sich erzählen wollen, über Vorund<br />

Heldenbil<strong>der</strong>, Vaterfiguren,<br />

Über- und Unterdruck von<br />

Männlichkeit, <strong>der</strong> sich aufstaut<br />

und raus will, wenigstens: mitgeteilt<br />

werden will. Die fidelen,<br />

wachen, energetischen Düsseldorfer<br />

machen das in einer losen<br />

Szenenfolge aus intimen Momenten<br />

und Monologen, gespiegelt<br />

von Chorsequenzen und<br />

durchchoreografierten Tanz-,<br />

Musik-, Show-Intermezzi. Sie erzählen<br />

von Schlägereien, Hausaufgaben,<br />

natürlich Knast, in<br />

dem die Angst vor dem Vater<br />

größer ist als die Angst vor <strong>der</strong><br />

Justiz, von <strong>der</strong> Unmöglichkeit,<br />

einen Liebesbrief zu schreiben,<br />

<strong>der</strong> nicht falsch ist, <strong>der</strong> nicht<br />

ist, wie schon vielfach gehört,<br />

vom persönlichen Ringen zwischen<br />

Selbstverwirklichung und<br />

Selbstaufgabe. Dieses Ringen,<br />

das man immer verlieren würde,<br />

wäre da nicht die Möglichkeit<br />

einer Ausflucht durch die Tagträumerei<br />

(meinetwegen:<br />

Fantasie), führt sie in Gefilde<br />

<strong>der</strong> großen Vorbil<strong>der</strong>, führt sie<br />

nach Hollywood und ins Zentrum<br />

von Trash und Albernheit.<br />

„Herr <strong>der</strong> Ringe” und<br />

„Fluch <strong>der</strong> Karibik”, filmische<br />

Schlachtengemälde legen die<br />

Referenzen offen: Woher er<br />

stammt und woraus er sich<br />

speist, <strong>der</strong> hier über allem wabernde<br />

und abgeschmackte<br />

Begriff <strong>der</strong> Männlichkeit.<br />

Diese Schlacht hat sich selbst<br />

geschlagen.<br />

Das sind die Klischees, die man<br />

vielleicht erst mal durchleben<br />

muss, um sie abzulegen. Das ist<br />

ein Rückgriff auf Theater als<br />

Form des kindlichen Spiels, <strong>der</strong><br />

Verstellung, wo man ein<br />

Schwert greift und ein Krieger<br />

ist, einen Mantel umhängt und<br />

König sein kann. Es zeigt, dass<br />

auch Geschlecht immer Spiel<br />

ist, immer Annäherung und<br />

Verhandlung. Alles auf Probe.<br />

Ein Schiff kommt hereingefahren,<br />

gekauft für zehntausend<br />

Euro o<strong>der</strong> hun<strong>der</strong>ttausend,<br />

Geld spielt keine Rolle,<br />

die szenische Fabulierlust <strong>der</strong><br />

jungen Fast-Männer findet ihren<br />

Höhepunkt. Seefahrer-Romantik<br />

ungebrochen. Das<br />

wäre von <strong>der</strong> Vorlage eigentlich<br />

zum Fremdschämen, zum<br />

Sogehtdasdochnicht!-Rufen,<br />

ist es aber nicht, weil die<br />

Schiffsbesatzung, weil die Düsseldorfer,<br />

weil sie ja selbst<br />

hilflos sind, ehrlich und direkt,<br />

weil sie suchen und vielleicht in<br />

<strong>der</strong> szenischen Behauptung<br />

erst etwas finden. Auch wenn<br />

es ein Schiff ist. All das ist rasant<br />

zusammengeschnitten<br />

und collagiert mit Nebel, Gegenlicht<br />

und Mikroverstärkung.<br />

Macht Spaß und lässt die Zeit<br />

verstreichen, wenngleich sich<br />

mitunter ein Gefühl <strong>der</strong> Beliebigkeit<br />

einschleicht. Der Selbstgenügsamkeit.<br />

In den schwächeren<br />

Momenten werden die<br />

Emotionen damit größer gezogen,<br />

als sie es bräuchten, in den<br />

stärkeren, die von Fußstapfen<br />

handeln, die zu groß sind und<br />

bleiben, lenken sie das Augenmerk<br />

auf ein Scheitern, ein Stocken<br />

<strong>der</strong> Potenz, das Kraft hat.<br />

Das Zusammensacken nach<br />

<strong>der</strong> Kampfankündigung, nach<br />

den Vätern, die in den Krieg<br />

zogen und ziehen, ist so ein<br />

Moment. Zurück auf Anfang,<br />

diese Schlacht hat sich selbst<br />

geschlagen. In dem Fitnessraum,<br />

in dem alles begann, <strong>der</strong><br />

Vorbereitungsraum, Proberaum<br />

ist, endet es wie<strong>der</strong>. „Wir<br />

bemühen uns“, sagen sie als<br />

Chormonolog, den es als Kommentarfunktion<br />

wahrscheinlich<br />

nicht gebraucht hätte, und<br />

es klingt wie Entschuldigung<br />

und Versprechen zugleich. Das<br />

ist natürlich Nabelschau pur.<br />

Aber wo sonst, wenn nicht hier?<br />

25


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Parallele Welten – Die Insel<br />

Ensemble Parallele Welten I – Theater Bielefeld<br />

Samstag, 25. Mai <strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Simon Belte, Patrick Dietrich, Onur Erkus, Marwa El Sayed,<br />

J amila Hutchinson, David Kasprowski, Lena Köppen, Delia<br />

Kornelsen, Karolin Kronauer, Malice Musljiji, Gaye Mutluay,<br />

Demokrat Ramadani, Liridone Ramadani, Natalia Schiano,<br />

Christin Schnei<strong>der</strong>, Band: Romina Wendker, Patrick Düwell,<br />

Lukas Kluge<br />

Regie und Ausstattung: Canip Gündogdu<br />

Dramaturgie: Martina Breinlinger<br />

Schreibwerkstatt: Nuran David Calis<br />

Choreografie: Simon Wiersma<br />

Grafik/Video: Alparslan Kale<br />

Musikalische Leitung: Ramona Kozma<br />

Co-Regie: Cornelia Rössler<br />

Regiehospitanz: Anna Plätke<br />

Bühnenbildassistenz: Laura Hohnerkamp<br />

Gruppenportrait – von Lydia Dimitrow<br />

FZ recherchiert: Ja, den Wikipedia-Artikel: „Bielefeldverschwörung“<br />

gibt es wirklich, haha, kicher,<br />

grunz. Die Gruppe des heutigen Abends,<br />

die uns ihr Stück „Die Insel“ präsentieren wird,<br />

setzt sich aber nicht nur aus Bielefel<strong>der</strong>n zusammen.<br />

Sie sei eine „Drittelgruppe“: ein Drittel<br />

Bielefel<strong>der</strong>, ein Drittel Theatergruppe aus Schloß<br />

Holte (ist kein Schloss, heißt nur so), ein Drittel<br />

Band (wo auch immer die herkommen). Aber<br />

wie das bei berühmten Trios so ist (siehe Kelly<br />

Family): Ohne ein Drittel sind die an<strong>der</strong>en beiden<br />

keine Drittel mehr (o<strong>der</strong> so). „Ohne die<br />

Band würden ganz viele Szenen gar nicht funktionieren.“<br />

Insofern geht es bei <strong>der</strong> Bielefel<strong>der</strong><br />

Produktion vor allem ums Zusammenkommen,<br />

nicht nur im Chatroom, son<strong>der</strong>n eben auch auf<br />

<strong>der</strong> Bühne: Nochnicht-Schauspieler mit Schauspielern<br />

mit Musikern mit Autoren. Denn nicht<br />

alle, die Texte für das Stück geschrieben haben,<br />

stehen heute auf <strong>der</strong> Bühne. Und nicht je<strong>der</strong><br />

spricht den eigenen Text. Das hängt auch damit<br />

zusammen, dass die Geschichten, die erzählt<br />

werden, so persönlich sind. „Wir haben viel von<br />

uns preisgegeben.“ Es geht in ihrem Stück auch<br />

um die Frage, wie sehr man sich öffnen muss,<br />

wenn man jemandem helfen will. Und wie anonym<br />

das Internet eigentlich wirklich ist o<strong>der</strong><br />

sein sollte. „Wir wollten auch zeigen, dass Anonymus<br />

gar nicht allein ist mit ihren Problemen,<br />

obwohl sie das immer denkt.“ Aus all dem geht<br />

hervor: Es wird gern gekuschelt in Bielefeld! FZ<br />

sagt: Weiter so! Denn wir kuscheln auch gern.<br />

27


Die Jury zur Auswahl – von Sebastian Stolz<br />

Weiß ist die hellste unbunte<br />

Farbe. Weiß ist physikalisch<br />

gesehen keine eigene Farbe,<br />

son<strong>der</strong>n entsteht durch die<br />

Überlagerung aller Spektren<br />

des Lichts. Weiß ist somit die<br />

„Summe aller Farben“...<br />

Weiß. Es ist weiß da draußen,<br />

die Winterlandschaft glänzt<br />

von Ost nach West. Die Reise<br />

geht nach Bielefeld. Angekommen.<br />

Es beginnt <strong>der</strong> Einlass mit<br />

einer kleinen Band und melancholischen<br />

Gitarrenklängen.<br />

Weiß. Die weißen Gartenstühle,<br />

auf die wir uns setzen, knacken<br />

nach kurzer Zeit. Hin und<br />

wie<strong>der</strong> sackt ein Zuschauer ab,<br />

reißt es uns schon jetzt vom<br />

Hocker? Weiß. Der weiße Raum<br />

mit von <strong>der</strong> Art sich unterscheidenden,<br />

aber weißen Stühlen<br />

wirkt steril, unschuldig und ruft<br />

nach Geschichten. Im Nebenraum<br />

ein Ensemblekampfschrei,<br />

dann treten sie herein.<br />

Weiß. Die Spieler in weißen Klei<strong>der</strong>n<br />

und Anzügen, bestückt mit<br />

nur einem roten Detail. Rot erinnert<br />

an Blut, wie Weiß an Nichts.<br />

Ein kleines verletzliches Detail,<br />

ein Schluck Lebensdurst will sich<br />

seinen Weg in eine leere, noch<br />

unbeschriebene Welt bahnen.<br />

Eine weiße Spielerwand beginnt<br />

von <strong>der</strong> Rampe chorisch zu erzählen,<br />

von ihren Vorfahren<br />

und <strong>der</strong>en Reise nach Deutschland,<br />

aber auch von Verwandten<br />

in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. Amerika,<br />

Schweden, Gran Canaria,<br />

Kaukasus, Deutschland, Ex-Jugoslawien,<br />

Russland, Kosovo,<br />

Schweiz, Ostdeutschland. „Wir<br />

kommen zwar alle von hierher,<br />

aber ich glaube, es zieht uns in<br />

die Ferne“, sagt ein Mädchen.<br />

Die Spieler verschwinden. Fe<strong>der</strong>n<br />

fallen. Eine Stimme aus<br />

dem Off erklingt, sie klingt<br />

traurig, erzählt vom Fliegen.<br />

Egal. Die Insel ist erreicht und<br />

alle sind im Chat. Nullen und<br />

Einsen sortieren das Netz, die<br />

Musik schrammelt los. Wer<br />

passt zu wem? Welche<br />

Kombination zieht sich an,<br />

stößt sich ab? Individualisieren<br />

o<strong>der</strong> vereinheitlichen? Skype,<br />

Facebook, Youporn & Co. Sie<br />

nehmen sich den virtuellen<br />

Raum und hoffen auf Freiheit,<br />

auf eine Spielwiese. Wie<strong>der</strong> unterbricht<br />

die Stimme aus dem<br />

Off, es ist Anonymus: „ … ich<br />

habe keine Freunde ...“, <strong>der</strong> Rest<br />

verbündet sich und spielt los.<br />

Skypen mit <strong>der</strong> Familie im Ausland.<br />

Das Netz überbrückt Distanzen<br />

und macht uns alle zu<br />

einer globalen Familie. Der<br />

nächste Stuhl bricht. Anonymous<br />

verkündet seine Selbstmordabsichten,<br />

es verbleibt<br />

nur eine Stunde zum Handeln.<br />

Die an<strong>der</strong>en User <strong>der</strong> Insel diskutieren<br />

im Chat, Ersatz o<strong>der</strong><br />

Evolution. Die Uhr tickt und<br />

plötzlich droht das Netz ein<br />

Raum zu werden, in dem <strong>der</strong><br />

Handlungsspielraum eingeschränkt<br />

ist, Anonymus scheinbar<br />

unerreichbar, ihr Selbstmord<br />

unaufhaltsam. Anonymus<br />

„sucks“ und die Spieler tanzen<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


und singen mit ihrer Lebensfreude<br />

gegen Anonymus´ „shitstorm“<br />

an. Dennoch bröckelt<br />

die „Happy World“, Anonymus<br />

for<strong>der</strong>t Reibung, eine Haltung,<br />

Wahrheit und Geständnisse. Es<br />

wird sich geoutet, diskutiert<br />

über Religion, die große reine<br />

Liebe – es wird existenziell. Das<br />

Ensemble spielt, singt und bewegt<br />

sich mit einer beeindruckenden<br />

Souveränität und<br />

Durchlässigkeit. Sie nutzen eine<br />

einfache, aber wirksame Theatralik.<br />

Der ernste Ton wird mit<br />

leidenschaftlichen Musikeinsätzen<br />

und viel Humor gebrochen,<br />

mündet in simpler Poesie,<br />

die Gitarre leicht gezupft und<br />

verträumt. „Du musst Spuren<br />

in <strong>der</strong> Welt hinterlassen“, das<br />

ist anstrengend, wie <strong>der</strong> Spagat<br />

zwischen zwei Welten, den<br />

parallelen Welten. Mein Stuhl<br />

knackt, er droht zu brechen.<br />

Die Anonymen Auslän<strong>der</strong> reiten<br />

auf Klischees, zerspielen sie<br />

und füllen das Integrationspaket.<br />

„Deutsche sind …“, ich habe<br />

keine Ahnung, was deutsch ist.<br />

Das Ensemble verrät es mir und<br />

rappt vom Sauerkraut. Die Ironie<br />

erreicht mich. Die Figuren suchen<br />

nach Identität, ihrer Identität.<br />

Was ist mitzunehmen aus<br />

<strong>der</strong> einen und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welt?<br />

Ich frage mich nach meinen<br />

parallelen Welten, bin ich echt<br />

deutsch, auch wenn ich seit<br />

Monaten kein Sauerkraut auf<br />

dem Teller hatte? Bin ich schon<br />

integriert, nach 24 Jahren Mauerfall?<br />

Ich esse lieber asiatisch<br />

als deutsche Hausmannskost,<br />

habe ich mich damit aus kulturellen<br />

Kontexten segregiert?<br />

Noch 20 Minuten und Anonymus<br />

wird sterben. Religionen<br />

verschmelzen und es riecht<br />

nach gegrilltem Steak; jedenfalls<br />

glaube ich, es mir einzubilden.<br />

Tatsächlich, ein Grill<br />

erobert die Bühne. Es gibt Buletten.<br />

Essen im Netz, eine<br />

schöne Zukunftsvision. Wie<strong>der</strong><br />

prallen Geschichten auf Anonymus,<br />

<strong>der</strong> Spiel- und Erzähllust<br />

kann man sich nicht entziehen.<br />

Gelüste und Sehnsüchte brechen<br />

heraus, um wirklich zu leben<br />

musst du in eine parallele<br />

Welt, in die Vergangenheit o<strong>der</strong><br />

einfach an die frische Luft.<br />

Dort herrscht Sommer und die<br />

kosovarischen Kühe stehen<br />

friedlich auf dem Berg. Anonymus<br />

bleibt unbeeindruckt, die<br />

letzten 10 Minuten ticken. Es<br />

bleibt die Entscheidung für die<br />

eine o<strong>der</strong> die an<strong>der</strong>e Welt o<strong>der</strong><br />

eben nur unsere Träume. Musik,<br />

Vollgas, Endspurt, dann Stille.<br />

Anonymus hat sich ausgeloggt<br />

o<strong>der</strong> ausgeknockt? Mein Stuhl<br />

hält, genau wie dieses so sympathische<br />

und kräftige Ensemble:<br />

„Hallo Welt, ich bin Du und<br />

Du bist ich …“<br />

29


Stimmen zum Stück<br />

+++ schöne szenen zum thema herkunft und identität +++ ich fand interessant,<br />

dass sie den selbstmord zum roten faden gemacht haben +++ voller<br />

leben und drama und humor +++ verwirrend +++ ich fand, es entspricht dem<br />

wirklichen leben +++ gelungener musikeinsatz +++ zu viele klischees +++ ein<br />

bisschen langweilig +++ ich hab ein stück darüber gesehen, wie du in zwei<br />

welten leben kannst, aber auch zwei welten in dir sein können, und darüber,<br />

wie dich das manchmal auseinan<strong>der</strong>reißt, aber auch darüber, wie sich<br />

wie<strong>der</strong> alles harmonisch zusammenfügen kann +++ abgegriffene thematik +++<br />

super bühnenbild +++ gut gespielt +++ ich habe nicht oft stücke mit jugendlichen<br />

gesehen, aber ich habe mich gefragt, ob die ideen auch alle von den jugendlichen<br />

selbst kamen +++ das thema internet ist einfach super +++ sie<br />

haben im stück einfach viele bekannte probleme noch einmal formuliert,<br />

aber ich hätte mir gewünscht, dass sie zeigen, wie einzelne menschen damit<br />

umgehen +++ mich würde sehr interessieren, wie sie auf schaukel, baum und<br />

grill gekommen sind +++ mir war die umsetzung zu technisch, zu künstlich<br />

+++ sehr persönlich +++ richtig viele schöne bil<strong>der</strong> +++ zu viele worte +++ ich<br />

fand es schwer, reinzukommen, aber als dann dieser religionsclip kam, hat es<br />

mich echt gepackt +++ den gesang fand ich am besten +++ sie haben zu sehr<br />

versucht, uns toleranz einzuhämmern, das war mir nicht subtil genug +++<br />

die stelle, an <strong>der</strong> sie alle gleichzeitig die zuschauer angesprochen haben, war<br />

am besten +++<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Rezensionen<br />

Nur eine Randnotiz – von Lydia Dimitrow<br />

Die Frage ist doch auch: Macht<br />

man das noch? Hängt man mit<br />

14 (bzw. 14–23) in irgendeinem<br />

random Chatroom ab? Ist<br />

<strong>Jugend</strong>lichen Anonymität im<br />

Internet nach facebook und<br />

studiVZ noch ein so großes<br />

Bedürfnis? Man nimmt dem Bielefel<strong>der</strong><br />

Ensemble trotz allen Aktualitätsbemühungen<br />

(Familientreffen<br />

via Skype, Nacktfotos,<br />

die plötzlich überall auf facebook<br />

sind) diesen Erzählanlass<br />

nicht so ganz ab. Wenn es ein<br />

Internetthema gäbe, das<br />

<strong>Jugend</strong>liche wirklich umtreibt<br />

– wäre es dann wirklich die Gruppendynamik<br />

in irgendeinem<br />

Chatroom? Das Stück lässt diese<br />

Fragen offen, da die Themen<br />

Internet und Chat sich schon in<br />

<strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong> Inszenierung<br />

wie<strong>der</strong> verlieren. Es soll<br />

eben doch eigentlich um an<strong>der</strong>e<br />

Dinge gehen, um Familie,<br />

Traditionen, um An<strong>der</strong>ssein,<br />

um die Frage, wer man ist o<strong>der</strong><br />

besser: Wer man sein will.<br />

„Parallele Welten“ heißt die<br />

Stückreihe des Theater Bielefeld,<br />

zu <strong>der</strong> „Die Insel“ gehört.<br />

Die Figuren berichten von einem<br />

Leben mit mehreren Welten,<br />

mehreren Kulturen. Aber<br />

kann es parallele Welten tatsächlich<br />

geben? Ist man mal in<br />

<strong>der</strong> einen, mal in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en?<br />

Bewegt man sich nicht in Wirklichkeit<br />

immer in mehreren<br />

Welten gleichzeitig? So abstrakt<br />

wie diese Überlegungen hier<br />

erscheinen, bleiben sie lei<strong>der</strong><br />

auch im Stück. Die Texte sind so<br />

sehr im Allgemeinen und im Klischee<br />

verhaftet, dass die Figuren<br />

auf <strong>der</strong> Bühne wenig greifbar<br />

werden. Sie wollen „Altes<br />

beibehalten und Neues übernehmen“.<br />

Aber was heißt das<br />

genau? Man müsse sich jedenfalls<br />

irgendwann zwischen den<br />

Welten entscheiden, sagt eine<br />

<strong>der</strong> Figuren, und wenn man darüber<br />

nachdenkt, so ist das<br />

doch ein ziemlich trauriger<br />

Satz. Denn wie sähe so eine<br />

Entscheidung aus? Wenn Deutsche<br />

ständig Sauerkraut essen<br />

und Bier trinken, wie es im Stück<br />

heißt – ist dann Schluss mit Nasi<br />

Goreng? Es bleibt oft unklar in<br />

<strong>der</strong> Bielefel<strong>der</strong> Produktion, wo<br />

<strong>der</strong> Ernst aufhört und die<br />

(Selbst-)Ironie anfängt. Hoffentlich<br />

irgendwo vor dem Rap,<br />

<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Moral endet, Deutsche<br />

ärgern lohne sich nicht.<br />

Wahrscheinlich aber nicht vor<br />

dem rätselhaften Rumi-Video-<br />

Clip. Die Spieler singen, tanzen,<br />

rappen und spielen mit Leidenschaft;<br />

man spürt, dass sie dem<br />

Publikum so viel sagen wollen,<br />

so viel zeigen, so viel erzählen<br />

wollen – und eben deswegen ist<br />

es schade, dass so viele Elemente<br />

<strong>der</strong> Inszenierung so wenig<br />

mit ihnen zu tun zu haben<br />

scheinen. Man hätte gern mehr<br />

von ihnen gesehen, ganz fern<br />

von Chatroom, Allerweltsklischees,<br />

Religionspotpourri und<br />

Selbstmordthematik.<br />

31


Über Gott und die Welt – von Felix Kracke<br />

Die <strong>Jugend</strong> des neuen Jahrtausends<br />

als sinnlos plappernde<br />

Korona, Nonsens erzeugende<br />

und verbreitende Schar <strong>der</strong> Gesichtslosen,<br />

sexuelle und gewalttätige<br />

Perversionen, überhaupt:<br />

das Ende <strong>der</strong><br />

zwischenmenschlichen Kommunikation,<br />

das Aussterben <strong>der</strong><br />

Menschheit. So o<strong>der</strong> so ähnlich<br />

hat man es sich wahrscheinlich<br />

vorgestellt, als es hereinbrach,<br />

das Internetzeitalter. Mit all<br />

seinen Chatrooms und Foren,<br />

den Social Networks, diesen<br />

Lautsprecher-Portalen für bisher<br />

Ungehörte. Es kam alles<br />

an<strong>der</strong>s und doch ganz ähnlich.<br />

Das Klischee jedenfalls blieb bis<br />

heute: Der anonyme Chat room,<br />

in dem junge Menschen aller<br />

Herren Län<strong>der</strong> Tag für Tag aufeinan<strong>der</strong>treffen,<br />

um einfach<br />

mal über Gott und die Welt zu<br />

reden. Auch in <strong>der</strong> Produktion<br />

des Theater Bielefeld werden<br />

auf virtuellen Boden die Neurosen<br />

gepflanzt, welche dieser<br />

Vorstellung des mo<strong>der</strong>nen<br />

Menschen entgegenkommen:<br />

geografische und soziale Entwurzelung,<br />

die Sehnsucht nach<br />

Kontaktaufnahme, Geltungsdrang.<br />

Eine von ihnen, Anonymous,<br />

kann das nicht mehr ertragen,<br />

kündigt an, sich<br />

umzubringen. Die Chatgruppe<br />

bricht auseinan<strong>der</strong>. Eine Debatte<br />

entspinnt sich über das<br />

Für und Wi<strong>der</strong>, die Vorzüge und<br />

Schönheiten <strong>der</strong> irdischen Existenz.<br />

Unterlegt mit Live-Musik<br />

<strong>der</strong> Band (ist die eigentlich<br />

auch im Chat room?), szenisch<br />

gestaltet in bildhaften Formationen<br />

und choreografischen<br />

Abfolgen. Die Musik, Worte,<br />

Bewegungen sind kurze Äußerungen<br />

im Massenchat: Sie<br />

ploppen auf, verschwinden,<br />

werden kommentiert, weiter<br />

geht’s. Ein Appell an das Leben.<br />

Schade, dass wir von diesem<br />

Leben, dem <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>lichen<br />

und ihrer Umgebung so wenig<br />

erfahren. An seiner Stelle stehen<br />

Allgemeinplätze und<br />

Natur fantasien, idealisierte<br />

Ideen des Lebenswerten. Ein<br />

bisschen wirkt es, als wäre es<br />

die Generation <strong>der</strong> Mütter und<br />

Väter, die hier über <strong>Jugend</strong> -<br />

probleme spricht. Als wäre es<br />

ihr Schreckgespenst Internet,<br />

das spukt, ihre Sprache, die<br />

spricht: Junge Menschen unterstellen,<br />

ihnen wäre jemand<br />

„auf den Schlips getreten“ und<br />

Anonymous soll nach „Ene<br />

meene meck”-Prinzip aus dem<br />

Chat geworfen werden. Spannend<br />

sind die Momente, in denen<br />

etwas aufscheint von dem<br />

persönlichen Zugriff <strong>der</strong> gut<br />

aufgelegten Darsteller auf diese<br />

großen Themen, wenn in Gameshow-Manier<br />

die schlimmsten<br />

Diskriminierungserfahrungen<br />

geteilt werden sollen zum Beispiel;<br />

das ist frisch und spielfreudig.<br />

O<strong>der</strong> wenn die Homosexualität<br />

mit „Verstehste? Ein<br />

Typ und noch ein Typ.“ kommentiert<br />

wird – ein Satz, <strong>der</strong><br />

schwingt. Das so genannte anonyme<br />

Internet bietet die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Zweitexistenz, <strong>der</strong><br />

künstlichen und künstlerischen<br />

Erhöhung, kann das zu Tage för<strong>der</strong>n,<br />

was in uns unbemerkt<br />

blieb; was raus will, die Fantasie<br />

treibt. Davon hätte ich<br />

gerne mehr gesehen.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


hell erzählen<br />

Freie <strong>Jugend</strong>theatergruppe Hellersdorf des Theater o.N., Berlin<br />

Sonntag, 26. Mai <strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Nathalie-Michelle Bremer, René Bresinski, Paul Figur,<br />

Paul-Justin Forche, Stefan Huras, Jass Köhler, Lara Maier,<br />

Melisa Munack, Pia Ziehe<br />

Regie: Cindy Ehrlichmann<br />

Dramaturgie: Dagmar Domrös<br />

Ausstattung: Martina Schulle<br />

Musik: Gerhard Schmitt, Minas Suluyan<br />

Choreografie: Mandy Pfennig<br />

Stimmbildung: Caroline Intrup<br />

Gruppenportrait – von Sebastian Meineck<br />

Die Hellersdorfer sind im Haus! Sie sind zwischen<br />

11 und 15 Jahre alt, und sie sind „alle bisschen<br />

gaga“. Jedenfalls sagen sie das von sich selbst.<br />

Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis das Theater<br />

ohne Namen das Ensemble geformt hat. Vielleicht<br />

sind sie sogar so was wie eine Familie geworden.<br />

Aber eine mit all dem Trubel, <strong>der</strong> zu einer<br />

richtigen Familie dazu gehört. Ob es sie<br />

nervös macht, im Haus <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />

aufzutreten? „Na, wir sind in Berlin zuhaus!” sagen<br />

sie unverblümt. Da macht es auch nix, die<br />

Jüngsten auf dem Festival zu sein. Kaum sind<br />

zwei Tage vorbei, schon haben sie eine Menge<br />

neuer Freunde gefunden. Ein bisschen aufgeregt<br />

sind sie natürlich schon. So groß war das Publikum<br />

noch nie. Mehr als doppelt so viele Leute wie<br />

sonst! Hellersdorf gesteht: „Das ist ganz was<br />

Neues.“ Aber auch was Schönes. Es ist ein intimes<br />

Stück, und einige <strong>der</strong> Geschichten stammen<br />

aus dem richtigen Leben. Wer aufmerksam<br />

lauscht, <strong>der</strong> wird den Jungs und Mädels sehr<br />

nahe kommen. Die Hellersdorfer sind gespannt,<br />

welche Kraft das Stück in einem so großen Raum<br />

entwickelt. Was kann denn das Publikum machen,<br />

damit die Aufregung ein bisschen kleiner<br />

ist? Die Antwort: Gut gelaunt sein!<br />

35


Die Jury zur Auswahl – von Maike Plath<br />

„Ich kenn’ böse und gute Menschen.<br />

Ich kenn' Ghettos und<br />

Nobelviertel. Ich kenn’ Liebe<br />

und Hass.” (Needy)<br />

Wie ist es im Stadtteil Hellersdorf?<br />

– „Vielleicht nicht <strong>der</strong><br />

schlimmste Bezirk, aber schon<br />

Ghetto – dezent asozial halt.”<br />

(Jass, 15 Jahre)<br />

Kulturelle Bildung ist ein Muss.<br />

„In Deutschland wachsen fast<br />

vier Millionen Kin<strong>der</strong> unter 18<br />

Jahren, also mehr als ein Viertel<br />

dieser Altersgruppe, in mindestens<br />

einer sozialen, finanziellen<br />

o<strong>der</strong> kulturellen Risikolage<br />

auf, die ihre Bildungschancen<br />

schmälert.” (Annette Schavan,<br />

frühere Bundesbildungsministerin).<br />

Der Regisseur René Pollesch hat<br />

in seinem letzten Stück Brecht<br />

zitiert: Dass man am Ort <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>lage bleiben soll, weil<br />

man da was lernen kann. Und<br />

dass man sich hüten soll vor dem<br />

Ruhm. Denn <strong>der</strong> sei <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang,<br />

<strong>der</strong> Anfang vom Ende.<br />

Es gibt nicht viele unter uns, die<br />

den Mut haben, am Ort <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>lage zu bleiben. Dort, wo<br />

man am meisten lernen kann.<br />

Cindy Ehrlichmann, Dagmar<br />

Domrös und neun <strong>Jugend</strong>liche<br />

aus Hellersdorf haben diesen<br />

Mut. Und harren aus – bis aus<br />

Wi<strong>der</strong>stand, Zweifel und unermüdlicher<br />

Suche dann plötzlich<br />

ein künstlerisches Statement<br />

wird.<br />

„hell erzählen” ist ein kleines<br />

Wun<strong>der</strong>. O<strong>der</strong> ein großes. Weil<br />

neun <strong>Jugend</strong>liche aus Hellersdorf<br />

sich auf eine Welt einlassen,<br />

die ihnen vollkommen fremd ist,<br />

weil sie ihre Skepsis und ihre<br />

Ängste überwinden und Vertrauen<br />

fassen in eine kleine<br />

Gruppe von Künstler/ -innen,<br />

die ihnen einen Weg durch das<br />

Gestrüpp <strong>der</strong> alltäglichen Katastrophen<br />

weisen – und zwar<br />

ausschließlich über die Mittel<br />

<strong>der</strong> Kunst.<br />

Hier soll niemandem „geholfen”,<br />

niemand therapiert werden. Das<br />

Ziel <strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit<br />

ist ein künstlerisches Produkt<br />

− nicht mehr und nicht weniger.<br />

Was passiert, wenn sich<br />

beide Seiten auf einen künstlerischen<br />

Prozess einlassen? Die<br />

erste Voraussetzung dafür ist<br />

wohl <strong>der</strong> wahre Mut zum Risiko<br />

des Scheiterns.<br />

„Heute ist <strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage.<br />

Laut sein müssen. Brüllen.<br />

Den Gesichtern entgegenhalten,<br />

dass man gleich keine Lust<br />

mehr auf die Probe hat. „Reiß<br />

dich zusammen!”, „Konzentrier<br />

dich!”, „Lass das!” Wann habe<br />

ich diesen Feldwebelkurs gemacht?<br />

Jetzt bekommen die<br />

<strong>Jugend</strong>lichen, was sie kennen:<br />

Eine überfor<strong>der</strong>te Erwachsene,<br />

die sie anbrüllt und ihnen im<br />

Minutentakt rückmeldet, was<br />

sie alles nicht können. Das galt<br />

es doch zu vermeiden. Das war<br />

doch meine Mission.”<br />

Das schreibt Cindy Ehrlichmann<br />

in aller Offenheit über die Momente<br />

des Zweifelns im Prozess.<br />

Umgekehrt wird es die <strong>Jugend</strong>lichen<br />

aus Hellersdorf<br />

irritiert haben, dass „Theater”<br />

nicht immer das war, was sie<br />

sich unter „Theater” vorgestellt<br />

hatten. Vielleicht auch, dass<br />

diese Arbeit ihnen mehr abverlangte,<br />

als sie zunächst bereit<br />

waren zu geben. Disziplin, Zuverlässigkeit,<br />

Konzentration und<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


oft auch Arbeitsweisen, die ihnen<br />

gänzlich fremd erschienen<br />

und die in ihnen deshalb zunächst<br />

Wi<strong>der</strong>stände erzeugten.<br />

Wir alle neigen schließlich dazu,<br />

das Fremde zunächst einmal<br />

skeptisch zu betrachten…<br />

Warum aber sind diese <strong>Jugend</strong>lichen<br />

den Weg bis zur Premiere,<br />

bis zum herzklopfenden „Sich-<br />

Zeigen” vor Publikum gegangen?<br />

Wie ist es ihnen gelungen,<br />

ein Theater stück zu entwickeln,<br />

das seine eigenen, künstlerischen<br />

Mittel in direktem, persönlichen<br />

Austausch miteinan<strong>der</strong><br />

ertastet und mit <strong>der</strong> daraus<br />

resultierenden Ausdrucksstärke<br />

und persönlichen Unmittelbarkeit<br />

den direkten Weg zum Zuschauer<br />

findet?<br />

Cindy Ehrlichmann schreibt:<br />

„Die <strong>Jugend</strong>lichen, mit denen<br />

wir arbeiten, sind einzigartig,<br />

stark, mutig und unmittelbar.<br />

Sie sind Überlebenskämpfer.”<br />

Offensichtlich hat hier eine Begegnung<br />

statt gefunden, die es<br />

allen Beteiligten ermöglicht<br />

hat, sich über Gefühle <strong>der</strong><br />

Fremdheit und <strong>der</strong> bloßen Zuschreibungen<br />

hinweg zu setzen.<br />

Aus „Das sind die „<strong>Jugend</strong>lichen<br />

aus Hellersdorf” und<br />

„Das sind die komischen Künstler<br />

aus Prenzlauer Berg” ist eine<br />

bei<strong>der</strong>seitige Verwun<strong>der</strong>ung<br />

über die mögliche Nähe geworden.<br />

Über die Möglichkeit, etwas<br />

an<strong>der</strong>es zu sehen, als das<br />

vermeintlich Offensichtliche.<br />

Eine Verwun<strong>der</strong>ung über die Erkenntnis,<br />

dass sowohl die „komischen<br />

Künstler” als auch die<br />

„Hellersdorfer Kids” einan<strong>der</strong><br />

tatsächlich in gleichen Teilen<br />

etwas geben können, das beiden<br />

Seiten vorher für ihr „Weltbild”<br />

– für ihr Verständnis von<br />

Welt − gefehlt hat. Über den<br />

Wi<strong>der</strong>stand, den Zweifel und<br />

das vorsichtige, aber unermüdliche<br />

„Sich-Einlassen” auf das<br />

Fremde, fand jede und je<strong>der</strong> in<br />

dieser Gruppe am Ende zu sich<br />

selbst und gleichzeitig zum<br />

Ganzen − zu ihrer Geschichte.<br />

Genau das vermittelt sich dem<br />

Zuschauer in „hell erzählen”<br />

auf leisen Sohlen und mit voller<br />

Wucht. Wir sehen selbstbewusste,<br />

junge Menschen, die<br />

uns klar in die Augen schauen<br />

und sagen: „Das bin ich”, und<br />

die uns an innere und äußere<br />

Orte führen, die wir kennen.<br />

Und die uns berühren. Alles, was<br />

wir in „hell erzählen” auf <strong>der</strong><br />

Bühne sehen, wirkt zutiefst persönlich<br />

und gleichzeitig allgemeingültig.<br />

Wir erfahren nicht<br />

nur etwas über diese Kin<strong>der</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem etwas über<br />

uns selbst und den gesellschaftlichen<br />

Zustand, in dem wir<br />

leben. „hell erzählen” ist damit<br />

in seiner kleinen, leisen Privatheit<br />

großes politisches Theater.<br />

37


Stimmen zum Stück<br />

+++ mir hat’s unglaublich gut gefallen: die geschichten, die erzählt wurden, die<br />

musik, die pappkartons, aus denen gebaut wurde (häuser und heime), <strong>der</strong> spielerische<br />

charakter +++ beeindruckend +++ schön und ehrlich +++ bewegend +++<br />

ich fand beeindruckend, dass sie so eine klare form gefunden haben +++ ich<br />

habe seit langem nicht mehr so einen guten chor gesehen +++ mir hat das musikalisch-rhythmische<br />

gefallen +++ begeistert +++ mein sozialarbeiterherz hat<br />

hoch geschlagen, und mein theaterpädagogenherz hat noch höher geschlagen:<br />

weil man hier gesehen hat, dass man mit theater menschen dazu bringen kann,<br />

ihren alltag und ihr umfeld wahrzunehmen und zu sagen: ich will etwas verän<strong>der</strong>n.<br />

und das ist doch toll, dass sie das können, dass sie sich vor hun<strong>der</strong>t leute<br />

stellen und sagen: das bin ich, das kenn ich, das ist mein alltag, und das finde<br />

ich scheiße, und ich will mich verän<strong>der</strong>n +++ krasse geschichten +++ es war aber<br />

auch ein bisschen erwartbares problemkieztheater +++ das stück hat mir hoffnung<br />

gegeben +++ auch wenn die texte manchmal aufgesagt gewirkt haben,<br />

fand ich es trotzdem beeindruckend, dass sie sich trauen, ihre eigenen geschichten<br />

zu erzählen, so viel von sich preiszugeben +++ die direktheit war toll,<br />

mit <strong>der</strong> die jungs und mädchen gesprochen und sich dargestellt haben +++ sie<br />

haben mich in ihren alltag mitgenommen +++ diese pappelemente waren toll<br />

+++ ein stück mit ganz viel rhythmik und power +++ ich fand sie so sympathisch,<br />

weil sie einfach sie waren +++<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Rezensionen<br />

Spiel im Spiel – von Anna Theresia Bohn<br />

Die Idee, die „eigene Biografie<br />

und die eigene Identität als<br />

gleichzeitig relevant und verän<strong>der</strong>bar”<br />

wahrzunehmen, ist in<br />

<strong>der</strong> Form des Spielens im Spiel<br />

realisiert. Vom „Das bin ich”-<br />

Vorstellungsspiel zur „Reise<br />

nach Jerusalem” bis zur selbst<br />

gespielten Musik. Dabei dient<br />

als Grundelement des Spiels<br />

das Pappe-Rechteck, das je<br />

nach Bedarf kreativ umfunktioniert<br />

wird zum Versteck für<br />

Musikinstrumente, zum Sitz,<br />

zum Bauglied, zum Rahmen für<br />

das Gesicht. Was ist <strong>der</strong> Charakter<br />

dieses Spiels? Zum einen<br />

treten Flexibilität und Dynamik<br />

in den Vor<strong>der</strong>grund: Im Spiel<br />

kann vieles geschehen, was unvorhergesehen<br />

war. Zum an<strong>der</strong>en<br />

liegt <strong>der</strong> Fokus auch auf <strong>der</strong><br />

Methodik und <strong>der</strong> Struktur als<br />

tragende Stützen des Inhalts:<br />

Die Spielregeln haben Gültigkeit<br />

und beeinflussen die Handlungen<br />

<strong>der</strong> Spielenden. So wird<br />

gemeinsam aufgebaut, gemeinsam<br />

zerstört. Es entstehen<br />

Räume, in denen Möglichkeiten<br />

so lange durchgespielt<br />

werden, bis jede Version ihre<br />

berechtigte Bühnenpräsenz<br />

hat. Dies alles lebt vom Charme<br />

<strong>der</strong> Ehrlichkeit, <strong>der</strong> Authentizität.<br />

Im Spiel liegt jedoch immer<br />

auch die Spannung zwischen<br />

Realität und Fiktionalität. So<br />

behauptet beispielsweise die<br />

Figur in ihrer Rolle, schwarze<br />

Haare zu haben, <strong>der</strong> Spieler<br />

aber ist blond. Dabei zuzusehen,<br />

ist unterhaltsam. Gleichzeitig<br />

wirft das Spiel den Zuschauenden<br />

auf sich selbst<br />

zurück: Wie kann ich mit den<br />

Problemen, die im Spiel sowohl<br />

ernst als auch humorvoll<br />

anskizziert werden, umgehen,<br />

wenn es nicht unbedingt unmittelbar<br />

meiner Lebensrealität<br />

entspricht? Alkoholtherapie,<br />

Eifersuchtsmord und Gewalt<br />

sind Spielanlässe, keine Therapieeinblicke.<br />

Von diesen Geschichten<br />

ist man berührt,<br />

ohne dass Betroffenheit diktiert<br />

wird. Dies gelingt schlau<br />

durch die Hinweise <strong>der</strong> Fiktionalität<br />

des Spiels, in welchem<br />

Verhältnis die Fiktionalität<br />

auch immer zur Realität stehen<br />

mag. Die Beziehung von Biografie<br />

zur Rolle bleibt dadurch<br />

selbstverständlich unklar und<br />

lässt den Zuschauer als Zuschauer<br />

zurück, <strong>der</strong> das Spiel<br />

wie ein staunen<strong>der</strong> Voyeur beobachtet<br />

o<strong>der</strong> ist es die Einsicht<br />

<strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung?<br />

39


Kein Luftschlossstück – von Lydia Dimitrow<br />

Da gibt es Markierungen auf<br />

dem Boden wie in einer Turnhalle.<br />

Neun <strong>Jugend</strong>liche sitzen<br />

neben o<strong>der</strong> hinter kastenartigen<br />

Papprahmen. Da wird geschminkt,<br />

geknüpft, gestrickt.<br />

Dann fängt alles an mit einem<br />

Spiel: Stuhltanz, nur ohne Stühle,<br />

dafür mit den Papprahmen,<br />

und wer sich zu spät einen greifen<br />

kann, ist nicht nur einfach<br />

raus, son<strong>der</strong>n muss sich erst<br />

vorstellen. „Ich bin Lilly. Das bin<br />

ich. Ich bin hübsch, aber vielleicht<br />

bin ich auch ein bisschen<br />

hässlich.“ Die Figuren, die dort<br />

auf <strong>der</strong> Bühne erschaffen werden,<br />

wollen von sich erzählen.<br />

Davon, wie sie sich selbst sehen,<br />

von ihren Wünschen und<br />

ihrem Alltag, von dem, was sie<br />

kennen: „Ich kenn’ Kleinsein<br />

und Großsein“, „ich kenn’, wenn<br />

gar nichts mehr geht“, „ich<br />

kenn’ Sport, ich kenn Shoppen,<br />

ich kenn’ Ämter und Heime“. Ihre<br />

Sprache ist klar und pointiert,<br />

immer wie<strong>der</strong> sehr poetisch und<br />

gut durchrhythmisiert; und<br />

genau das hält am Ende das<br />

Pathos fern, die Allgemeinplätze<br />

und die Betroffenheitsbeklemmung,<br />

die sich so leicht<br />

einschleichen, wenn es um Alkoholismus<br />

geht, um <strong>Jugend</strong> -<br />

gefängnis und Therapiestunden.<br />

Die Figuren machen keinen<br />

Hehl daraus, dass Gewalt und<br />

Einsamkeit zu ihrem Alltag<br />

gehören. Ein Spieler sagt: „Ich<br />

hasse mein Zuhause.“ Aber was<br />

sie dann doch am meisten<br />

stört, ist, dass es jeden Tag<br />

„immer dasselbe“ ist, dass sich<br />

das Leben wie eine Einbahnstraße<br />

anfühlt, je<strong>der</strong> mit seinen<br />

eigenen Problemen ringt, kein<br />

Ausweg in Sicht ist. Und dann<br />

hat die Angst <strong>der</strong> einen davor,<br />

von den Mitschülern ausgenutzt<br />

zu werden, weil man<br />

immer die Beste ist, plötzlich<br />

genauso viel Gewicht wie die<br />

Angst <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en davor, ins<br />

Heim zu kommen. Ihr gemeinsames<br />

Fazit ist: „Etwas muss<br />

sich än<strong>der</strong>n!“ Und auf <strong>der</strong> Bühne,<br />

im Spielen kann genau diese<br />

Verän<strong>der</strong>ung stattfinden.<br />

Etwa, wenn alle Spieler gemeinsam<br />

trommeln, und nach<br />

und nach je<strong>der</strong> einzelne aus<br />

diesem Einerlei-Rhythmus mit<br />

wildem Getrommel und dem<br />

Schlachtruf („Etwas muss sich<br />

än<strong>der</strong>n!“) aussteigt; wenn<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Geschichten einfach neu erzählt<br />

werden („Das Ende gefällt<br />

mir nicht!“) und wenn man<br />

Träume auf <strong>der</strong> Bühne so erzählen<br />

kann, dass sie fast wahr<br />

klingen: Needy wird im Shoppingcenter<br />

von Universal Music<br />

entdeckt, und dass sie wirklich<br />

singen kann, zeigt ihre Darstellerin<br />

Jass – „We could have had<br />

it all“. Insofern ist die Hellersdorfer<br />

Produktion vor allem<br />

auch eine kleine Liebeserklärung<br />

ans Theater, ans Spielen,<br />

denn auf <strong>der</strong> Bühne ist alles<br />

möglich, kann Wirklichkeit neu<br />

erschaffen werden, und das vor<br />

allem zusammen. Und so geht<br />

die Kraft des Ensembles natürlich<br />

vor allem von ihrem Zusammenspiel<br />

aus – wenn sie gemeinsam<br />

stampfen, springen,<br />

tanzen (Gangnam Style und<br />

Wuttanz), Papprahmentürme<br />

stapeln und Musik machen, mit<br />

Melodika, Cajón, Xylophon, Gitarre.<br />

Trotz aller Träume, allem<br />

Mut zur Verän<strong>der</strong>ung und aller<br />

Utopie – am Ende ist „hell erzählen“<br />

kein Luftschlossstück.<br />

Die Spieler rufen im Chor: „Aber<br />

wenn es nur so einfach wäre!“<br />

Es ist nicht so einfach. Auch<br />

nicht nach dieser wun<strong>der</strong>baren<br />

Produktion, die nichts glattbügelt,<br />

son<strong>der</strong>n auch Brüche zeigt<br />

und das Schwierige, <strong>der</strong> es gelingt,<br />

mit so reduzierten Mitteln<br />

und so vielen geschickten Spielanweisungen<br />

so viel zu erzählen.<br />

41


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Lochland<br />

poco*mania, Theatergruppe Käthe-Kollwitz-Gesamtschule,<br />

Grevenbroich Montag, 27. Mai <strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Elisabeth Riahi Dehkordi, Deborah Habicht, Tasha Helten,<br />

Oliver Hilden, Roxana Hünnekens, Maxi Jatzkowski, Kamilla<br />

Anna Kleiner, Tom Ra<strong>der</strong>macher, Marco Schichtel, Monique<br />

Schubert, Jasmin Schulz<br />

Regieteam: Axel Mertens und Ensemble<br />

Assistentin: Miriam Poppke<br />

Technik: Marcel Röber, Mike Peitz,<br />

Dominik Schotten<br />

Videos: Marcel Röber, Klaus Stimpel<br />

Bühne: Klaus Stimpel<br />

Gruppenportrait – von Anna Theresia Bohn<br />

Zum Glück hat es die Theatergruppe nicht verschluckt<br />

und so finden sich die elf Spielenden zusammen<br />

mit ihren drei Technikern heute auf <strong>der</strong><br />

Bühne wie<strong>der</strong>, auf <strong>der</strong> sie alle gemeinsam als Ensemble<br />

<strong>der</strong> kleinen Manie mit Bewegungsdrang<br />

live den regionalen Sterbeprozess <strong>der</strong> Dörfer<br />

märchenhaft in die größere Nationalgeschichte<br />

namens Kapitalismus einbinden. Im letzten September<br />

formte sich die „geile”, „harmonische”<br />

Gruppe an Schülern, geleitet von einer Ehemaligen.<br />

„Wir haben uns alle verliebt”, beichten sie<br />

uns. Bei Bier. So fiel es ihnen leicht, sich zu entscheiden,<br />

die Erzählungen ihrer Biografie als politisches<br />

Anliegen zu inszenieren. Mal etwas An<strong>der</strong>es<br />

als das „alte Thema Liebe”. Die tägliche<br />

Konfrontation mit dem Kohleabbau, <strong>der</strong> ständige<br />

Blick auf die Kraftwerke, die sich schwarz färbende<br />

Wäsche und die Umsiedlungsschicksale<br />

von Oma und Opa dienen als Inhalte des Stücks.<br />

Dabei möchte es das Ensemble jedoch nicht belassen;<br />

sie suchen die Konfrontation mit ihren eigenen<br />

Wissenslücken. Was passiert da eigentlich<br />

wieso und was heißt das für wen? Diese Fragen<br />

versuchen sie durch Interviews mit Betroffenen<br />

sowie durch Eigenrecherchen vor Ort zu klären.<br />

Was den 10.- bis 13.-Klässlern bei den Proben dabei<br />

immer wie<strong>der</strong> wichtig blieb, war, sich in <strong>der</strong><br />

spielfreudigen Gruppe den Potentialen des Theaters<br />

zu nähern. Dabei ist vor allem das multimediale<br />

Experimentieren mit dem Thema von Interesse.<br />

So fuhren poco*mania durch die Dörfer und<br />

nahmen alles mit <strong>der</strong> Kamera auf: Sie dokumentieren<br />

das Reale, holen im Medium ihre Interviewpartner<br />

auf die Bühne und wollen uns mit live zusammengemischter<br />

Technik beeindrucken.<br />

Daumen drücken! Eine für Nicht-Regionale ungewohnte<br />

Sprache ist nun in Berlin zu hören: Von<br />

„Löchern” und „Schluchten” ist die Rede. Davon,<br />

dass sie an „mein” o<strong>der</strong> „dein” angrenzen. Davon,<br />

dass solche „Löcher” auch zu einem „mein”<br />

o<strong>der</strong> „unser” werden können, so präsent sind sie<br />

in <strong>der</strong> Lebensrealität. Besitzergreifend. Davon,<br />

dass sie sich erweitern und unbekümmert verschlucken.<br />

Dass sie eigenständig wie Personen<br />

agieren. Eine unheimliche, destruktiv lebendige<br />

Umwelt. Wir hören vom „Sterbeprozess” <strong>der</strong> Dörfer,<br />

dessen Dauer wie bei einem Patienten in Monaten<br />

angegeben wird. Diesem Themenkomplex<br />

nähert sich das Ensemble auf mehreren Ebenen.<br />

So soll die Struktur des Märchens genutzt werden.<br />

Und gleichzeitig sind da die Wut und <strong>der</strong> Zynismus.<br />

Es tun sich Abgründe auf. Heute Abend<br />

werfen wir einen Blick hinein.<br />

43


Die Jury zur Auswahl − von Sepp Meißner<br />

Wenn die Meinungstyrannen<br />

und Ranking-Junkies aus dem<br />

bunten deutschen Blätterwald<br />

feststellen, dass deine Heimatstadt<br />

die dreckigste des Landes<br />

ist, dann ist es an <strong>der</strong> Zeit, sich<br />

zu wehren. Früher wäre man ja<br />

auf die Barrikaden geklettert,<br />

hätte sich vor Firmeneingängen<br />

postiert und alle möglichen<br />

Schmähparolen skandiert. Die<br />

Verursacher von <strong>der</strong>lei Schandmalen<br />

mussten gebrandmarkt,<br />

mussten zur Verantwortung<br />

gebracht werden.<br />

Nichts von alledem lauten Trara<br />

führen die Grevenbroicher<br />

<strong>Jugend</strong>lichen von <strong>der</strong> Käthe-<br />

Kollwitz-Gesamtschule im<br />

Sinn. Sie haben schon viel früher<br />

gespürt, dass sich in ihrer<br />

Heimat Beängstigendes auftut<br />

– ein Loch nämlich. Und dieses<br />

Loch wird um <strong>der</strong> Braunkohle,<br />

um <strong>der</strong> ach so dringend benötigten<br />

Energie willen nach und<br />

nach Wäl<strong>der</strong>, Fel<strong>der</strong>, Höfe,<br />

Häuser, Dörfer, Städte, Existenzen<br />

verschlingen, Geschichten<br />

vernichten. 1000 Jahre altes<br />

Kulturland muss dem Fortschritt<br />

weichen.<br />

Solange wir von den Großprojekten<br />

dieser Welt, sei es in Brasilien,<br />

China o<strong>der</strong> sonst wo, nicht unmittelbar<br />

betroffen sind, haben<br />

wir schnell vernünftige Sachzwänge<br />

zur Entschuldigung parat.<br />

Sobald poco*mania uns<br />

aber diese perfide Grausamkeit<br />

mit <strong>der</strong> Harmlosigkeit einer<br />

Märchenerzählung aus „Lochland“<br />

näher bringt, erwirken sie<br />

tiefe Betroffenheit, decken sie<br />

die Boshaftigkeit des realen<br />

Handelns bis hin zu dessen Zynismus<br />

schonungslos auf.<br />

Ihr Protest ist ein ganz stiller,<br />

ein unschuldiger, aber ein um<br />

nichts weniger eindringlicher.<br />

Sie wissen sehr wohl, dass sie<br />

mit ihren Eltern im Dilemma<br />

stecken. Wer hackt schon die<br />

Hand ab, die einen füttert?<br />

Und dennoch zwingt das unmittelbare<br />

Miterleben zu verantwortungsvoller<br />

Darstellung<br />

dessen, was die vielfältige Recherche<br />

bei den Betroffenen zu<br />

Tage beför<strong>der</strong>t hat.<br />

Und so erleben wir einen Bil<strong>der</strong>bogen<br />

von rücksichtslosem Vorgehen,<br />

von berührenden Verlusten,<br />

von stillen Schmerzen. Da<br />

mag sich <strong>der</strong> Großkonzern noch<br />

so bemühen, das Gefühl, über<br />

den Tisch gezogen, <strong>der</strong> Kindheitserinnerungen<br />

beraubt,<br />

entwurzelt und in gleichförmige<br />

Reihenhaus siedlungen<br />

umgetopft zu werden, lässt<br />

sich nicht vertreiben. Die finanziellen<br />

Vorteile <strong>der</strong> Konzerne<br />

sind nicht zu leugnen, Plün<strong>der</strong>er<br />

und Gaffertourismus tun ein<br />

Übriges, den Betroffenen die<br />

Würde zu nehmen. Die Aussicht<br />

auf renaturierte blühende<br />

Landschaften zum Schwimmen,<br />

Segeln o<strong>der</strong> Kanufahren klingen<br />

da wie blanker Hohn.<br />

Mit einer Vielzahl unterschiedlicher<br />

theatraler Mittel geht die<br />

Gruppe zu Werke. Da steht Satirisches<br />

neben <strong>der</strong>ber Komik,<br />

Lyrisches neben Plakativem, Videoeinspielung<br />

neben Klanginstallation,<br />

Puppenspiel neben<br />

personalem Spiel. Auf diese<br />

Weise erhält jede <strong>der</strong> 15 Szenen<br />

einen ihr angemessenen Charakter,<br />

um schließlich in archaischer<br />

Form das böse Märchen<br />

vom Verlust <strong>der</strong> Heimat zu erzählen.<br />

Damit werfen die Grevenbroicher<br />

eindringlich grundsätzliche<br />

Fragen nach unserem<br />

Umgang mit Umwelt und uralter<br />

Kultur auf.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Stimmen zum Stück<br />

+++ gut, nicht sich selbst zum thema zu nehmen, son<strong>der</strong>n<br />

etwas, für das man sich engagiert +++ politisch +++ gute<br />

aufarbeitung eines ernsten themas +++ großartiger<br />

wechsel von ernst und humor +++ unterhaltsam +++ von<br />

anfang an volle schauspielerische leistung auf <strong>der</strong> bühne<br />

+++ wun<strong>der</strong>schöne sprache +++ erfrischend, eine an<strong>der</strong>e<br />

thematik als nur die spieler auf <strong>der</strong> bühne zu sehen +++<br />

berührend +++ schöne bühnenbil<strong>der</strong> haben wir da erlebt,<br />

beispielsweise wie sie die bil<strong>der</strong> aufgehängt haben und<br />

schnell die leinwand aufgebaut haben +++ ich habe mich<br />

oft gefragt, ob das noch theater o<strong>der</strong> schon film ist +++<br />

so viele medien wurden verwendet +++ bisschen zu sehr<br />

hollywood +++ geniales bühnenbild +++ die politik wurde<br />

hier auf die bühne geholt, mit allen potentialen, die dadurch<br />

entstehen, und einigen gefahren, die sich ergeben<br />

+++ langatmig +++ voll betroffenheit +++ schwierig +++<br />

brechttheater +++ heftig! ich hatte noch nie vom thema<br />

gehört und war völlig überrascht und emotional bewegt<br />

+++ seltsamer abspann +++ selten habe ich so lustiges<br />

politisches theater gesehen +++ gute metaphern +++ beeindruckend<br />

+++ ich hoffe, die lochlän<strong>der</strong> können noch<br />

lange so fröhlich am theater arbeiten +++<br />

45


Rezensionen<br />

Ein Märchen über das Verschwinden – von Margarita Iov<br />

Tosenden Applaus gab es gestern<br />

für „Lochland“ von<br />

poco*mania <strong>der</strong> Käthe-Kollwitz-Gesamtschule<br />

aus Grevenbroich.<br />

Das Ensemble erzählt<br />

uns ein zynisches Märchen<br />

über den Kohleabbau im Ruhrgebiet,<br />

<strong>der</strong> langsam dahin<br />

schwindenden Heimat <strong>der</strong> Darsteller.<br />

Auf dem Grund des<br />

Lochs leben die Geld scheißenden<br />

Wolkenmacher. Eine böse<br />

Fabel, die lei<strong>der</strong> wahr ist. Im<br />

Grunde: Theater nach Brecht,<br />

klassische Verfremdungseffekte<br />

wie die grotesk komisch gespielten<br />

Dialoge, stark übertriebenes<br />

Mienen und Gestenspiel, Sprechchöre,<br />

karikaturhafte, gogoleske<br />

Figuren (die Absperrer), Schil<strong>der</strong><br />

(„Gott ist schon weg“). Das<br />

Stück hat haupt sächlich wegen<br />

<strong>der</strong> starken schauspielerischen<br />

Leistung <strong>der</strong> Darsteller und dem<br />

starken Medieneinsatz so gut<br />

funktioniert: Reibungsloser und<br />

schneller Kulissenumbau, einfache,<br />

aber wirkungsvolle Effekte,<br />

atmosphärische Kamerafahrten<br />

durch die Straßen<br />

nicht mehr existieren<strong>der</strong> Orte,<br />

sphärischmelancholische Musik,<br />

zum Teil sogar live eingespielt.<br />

Tatsächlich hätte es<br />

auch mit etwas weniger Aufwand<br />

genauso gut funktioniert.<br />

Aber das Wesentliche an „Lochland“<br />

waren die Inhalte, nicht<br />

die Mittel. Das junge Ensemble<br />

hat sich an eine originelle und<br />

interessante Thematik herangewagt,<br />

die nicht direkt mit ihrem<br />

Alltag zu tun hat, aber dadurch<br />

nicht weniger persönlich<br />

ist. Das Loch erinnert an das<br />

„Nichts“ aus <strong>der</strong> unendlichen<br />

Geschichte. Es wächst und wan<strong>der</strong>t<br />

und verschluckt Häuser,<br />

Tiere, bald ganze Dörfer, es<br />

drängt die Menschen aus ihren<br />

Häusern und das geht nahe. Die<br />

persönlichen Schicksale älterer<br />

Anwohner werden in einem kurzen<br />

Dokumentarfilm vorgestellt,<br />

in dem sie von <strong>der</strong> erzwungenen<br />

Umsiedlung er zählen. Einziger<br />

großer Patzer des Abends war in<br />

meinen Augen <strong>der</strong> Abspann, <strong>der</strong><br />

gut gemeint war, das Anliegen<br />

aber aus irgendwelchen Gründen<br />

noch mal direkt formuliert<br />

und ein bisschen zu sehr auf die<br />

Tränendrüse gedrückt hat.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Apokalypse Loch – von Anna Theresia Bohn<br />

Von Beginn an ist die Bühne ein<br />

visuell ästhetisch komponiertes,<br />

simples Bild: An einer<br />

schwarzen Stellwand werden<br />

eingerahmte Fotos aufgehängt;<br />

Außen- und Innenansichten,<br />

Kraftwerke und leere<br />

Stühle in verlassenen Häusern.<br />

Die eingerahmten Erinnerungen<br />

werden im Laufe des Stückes<br />

gewendet, sodass aus den<br />

Rahmen junge und alte Augen<br />

<strong>der</strong> Betroffenen auf die Zuschauenden<br />

blicken. Auch<br />

wirkt ein vor dem Gesicht gehaltener<br />

Bil<strong>der</strong>rahmen als Erzählrahmen<br />

für die Spielenden.<br />

Das alles ist visuell sehr ansprechend.<br />

Nur das Loch sieht man<br />

nicht als Fotografie. Es bleibt<br />

die unheimliche Frage: Wie<br />

sieht es wirklich aus? Was ist da<br />

drin? Diese Ungewissheiten<br />

verleihen dem Loch eine lebendige<br />

Kraft, eine Eigendynamik,<br />

die das Stück antreibt. Das politische<br />

Anliegen wird variiert,<br />

künstlerisch gestaltet. Die<br />

Spielenden nähern sich diesem<br />

Thema mal durch verfremdende<br />

highpitch-Stimmen, mal<br />

durch grotesken Zirkus, mal<br />

durch bitteren Zynismus, mal<br />

durch Kasperle-Theater und<br />

immer wie<strong>der</strong> auch mit ernstem<br />

<strong>Dokumentation</strong>sanspruch.<br />

Die vielen Perspektiven, die dadurch<br />

auf das Thema gerichtet<br />

werden, verhin<strong>der</strong>n, dass das<br />

Stück sich reduzieren lässt auf<br />

die simple For<strong>der</strong>ung nach Betroffenheit.<br />

Im Gegenteil: Hier<br />

soll ein synästhetisches Erfahren<br />

geschaffen werden. Das<br />

Engagement von poco*mania<br />

besteht darin, akustisch, visuell<br />

und biografisch das Thema <strong>der</strong><br />

einstürzenden Erde – bedingt<br />

durch den Kohleabbau – auf die<br />

Bühne zu bringen. Alle Sinne<br />

ansprechen. Man hört den<br />

Wind, das erdige Geräusch des<br />

sich ausweitenden Lochs.<br />

Schnell wird dabei das Kernproblem<br />

<strong>der</strong> Anschaulichkeit des<br />

Lochs klar thematisiert: Kein<br />

Märchen und keine inszenierte<br />

Imagination kann ein adäquates<br />

Bild erschaffen. Es geht<br />

poco*mania um die Lebensrealität<br />

in diesem Szenario. So<br />

stellen sie fest, „jetzt sind sie<br />

alle fort, unsere Lieblingsplätze“.<br />

Es geht um die Denk- und<br />

Lebensweise, um die sozialen und<br />

psychologischen Auswirkungen<br />

47


auf die betroffenen Menschen.<br />

Wie ist das Leben mit <strong>der</strong> drohenden<br />

Präsenz des Lochs? Um eine<br />

Erklärung für das Geschehen zu<br />

finden, wird sich im Spiel an <strong>der</strong><br />

Struktur des Märchens orientiert.<br />

So wird die Figur des dummen,<br />

profitgierigen Königs eingeführt.<br />

Weitere Kunstfiguren<br />

werden erdacht. Ein Wolkenmacher<br />

wird entdeckt. Kapitalismus<br />

und Stoffwechsel werden<br />

in Verbindung gebracht:<br />

Kohle, im doppelten Wortsinn,<br />

trifft auch die doppelte Schuld,<br />

zum einen durch den Abbau des<br />

Rohrstoffes und zum an<strong>der</strong>en<br />

durch den finanziellen Profit.<br />

Das Erzählen wird genutzt, um<br />

Hoffnungen einen Ausdruck zu<br />

geben, „jetzt kommt das Wun<strong>der</strong>“,<br />

um das Gespielte danach<br />

zu kommentieren und in seiner<br />

Fiktionalität zu entlarven. Immer<br />

wie<strong>der</strong> werden die Szenen<br />

beendet, indem die Leinwand<br />

aufgebaut wird, um in Farbo<strong>der</strong><br />

Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />

zu White Noise eine Fahrt durch<br />

die verlassenen Dörfer zu führen.<br />

Eine Gespensterstadt mit<br />

zugewachsenen Verkehrsschil<strong>der</strong>n.<br />

Beschmierungen, Ruinen,<br />

unwirklich wirkende Skelette<br />

<strong>der</strong> Windrä<strong>der</strong>. Apokalyptische<br />

Landschaften. Bei all dem kristallisiert<br />

sich die Tragik des unwi<strong>der</strong>ruflichen<br />

Abschieds heraus:<br />

„Irgendwann ist alles weg,<br />

was mal war“. Am Ende wird <strong>der</strong><br />

ernste, politische Anspruch<br />

deutlich. Eine Betroffene erzählt,<br />

„meine Heimat ist ein<br />

Loch und irgendwann ein Baggersee“.<br />

Die Tatsächlichkeit des<br />

Geschehens wirkt umso bedrücken<strong>der</strong><br />

vor den humorvollen<br />

Szenen zuvor. Auch erinnern die<br />

Nahaufnahmen des Rauches<br />

aus den Kohlekraftwerken an<br />

Alexan<strong>der</strong> Kluges Katastrophen-Kürzestfilme.<br />

Crescendo.<br />

Die Musik wird voll aufgedreht,<br />

die geographischen Muster <strong>der</strong><br />

Ackerfläche werden hinausgezoomt,<br />

bis die Welt in ihrer Totalität<br />

gezeigt wird. Im Anschluss<br />

ein Abspann mit <strong>der</strong><br />

Widmung an die betroffenen<br />

Dörfer, eine alphabetisch geordnete<br />

Liste, die den Zuschauenden<br />

überfor<strong>der</strong>t. Die das<br />

Anliegen am Schluss lei<strong>der</strong><br />

überzeichnet. Es wird versucht,<br />

die Zukunft in Fakten zu begreifen.<br />

Das Loch wird weiterwachsen.<br />

Es wird ein 27m² großer<br />

Restsee übrigbleiben. Stark ist<br />

die Intention des Abspanns<br />

deutlich, unmittelbar appellierend.<br />

Man muss sich fragen:<br />

Wie gehe ich nun damit um?<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


99 Prozent<br />

spinaTheater − junges ensemble solingen<br />

Dienstag, 28. Mai <strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Fabian Bauer, Johannes Berkholz, Aylin Cam, Caroline<br />

Heiner, Lena Mergard, Julia Nau, Daphne Sassin,<br />

Marie Stute, Dustin Weber<br />

Regie: Christoph Stec, Jan-Marco Schmitz<br />

Choreografie: Gabriela Tarcha<br />

Kostüme: Marie Stute<br />

Stimmbildung: Corinna Elling-Au<strong>der</strong>sch<br />

Gruppenportrait – von Margarita Iov<br />

Das junge Ensemble des spinaTheaters aus Solingen<br />

besteht aus neun Spielern und Spielerinnen<br />

zwischen 16 und 21, die privat gar nicht so politisch<br />

sind, wie man nach einem Blick ins Programmheft<br />

vielleicht denken könnte. Denn heute<br />

Abend wird es um Revolution gehen und um die<br />

wachsende Schere zwischen Arm und Reich. „99<br />

Prozent“, ein in Eigenregie (Christoph Stec, Jan-<br />

Marco Schmitz) und nach dem Leitbild des demokratischen<br />

Theaters produziertes Stück, beschäftigt<br />

sich kritisch mit sozialen und<br />

politischen Fragen. Hauptsächlich mit <strong>der</strong> Frage,<br />

wie viel uns ein Krieg am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Welt<br />

eigentlich angeht. Daran mitgeschrieben hat<br />

je<strong>der</strong>, gearbeitet wurde in Collagentechnik. Die<br />

neun gehen das Risiko des partizipativen Theaters<br />

selbstbewusst ein und gehen heute Abend<br />

entspannt auf die Bühne. Eine Reaktion wird es<br />

auf jeden Fall geben, sagen sie. Auf die Frage, ob<br />

es denn heute Abend eine waschechte Revolution<br />

geben würde, antworten die Solinger geheimnisvoll<br />

lächelnd: möglicherweise ja! Was wir heute<br />

ganz bestimmt zu sehen (und zu hören!)<br />

kriegen, ist Empörung. „Raushalten geht nicht“,<br />

schreibt Jurorin Carmen Waack. „Wer den Raum<br />

betritt, gehört unweigerlich dazu.“ Also um 20:00<br />

Uhr, ab in den Saal und sich anstecken lassen!<br />

51


Die Jury zur Auswahl – von Carmen Waack<br />

„Schlag zurück! Schlag zurück!<br />

Schluck’s nicht – spuck’s aus,<br />

schlag zurück!<br />

Mit Worten, mit Fäusten, mit<br />

Lachen, mit Schreien – Es gibt<br />

tausend Wege, finde deinen.“<br />

Früchte des Zorns<br />

99%<br />

Neunundneunzig Prozent ist<br />

knapp einhun<strong>der</strong>t Prozent,<br />

aber eben nicht ganz. Neunundneunzig<br />

Prozent ist eine<br />

Drohung und ein Versprechen.<br />

Neunundneunzig Prozent ist<br />

eine Sammlung.<br />

Neunundneunzig Prozent ist:<br />

Ein Papierflieger, <strong>der</strong> in einen<br />

Turm stürzt, <strong>der</strong> Beginn des<br />

Kampfes gegen den unsichtbaren<br />

Terrorismus, eine stürzende<br />

Mauer, ein flackerndes Herz,<br />

die Freude über einen Burger,<br />

<strong>der</strong> weniger als einen Euro kostet,<br />

o<strong>der</strong> auch nicht, Waffen,<br />

die sechs Wände Stahlbeton<br />

durchbrechen, zu Hause im<br />

Wohnzimmer sitzen, während<br />

die Welt ringsum immer gewalttätiger<br />

wird, „Hol die Ellenbogen<br />

raus – Bück dich hoch“,<br />

eine Runde Mitleid in <strong>der</strong><br />

Mitleid erregendsten Show<br />

Deutschlands mit <strong>der</strong> kleptomanischen<br />

Karo und <strong>der</strong> mickrigen<br />

Marie, ein abgeholzter<br />

Wald, tote Küken, Kin<strong>der</strong>soldaten,<br />

die For<strong>der</strong>ung, dass die<br />

Welt aufhört, einem ein<br />

schlechtes Gewissen zu machen:<br />

Man will nicht wissen,<br />

welche Kin<strong>der</strong>hände die eigenen<br />

T-Shirts genäht haben, wie<br />

ein Actionfilm, in dem schon<br />

längst alles explodiert wäre,<br />

eine Huldigung an die Lebensmittelkonzerne<br />

dieser Welt,<br />

(Geheiligt werden eure Marken!),<br />

wie <strong>der</strong> Song „Wenn mal<br />

mein Herz unglücklich liebt“,<br />

das Versprechen von „No more<br />

nightmares“, die Vermutung,<br />

dass keiner wohl Lust haben<br />

wird, so lange zu warten, bis<br />

ein Hungerstreik vorbei wäre,<br />

die Chance, „Tabu“ zu spielen<br />

mit Kevin Normalverbraucher,<br />

die Gewissheit darüber, dass<br />

wir unsere Ärsche hochkriegen<br />

müssten, um die Welt zu retten,<br />

(doch dazu sind wir viel zu<br />

faul!), wie mit <strong>der</strong> Heckenschere<br />

auf die Schokoregale im Supermarkt<br />

loszugehen, mit dem<br />

Feuerzeug das Öl anzünden,<br />

neunundneunzig Prozent ist ein<br />

Schlag zurück...<br />

Aber, um erst mal die Grundlagen<br />

zu klären: Neunundneunzig<br />

Prozent ist ein offenes Stück!<br />

Das heißt, wer will, kann mitmachen.<br />

Es ist je<strong>der</strong>zeit möglich,<br />

sich zu beteiligen.<br />

Jede und je<strong>der</strong> ist also gefragt,<br />

dieses Stück mitzugestalten und<br />

zu den 99% das hinzuzugeben,<br />

dass zu den hun<strong>der</strong>t Prozent<br />

vielleicht noch fehlt. Raushalten<br />

geht nicht. Wer den Raum betritt,<br />

gehört unweigerlich dazu.<br />

Die Grenzen verschwimmen:<br />

Politische Versammlung o<strong>der</strong><br />

Lecture-Performance, aktuelle<br />

Nachrichtencollage o<strong>der</strong> Folterkabinett,<br />

Tanz o<strong>der</strong> satirische<br />

Revue, Showeinlage o<strong>der</strong><br />

künstlerisches Experiment? Wie<br />

immer, wenn die klaren Linien<br />

zwischen Genres und Veranstaltungsformen<br />

verschwimmen,<br />

entsteht etwas ganz Beson<strong>der</strong>es:<br />

Die Bewusstwerdung des<br />

Live-Momentes, die Frage nach<br />

<strong>der</strong> individuellen Mitverantwortung<br />

aller Anwesenden für<br />

eine Situation, die Verdeutlichung<br />

<strong>der</strong> Ko-Präsenz zwischen<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Performer/-innen und Zuschauenden,<br />

die nur das Theater<br />

herstellen kann, das Involviert-Sein,<br />

das Sich-nichtentziehen-können.<br />

Bei 99% geht es also um die<br />

Frage nach Teilhabe und Beteiligung.<br />

Im Theater, im Privaten<br />

und im Politischen. Wann bewegst<br />

du dich? Wann unterschreibst<br />

du eine Petition?<br />

Wann spendest du für Kin<strong>der</strong>,<br />

die T-Shirts nähen o<strong>der</strong> Waffen<br />

tragen? Wann schwimmst du<br />

gegen den Strom? Wann stehst<br />

du auf und brüllst aus Leibeskräften:<br />

„Ihr könnt mich alle<br />

mal am Arsch lecken. Ich lass<br />

mir das nicht länger gefallen!?“<br />

Die Gruppe vom spinaTheater<br />

hat ihren Weg gefunden, zurückzuschlagen.<br />

Angeleitet von<br />

zwei ehemaligen Spielern entwickelt<br />

sie im kollektiven Verfahren<br />

eine Inszenierung, die<br />

Mut macht. Die Gruppe wütet<br />

ungehemmt im multifunktionalen<br />

Bühnenbild aus immer<br />

wie<strong>der</strong> neu zu kombinierenden<br />

Pappkartons, die mal als ordentliche<br />

Wand dem Publikum<br />

die Sicht auf die Bühne<br />

versperren, mal zum Schlachtfeld<br />

werden. Auch die Kostüme<br />

sind einfach und unaufdringlich.<br />

Ein zerrissenes Abendgewand<br />

und ein rotes Kleid<br />

werden symbolträchtig. Im<br />

Vor<strong>der</strong>grund steht immer die<br />

direkte, unverstellte und energetisch<br />

aufgeladene Spielweise<br />

<strong>der</strong> einzelnen Akteur/-innen.<br />

Sie verausgaben sich, rennen,<br />

toben, proklamieren, schreien,<br />

singen, musizieren, tanzen, riskieren,<br />

improvisieren und tun<br />

selten so als ob. Die Spieler/-<br />

innen wollen (immer mit einem<br />

geschickten Augenzwinkern),<br />

dass auch ihr Publikum richtig<br />

wütend wird. Dieses Experiment<br />

gelingt.<br />

Und das Herz – ein Muskel in<br />

<strong>der</strong> Größe einer Faust – schlägt<br />

höher, wenn das Theater von<br />

jungen Menschen so viele Fragen<br />

stellt, eine so große Formenvielfalt<br />

entwickelt und<br />

ein so facettenreiches und<br />

selbstreflektiertes Bild einer<br />

Generation wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

53


Stimmen zum Stück<br />

+++ mutig ist, dass man grenzen überschreitet, auch im theater:<br />

man muss das publikum beeinflussen, und das schafft dieses<br />

stück auf jeden fall +++ kraftvoll +++ man war die ganze zeit<br />

im stück drin, man konnte je<strong>der</strong>zeit mitmachen, wenn man<br />

wollte, und das ist eine idee, die in jedes stück gehört +++ lei<strong>der</strong><br />

hat keiner das human mic ausprobiert +++ stimmung einer<br />

revolution +++ sie haben dieses durcheinan<strong>der</strong> einer revolution<br />

gut abgebildet, indem sie zum beispiel die kisten immer wie<strong>der</strong><br />

verschoben haben +++ spielfreude +++ unglaubliche körperspannung<br />

+++ wun<strong>der</strong>schöne tanzszenen +++ sehr körperlich<br />

+++ ich hab in diesem stück keine auseinan<strong>der</strong>setzung gesehen,<br />

die irgendetwas neues gebracht hätte +++ ich weiß nicht, was<br />

sie hätten machen können, um mich zu wirklicher empörung<br />

zu bringen, ich hab mich jedenfalls nicht empört – vielleicht,<br />

weil sie so empört waren +++ ich hab das politische vermisst,<br />

weil ich keine positionen gesehen habe +++ ich fühlte mich an<br />

einigen stellen erpresst: ich möchte nicht, dass sich menschen<br />

meinetwegen schlagen lassen +++ mit <strong>der</strong> szene, in <strong>der</strong> das<br />

mädchen geschlagen wurde, wurde wirklich erreicht, was gesagt<br />

wurde +++ das mit den nettotüten war richtig krass, ich<br />

hatte richtig angst, dass sie ersticken +++ die haben ihre<br />

message (kritik an den medien) so unglaublich konsequent<br />

rübergebracht +++ alles blieb plakativ an <strong>der</strong> oberfläche +++<br />

haben sie die thematik wirklich verstanden? +++ ich hab selten so<br />

viel qualität im jugendtheater gesehen und selten so große<br />

bil<strong>der</strong>, auf die man sich so einlassen kann +++<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Rezensionen<br />

Wanted: Offenheit – von Lydia Dimitrow<br />

Es ist so schön, wenn sie tanzen.<br />

Immer wie<strong>der</strong> baut das<br />

spinaTheater in seine Inszenierung<br />

stimmige Choreografien<br />

ein; die Spieler tanzen ganze<br />

Songs o<strong>der</strong> lassen eher nebenbei<br />

gemeinsame Bewegungsmuster<br />

ins Stück einsickern. Die<br />

sind gut geprobt und nicht kitschig,<br />

suggerieren dieses ironische<br />

Augenzwinkern, diesen<br />

provokativen Unterton, die Kritik<br />

oft vor Plattheit bewahren.<br />

So zum Beispiel, wenn sie zu<br />

Deichkind eine Art Ausbeutungschoreografie<br />

tanzen:<br />

„Bück dich hoch! Komm steiger<br />

den Profit! Bück dich hoch!<br />

Sonst wirst du ausgesiebt!“ Das<br />

sieht gut aus und macht Lust<br />

auf mehr (viel mehr!). Ein Vorzug<br />

dieser Tanzparts ist allerdings<br />

auch ganz einfach, dass<br />

die Spieler in diesen Szenen<br />

nicht sprechen. Denn die überraschende<br />

Kraft, die diese<br />

Tanzszenen haben und die einen<br />

gewissen Assoziationsraum<br />

eröffnen, fehlt den Argumenten<br />

des Ensembles, und so<br />

passiert inhaltlich wenig Interessantes<br />

an diesem „99<br />

Prozent“-Abend. Es geht ihnen<br />

um Ungerechtigkeit und Unterdrückung,<br />

um die Fehler im<br />

System und um selbstzerstörerisches<br />

Inkaufnehmen viel zu<br />

vieler Dinge. Aber eben viel zu<br />

viele Dinge sind es auch, die das<br />

(vielleicht vermeintliche) Interesse<br />

<strong>der</strong> Spieler ausmachen;<br />

von Massentierhaltung bis Kin<strong>der</strong>soldaten<br />

ist alles dabei, nur<br />

geht bei diesem Topic-Dropping<br />

die Möglichkeit auf inhaltliche<br />

Tiefe und echte Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

schlicht verloren.<br />

Das wäre auch gar nicht so<br />

schlimm, wenn „99 Prozent“<br />

ein Stück über einen Diskurs<br />

wäre, über einen Weltverbesserungsdiskurs<br />

zum Beispiel o<strong>der</strong><br />

darüber, warum so viele nichts<br />

an dem än<strong>der</strong>n, worüber sie<br />

sich beschweren. Aber es<br />

scheint dem Ensemble aus Solingen<br />

doch viel mehr am Herzen<br />

zu liegen, dass das Publikum<br />

sich mit ihnen empört,<br />

richtig wütend, mit ihnen<br />

kampfbereit wird.<br />

Und das ist wahrscheinlich das<br />

größte Problem <strong>der</strong> Inszenierung:<br />

dass sie so viel vom Publikum<br />

will. Die Zuschauer sollen<br />

Geld geben, Tabu spielen, aufstehen<br />

und sagen: „Ihr könnt<br />

mich mal am Arsch lecken!“ Mit<br />

dieser For<strong>der</strong>ung öffnet und<br />

schließt das Stück: „Ich will,<br />

dass ihr aufsteht und sagt – ihr<br />

könnt mich mal am Arsch lecken!“<br />

Am Anfang steht niemand<br />

auf, am Stückende fast<br />

<strong>der</strong> ganze Saal. Aber ist das<br />

jetzt als Erfolg zu verbuchen?<br />

Wenn 300 Leute aufstehen und<br />

brüllen: „Ihr könnt mich mal<br />

am Arsch lecken“? Das ist we<strong>der</strong><br />

provokativ noch neu und<br />

wirkt mehr wie etwas, das man<br />

an<strong>der</strong>norts als Stimmungsmache<br />

o<strong>der</strong> Agitation bezeichnen<br />

würde. Und will man das beim<br />

Theaterbesuch? Politik hin o<strong>der</strong><br />

her, niemand wird gern instrumentalisiert,<br />

auch nicht im<br />

Theater. Das spinaTheater<br />

macht gleich zu Anfang ein<br />

Versprechen, das es am Ende<br />

nicht einlöst: „Unser Stück ist<br />

offen.“ Da gebe es ein Mikro,<br />

das die ganze Zeit an sei; je<strong>der</strong><br />

könne je<strong>der</strong>zeit hingehen und<br />

hätte dann eine Minute Zeit,<br />

seine Meinung zu sagen. Da ergeben<br />

sich schon beim Konzept<br />

die ersten Probleme: Wenn<br />

man ein „offenes“, ein „demokratisches“<br />

Stück machen will<br />

– warum haben die Spieler dann<br />

so viel Zeit, ihre Meinung zu äußern,<br />

wie sie wollen, und die<br />

Zuschauer nur eine Minute?<br />

Wer macht die Regeln? Wozu<br />

braucht man überhaupt Regeln?<br />

Das viel größere Problem<br />

ist aber, dass es im Stück gar<br />

keinen bewusst eingeräumten<br />

Raum für diese Meinungsäußerung<br />

gibt: „99 Prozent“ ist so<br />

durchinszeniert, mit Lichtwechseln,<br />

Multimediashow und<br />

je<strong>der</strong> Menge Musik – an welcher<br />

Stelle sollte sich da das Publikum<br />

einschalten? Das Vorhaben<br />

wirkt nicht aufrichtig, allein<br />

schon, weil man sich als<br />

Zuschauer oft gar nicht ernst<br />

genommen fühlt: „Da das relativ<br />

lange gedauert hat, machen<br />

wir erst mal was Lustiges<br />

55


mit euch“ – wer seinem Publikum<br />

eine so geringe Belastungs-<br />

und Aufmerksamkeitsspanne<br />

unterstellt, kann doch<br />

auf keinen echten Dialog aus<br />

sein? Dann soll die Pseudo-Offenheit<br />

mit einem gemeinsamen<br />

Tabu-Spiel unterstrichen<br />

werden (gesuchte Begriffe:<br />

Wettrüsten und Joseph Kony),<br />

aber wäre echte Offenheit<br />

nicht eher, wenn die Spielkarten<br />

nicht nur vom Ensemble kämen,<br />

son<strong>der</strong>n auch vom Publikum?<br />

Aber auf so viel Risiko,<br />

wie dass dann themen irrelevante<br />

Begriffe wie Blumenvase<br />

aufkämen, will sich die Produktion<br />

dann eben doch nicht einlassen.<br />

Das Ensemble will Geld<br />

sammeln für ihre Theatergruppe.<br />

Dafür soll ein Mädchen so<br />

lange geschlagen werden, bis<br />

die Zuschauer zusammen 70<br />

Euro gezahlt haben. So offen,<br />

dass das Geld, das tatsächlich<br />

dabei zusammenkommt und<br />

angeblich über 70 Euro beträgt,<br />

öffentlich gezählt wird, sind die<br />

Spieler dann auch nicht. Das<br />

Publikum muss die Behauptung<br />

einfach mal glauben und weiß<br />

eigentlich auch nicht, was genau<br />

denn mit dem Geld gemacht<br />

werden soll. Stattdessen<br />

gibt es noch eine verbale Backpfeife,<br />

denn das Ganze habe<br />

„ja relativ lange gedauert”.<br />

Sieht diese Intransparenz nicht<br />

genauso aus wie die, mit <strong>der</strong><br />

man sich im täglichen Leben so<br />

oft konfrontiert sieht und die<br />

das Ensemble eigentlich kritisieren<br />

will? Man kann Machtstrukturen<br />

schlecht kritisieren,<br />

indem man selber welche<br />

schafft. Geld für die eigene Sache<br />

unter Androhung von Gewalt<br />

einzufor<strong>der</strong>n, nennt man<br />

Erpressung. Und von jemandem<br />

verlangen, die Meinung<br />

eines an<strong>der</strong>en mit einer Masse<br />

laut in den Raum zu rufen (“mic<br />

check!”), hat mehr mit Instrumentalisierung<br />

als mit Befreien<br />

zu tun. Es hätte ein tolles Tanzstück<br />

werden können, die Produktion<br />

des spinaTheaters. Und<br />

vielleicht auch noch viel mehr,<br />

weil da fähige und engagierte<br />

Schauspieler auf <strong>der</strong> Bühne<br />

standen. Aber dann hätte man<br />

erst anerkennen müssen, dass<br />

Wut vielleicht ein erster Schritt<br />

ist, aber nicht <strong>der</strong> ganze Weg.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Wir sind gekommen, um. – von Felix Kracke<br />

Meterhoch und -breit steht uns<br />

die aus Pappkartons gestapelte<br />

Mauer entgegen, die eingerissen<br />

werden soll und wird. Es ist<br />

eine Mauer von Vielen. Die aus<br />

Berlin natürlich, ganz konkret,<br />

aber auch die vielzitierten Mauern<br />

in Köpfen, Sinnbild für Wi<strong>der</strong>stand<br />

und Dekonstruktion.<br />

Eine Mauer ist dann Mauer,<br />

wenn sie sich zerlegen lässt,<br />

wird zum steinernen Bild des<br />

Stachels, <strong>der</strong> dem System gezogen<br />

werden soll. Viele Beispiele<br />

ließen sich dafür finden,<br />

gleich zu Beginn werden uns via<br />

Ton- und Videoeinspielungen<br />

Referenzräume eröffnet: <strong>der</strong><br />

erwähnte Mauerfall, Live-Berichte<br />

aus Demonstrationsbewegungen,<br />

Nine/Eleven. Das<br />

Versammlungsgesetz wird verlesen,<br />

jetzt endlich: Der Einsturz<br />

im Gegenlicht. Ein fulminantes<br />

Bild. Die Zielsetzungen<br />

des Solinger spinaTheaters sind<br />

klar: Es soll sich empört werden<br />

und aufgeregt, <strong>der</strong> scheinbar<br />

erloschene Zorn neu aufgegossen.<br />

Die titelgebenden 99 Prozent<br />

sind wir, die sich nicht<br />

mehr unterdrücken lassen wollen<br />

vom Patriarchat des einen<br />

Prozent. Es geht gegen die Abholzung<br />

des Regenwaldes, Kin<strong>der</strong>soldaten,<br />

Massentierhaltung,<br />

Ausbeutung bei H&M,<br />

Datenschutz, die EuroKrise: Es<br />

geht eigentlich um alles, politische<br />

Tabula rasa. Die Generation<br />

Facebook, die wir sein<br />

sollen, wird an ihr Thema herangeführt:<br />

Sie liken und sharen,<br />

werfen sich auf jeden Zug, <strong>der</strong><br />

medial vorbeirauscht, sind Follower<br />

je<strong>der</strong> revolutionären Bewegung<br />

und kreisen doch nur<br />

um sich selbst. Damit solle jetzt<br />

Schluss sein, die politische Müdigkeit<br />

soll einer Frischzellenkur<br />

unterzogen werden.<br />

Das geschieht in kurzen, wütenden,<br />

direkten Monologen, in<br />

denen sich hauptsächlich aufgeregt<br />

wird. Über McDonalds,<br />

Nintendo, über die Schwierigkeit,<br />

eine Aktivistin zu sein. Es<br />

geschieht auch im angedeuteten<br />

Talkshowformat, „Eine<br />

Runde Mitleid“, in welcher <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>ator seine armseligen<br />

Kandidatinnen und Kandidaten<br />

sich mal so richtig ausheulen<br />

lässt über dies und das. Für 30<br />

Sekunden, dann ist Schluss.<br />

Auch Ackermann bekommt<br />

sein Fett weg. Der mittlerweile<br />

ehemalige Vorsitzende <strong>der</strong><br />

Deutschen Bank wird zur Abziehfigur<br />

seiner zockenden,<br />

existenzvernichtenden Bänker-<br />

Clique. Im Abzählreim wird seilgesprungen,<br />

die Millionen steigen,<br />

wer stolpert, <strong>der</strong> fliegt. So<br />

schnell und bil<strong>der</strong>reich erzählt<br />

sich das Stück, die Mauerkisten<br />

werden aufgestapelt und<br />

herumgeschoben, werden Versteck,<br />

Gefängnis, Fernseh-<br />

Tisch. Auch Tanzeinlagen fehlen<br />

nicht, beispielsweise zu<br />

Deichkinds „Bück dich hoch“,<br />

eine stylish choreografierte Absage<br />

auf die Mechanismen <strong>der</strong><br />

Arbeitswelt (macht Spaß). Und<br />

es wird gesungen: „Das Herz ist<br />

ein Muskel in <strong>der</strong> Größe einer<br />

Faust“ – mit den Früchten des<br />

Zorns aus dem heimischen AZ<br />

auf die Theaterbühne. Alles ist<br />

wun<strong>der</strong>bar anzusehen und<br />

musikalisch unterlegt, stellenweise<br />

fantastisch, eindringlich<br />

gespielt. Und auf <strong>der</strong><br />

Stelle tretend. Wo führt sie hin,<br />

die Ausformulierung <strong>der</strong> eigenen<br />

Unfähigkeit, Revolution<br />

machen zu können (aus diversen<br />

Gründen)? Ich denke, dass<br />

im künstlerischen Prozess eine<br />

Art Gegen-Logik entwickelt<br />

werden kann, die über eine rationale<br />

Logik hinausgeht, die<br />

darüber hinausgeht, einfach<br />

alles auf die Bühne zu tragen,<br />

was einem zu einem Thema in<br />

den Sinn kommt. Das wird zudem<br />

problematisch, wenn die<br />

Tendenz eines Sozial- und Gewaltpornos<br />

entsteht. In Netto-<br />

Tüten werden Menschen erstickt,<br />

ein Mädchen so lange<br />

geschlagen, bis das Publikum<br />

70 € für das Theater spendet.<br />

Das weist auf nichts als Plattitüden<br />

hin, ist Selbstzweck und<br />

angewiesen auf die emotionale<br />

Wirkung dieser Drastik. Die<br />

Spielweise wird als eine partizipative<br />

verkündet, Eingriffe seien<br />

je<strong>der</strong>zeit möglich. Wahlweise<br />

durch das offene Mikrofon an<br />

57


<strong>der</strong> Bühnenrampe o<strong>der</strong> durch<br />

das sogenannte Human Mic,<br />

<strong>der</strong> verkörperte Lautsprecher.<br />

Aufstehen, „Mic Check“ sagen,<br />

seine Botschaft an die Bühne<br />

richten, und das Publikum<br />

skandiert mit. Das mit <strong>der</strong> Partizipation<br />

ist natürlich hanebüchener<br />

Unsinn: Eine Form wird<br />

nicht dadurch geöffnet, dass<br />

man es behauptet. In dem<br />

extrem geschlossenen Ablauf<br />

des Abends ist kein Eingreifen<br />

möglich. Unvorstellbar, dass jemand<br />

während einer Tanzszene<br />

die Bühne betritt, um seine<br />

Meinung über den Syrien-Konflikt<br />

kund zu tun o<strong>der</strong> seine Eltern<br />

zu grüßen. Das Machtmonopol<br />

<strong>der</strong> Bühne wird nie<br />

abgegeben, höchstens Statist<br />

dürfte man werden. Es ist ja<br />

auch gar nicht klar, was überhaupt<br />

gesagt werden soll. Das<br />

offene Mikro als leere Geste. Es<br />

geht weiter. Das Publikum soll<br />

jetzt allerhand machen. Tabu<br />

spielen, Papierflieger fangen,<br />

irgendwas auf die Bühne brüllen<br />

und eben 70 Euro sammeln: Das<br />

ist Publikums-Instrumentalisierung,<br />

Effekte-Macherei. Ohne<br />

dass eine ironische o<strong>der</strong> intellektuelle<br />

Brechung stattfindet<br />

o<strong>der</strong> überhaupt etwas erzählt<br />

wird. Protest als Form wird genau<br />

zu dem medialisierten<br />

Kunstprodukt, das vermieden<br />

werden soll, zu einer Beschäftigungstherapie<br />

ohne Sinn und<br />

Richtung. Die For<strong>der</strong>ung an<br />

sich, man solle wütend werden,<br />

sich engagieren, klingt pädagogisch<br />

und ist politisch unterkomplex.<br />

Das Publikum wird<br />

pennälerhaft belehrt und seiner<br />

Eigen ständig keit beraubt.<br />

In dem Aufruf, ich solle „Ihr<br />

könnt mich alle mal am Arsch<br />

lecken!“ brüllen, von über dreihun<strong>der</strong>t<br />

Mün<strong>der</strong>n begleitet,<br />

komme ich mir veralbert, nicht<br />

ernst genommen vor. Das ist<br />

keine politische Äußerung, die<br />

anarchisches Potential hätte,<br />

aufrührerisches, die etwas freisetzen<br />

würde, was vorher blockiert<br />

lag: Das ist Dressur. Meine<br />

Meinung zur EU, zu H&M, zur<br />

Wirtschaftskrise passt nicht<br />

auf ein Plakat, lässt sich nicht<br />

in „Ihr könnt mich alle mal am<br />

Arsch lecken!“ zusammenfassen.<br />

Ich möchte das „Ihr“ genauso<br />

wenig teilen wie ein<br />

„Wir“. Ich möchte nicht an <strong>der</strong><br />

Erzeugung einer identitären<br />

Gruppe beteiligt sein, die so<br />

nicht existiert („die <strong>Jugend</strong>“,<br />

„die Mächtigen“). Dann geschieht<br />

das, was immer Gefahr<br />

läuft, zu geschehen, wenn blinde<br />

Wut, ungestümer Aktionismus<br />

versucht, Politik zu machen.<br />

Die suggerierte Politikmüdigkeit<br />

ist also vielleicht gar keine und<br />

die <strong>Jugend</strong> gar nicht unpolitisch,<br />

son<strong>der</strong>n im Gegenteil<br />

sehr wach und sich den komplexen<br />

Strukturen <strong>der</strong> Gegenwart<br />

bewusst. Es ist super, dass<br />

Ihr wütend seid, ich glaube<br />

wirklich an Zorn als wichtigen<br />

Motor für Kunst und Politik,<br />

aber nehmt mich nicht in Geiselhaft.<br />

Ich will mich nicht belehren<br />

lassen. Ich habe meinen<br />

eigenen Zorn.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Romeo und Julia sehr frei nach William Shakespeare<br />

Parkaue-Club 4, Theater an <strong>der</strong> Parkaue –<br />

Junges Staatstheater Berlin<br />

Mittwoch, 29. Mai <strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Maxim Andrijenko, Leon Blaschke, Julius Christodulow, Lina<br />

Gasenzer, Tobias Klee, Lea Mattenklotz, Lucie Oelschläger,<br />

Hannah Rolletschek, Yolanda Rüchel, Joelle Schindler<br />

Regie: Joanna Praml<br />

Dramaturgie: Anne Paffenholz<br />

FZ Portrait – von Luna Ali<br />

„Psssst. Nein. Verratet nichts.” Sie spielen wirklich<br />

„Romeo und Julia.” FZ bestätigt: Das ist kein<br />

Scherz. Die wichtigsten Szenen werden in 33 o<strong>der</strong><br />

35, vielleicht auch in 36 Minuten aufgeführt. Julius<br />

beispielsweise spielt die Nachtigall und Tobias<br />

den Balkon. Felix und Hannah, die angeblich was<br />

miteinan<strong>der</strong> haben, gibt es gar nicht. Denn sie<br />

haben alle was miteinan<strong>der</strong>. Es ist ein Stück über<br />

Liebe, weil sie jeden betrifft. Amor spielt auch<br />

mit. Normalerweise machen die Parkauer biografische<br />

Stücke, aber dieses eine Mal wollten sie<br />

mal ein an<strong>der</strong>es, richtiges Stück inszenieren. FZ<br />

fragt: Warum das alte Liebesstück? Die <strong>Berliner</strong><br />

antworten: „Da wurden die Jungs von den Mädchen<br />

überstimmt. Eigentlich basiert „Romeo und<br />

Julia” auf unserer Geschichte.“ Überhaupt sind<br />

sie eine große Liebesgemeinschaft. Das Schicksal<br />

führte sie vor fünf Jahren zusammen. Während<br />

dieser langjährigen Beziehung haben sie bereits<br />

viele Stücke in die Welt gesetzt, weitere folgen<br />

(passend zu „Romeo und Julia” lautet das<br />

nächste Thema „Sterben“).<br />

61


Die Jury zur Auswahl – von Klaus Riedel<br />

„Romeo und Julia“, neben<br />

„Hamlet“ wohl das berühmteste<br />

Stück Shakespeares, die berühmteste<br />

Liebesgeschichte<br />

<strong>der</strong> Weltliteratur, über dreißigmal<br />

verfilmt, motivisch hun<strong>der</strong>te<br />

Male in allen künstlerischen<br />

Gattungen adaptiert, als<br />

Deckengemälde von Gustav<br />

Klimt das „Kaisertreppenhaus“<br />

im Wiener Burgtheater zierend,<br />

in schöner Regelmäßigkeit unter<br />

den meistgespielten Stücken<br />

in deutschen Theatern,<br />

gefühlt eigentlich schon auf<br />

je<strong>der</strong> Schul- o<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>bühne<br />

gesehen, damit eigentlich ein<br />

„No-Go-Stück für einen <strong>Jugend</strong>theaterclub“!?<br />

Eigentlich klar, dass man sich<br />

zu Beginn einer Vorstellung erst<br />

einmal dafür öffentlich entschuldigen<br />

muss, bei dieser<br />

Produktion entgegen <strong>der</strong> sonstigen<br />

Tradition des Parkaue-<br />

Club 4 nicht etwas Eigenes gemacht,<br />

thematisch gearbeitet,<br />

son<strong>der</strong>n einen fertigen Spieltext<br />

zur Grundlage genommen<br />

zu haben – und dann auch noch<br />

diesen, Shakespeare, „Romeo<br />

und Julia“, ausgerechnet, das<br />

Über-Drama schlechthin. Aber<br />

die Spielleiterin wollte das so.<br />

Ähm, Glückwunsch.<br />

Die Spielerinnen und Spieler<br />

nehmen also Aufstellung, um in<br />

bester chorischer Manier, ganz<br />

texttreu, den Chor des Prologs<br />

zu Gehör zu bringen. Darin eine<br />

Drohung („Zeigt euch zwei<br />

Stunden unser Bühnenspiel“)<br />

und ein im Gewand <strong>der</strong> erneuten<br />

Entschuldigung daherkommendes<br />

Versprechen („Und wir,<br />

wobei wir sehr auf Nachsicht<br />

zählen, / Wolln das verbessern,<br />

was dem Text mag fehlen.“).<br />

Vierzehn Verse Shakespeare<br />

also, dann tritt laut Textbuch<br />

<strong>der</strong> Chor ab – und bei den jungen<br />

<strong>Berliner</strong>innen und <strong>Berliner</strong>n<br />

ist erst einmal Schluss, zumindest<br />

mit Shakespeare, zumindest<br />

dem Über-Drama, zumindest<br />

mit dem Text. Denn wo in<br />

Shakespeares Tragödie auf einem<br />

öffentlichen Platz zu<br />

Verona die Familienfehde zwischen<br />

den Montagues und den<br />

Capulets beginnt, verhandeln<br />

die Spielerinnen und Spieler,<br />

gleichfalls in aller Öffentlichkeit,<br />

Konflikte und Fragen, die<br />

sich in <strong>der</strong> Gruppe rund um die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />

Spielvorlage ergeben haben:<br />

Was bedeutet Liebe für Mädchen,<br />

was für Jungen? Und was<br />

bedeutet Liebe für jeden Einzelnen?<br />

Und wäre es nicht viel<br />

dringlicher, stattdessen Klimakatastrophe<br />

und Piratenpartei<br />

auf <strong>der</strong> Bühne zu thematisieren?<br />

Christian Wulff also<br />

statt Mercutio?<br />

Wir dürfen <strong>der</strong> Gruppe zuschauen<br />

bei einem Diskurs gewordenen<br />

katalytischen Prozess<br />

in <strong>der</strong> Begegnung mit<br />

einem klassischen Text – und<br />

erleben das Thema Liebe in einem<br />

Schnelldurchlauf von erster<br />

Verliebtheit bis hin zu abgeklärter<br />

Enttäuschtheit. Und<br />

weil Liebe jeden etwas angeht,<br />

diskutieren die <strong>Jugend</strong>lichen<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


das Phänomen nicht abstrakt<br />

und anonym, son<strong>der</strong>n am eigenen<br />

Beispiel: Haben Felix und<br />

Hannah nun etwas miteinan<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> nicht? Und kann das sein,<br />

als Vierzehnjährige wirklich noch<br />

nicht geküsst worden zu sein? Pikant<br />

wird das Ganze, wenn man<br />

weiß, dass die heute vierzehnbis<br />

siebzehnjährigen Spielerinnen<br />

und Spieler bereits seit fünf Jahren<br />

als Gruppe zusammen sind,<br />

sie also mithin, vorsichtig formuliert,<br />

eine hochinteressante biografische<br />

Phase miteinan<strong>der</strong><br />

verbracht haben bzw. noch miteinan<strong>der</strong><br />

verbringen.<br />

Das alles wird so kräftig, spielerisch<br />

sicher, selbstironisch und<br />

nachvollziehbar auf die Bühne<br />

gebracht, dass allein damit<br />

obiges Versprechen („Wolln das<br />

verbessern, was dem Text mag<br />

fehlen“) schon eingelöst wäre.<br />

Aber <strong>der</strong> Gruppe gelingt noch<br />

viel mehr: Mit ihrer so demonstrativ<br />

zur Schau gestellten Veröffentlichung<br />

locken sie uns<br />

kunstvoll auf Fährten, denen<br />

wir allzu gerne folgen. Können<br />

wir ihnen aber tatsächlich<br />

glauben o<strong>der</strong> sind wir hier nicht<br />

eher Zeugen eines kunstvollen<br />

Vexier-Spiels mit <strong>der</strong> Als-ob-<br />

Situation des Theaters, Erwartungen<br />

an die Liebe und unsere<br />

Erwartungen an <strong>Jugend</strong>liche<br />

im Umgang mit diesem Thema?<br />

Eines ironisch-reflexiven<br />

Spiels mit Rezeptionsästhetik,<br />

theaterpädagogischen Dogmen<br />

und dem Verhältnis von<br />

Spielleitung und Gruppe? So<br />

gelesen, wird die anfängliche<br />

Entschuldigung zur selbstbewussten<br />

Ansage.<br />

Und nicht zwei Stunden dauert<br />

dieses Spiel, son<strong>der</strong>n dreiunddreißig<br />

Minuten. Nur dreiunddreißig<br />

Minuten – und so viel<br />

gezeigt, so viel erzählt, so viel<br />

verschmitzt gelogen – und so<br />

sehr berührt.<br />

63


Stimmen zum Stück<br />

+++ komplett was an<strong>der</strong>es, als ich erwartet hätte +++<br />

sehr bewusst gespielt +++ sehr unterhaltsam +++ ironisch<br />

+++ das war nicht romeo und julia +++ sehr charmant<br />

+++ ich hab romeo und julia erwartet und dachte, dass<br />

so eine klassische geschichte kommt, und dann haben<br />

sie so etwas lustiges daraus gemacht +++ sie haben alles<br />

mit einem leichten lächeln gespielt, diese leichtigkeit<br />

hat ihnen total gut getan +++ ich dachte schon ich<br />

bekomme eine halbe stunde langweiligen shakespeare,<br />

aber ey: das war so lustig +++ es wirkte sehr authentisch,<br />

ich wusste teilweise nicht, gehört das noch zum<br />

stück o<strong>der</strong> nicht? +++ sehr reduziert, aber trotzdem<br />

effektvoll +++ die taschenlampen haben mir sehr gefallen<br />

+++ wahnsinnig kitschig +++ originell +++ flachwitzig<br />

+++ ich hab von <strong>der</strong> ersten minute bis zu letzten gelacht,<br />

ich spüre meine bauchmuskeln immer noch +++<br />

musste die ganze zeit lachen +++ würde es am liebsten<br />

noch einmal anschauen +++ süß, einfach ganz süß +++<br />

das stück hat die liebe auf den kopf gestellt +++ das<br />

war so schön, wie sie den konflikt innerhalb <strong>der</strong> gruppe<br />

fingiert haben, ich hab mich gefragt, wie wollen die<br />

romeo und julia in 35 minuten spielen?, und das haben<br />

sie so schön gelöst +++ bisher die ungewöhnlichste<br />

interpretation von romeo und julia +++<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Rezensionen<br />

Kalkulierte Risiken – von Fine Riebner<br />

Schon die Ansprache ist unverblümt:<br />

Man entschuldigt sich,<br />

dass man nun keine Eigenproduktion<br />

zeigt, son<strong>der</strong>n ein klassisches<br />

Theaterstück, das sei<br />

aber auch die Schuld von Spielleiterin<br />

Joanna. Das Ensemble<br />

tut nicht so, als sei diese Anrede<br />

echt. Alle sind sich darüber<br />

bewusst, dass sie auf einer<br />

Bühne stehen. Die Metaebene<br />

wurde erfolgreich eröffnet. Der<br />

Parkaue-Club 4 ist das Risiko<br />

eingegangen, ehrlich zu sein.<br />

Und gerade dadurch hat das<br />

Stück gestern einen Raum mit<br />

so vielen Ebenen so leichtfüßig<br />

eröffnet und die Zuschauenden<br />

von jeglichen Vorgaben befreit.<br />

Man durfte einfach Publikum<br />

sein. Jetzt wird das <strong>Jugend</strong>theater<br />

karikiert: Jungen und<br />

Mädchen stehen in schlecht<br />

sitzenden Hemden und Blümchenklei<strong>der</strong>n<br />

im Spot und sprechen<br />

natürlich chorisch den<br />

Eingangsmonolog. Doch schon<br />

hier geht es mit Shakespeare<br />

nicht mehr weiter: Julius ist das<br />

Ganze einfach zu peinlich, er<br />

bricht ab. Es beginnt eine Auseinan<strong>der</strong>setzung,<br />

die Mädchen<br />

wollen die Sache jetzt einfach<br />

durchziehen, außerdem gehe<br />

es um Liebe und das berühre sie<br />

schon auch irgendwie. Es werden<br />

weitere Versuche gestartet,<br />

<strong>der</strong> Vorlage gerecht zu bleiben.<br />

„Wenn wir dürfen und es<br />

von <strong>der</strong> Zeit her okay ist“, wendet<br />

sich eine <strong>der</strong> Schauspielerinnen<br />

an das Publikum. Doch<br />

die Jungen verweigern sich<br />

(schon wie<strong>der</strong>!). Schnell wird<br />

<strong>der</strong> Streit persönlich. Die Gruppe<br />

schmeißt sich gegenseitig<br />

Vorwürfe und Beleidigungen an<br />

den Kopf. Die könnten ernst gemeint<br />

sein o<strong>der</strong> nicht, die Grenzen<br />

zwischen Realität und Theater<br />

verschwimmen. Bis es<br />

nicht mehr weiter geht und Lucie<br />

sich schließlich an Gott<br />

wendet. Und: Gott reagiert.<br />

Das Licht scheint plötzlich rot,<br />

die Musik läuft, Amor tritt auf<br />

und sticht einem nach dem an<strong>der</strong>en<br />

den Stachel <strong>der</strong> Liebe ins<br />

Herz. Die <strong>Jugend</strong>lichen liegen<br />

auf dem Boden und krümmen<br />

sich vor Schmerz. Es ist dunkel.<br />

Dann melden sich zaghaft und<br />

zerbrechlich die ersten Stimmen.<br />

Die Verliebten suchen und<br />

finden sich mit Hilfe von Taschenlampen.<br />

Die junge Liebe<br />

sprießt und blüht schließlich<br />

auf. Alles fühlt sich an wie im<br />

Zeitraffer, aber trotzdem nah.<br />

Gegen die Charmebolzen von<br />

<strong>der</strong> Parkaue kann man sich<br />

kaum wehren und noch besser,<br />

man will es auch gar nicht. Ihre<br />

Darstellungen sind kitschig,<br />

ironisch und treffen mitten ins<br />

Herz. Man will sich verlieren in<br />

dem Stück, man will wie<strong>der</strong><br />

fünfzehn sein, sentimental<br />

werden, mitleiden, mitlachen.<br />

Und das Stück lässt es zu. So<br />

schnell man sich verloren hat<br />

an diesem Abend, so schnell<br />

wird man auch wie<strong>der</strong> hinauskatapultiert.<br />

Das Ende, ähnlich<br />

dem Anfang, ist eine charmante<br />

Vertröstung und schließt den<br />

Rahmen um das Stück: „Sorry<br />

noch mal, dass wir Romeo und<br />

Julia jetzt doch nicht gespielt<br />

haben. Aber die Inszenierung<br />

am <strong>Berliner</strong> Ensemble soll ganz<br />

toll sein.“ Zu den größten Stärken<br />

des Park aue-Clubs gehörten<br />

– neben dem unheimlichen<br />

Charme des begabten jungen<br />

Ensembles – seine Ehrlichkeit<br />

und seine Offenheit. Die ermöglichte<br />

die vielen Ebenen<br />

des Stückes. Es wurde nicht getan<br />

als ob. Von Anfang an war<br />

das Konzept offen und klar:<br />

Scheitern als Chance. Und so<br />

konnten Ängste reflektiert werden,<br />

über sich selbst, die eigene<br />

Zukunft, so konnte gespielt<br />

werden mit verschiedenen Realitäten.<br />

Und neben dem „wirklich“<br />

Inhaltlichen, namentlich<br />

<strong>der</strong> Liebe, wurde es vor allem<br />

ein intelligentes Stück über<br />

Theater, über Erwartungen und<br />

über Identität. Shakespeare<br />

habe ich dabei nicht vermisst.<br />

65


Rezensionen<br />

„Ist Liebe das, was ich jetzt fühle?“ – von Lydia Dimitrow<br />

Wenn auf dem <strong>Theatertreffen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> „Romeo und Julia“<br />

auf dem Spielplan steht, dann<br />

ist natürlich von vornherein<br />

klar, dass es sich dabei nicht<br />

um die konventionellste und<br />

drögeste Klassikerinszenierung<br />

<strong>der</strong> Welt handeln wird. Und<br />

trotzdem kann das Ensemble<br />

vom Parkaue-Club 4 noch überraschen.<br />

Denn es geht ihnen<br />

gar nicht darum, den altbekannten<br />

Stoff irgendwie neu<br />

und funky zu inszenieren, auch<br />

nicht darum, eine eigene Version<br />

zu schreiben, es geht um<br />

keine noch so ferne Adaption –<br />

es geht nur um einen Ausgangspunkt.<br />

Um einen Ausgangspunkt<br />

für ein pointiertes,<br />

witziges Stück übers Teenagersein,<br />

über die „Liebe, love,<br />

l’amour“ und vor allem – übers<br />

Theater. So kommentiert die<br />

Parkaue-Inszenierung ganz<br />

charmant und en passant<br />

Theater pädagogik, <strong>Jugend</strong>theater<br />

und <strong>der</strong>en Hang zu Eigenproduktionen,<br />

einfach Festivaldiskurs:<br />

Man könne „so ’ne<br />

Scheiße“ nicht spielen, denn<br />

„das hat doch gar nichts mit<br />

uns zu tun!“ Eine an<strong>der</strong>er lamentiert:<br />

„Für meine Zukunft<br />

bringt mir dieses Scheißdrecksstück<br />

rein gar nichts!“ Die<br />

nächste kontert: „Sei doch<br />

froh, dass wir ’n richtiges Stück<br />

spielen, da kannst du dich wenigstens<br />

nicht blamieren!“ Am<br />

Ende soll es natürlich auch um<br />

Liebe gehen an diesem Abend,<br />

darum, dass Liebe blind macht,<br />

und darum, dass Liebe ganz<br />

schön vertrackt sein kann. Und<br />

auch hier bewegen sich die <strong>Berliner</strong><br />

ironisch und treffsicher<br />

übers Plattitüdenminenfeld. Er<br />

fragt, ob sie gern schwimme,<br />

sie schwimmt gern, er fragt:<br />

„Darf ich dich mal ins Becken<br />

stoßen?“ „Oh Mann, Tobias,<br />

deine Sprüche sind so cool!“<br />

Man hat viel Spaß an diesem<br />

Abend und findet fast keinen<br />

Moment uninteressant. Was<br />

das Parkaue-Ensemble dafür<br />

braucht? Weiße Hemden, Blümchenklei<strong>der</strong>,<br />

Taschenlampen,<br />

Papierherzchen, nicht viel mehr.<br />

Womit eindrücklich vorgeführt<br />

wird, wie man mit wenigen Mitteln<br />

viel produzieren kann, ganz<br />

ohne bombastisches Bühnenbild<br />

und Multimediashow. Und das<br />

ist doch auch mal schön zu sehen.<br />

Für alle, die die nächste<br />

Inszenierung im eigenen Wohnzimmer<br />

planen. Chapeau!<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


HAMLET nach Shakespeare in <strong>der</strong> zeitgenössischen Textfassung von Christopher Kriese<br />

Theater Performance Kunst RAMPIG, Heidelberg<br />

Donnerstag, 30.05.<strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Sebastian Arnd, Leoni Awischus, Friedrich Blam, Antonia<br />

Cinquegrani, Tim Fischer, Nils Kirchgeßner, Lea Langenfel<strong>der</strong>,<br />

Karolina Lesna, Julian Maier, Sarah-Lina Mantler, Karoline<br />

Stegmann, Cornelius Thomas, Marisa Wojtkowiak<br />

Regie und Dramaturgie: Beata Anna Schmutz<br />

Szenografie: Nicolas Rauch, Sophie Lichtenberg<br />

Kostümbild: Melanie Riester<br />

Maskenbild: Susi Tanner<br />

Video: Volker Langenfel<strong>der</strong><br />

Musik: Janek Amann<br />

Malerei: Christian Patruno<br />

Regieassistenz: Luca Pauer<br />

Produktion: Benjamin Bay, Anna Müller<br />

Technik: Sebastian Arnd, Christoph Hack<br />

Fotografie: Nikola Haubner<br />

Gruppenportrait – von David Holdowanski<br />

Die Truppe spielt und scherzt über das Aufführen ihrer Stücke in Heidelberg in einer Turnhalle, in <strong>der</strong><br />

sie keine Scheinwerfer an die Decke hängen dürfen, da diese einsturzgefährdet ist und während den<br />

Aufführungen öfter <strong>der</strong> Notstrom angeht. Doch mit Schweiß und Fleiß haben sie es nach vier Nominierungen<br />

endlich zum <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> geschafft. Sie erschaffen Kunst unabhängig von<br />

Institutionen, da sie sich in einem Verein organisiert haben und RAMPIG ein geschützter Name ist.<br />

Der zwar von einer YouTubeBand genutzt wird, aber die hat nur 92 Clicks. Mit dem Finanzamt sind sie<br />

eng befreundet und wollen deshalb auch auf die Titelseite <strong>der</strong> FZ, da sie sonst das Finanzamt vorbeischicken.<br />

Und sie lassen Grüße an Herrn S. vom Finanzamt ausrichten. Bewun<strong>der</strong>nswert ist ihre Art,<br />

zu arbeiten. Sie wohnen in Heidelberg, Mannheim und Berlin. Zum Proben kommen alle nach Berlin<br />

Pankow. Am 4. Oktober <strong>2013</strong> findet um 20:00 Uhr die Premiere ihres nächsten Stückes in Heidelberg<br />

statt. Heute spielen sie vor einem fast dreimal so großen Publikum wie sonst, deshalb fühlt es sich<br />

auch fast so an wie eine Neuinszenierung. Sie wollen mit dem Publikum korrespondieren und vergleichen<br />

ihre Arbeit mit 99 Prozent. Sie spielen auf <strong>der</strong> Grenze zwischen Theater und Bilden<strong>der</strong> Kunst. Da<br />

kommt es auch gelegen, dass die Regie Kunstgeschichte studiert hat. Aber das war schon vor zehn<br />

Jahren. Außerdem betreuen sie zwei Kin<strong>der</strong>theatergruppen, arbeiten auf dem Flohmarkt und machen<br />

Performance in Wohnungen. Tickets gibt es unter: info@nordkorea.de. Sie fragen: Was findest<br />

du besser? Deine Mudda o<strong>der</strong> RAMPIG. Klar, deinen Vater.<br />

69


Die Jury zur Auswahl – von Anna Wille<br />

Ich muss, ich muss, ich muss,<br />

muss, muss, muss!<br />

Es ist ein Zerfleischen, das mit<br />

den Erwartungen <strong>der</strong> Welt an<br />

das MICH und jenen des MICHs<br />

an die Welt – und an das Mich<br />

selbst. Die Strukturen sind<br />

schlimm, schlimm, schlimm<br />

und wir sind mittendrin und ich<br />

kann sie dir, Welt, erklären und<br />

du, Welt, wirst dann sehen, sehen,<br />

sehen. Ich muss Bedeutung,<br />

ich muss Gen<strong>der</strong>, ich<br />

muss Entscheidung punktgenau<br />

und effizient – ich muss<br />

Genuss. Aber ach, das will ich<br />

auch und zwar am liebsten:<br />

Genuss. Denn immer diese<br />

Schwermut. Mir ist langweilig.<br />

Hilft Händel? Hilft Wagner? Ich<br />

brauche eine Reibungsfläche!<br />

So steht Hamlet am Rande <strong>der</strong><br />

Küste und denkt. Und Hamlet<br />

ist rampig, nein Rampig. Was<br />

olle Hamlet einst antrieb, das<br />

eint ihn heute mit den Heidelbergern.<br />

Und die rechnen ab:<br />

Generation Hamlet. Die Generation,<br />

die all zu gut vorbereitet<br />

ist, um Entscheidungen zu treffen<br />

o<strong>der</strong> die Stimme zu erheben<br />

o<strong>der</strong> die Bombe zu zünden. Und<br />

wir alle mittendrin. Nichts zu<br />

machen. Das einzige, was in die<br />

Luft fliegt, sind Sicherheiten<br />

und Selbstverständnis: Familie,<br />

Liebe, Politik. Und so geht es auf<br />

dem Spielfeld schon lange nicht<br />

mehr um Dänemark. My home<br />

is my castle. Und was bleibt ist<br />

die Sinnsuche. Und die wird bei<br />

Rampig zum Sinnesrausch.<br />

Denn wenn Rampig Klassiker<br />

spielt, dann bleibt vom Reclamheft<br />

nicht viel übrig.<br />

Shakespeare kommt in den<br />

Fleischwolf – und dazu <strong>der</strong> ein<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Klassiker <strong>der</strong> zeitgenössischen<br />

Bildenden Kunst.<br />

Gemälde, Performances o<strong>der</strong><br />

politische Statements werden<br />

von den Spieler/-innen zusammen<br />

gesucht und den Hamlets,<br />

Ophelias und Gertrudes als<br />

Atem gegeben. Christopher<br />

Kriese hat <strong>der</strong> Gruppe ein adäquates<br />

Textmaterial zur Verfügung<br />

gestellt, das ihren Themen<br />

eine Sprache gibt, die sitzt.<br />

Und die Gruppe hat aus ihrem<br />

virtuosen Tanz durch die schöngeistigen<br />

Disziplinen eine Formund<br />

Zeichensprache geschaffen,<br />

die mehr als sitzt. Wohin<br />

das Auge blickt, was soll es nur<br />

zuerst hören? In Rampigs Räumen<br />

und Szenen werden Kunst<br />

und Theater so übereinan<strong>der</strong> geschoben,<br />

dass vor allem eins<br />

bleibt: Genuss. Und da ist sie, die<br />

Medizin für die Generation Hamlet.<br />

Und die Reibungsfläche.<br />

Wer sich dem Postmo<strong>der</strong>nen<br />

verschreibt, muss auch damit<br />

rechnen, dass aus <strong>der</strong> Renaissance<br />

von Vielem etwas ganz<br />

Eigenes entstehen kann. Und<br />

das hat Rampig erfolgreich riskiert.<br />

Ihre zitierende Arbeitsweise<br />

ist mit <strong>der</strong> Gruppe gewachsen<br />

und entwickelt nun<br />

eine Schlagkraft, sie wird zur<br />

Marke. Rampig hat die Berührungsängste<br />

gegenüber <strong>der</strong><br />

Kunstwelt längst hinter sich<br />

gelassen. Angstfrei schieben<br />

sie diese und jene Folie über den<br />

Hamlet und machen auch keinen<br />

Halt vor Zitaten aus <strong>der</strong><br />

aktuellen Politik. Es scheint,<br />

Rampig hätte für das, was sie<br />

vom Hamlet zu erzählen haben,<br />

ihre Theatersprache perfektioniert.<br />

Und wenn <strong>der</strong><br />

Rausch dann vorbei ist, und wir<br />

vergeblich auf den roten Vorhang<br />

warten und statt dessen<br />

in Mitten einer Ausstellung sitzen,<br />

dann fragen wir uns, ist<br />

das ein neues Kuratieren? Kuratiert<br />

Rampig im Spiel?<br />

Und ja, das Abendland ist <strong>der</strong><br />

Knaller!<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Stimmen zum Stück<br />

+++ <strong>der</strong> wahnsinn hamlets, ungeheuren respekt vor dem<br />

ensemble, das war echt krass +++ unvergessliche bil<strong>der</strong> +++<br />

verstörend +++ ich bin sprachlos, gewaltige bil<strong>der</strong> +++ hat<br />

mir sehr gut gefallen +++ ich fand das stück ganz gut, aber<br />

ein bisschen überladen +++ ich muss es noch verarbeiten<br />

+++ ich hab’s nicht verstanden +++ konnte da nicht ganz<br />

folgen +++ akustisch schwierig +++ beste schauspielerische<br />

darbietung bisher +++ gut, aber überladen, mit interessanten<br />

ideen, aber nicht bis zum ende durchgehalten, ich hätte<br />

mir erhofft, dass manche dinge länger ausgespielt worden<br />

wären +++ manche dinge konnten gar nicht richtig gewürdigt<br />

werden, weil so viel da war +++ overdressed, overstyled<br />

+++ beeindruckend +++ voll toller bil<strong>der</strong> +++ ein bisschen zu<br />

perfekt, vielleicht +++ zu krasse materialschlacht +++ ich<br />

bin tierisch froh, dass sich keiner die beine gebrochen hat<br />

+++ vom sprachlichen und akrobatischen hervorragend +++<br />

denke, es war ein ernsthafter versuch, an diese grenzen zu<br />

gelangen +++ performanceklischees +++ das hatte gar<br />

nichts mit hamlet zu tun, ich fand es einfach nicht gut,<br />

okay, das bühnenbild war ganz schön, muss ich ehrlich zugeben,<br />

aber, dass sie sich ausgezogen haben, musste nicht<br />

sein, es hat mich gelangweilt +++ ich fand die schauspielerische<br />

darbietung richtig gut, einfach super wie sie den<br />

raum genutzt haben+++<br />

71


Rezensionen<br />

In Schönheit gestorben – von Felix Kracke<br />

Die Worte haben nichts mehr<br />

zu sagen, sind, bleiben nur Hülle.<br />

Was bleibt, ist das Schweigen<br />

nach <strong>der</strong> ungeheuren Tat.<br />

Hamlet, dieser wirre, irrende,<br />

rachsüchtige und Leidenschaft<br />

suchende Prinz von Dänemark<br />

ist schon tot, als das Publikum<br />

den Saal betritt. Wir sind in <strong>der</strong><br />

doppelten Fleischbeschau: die<br />

Darstellerinnen und Darsteller<br />

in Unterwäsche, sich sanft zur<br />

Musik wiegend, Ausstellungsobjekte<br />

in <strong>der</strong> angedeuteten<br />

Schlachterhalle. Die Familie<br />

und sich selbst gerichtet, die<br />

Intrigen ausgelöscht: Wir stehen<br />

mit Hamlet vor den nur<br />

fleischlichen Überresten. Was<br />

bleibt in dem Schweigen, ist die<br />

fahle Erinnerung an einen zerrissenen<br />

Staat, in dessen berühmtem<br />

Kern etwas faul sei.<br />

Der Staat ist ein gewaltiges<br />

Sammelsurium, in dem die Fleischer-<br />

und Klei<strong>der</strong>haken von<br />

<strong>der</strong> Decke hängen, <strong>der</strong> weiße<br />

Boden zugestellt ist mit Tischen,<br />

auf denen geschrieben<br />

wird, in denen Fleisch und<br />

Wurst durch den Wolf gedreht<br />

wird und Strick- und Häkelzeug<br />

herumliegt. Es wird videoprojiziert,<br />

die Fernseher stehen als<br />

Dreigespann, an den Seiten<br />

Tierpräparate und ein gewaltiges,<br />

live gemaltes Kadaver-Gemälde.<br />

Stark bil<strong>der</strong>haft bearbeitet,<br />

geradezu beackert,<br />

kämpfen sich die Rampig-Darstellerinnen<br />

und -Darsteller<br />

durch den Kosmos Hamlet.<br />

Zeitgenössische Textfragmente<br />

bilden ein Standbein, aber auch<br />

die „Hamletmaschine“ und diverse<br />

Sekundärliteratur. Die<br />

postmo<strong>der</strong>ne Verwirrung soll<br />

herausgeschält werden aus<br />

dieser Zwiebel des „hochbegabten<br />

Affen”, wie Hamlet sich<br />

hier selbst beschreibt. Wie er<br />

keinen Bock mehr hat, auf das<br />

Spiel, es durchschaut und dennoch<br />

mittut. Das Schweigen<br />

wird gefüllt mit <strong>der</strong> metaphorischen<br />

Körper- und Requisitensprache<br />

<strong>der</strong> drapierten Figurinen,<br />

wie sie in Slow Motion<br />

kämpfen und die Körper reiben<br />

und wie sie das leitmotivische<br />

Fleisch wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong>käuen.<br />

Sie wirken wie einer heiligen<br />

Messe entnommen. Das Stück<br />

als rituelle Beschwörung und<br />

Wie<strong>der</strong>geburt des Vergessenen,<br />

Verdrängten. Hier soll eine Kapelle<br />

des Erhabenen errichtet<br />

werden. Die Texte, wenn sie<br />

denn auftauchen, sind nebenher<br />

gesprochen, fallen aus dem<br />

Mund vor die Füße, was lapidar<br />

wirkt. Sie sind gesprochener<br />

Text, nur Verweis auf das gesprochene<br />

Wort. Lapidar wirkt<br />

auch die Problematisierung des<br />

Hamlet-Komplexes. Dieses Anrennen<br />

gegen eine Welt, die<br />

faul zu sein scheint, das Zerschellen<br />

an den unverrückbaren<br />

Zuständen, das seine Erlösung<br />

nur im Tode aller finden<br />

kann, wird hier verzeitgeistigt<br />

zum mo<strong>der</strong>n Verwirrten, <strong>der</strong><br />

vor lauter Bäumen den Wald<br />

nicht sieht. Dieser Zugriff ist<br />

ein legitimer, erklärt aber nicht<br />

die existenzielle Fallhöhe, die<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


stofflich verhandelt wird. Wie<br />

soll so <strong>der</strong> Terrorist Hamlet entstehen,<br />

<strong>der</strong> Selbstmör<strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

Rasende? Dem wird man nicht<br />

gerecht. Auch die Rolle <strong>der</strong><br />

Ophelia, die laut Text fassung<br />

„die Frau als Opfer“ spielt,<br />

wirkt zu schnell gedacht, zu<br />

hastig abgekanzelt. Wie viel<br />

Täter steckt nicht auch in ihr,<br />

wie viel mitbestimmend ist<br />

nicht auch sie an dem Lauf <strong>der</strong><br />

Tragödie? So kommt es, dass<br />

lei<strong>der</strong> gerade die gesprochenen<br />

Szenen, die text lichen, als die<br />

schwächsten erscheinen. Zu<br />

unfokussiert und pauschal wirken<br />

sie – „ich scheiße auf deine<br />

Liebe, Ophelia, du Opfer“, das<br />

könnte, müsste ein zentraler<br />

Satz sein. Hamlets Abwendung<br />

von Ophelia, die er will und<br />

doch nicht kann, ist hier nur<br />

beiläufige Tirade. Kontrastierend<br />

dazu die Maschinerie von<br />

Bil<strong>der</strong>n und Stimmungen, die<br />

klar gesetzt, symbolisch hoch<br />

aufgeladen daherkommen. Die<br />

Tiere im Schnee, das Fast-Fallen<br />

von <strong>der</strong> Tischkante, immer wie<strong>der</strong><br />

die Momente des Körper-<br />

Chores. Doch auch hier das<br />

schale Gefühl: Eine Form wurde<br />

zu stark ästhetisiert, formschön<br />

gehalten und damit entkernt.<br />

Diesen Kern aber, den<br />

faulen, nach dem hätte ich suchen<br />

wollen. Ob <strong>der</strong> im Hamlet<br />

liegt, dem Stück selbst, o<strong>der</strong><br />

sonst wo. Etwas, um das die<br />

Produktion kreist; das ihr Auftrieb<br />

gibt und einen Sog auslöst.<br />

Ekstatische Ausbrüche<br />

wirken wie Disco-Tänze, die<br />

Schlägerei in Zeitlupe wie einem<br />

Musikvideo entnommen.<br />

Über allem liegt ein Glitzer,<br />

nicht nur auf den goldenen<br />

Schläppchen. Vieles wirkt wie<br />

fürs Foto gestellt. Das ist schade,<br />

weil die Brüche und das Zerrissene<br />

interessiert hätten, das<br />

unberechenbar Zerstörerische.<br />

Und weil die Darstellerinnen<br />

und Darsteller mehr versprechen<br />

in ihrem Spiel, weil da etwas<br />

zaghaft schillert, hoffentlich<br />

raus will, weil manchmal<br />

Bild und Spiel nahtlos zusammengeht,<br />

was wun<strong>der</strong>bar<br />

funktioniert: das verwundete<br />

Tier, das Spieler ist, unter einem<br />

Geweih aus Tape, zusammengesunken.<br />

Doch so bleibt<br />

<strong>der</strong> Schlachthof trotz des Blutes,<br />

des Fleisches, nach <strong>der</strong><br />

Schlachterei doch gereinigt,<br />

nahezu clean.<br />

73


Wir sind Hamlet – von Margarita Iov<br />

Wenn ich ins Theater gehe, lasse<br />

ich mir gern etwas Neues erzählen.<br />

Und ich finde es gut,<br />

wenn ich nicht jedes Bild und<br />

jede Metapher sofort entschlüsseln<br />

kann; wenn ich das<br />

Gefühl habe, man nimmt mich<br />

als Zuschauer ernst und hat<br />

keine Angst, mich zu überfor<strong>der</strong>n.<br />

Gestern Abend haben wir<br />

kein Theaterstück im klassischen<br />

Sinne, viel mehr ein interdisziplinäres<br />

brain storming<br />

im Kosmos Hamlet gesehen.<br />

Als Stück hätte das alles auch<br />

gar nicht funktioniert, dazu<br />

wurde nicht genug auf die zahlreichen<br />

Zitate aus Literatur,<br />

Film und Kunstgeschichte eingegangen<br />

und die Spannungskurve<br />

hatte zu viele Täler. Auf<br />

assoziativer und ästhetischer<br />

Ebene wurde aber unheimlich<br />

viel transportiert. Ich habe die<br />

überschäumende Bil<strong>der</strong>flut genossen.<br />

Man hätte die Performance<br />

auch auf vier o<strong>der</strong> fünf<br />

Stunden ausweiten und den<br />

Text tatsächlich in Zyklen wie<strong>der</strong>holen<br />

können; Ansätze von<br />

Wie<strong>der</strong>holungen im Spiel und<br />

Sprache waren ja auch da.<br />

Tatsächlich war das Bühnenbild<br />

auch als Rauminstallation gedacht,<br />

in <strong>der</strong> das Publikum<br />

nach dem Stück umherwan<strong>der</strong>n<br />

sollte, was lei<strong>der</strong> den Rahmen<br />

gesprengt hätte und daher<br />

ausblieb. Die Vierteilung<br />

des Publikumsraums und seine<br />

schiere Größe haben <strong>der</strong> Akustik<br />

lei<strong>der</strong> eher geschadet und<br />

viel an Text ging verloren. In<br />

manchen Situationen wurde<br />

das sehr gut gelöst, wie in <strong>der</strong><br />

„to die / to sleep / to sleep / per<br />

chance to dream”-Szene, in denen<br />

sich die Darsteller ins Publikum<br />

begaben und vereinzelt<br />

mit den Zuschauern gesprochen<br />

und interagiert haben.<br />

Das Handwerk hatten die Heidelberger<br />

zweifellos zur Verfügung:<br />

sinnliche, erotische Choreografien,<br />

große Präsenz,<br />

eindringlicher Blickkontakt mit<br />

dem Publikum sowie Stimmgewalt<br />

und Mut zur Körperlichkeit,<br />

die <strong>der</strong> große inhaltliche<br />

Schwerpunkt des Abends war<br />

(„Ich spüre, dass ich Fleisch<br />

und Knochen bin.”). Da gab es<br />

totes und lebendiges Fleisch<br />

nebeneinan<strong>der</strong>, Wurst und<br />

nackte Körper neben ausgestopften<br />

Waldtieren. Der<br />

Mensch, ein Tier. Nur um einige<br />

<strong>der</strong> meiner Meinung nach gelungenen<br />

Elemente <strong>der</strong> Inszenierung<br />

zu nennen: die musikalische<br />

Unterstützung durch<br />

zarten A cappella Gesang; die<br />

Aufteilung <strong>der</strong> Texte einer Figur<br />

auf mehrere Darsteller verschiedenen<br />

Geschlechts; die<br />

Mischung aus Originaltext,<br />

Christopher Krieses Hamlet Trilogie,<br />

Heiner Müllers „Hamletmaschine”<br />

und verschiedener<br />

Übersetzungstexte. Man merkte<br />

einfach, dass sich die Truppe<br />

mit <strong>der</strong> Thematik beschäftigt<br />

und auch drum herum gelesen<br />

und weitergedacht hat. Um<br />

manches Bild und um manchen<br />

Effekt hätte ich aber auch nicht<br />

getrauert, wenn sie gefehlt<br />

hätten, wie zum Beispiel den<br />

mit Tape an die Wand geklebten<br />

Hamlet o<strong>der</strong> die recht unmotiviert<br />

wirkende Video-Projektion.<br />

Ich finde: Der ernsthafte<br />

und auch ernstzunehmende<br />

Versuch einer Annäherung.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Urban Sounds Clash Classic<br />

akademie <strong>der</strong> autodidakten am Ballhaus Naunynstraße,<br />

Berlin<br />

Freitag, 31. Mai <strong>2013</strong>, 20:00 Uhr<br />

Es spielten:<br />

Serkan Akman, Ömer Aras, Dilan Barkın, Defne Çelik,<br />

Duygu Dursun, Necati Öziri, Clarice Palczynski, Ati Taş,<br />

Hasan Taşgın, Special guest: Ayben<br />

Regie und Projektleitung: Veronika Gerhard,<br />

François Régis, Volkan T.<br />

Videoworkshop & Videoschnitt:<br />

Mario Bergmann, Davide de Feudis<br />

Module8 VJ Workshops: Ilan Katin<br />

Gruppenportrait – von Fine Riebner<br />

nach einem Gespräch mit Hasan Taşgın<br />

Die akademie <strong>der</strong> autodidakten kämpft für etwas Gutes. Ömer zum Beispiel sei extra aus Spandau<br />

nach Kreuzberg gekommen, weil die akademie <strong>der</strong> autodidakten so gut ist. <strong>Jugend</strong>liche mit (post-)<br />

Migrantenhintergrund, die sich für Theater interessieren, können sich hier frei fühlen, wie in einer Familie,<br />

und würden nicht ausgegrenzt o<strong>der</strong> zum Beispiel unter Druck gesetzt, deutlich sprechen zu<br />

müssen. Hasan zum Beispiel (auf Youtube unter dem Namen „Hassasin” bekannt, Anm. d. Red.) hat<br />

sich in „deutschen” Theatergruppen nie wohlgefühlt. Er sei <strong>der</strong> Lauteste gewesen, obwohl er nichts<br />

gesagt hätte (Anm. d. Red.: Hääh). Als er, von über hun<strong>der</strong>t <strong>Jugend</strong>lichen, die Hauptrolle in einem<br />

Stück von Alfred Döblin bekommen hat, erzählt Hasan, fragten sich die an<strong>der</strong>en, warum ausgerechnet<br />

<strong>der</strong> die Rolle kriege. Aber am Ballhaus sei das an<strong>der</strong>s gewesen. Dort hätte man sofort erkannt,<br />

dass aus dem Jungen was zu holen sei [sic] und er habe gleich die Rolle bekommen, die eigentlich ein<br />

an<strong>der</strong>er Junge hätte spielen sollen. Natürlich schaffe nicht je<strong>der</strong> so einen Durchbruch wie Hasan,<br />

sagt Hasan. Und er selbst habe sich auch oft gefragt, warum er immer solche „Bad Cop”-Rollen bekäme,<br />

wie zum Beispiel Franz Biberkopf o<strong>der</strong> so. Aber damit müsse man leben. Er sei halt das Vorzeigeobjekt<br />

<strong>der</strong> autodidakten. Kin<strong>der</strong>n mit Lernproblemen sage man, sie sollen sich den Hasan anschauen,<br />

da hätte man vor drei Jahren auch noch nicht gedacht, dass er mal sechs Bücher [sic] lesen<br />

würde! Manchmal motiviere Hasan ganze Schulklassen dazu, Bücher zu lesen, und später würden die<br />

Lehrerinnen zu ihm kommen und ihm dafür danken, dass er geschafft habe, woran sie gescheitert<br />

sind. Das sei schon ein schönes Gefühl, gesteht Hasan. Heute Abend steht Hasan LIVE auf <strong>der</strong> Bühne<br />

und performt für uns! Wir schätzen uns glücklich und finden: Wer das verpasst, hat was verpasst!<br />

77


Die Jury zur Auswahl – von Jan Koslowski<br />

Urban Sounds Clash Classic,<br />

Klassischer Urbaner Klang (Klänge)<br />

Zusammenstoß? Städtische<br />

Musik schlägt Klassik? Symphony<br />

of a big City, frei nach Beuys<br />

und seiner sozialen Plastik!<br />

„Wo Stahlwolken an den Himmel<br />

genietet sind und die Sonne<br />

aussperren, wachen wir wie<br />

Wolkenkratzer.“ (Necati Öziri)<br />

Jeden Tag eine neue Performance,<br />

eine neue Strategie für<br />

unseren Alltag, für das Sinfonie-Orchester<br />

bestehend aus<br />

fahrenden Zügen, Beton und<br />

Altbau-Fassaden, einem Platz<br />

voller Menschen und/o<strong>der</strong> du<br />

und ich allein auf dem Dach, um<br />

dieses ganze Durcheinan<strong>der</strong><br />

endlich mal überblicken zu können.<br />

Wem gehört diese Stadt,<br />

gehöre ich dazu, wo finden wir<br />

unsere Gemeinsamkeiten?<br />

Die akademie <strong>der</strong> autodidakten,<br />

<strong>der</strong> Name lässt es vermuten,<br />

gründet ihre künstlerische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung oft auf<br />

dem breiten Angebot von Workshops,<br />

welche auch für diese<br />

Produktion den Ausgangspunkt<br />

bildeten. Den Teilnehmern werden<br />

verschiedene künstlerische<br />

Praktiken von Profis nahegebracht,<br />

erklärt, praktisch ausprobiert,<br />

immer mit einem<br />

aktuellen Bezug, inhaltlich<br />

und künstlerisch, zeitgenössisch,<br />

informiert, mit theoretischem<br />

Background!<br />

Record gedrückt und losziehen,<br />

die Bil<strong>der</strong> suchend, die einen<br />

Alltag so ausmachen, die Geräusche,<br />

die Sounds, die uns<br />

untermalen, morgens in <strong>der</strong><br />

U-Bahn, abends im Club, in<br />

<strong>der</strong> Uni zwischen alten Männerweisheiten<br />

gefangen und<br />

mitten drin auch, wenn ein<br />

kleines Herz zur Ruhe kommen<br />

will, auf einem großen Platz,<br />

allein unter zu vielen Menschen.<br />

Die Kamera fängt es<br />

ein, wir folgen den Bil<strong>der</strong>n<br />

dieser Stadt, auf <strong>der</strong> Suche<br />

nach? Wonach suchen wir<br />

denn? Vielleicht ist es nicht<br />

wichtig, wichtiger ist, dass wir<br />

rausgegangen sind, weil wir suchen<br />

wollen, weil es hier was zu<br />

erzählen gibt, weil wir was erzählen<br />

wollen.<br />

Beson<strong>der</strong>s scheint sie zu sein,<br />

diese Stadt, über die sie berichten<br />

wollen, und es gibt ein ganzes<br />

Magazin voll von Klischees<br />

und merkwürdigen Assoziationen,<br />

Vorurteilen über diesen<br />

Moloch. Coolness und Hipsterepizentren,<br />

Arroganz als Mentalität,<br />

Meinungen, die anscheinend<br />

jeden mitreden<br />

lassen, wenn es um sie geht,<br />

um die Strahlkraft und die Brillen<br />

<strong>der</strong> Vorurteile, mit denen<br />

man sie betrachtet, und doch<br />

gibt es sie, die Bewohner, den<br />

alltäglichen Alltag, die Probleme,<br />

die jede an<strong>der</strong>e Stadt auch<br />

hat, das Gefühl von Zugehörigkeit<br />

und Heimelichkeit und und<br />

und. Kommen wir zum Punkt!<br />

( . ) „Urban Sounds Clash Classic“<br />

ist diese Symphonie einer<br />

Großen Stadt, ein Gesamtkunstwerk<br />

aus unterschiedlichsten<br />

Disziplinen. Eine fast<br />

permanente Videospur aus Bil<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Suche und dem Finden<br />

einer Identität. Die Musik,<br />

die uns Gefühle mitteilt vom<br />

Leben in diesen Bil<strong>der</strong>n. Die<br />

Texte, die uns erzählen, wie<br />

es sich in diesen Bil<strong>der</strong>n lebt.<br />

Die Bühne, die uns das alles<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


zusammen live erfahrbar macht.<br />

Die Maschinerie liegt offen, die<br />

Autoren, Regisseure und Videoart-Künstler<br />

präsentieren<br />

ihre Werke persönlich / the artist<br />

is present / und das macht<br />

es zu einem beson<strong>der</strong>en Erlebnis,<br />

den Künstlern zuzusehen,<br />

wie sie ihre eigenen Werke<br />

performen, rappen, spielen,<br />

singen, im Drive des Urbanen<br />

Zusammenstoßes, und das mit<br />

einer beeindruckenden Präsenz<br />

und nicht anbie<strong>der</strong>nden Leichtigkeit,<br />

elegant gekonnt!<br />

Macht euer Theater selbst! Mit<br />

diesem Motto verbinde ich diesen<br />

Abend stark, ein Motto, das<br />

für mich im <strong>Jugend</strong>theater einfach<br />

unheimlich wichtig ist. Die<br />

<strong>Jugend</strong>lichen haben alles selber<br />

produziert, recherchiert,<br />

geschnitten, geschrieben, und<br />

stehen auch noch selber auf<br />

<strong>der</strong> Bühne. Die gestellten Fragen<br />

sind ihre, es ist ihr Theater!<br />

Und es ist eine Liebeserklärung<br />

an ihre Stadt, die, wäre<br />

sie an mich gerichtet, ich nicht<br />

hätte ablehnen können, so<br />

charmant erscheint sie mir.<br />

Hochpoetisch beschreiben die<br />

autodidakten den Rausch, die<br />

Liebe, das Zusammenleben in<br />

einem Tohuwabohu aus Verabredungen<br />

und Regeln, Schule<br />

und Arbeit, Familie und Beziehung.<br />

Äußern aber auch Kritik,<br />

wie in je<strong>der</strong> großen Liebe gibt<br />

es auch hier die Konflikte und<br />

die Aggression, die große Gefühle<br />

so mit sich bringen.<br />

Hier wurde versucht nachzuvollziehen,<br />

wie zum Beispiel<br />

sich die Streetart im High Art<br />

Kontext etablieren konnte.<br />

Was heißt High and Low Art,<br />

wo wird man eingeordnet, und<br />

das gerade im Hinblick auf<br />

kulturelle Produktionen von<br />

(post-) migrantischen <strong>Jugend</strong>lichen?<br />

Wie funktionieren die<br />

Mechanismen <strong>der</strong> „High Art“-<br />

Produktionen und wie kann<br />

man diese Begrifflichkeit erweitern?<br />

Auf allen Ebenen wird<br />

hier agiert und hinterfragt,<br />

und doch wirkt das Gesamtkunstwerk<br />

„Urban Sounds Clash<br />

Classic“ nicht überladen, son<strong>der</strong>n<br />

greift perfekt ineinan<strong>der</strong>.<br />

Charming as Hell und konkret<br />

wie <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>kehrende Klang<br />

<strong>der</strong> einfahrenden U-Bahnen<br />

am Kottbusser Tor. Bravo!<br />

79


Stimmen zum Stück<br />

+++ waren super sympathisch auf <strong>der</strong> bühne +++<br />

super unterhaltsam +++ tolle videos +++ authentisch<br />

+++ sie haben nur einen kleinen teil des lebens in berlin<br />

wie<strong>der</strong>gegeben und auch nur einen kleinen teil des<br />

lebens <strong>der</strong> jugendlichen +++ ich hab die ganze zeit<br />

gehofft, da kommt noch etwas, <strong>der</strong> bruch, wo sie<br />

sagen: „ihr denkt bestimmt, so sind wir migratenkin<strong>der</strong><br />

drauf, sind wir aber gar nicht” +++ das waren<br />

ja gar keine jugendlichen +++ als ich mit auf die bühne<br />

gegangen bin, war das eine super interessante perspektive,<br />

vor allem das hören, da gab es ja viel zu<br />

hören +++ hat überhaupt nicht hierher gepasst, das<br />

waren ja nur videos und musik +++ als sie angefangen<br />

haben musik zu machen, dachte ich: „nein, hört auf<br />

damit, macht doch keine musik!” und als sie dann<br />

angefangen haben theater zu machen, dachte ich:<br />

„nein, macht die musik wie<strong>der</strong> an.” +++ richtig super<br />

+++ absolut flach +++ nichts neues +++ sehr berlin,<br />

sehr lustig +++ eine liebeserklärung an berlin +++<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Rezensionen<br />

Von Herzen, für Herzen – von Lydia Dimitrow<br />

Vier große Leinwände, auf denen<br />

<strong>der</strong> Trailer einer Stadt abläuft.<br />

Einer Stadt und vieler Leben.<br />

Schienen, Züge, Himmel,<br />

Windrä<strong>der</strong>, Postauto, eine Alditüte<br />

im Bad. Rolltreppe, Facebook,<br />

Goldbroiler, ein Kind mit<br />

Pudelmütze. Wäsche waschen,<br />

Supermarktszenen, Bil<strong>der</strong> von<br />

längst vergangenen Partys.<br />

„Urban Sounds Clash Classic“<br />

ist ein Film-Musik-Performance-<br />

Poesieprojekt, das vielleicht<br />

weniger die vom Ensemble<br />

selbst gestellte Frage „Was ist<br />

Berlin?“ beantwortet als etwas<br />

über ihren Alltag, ihre Lebenswirklichkeit<br />

erzählt, die sich<br />

nun zufällig in dieser Großstadt<br />

abspielen. Es hätte auch Detmold<br />

sein können – und wäre<br />

vermutlich genauso interessant<br />

geworden. Die Spielenden sind<br />

schwarz-weiß gekleidet und<br />

bekommen alle ihre eigene<br />

Showtime, in <strong>der</strong> sie rappen,<br />

reimen, dichten, philosophieren,<br />

perfomen. Für die Musik<br />

sind hauptsächlich Männer zuständig,<br />

die wie Bodyguards<br />

aussehen, allen voran Hasan<br />

mit dem Kamm im Haar; fürs<br />

Video gibt es einen extra Tisch,<br />

mit drei Laptops und drei<br />

Menschen dahinter. Das alles<br />

könnte Gefahr laufen, schnell<br />

zu clean zu wirken, mit dieser<br />

(Pseudo-) Edelclub-Ästhetik,<br />

die ganz darauf aus ist, gut<br />

auszusehen und cool zu wirken<br />

– aber dann stehen die Spielenden,<br />

die gerade nicht selbst ins<br />

Mikro texten, so herrlich unbeteiligt<br />

an <strong>der</strong> Bar rum (Getränke<br />

gibt es auch, von Necati,<br />

dem fröhlichen Barkeeper) und<br />

singen charmant schief im<br />

Chor: „Guten Morgen, Deutschland!“<br />

Und prompt ist <strong>der</strong> Reiz<br />

des Selbstgemachten wie<strong>der</strong><br />

da, des Selbsterzählten. Denn<br />

das Ensemble erzählt hauptsächlich<br />

von sich selbst: Jeden<br />

Morgen gebe es zwei Optionen,<br />

sagt eine Spielerin. „Zurück ins<br />

Bett o<strong>der</strong> meine Maske auf und<br />

raus.“ Im Hintergrund laufen<br />

Videos von ihr ab, sie vorm<br />

Spiegel, wie sie sich schminkt.<br />

Es gelte „nicht zu verzweifeln /<br />

<strong>der</strong> Welt gerecht zu werden“.<br />

Das Ensemble von <strong>der</strong> akademie<br />

<strong>der</strong> autodidakten schickt<br />

sich an, ein einziges großes, intermediales<br />

Berlin-Gedicht zu<br />

schaffen. Da schlägt bei aller<br />

Poesie („und ich weiß um die<br />

Zeit, die wir uns gaben“) auch<br />

ganz schön oft das Kitscho-<br />

Meter aus („Wieso sehn’ ich<br />

mich nach dir? / Wieso tropfen<br />

schon wie<strong>der</strong> Tränen aufs Papier?“).<br />

Es soll eine Liebeserklärung<br />

werden – eine Liebeserklärung<br />

an die Stadt, die eigenen<br />

Möglichkeiten, vielleicht sogar<br />

an sich selbst. Und Liebeserklärungen<br />

sind kitschig, klar. Aber<br />

Kitsch ohne Brüche wird schnell<br />

zur Schmalzrutschbahn, und so<br />

fürchtet man schon, <strong>der</strong> ganze<br />

Abend könne womöglich ironie-<br />

und witzfreie Zone bleiben.<br />

Da verkündet Hasan selbstsicher:<br />

Freitagabend, <strong>Theatertreffen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>, „Urban<br />

Sounds Clash Classic“ – „Ihr<br />

habt nichts falsch gemacht,<br />

Leute.“ Und zum Glück behält<br />

er Recht, denn endlich bricht<br />

die Selbstironie ins Poesie-Projekt<br />

ein. Grandioser Auftritt<br />

vom Bademanteltyp, Hasan<br />

spricht – Anführungszeichen<br />

oben – französisch – Anführungszeichen<br />

unten – und singt<br />

den neuen Großstadthit „Berlin<br />

ist Single“. Das Publikum soll<br />

mitsingen, aber bitte „nicht<br />

aus dem Arsch, son<strong>der</strong>n aus<br />

dem Herzen“. Pointiert und<br />

witzig wird <strong>der</strong> Berlin-Hype<br />

aufs Korn genommen: Egal aus<br />

welchem „Pommesdorf“ man<br />

käme, alle wollten nur „von<br />

81


unserem Image profitieren“<br />

und „billig einkaufen gehen“.<br />

„Ey, chill mal dein Leben ganz<br />

kurz“ – denn Hasan kann von<br />

weitem erkennen, wer hier <strong>Berliner</strong><br />

ist und wer nicht, und<br />

überhaupt: „Bevor ihr Brot<br />

sagt, hab ich schon zweimal<br />

abgebissen.“ Die Wette gilt:<br />

Hasan will seinen Bist-du-ein-<br />

<strong>Berliner</strong>-Riecher unter Beweis<br />

stellen. Der, <strong>der</strong> und die sollen<br />

aufstehen, und dann sagt Hasan<br />

an. Im ersten Moment<br />

denkt man: Ach du Schreck,<br />

peinliche Publikumsbeteiligung,<br />

nachdem wir doch schon<br />

singen sollten, aber dann erklärt<br />

Hasan so charmant einfach<br />

jeden Aufgestandenen<br />

zum <strong>Berliner</strong>, dass einmal mehr<br />

klar wird: Eigentlich geht es gar<br />

nicht um die Stadt. Son<strong>der</strong>n<br />

ums Zusammensein, ums Hier<br />

und Jetzt und am Ende auch –<br />

um eine riesengroße Party. Alles<br />

sei „machbar auf <strong>Berliner</strong><br />

Straßen“, man höre hier „tausend<br />

Sprachen, die zusammenpassen“.<br />

das Stück vorbei ist. Ist das<br />

nicht echte Theaterperformance?<br />

Auf jeden Fall macht es<br />

Spaß und gehört neben (zum<br />

Beispiel) satirischem Philosophie-Monolog,<br />

einer am Mikro<br />

einschlafenden Spielerin und<br />

Meta-Kommentaren zum Stück<br />

(„Alter, du hast Möse gesagt!“),<br />

zu den unerwarteten und interessanten<br />

Elementen <strong>der</strong> Inszenierung.<br />

Man hat das Gefühl,<br />

bei einer Riesen-Revue-Show<br />

dabei gewesen zu sein, die von<br />

Herzen kam. Etwas über das<br />

Ensemble erfahren zu haben.<br />

Darüber, wie sie ihre Welt sehen.<br />

Trotz allen Kitsches, trotz<br />

allem Zu-Dick-Auftragens. Es<br />

hat einfach Spaß gemacht.<br />

Und es war ein Befreiungsschlag<br />

für kitschige Formulierungen<br />

wie: eine Inszenierung,<br />

„die von Herzen kam“. Danke<br />

dafür.<br />

Es wird wie<strong>der</strong> gesungen, es<br />

werden Zuschauer auf die Bühne<br />

geholt, die wild mittanzen<br />

und – als sich plötzlich fast alle<br />

Spielenden auf den Boden fallen<br />

lassen – sich auch hinlegen<br />

und einfach mit einfrieren. Bis<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Eine Stimmung von Berlin – von Sebastian Meineck<br />

Mit „Urban Sounds Clash Classic“<br />

hat die akademie <strong>der</strong> autodidakten<br />

ein kleines Animationsprogramm<br />

auf die Theaterbühne<br />

gelegt. Gleich am Anfang soll<br />

das Publikum jubeln und applaudieren.<br />

Applaus fürs Haus<br />

<strong>der</strong> <strong>Festspiele</strong>, Applaus für die<br />

anwesenden Theaterclubs, Applaus<br />

für Performer und Musiker<br />

auf <strong>der</strong> Bühne, Applaus für jeden<br />

Einzelnen im Publikum.<br />

Schließlich sei man in Berlin<br />

und es sei Freitagabend. Als <strong>der</strong><br />

Funken nicht so recht überspringt,<br />

heißt es: Das müsse<br />

daran liegen, dass nicht alle im<br />

Publikum aus Berlin kommen.<br />

Also werden ein paar Leute gefragt,<br />

ob sie <strong>Berliner</strong> seien. Wer<br />

keiner ist, muss sich setzen.<br />

Wer einer ist, bekommt Applaus.<br />

Bei so viel Applaus wird<br />

ein Star am Mikrofon gebraucht.<br />

Und <strong>der</strong> wird auch geliefert<br />

und singt. Die Stimme ist<br />

okay. Zwischendrin kämmt er<br />

sich immer mal wie<strong>der</strong> und<br />

steckt sich den Kamm ins Haar.<br />

Mit <strong>der</strong> Zeit kommen Discokugeln<br />

und Nebelmaschine zum<br />

Einsatz. Es ist eine große Stimmungs-Show<br />

und eine Liebeserklärung<br />

an die Stadt Berlin.<br />

Die Jungs tragen Schlips und<br />

Anzug, einer tritt mit Sonnenbrille<br />

im Bademantel auf, die<br />

Mädels tragen schicke, enge<br />

Klamotten. Es geht den autodidakten<br />

darum, sich selbst zu<br />

feiern. Aber das Publikum ist<br />

zum Mitfeiern eingeladen. Die<br />

Hooks <strong>der</strong> Songs lauten: „Berlin<br />

ist single“, „Was ist Berlin?“ und<br />

„Auf jeden Fall“. Bei „Berlin ist<br />

single“ soll je<strong>der</strong> mitsingen,<br />

„auch die Pärchen“. Ironische<br />

Brüche festigen das Konzept:<br />

So tritt ein Mädchen vors Mikro,<br />

und die Nebelmaschine speit.<br />

Doch dann sind nur Schnarchgeräusche<br />

zu hören, und das<br />

Mädchen schließt die Augen.<br />

Eine Rapperin stürmt die Bühne<br />

und legt eine Performance hin.<br />

Erst danach wacht das Mädchen<br />

wie<strong>der</strong> auf. Man macht<br />

keinen Hehl daraus, dass man<br />

protzen möchte, und dass man<br />

mehr verspricht, als man liefert.<br />

Die Feier wird reflektiert<br />

und fortgesetzt. Während <strong>der</strong><br />

Performance flimmern Videos<br />

von Berlin über die vier Leinwände:<br />

Straßen und U-Bahnen,<br />

die Performer im Dönerladen,<br />

an <strong>der</strong> Uni, o<strong>der</strong> bei sich zuhause,<br />

frühstückend. Zwischen den<br />

Songs werden lyrische Texte<br />

vorgetragen. Sie handeln vom<br />

Leben in Berlin: vom Arbeitengehen<br />

und Feiern, vom Verkatert-<br />

und vom Einsamsein. Dabei<br />

ist kein Sprachklischee zu<br />

schade, und auch kein Reim:<br />

„In dieser Stadt, in <strong>der</strong> meine<br />

Hoffnungen den Asphalt rauchen/<br />

tickt die Uhr eine Tonlage<br />

tiefer/ und atmet die Sonne einen<br />

Gedanken leichter.“ O<strong>der</strong>:<br />

„Ich laufe unter die Linden / um<br />

dich zu finden.“ O<strong>der</strong>: „Wer hat<br />

dir dein Lächeln geklaut, Berlin?“<br />

Man merkt: Die Performance<br />

setzt eindeutig nicht<br />

auf tiefgründige Gedanken,<br />

son<strong>der</strong>n auf ein großes Gefühl.<br />

Es geht nicht darum, Zusammenhänge<br />

in die Zeilen zu lesen,<br />

das wäre kaum möglich.<br />

Son<strong>der</strong>n es geht darum, auf<br />

einzelne Worte zu achten: Lächeln,<br />

Hoffnung, Liebe, Dreck.<br />

Die Stimmung, die vermittelt<br />

werden soll, ist eine Mischung<br />

aus Blues, Sexyness, Coolness<br />

und Großstadtromantik. Es ist<br />

eine Ästhetik des Abgefuckten.<br />

Das alles ist eine inhaltsleere<br />

Freude, ein narzisstischer Dauerrausch.<br />

Wer die Stimmung<br />

nicht teilen könne, heißt es, <strong>der</strong><br />

habe eben Berlin noch nicht<br />

verstanden. An dieser Schwelle<br />

teilt sich das Publikum: Einige<br />

haben es verstanden, und singen<br />

o<strong>der</strong> tanzen am Ende<br />

gleich mit auf <strong>der</strong> Bühne; einige<br />

an<strong>der</strong>e nicht.<br />

83


Bühne − Spezial<br />

Lesung: Seitenwechsel<br />

Sonntag, 26. Mai <strong>2013</strong>, 22:00 Uhr<br />

Von und mit <strong>der</strong> Redaktion <strong>der</strong> Festivalzeitung FZ (ehemalige Preisträgerinnen<br />

und Preisträger des Treffens junger Autoren)<br />

Felix Kracke – „Über dem bescheuerten Firmament“<br />

Anna-Theresia Bohn – „zu erzählen“<br />

David Holdowanski – „Im Kommunismus gibt es keine Sitzplätze“<br />

Sebastian Meineck – „Der Hefemann“<br />

Luna Ali – „Lager <strong>der</strong> Gerechtigkeit“<br />

Khesrau Behroz – „Zum Meer“<br />

Margarita Iov – „Die Drift“<br />

Lydia Dimitrow – „was wir alles könnten“<br />

Mo<strong>der</strong>ation: Laura Naumann<br />

Intermezzi: Franklyn Ufford<br />

Die Lesung ist zu hören und zu sehen auf unserem Festivalblog:<br />

www.blog.theatertreffen-<strong>der</strong>-jugend.de<br />

Die Texte sind in <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>ausgabe FZ Literatur nachzulesen.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Hörspiel: Happy End<br />

Mittwoch, 29. Mai <strong>2013</strong>, 22:00 Uhr<br />

Konzert: MomosMind<br />

Freitag, 31. Mai <strong>2013</strong>, 22:00 Uhr<br />

Hörspiel von: Julia Wolf und Ragnhild Sørensen<br />

Eine Produktion <strong>der</strong> Raumstation im Auftrag<br />

des WDR<br />

Rebekka Blum ist eine Frau und wird bald 30<br />

Jahre alt. Als sei das nicht schlimm genug, erscheint<br />

ihr zu allem Überfluss Angelina Jolie<br />

höchstpersönlich und verkündet, dass Rebekka<br />

in 20 Tagen sterben wird. So hatte Rebekka sich<br />

ihren Geburtstag nicht vorgestellt. Und ihr Leben<br />

auch nicht. Im obskuren „Amt für finale Angelegenheiten“<br />

erhebt sie Einspruch gegen das<br />

Todesurteil. Die beiden Anhörungsrichter lassen<br />

kein gutes Haar an ihr, „im Zweifel gegen die<br />

Angeklagte“ scheint ihr Motto zu sein. Rebekka<br />

kämpft gegen die überlebensgroße Angelina Jolie,<br />

den Zynismus ihrer Richter und nicht zuletzt<br />

gegen sich selbst. Was fängt man urplötzlich<br />

mit seinem Leben an? Reichen 20 Tage, um darüber<br />

nachzudenken?<br />

Konzert für die Gäste des <strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong>. Eintritt frei.<br />

Die Band MomosMind gehörte zu den Preisträgern<br />

des Treffens junge Musik-Szene 2012. Sie<br />

kommen aus Essen und das musikalische Spektrum<br />

ihrer Musik lässt sich mit Indie-Funk-Pop<br />

mit Einflüssen aus Ska und Blues am besten<br />

beschreiben.<br />

Es spielten:<br />

Gesang und Synthesizer: Rhian Antonia Schütte<br />

Schlagzeug: Junis El Hussein<br />

Gitarre: Lorenz Luboldt<br />

Bass: Raphael Schulte<br />

Zum Reinhören:<br />

85


Nominierungen <strong>2013</strong><br />

Für die Zwischenauswahl zur Teilnahme am <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> waren neben den<br />

Preisträger-Ensembles folgende Produktionen nominiert:<br />

<strong>Jugend</strong>ensemble Perform[d]ance e.V., Stralsund<br />

Identität 2.0<br />

Junge Akteure am Theater Bremen<br />

Warum das Kind in <strong>der</strong> Polenta kocht nach Aglaja Veteranyi<br />

Junges DT Berlin<br />

Fluchtpunkt Berlin<br />

914 Musikklasse <strong>der</strong> Sophie-Scholl-Schule, Berlin<br />

Traumatical<br />

Offene Theater-AG Max-Eyth-Schule Alsfeld<br />

post ist das prä von hmhmhm<br />

P14 – <strong>Jugend</strong>theater, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin<br />

Ein Käfig ging einen Vogel suchen<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Projektkurs Theater des Georg-Büchner-Gymnasiums, Kaarst<br />

Puppen sind wir?<br />

Theater-AG <strong>der</strong> Goetheschule Hannover<br />

Girlsnightout<br />

von Gesine Danckwart<br />

Theatergruppe am Goethe, Düsseldorf<br />

Ingrimm<br />

Theatergruppe des Benedikt-Stattler-Gymnasiums, Bad Kötzting<br />

Wosanano<br />

Theaterjugendclub Die KarateMilchTiger – Schauspiel Chemnitz<br />

Küsse.Bisse.Penthesilea. nach Heinrich von Kleist<br />

87


Campus<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Campus<br />

Das Campus-Programm richtete sich an die Teilnehmer/<br />

-innen des <strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>. Es unterglie<strong>der</strong>te<br />

sich in die Bereich Praxis mit verschiedenen Theaterworkshops,<br />

Dialog mit den täglichen Aufführungsgesprächen<br />

und <strong>der</strong> täglich erscheinenden Festivalzeitung. Neue Einund<br />

Ausblicke konnten in <strong>der</strong> Rubrik Spezial gewonnen werden.<br />

Praxis<br />

Samstag, 25. Mai <strong>2013</strong><br />

Sonntag, 26. Mai <strong>2013</strong><br />

Montag, 27. Mai <strong>2013</strong><br />

Mittwoch, 29. Mai <strong>2013</strong><br />

jeweils 09:30 bis 12:00 und 13:30 bis 16:00 Uhr<br />

Workshop-Präsentation:<br />

Donnerstag, 30. Mai <strong>2013</strong><br />

von 11:00 bis 12:30<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Workshop I: Jetzt rocke ich die Bühne!<br />

Was will man eigentlich wenn man eine Bühne betritt? Den Laden rocken? Die<br />

Welt verän<strong>der</strong>n? Sich verän<strong>der</strong>n? Auf die Frage einer Journalistin, was das eigentlich<br />

heißt, „Schauspieler“, antwortete Fabian Hinrichs mal: darüber müsste man<br />

mal nachdenken – darüber müsste ich mal nachdenken. ….<br />

mit Nikolai Plath – 1984 in Flensburg geboren. Ausbildung an <strong>der</strong> Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (Diplom<br />

2008), Engagements im Ballhaus Ost, Berlin, Theater Bonn, Heimathafen Neukölln, Berlin, Staatsschauspiel Dresden,<br />

Deutsches Theater, Berlin, Maxim Gorki Theater, Berlin, BAT Studiotheater, Berlin, Eigenreich Theater, Berlin / Akademie <strong>der</strong><br />

Künste, Berlin. Letzte Produktionen: „Aber sicher!“ (<strong>2013</strong>) UA; „Hamlet“ (2012) Regie: Alexan<strong>der</strong> Riemenschnei<strong>der</strong>, Theater<br />

Bremen; „Dämonen“ (2012) Regie: Krzysztof Minkowski, JVA Charlottenburg/aufBruch Berlin; Mathilde Bäumler. „Ein<br />

Dschungelstück“ (<strong>2013</strong>) Regie: Alexan<strong>der</strong> Riemenschnei<strong>der</strong>, Theater Bonn.<br />

Workshop II: Don’t worry – dance!<br />

Erkunde deine individuelle Tanzform und zeige sie auf <strong>der</strong> Bühne. Wir werden mit<br />

Alltags- und Tanzbewegungen, Gesten, Worten, Musik, Bil<strong>der</strong> improvisieren und<br />

untersuchen, wie aus Impulsen und instinktiven Reaktionen ein szenischer Vorgang<br />

o<strong>der</strong> eine Choreografie entstehen kann. ….<br />

mit Mirjam Bührer – geboren 1986 in Frauenfeld, hat den Bachelor in Sport-, Theater- und Tanzwissenschaft an <strong>der</strong> Universität<br />

Bern absolviert und sich danach an <strong>der</strong> Zürcher Hochschule <strong>der</strong> Künste und bei Bewegungsart in Freiburg im Breisgau in zeitgenössischen<br />

Bühnentanz, Performance und Improvisation vertieft. Sie unterrichtet seit einigen Jahren Tanz in verschiedensten<br />

Formen (Jazz, Mo<strong>der</strong>n, Hip-Hop, Impro) in Projektwochen, <strong>Jugend</strong>- und Sportlagern und in Freikursen an Schulen.<br />

und David Speiser – geboren 1984 in Basel, hat an diversen <strong>Jugend</strong>clubs und Projekten am Theater Basel und Jungen Theater<br />

Basel mitgewirkt. Während <strong>der</strong> Produktion „strange days, indeed“ des belgischen Choreografen Ives Thuwis entdeckte er seine<br />

Begeisterung für den Bühnentanz. Momentan absolviert er die Ausbildung als Tänzer bei <strong>der</strong> Bewegungsart in Freiburg im<br />

Breisgau. Daneben unterrichtet er Kin<strong>der</strong> und <strong>Jugend</strong>liche im Circus Basilisk.<br />

Workshop III: Textwerkstatt<br />

Was will ich sagen? Und wie schreibe ich es? Die Textwerkstatt bietet Raum für<br />

Fragen nach dem Anfangen und Weitermachen. Anhand verschiedener dramatischer<br />

Formen soll erprobt werden, wie man Worte für Ideen findet und wie man<br />

sich ein Gerüst für einen Text baut, das Struktur schafft und gleichsam Freiräume<br />

öffnet…<br />

mit Julia Wolf – lebt als freie Autorin in Berlin. Sie schreibt Prosa, Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher. Ihr Stück „Der<br />

Du“ wurde 2010 am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt und 2011 als Hörspiel für den WDR produziert. Mit dem Stück<br />

„Ein Mädchen namens Elvis“ war sie zu 2010 zu den Werkstatttagen am Wiener Burgtheater und 2011 zu den Autorentheatertagen<br />

am Deutschen Theater, Berlin eingeladen. Seit 2010 schreibt und produziert sie in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong><br />

Produktionsfirma Raumstation regelmäßig Hörspiele. Im Rahmen einer Drehbuchför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Filmför<strong>der</strong>anstalt arbeitet Julia<br />

Wolf momentan an ihrem ersten Drehbuch für einen Spielfilm.<br />

91


Workshop IV: RECLAM GOES CELLULOID – Klappe die Zweite!<br />

Und bitte! 4 Tage, ein Konzept, drei Teams, ein Film. „Die Orestie“ wird dekonstruiert,<br />

durchgelüftet und unter die Lupe genommen, zerschlagen und umgewandelt,<br />

und dann wie<strong>der</strong> liebevoll zusammengesetzt. 3 Bücher. 3 Teams. Wir produzieren<br />

den Klassiker <strong>der</strong> Klassiker <strong>der</strong> Klassiker (noch älter geht’s nicht!) auf ganz<br />

und gar unklassische Art und Weise.<br />

mit Hannah Dörr – geboren 1990, arbeitet als freie Videokünstlerin für Theater und studiert an <strong>der</strong> Kunsthochschule für Medien<br />

in Köln und an <strong>der</strong> Universität <strong>der</strong> Künste Berlin. Eigene Arbeiten zeigte sie an <strong>der</strong> Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz,<br />

Berlin innerhalb des P14-<strong>Jugend</strong>theaters, dem Hebbel am Ufer, Berlin und dem Radialsystem, Berlin.<br />

und Jan Koslowski – geboren 1987, Regisseur und Filmemacher. Er studierte an <strong>der</strong> Akademie für Darstellende Kunst Baden-<br />

Württemberg und besucht zurzeit die Masterclass für Regie an <strong>der</strong> Zürcher Hochschule <strong>der</strong> Künste. Er arbeitet für das <strong>Jugend</strong>theater<br />

<strong>der</strong> Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz P14. Jan Koslowski und Hannah Dörr arbeiten schon seit <strong>Jugend</strong>tagen zusammen,<br />

sie kooperierten in zahlreichen Theaterproduktionen und realisierten gemeinsam mehrere Kurzfilme.<br />

Workshop V: Wer o<strong>der</strong> was fragt nach dem Bild<br />

Erzählen, darstellen, präsentieren – schon im Alltag handeln wir theatral, schlüpfen<br />

in verschiedene Rollen, setzen uns den Blicken an<strong>der</strong>er aus und inszenieren<br />

uns. Jeden Tag gehen wir mit verschiedenen Darstellungsstrategien um, meist unbewusst<br />

und zufällig. Gemeinsam wollen wir diese Selbstdarstellungsstrategien<br />

des Alltags entschlüsseln. Aber was hat das mit Theater zu tun, und vor allem:<br />

Was hat das mit UNSEREM Theater zu tun? …<br />

mit Julia Gräfner – geboren 1989 in Schwerin, hat 2012 ihr Schauspielstudium Bachelor of Arts in Theatre an <strong>der</strong> Hochschule<br />

<strong>der</strong> Künste Bern abgeschlossen. Im Jahr 2008 gehörte sie mit <strong>der</strong> Produktion „hamlet.net“ <strong>der</strong> Theatergruppe am Goethe-<br />

Gymnasium Schwerin zu den Teilnehmern des <strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>. Im darauffolgenden Jahr war sie Redaktionsmitglied<br />

<strong>der</strong> Festivalzeitung und 2010 und 2011 Jungjurorin in <strong>der</strong> Festivaljury. Seit Herbst 2012 studiert sie im Studiengang Master<br />

of Scenic Art Practice an <strong>der</strong> Hochschule <strong>der</strong> Künste Bern. Verschiede Produktionen und Projekte führten sie in den letzten<br />

Jahren an das Luzerner Theater, Konzerttheater Bern, Sophiensæle, Berlin, Pathos, München, AUA-Wir leben! Festival, Bern,<br />

SKENA-UP! Festival Prishtina und Schaubudensommer Dresden.<br />

und Anna Wille – geboren 1989 in Schwerin. Während <strong>der</strong> Schulzeit wirkte sie konzeptionell und spielerisch an diversen Projekten<br />

<strong>der</strong> Theatergruppe am Goethe Gymnasium Schwerin TaGGS mit. 2008 wurde die Gruppe mit „hamlet.net“ zum <strong>Theatertreffen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> und zum Liebe Macht Tod Festival des ZDFtheaterkanals eingeladen. Nach dem Abitur und während des<br />

Studiums folgten Dramaturgie-Hospitanzen und Assistenzen am Mecklenburgischen Staatstheater, Schwerin, Staatsschauspiel<br />

Dresden und Maxim Gorki Theater, Berlin. Bis 2012 studierte sie Dramaturgie an <strong>der</strong> Hochschule für Musik und Theater<br />

Leipzig. Sie ist Mitglied des Werkstattmacher e.V. für Theaternachwuchs in Leipzig und arbeitet als Assistentin für das Kollektiv<br />

ehrliche arbeit – freies Kulturbüro in Projekten <strong>der</strong> Freien Theater Szene Berlin.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Workshop VI: Theatrale Games – Werkstatt theatrale Spielformate<br />

Dieser Workshop soll einige Game-Formate untersuchen, ausprobieren und erklären.<br />

Das Theater- und Medienkollektiv machina eX produziert Computerspiele mit<br />

theatralen Mitteln. Insbeson<strong>der</strong>e die Spielregeln des Point'n'Click-Adventures werden<br />

hierbei vom virtuellen in den realen Raum überführt. Dieses und zwei weitere<br />

Spielformate – Performerfernsteuerung und Streetgames – wollen wir im Workshop<br />

betrachten… sowie gemeinsam Games in den jeweiligen Formaten entwickeln, testen<br />

und vor allem spielen! …<br />

mit Nele Katharina Lenz – studierte Szenische Künste an <strong>der</strong> Universität Hildesheim und an <strong>der</strong> Université Sorbonne-Nouvelle,<br />

Paris. Sie ist Theatermacherin, Produktionsleiterin und Videofilmerin und leitete medien- und theaterpädagogische<br />

Workshops in Berlin und Hamburg. Als Gründungsmitglied des Medien-Theaterkollektivs machina eX arbeitet sie seit 2009 mit<br />

an <strong>der</strong> Entwicklung von theatralen Games.<br />

und Mathias Prinz – Sounddesigner, Musiker, Theatermacher und Literaturwissenschaftler. Als Mitglied von machina eX ist er<br />

seit 2009 mit <strong>der</strong> Zusammenführung von Computerspielen und Theater beschäftigt. Er studiert momentan Literarisches Schreiben<br />

an <strong>der</strong> Universität Hildesheim und schreibt an einem Buch über Friedrich Dürrenmatts Spätwerk.<br />

Workshop VII: Fehler für alle!<br />

Das Theater ist ein Ort <strong>der</strong> Urteile. Ständig bewerten wir die Dinge, die wir sehen:<br />

die Inszenierung, die Schauspieler, die Regie, das Bühnenbild, die Musik, und so<br />

weiter. Auch auf diesem Festival wird es sicher oft darum gehen, wem was warum<br />

gefällt und was nicht. Theatermachern ist es anscheinend wichtig, schnell sagen<br />

zu können, ob sie etwas „gut“ o<strong>der</strong> „schlecht“ finden, etwas „richtig“ o<strong>der</strong><br />

„falsch“ ist – bei Vorstellungen, aber auch schon bei den Proben. Hier setzt <strong>der</strong><br />

Workshop an….<br />

mit Alexan<strong>der</strong> Riemenschnei<strong>der</strong> – geboren 1981 und aufgewachsen im Rheinland, lebt in Bremen; war zunächst als Musiker in<br />

Deutschland und Nachbarlän<strong>der</strong>n unterwegs; ab 2003 Theatermusiker und Regieassistent am Theater Bonn; dann Regiestudium<br />

in Hamburg; während des Studiums Einladungen zu mehreren europäischen Theaterfestivals, seit 2009 tätig als Theaterregisseur,<br />

u. a. am Schauspielhaus Hamburg und am Deutschen Theater, Berlin, in Bonn, Oldenburg und Prag. Seit <strong>der</strong> Spielzeit<br />

2012/13 ist Alexan<strong>der</strong> Riemenschnei<strong>der</strong> als Hausregisseur im Schauspiel am Theater Bremen engagiert.<br />

und Jacob Suske – geboren 1980 bei Graz, arbeitete als Theaterkomponist bereits u. a. am Deutschen Theater, Berlin, <strong>der</strong><br />

Schaubühne, Berlin, Schauspiel Frankfurt, Staatstheater Dresden, Residenztheater, München, Luzerner Theater, Stadttheater<br />

Bern, dem Düsseldorfer Schauspielhaus, Theaterhaus Jena und mit freien Gruppen wie Faradaycage o<strong>der</strong> Banality Dreams.<br />

Vor allem mit <strong>der</strong> Regiesseurin Sabine auf <strong>der</strong> Heyde verbindet ihn eine langjährige und intensive Zusammenarbeit. Als Bassist<br />

spielte er unter an<strong>der</strong>em mit Bonaparte, One Shot Orchestra, Lunik o<strong>der</strong> Sophie Hunger, produzierte Bands wie Lily Yellow<br />

o<strong>der</strong> Huck Finn und arbeitete als Dozent an <strong>der</strong> Schauspielschule des Mozarteum Salzburg, <strong>der</strong> ZHdK Zürich und <strong>der</strong> Jazzschule<br />

Luzern. Zurzeit arbeitet er an seinem Soloprojekt Zachov.<br />

93


Dialog<br />

Aufführungsgespräche<br />

täglich 17:00 Uhr<br />

Samstag 01. Juni <strong>2013</strong>, 10:30 Uhr im Oberen Foyer<br />

Die Aufführungsgespräche zu den Produktionen waren neben <strong>der</strong>en Aufführungen<br />

und dem Workshop-Programm wichtiges Element des intensiven inhaltlichen Austauschs<br />

<strong>der</strong> Gruppen untereinan<strong>der</strong>. In kleineren Gesprächsgruppen hatten die<br />

<strong>Jugend</strong>lichen täglich Gelegenheit, ihre persönlichen Reflektionen und Kritiken anzubringen<br />

und auszutauschen. Es öffnete sich ein konzentrierter Raum, in dem die<br />

inhaltliche und künstlerische Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> Spielerinnen und Spieler <strong>der</strong><br />

jeweiligen Produktion gemeinsam mit allen jugendlichen Festivalteilnehmern besprochen<br />

wurde. Diese Aufführungsgespräche wurden von einer Patengruppe mo<strong>der</strong>iert.<br />

Die Mo<strong>der</strong>atoren wurden von den ehemaligen Teilnehmerinnen Sarah Gailer und Katharina Bartels<br />

in das Gesprächsformat eingeführt.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Festivalzeitung FZ<br />

Die Festivalzeitung FZ kritisierte, interviewte, porträtierte, spekulierte, fabulierte<br />

und eröffnete zusätzliche Denkräume, neue und an<strong>der</strong>e Perspektiven auf die gezeigten<br />

Produktionen.<br />

Die Redaktion <strong>2013</strong> bestand aus:<br />

Khesrau Behroz – Redaktionsleitung,<br />

geboren 1987 in Kabul,<br />

Student, liest und lebt in Berlin.<br />

Womit er beson<strong>der</strong>s zufrieden<br />

ist: Kunstvermittlung bei „Die<br />

Welt bewohnen“ im Rahmen <strong>der</strong><br />

documenta 12; diverse (Schul-)<br />

Theaterproduktionen; Redakteur<br />

des Theaterfestivals Kaltstart in<br />

Hamburg, Auftritte auf Lesebühnen<br />

und bei Poetry Slams.<br />

Veröffentlichung in „schräg gegens<br />

licht“ (2010), Gründung von<br />

„echauffier – Magazin für Empörung“<br />

(2011), Kurzgeschichte mit<br />

Illustrationen und Hörspiel „Gift<br />

und die alten Herren“ (2012), Lesereise<br />

„Wasil rennt davon“ – Ryo<br />

Takeda liest Texte von Khesrau<br />

Behroz (<strong>2013</strong>).<br />

Luna Ali, geboren 1993 in Syrien,<br />

Studentin, Bochum, lebt seit<br />

2001 in Deutschland. Sie schreibt<br />

nicht nur auf Deutsch, son<strong>der</strong>n<br />

denkt und träumt auch in dieser<br />

Sprache. Angefangen hat alles<br />

mit Briefeschreiben, ging über in<br />

exzessives Theaterspielen und<br />

endete beim Poetry Slam. Politik<br />

und Bücher spielen eine große<br />

Rolle in ihrem Leben. Veröffentlichung<br />

in <strong>der</strong> Anthologie „ich<br />

stell dir die schatten schärfer“<br />

des Treffens junger Autoren <strong>der</strong><br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong>, 2012.<br />

Anna-Theresia Bohn, geboren<br />

im Mai 1989 in Mainz. Studiert<br />

Relevantes in Berlin. Ehemalige<br />

Preisträgerin des Treffens junger<br />

Autoren, ehemaliges Jurymitglied<br />

des poet | bewegt. Veröffentlichungen<br />

in Anthologien.<br />

Ist auf Lesungen anzuhören,<br />

-schauen, -treffen. Schreibt Gerüchten<br />

zufolge an einem Buch:<br />

„Jahresbilanz“. Schreibt den Tatsachen<br />

entsprechend mit Herzblut<br />

an dem, was sie selbst gerne<br />

lesen würde.<br />

Lydia Dimitrow, geboren 1989<br />

in Berlin. Schreibt Prosa, Gedichte,<br />

Szenisches, Songs. 2005<br />

und 2007 beim Treffen junger<br />

Autoren, seit 2008 in <strong>der</strong> FZ-Redaktion<br />

des <strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong>. Studiert Allgemeine und<br />

Vergleichende Literaturwissenschaft,<br />

deutsche und französische<br />

Philologie an <strong>der</strong> Freien<br />

Universität Berlin und an <strong>der</strong><br />

Université de Lausanne. Liest<br />

seit 2008 regelmäßig bei <strong>der</strong> Lesebühne<br />

Lauschgift. Seit 2011<br />

kleinere Übersetzungen aus dem<br />

Französischen. Mag Theater. Sehr.<br />

Dave Großmann – FZ Fotograf,<br />

geboren 1989 in Jena, lebt und<br />

wütet seit einigen Jahren in<br />

Berlin. Kann und will sich nicht<br />

entscheiden, was er als aktuelle<br />

Tätigkeit angeben soll. Auf <strong>der</strong><br />

einen Seite Gestalter, in <strong>der</strong><br />

Grafik, mit <strong>der</strong> Kamera, aber<br />

auch mit Pinsel und Farben unterwegs.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

Tänzer und Choreograf im Bereich<br />

BBoying, aber auch im<br />

zeitgenössischen Kontext. Preisträger<br />

diverser Tanz- und Fotowettbewerbe<br />

auf nationaler<br />

und internationaler Ebene. Studiert<br />

Kommunikationsdesign<br />

an <strong>der</strong> FH Potsdam und arbeitete<br />

für diverse Institutionen:<br />

Bundeswettbewerbe <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong><br />

<strong>Festspiele</strong>, <strong>Berliner</strong> Ensemble,<br />

Tanz im August, TanzTangente<br />

Berlin sowie UdK und<br />

danceworks berlin.<br />

95


David Holdowanski, geboren<br />

1991, Heidelberg, Studium <strong>der</strong><br />

Philosophie, Slawistik und<br />

Komparatistik. Preisträger des<br />

Treffens junger Autoren 2007<br />

und 2009. Stipendiat <strong>der</strong> Stiftung<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen, Teilnehmer am<br />

„Literaturlabor“ <strong>der</strong> Bundesakademie<br />

für kulturelle Bildung,<br />

Wolfenbüttel 2009. Redakteur<br />

und Regisseur <strong>der</strong><br />

Festivalzeitung beim <strong>Theatertreffen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>. Finalist bei<br />

Radikal Büchner, zdf.kultur<br />

<strong>2013</strong>. Veröffentlichung in Anthologien,<br />

u.a. in „Der Horizont<br />

hängt schief“, Berlin 2008, „Destillate“,<br />

Wolfenbüttel 2009,<br />

„schräg gegens licht“, Frankfurt<br />

a. M. 2010.<br />

Margarita Iov, geboren 1993 in<br />

Kiew, nahm 2011 am Treffen<br />

junger Autoren teil und ist <strong>2013</strong><br />

Stipendiatin <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>sächsischen<br />

Kulturstiftung. Ihre Texte<br />

wurden in verschiedenen Anthologien<br />

– „Freihändig“, „Hun<strong>der</strong>t<br />

Herzschläge Freigepäck“ –<br />

sowie in <strong>der</strong> Edit #61<br />

veröffentlicht. Im Verlag Das<br />

neue Berlin erschien im Jahr<br />

2011 ihre Übersetzung <strong>der</strong><br />

Kriegstagebücher des russischen<br />

Fotografen Jewgeni<br />

Chaldej. Sie lebt in Berlin.<br />

Felix Kracke, geboren 1990 in<br />

Hamburg, aufgewachsen in<br />

Detmold. Studium Kunsttheorie<br />

an <strong>der</strong> Zürcher Hochschule<br />

<strong>der</strong> Künste und seit 2012 Theaterregie<br />

an <strong>der</strong> Hochschule für<br />

Musik und Darstellende Kunst<br />

in Frankfurt am Main. Schreibt<br />

Kurzprosa und Theatertexte (u.<br />

a. für das Staatstheater Karlsruhe,<br />

Theaterhaus Jena, die<br />

Neuköllner Oper, Berlin). Aktuell<br />

Teilnehmer des För<strong>der</strong>programms<br />

stück / für / stück am<br />

Schauspielhaus, Wien.<br />

Sebastian Meineck, geboren<br />

1992 in Mainz, ist Student <strong>der</strong><br />

Allgemeinen und Vergleichenden<br />

Literaturwissenschaft und<br />

<strong>der</strong> Soziologie in Frankfurt am<br />

Main. Er schreibt, liest, treibt<br />

sein Unwesen da, wo an<strong>der</strong>e<br />

schreiben und lesen (dreimaliger<br />

Preisträger beim Treffen<br />

junger Autoren, beim Europäischen<br />

Literaturwettbewerb <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong>-Literatur-Werkstatt<br />

Graz, Teilnehmer im Literatur-<br />

Labor Wolfenbüttel). Veröffentlichungen<br />

in Anthologien,<br />

im Internet und im Radio. Mitarbeiter<br />

bei Radio Klinikfunk<br />

Wiesbaden. Liest vor in Cafés<br />

und Kellern.<br />

Fine Riebner, geboren 1993 in<br />

Berlin-Neukölln. 2009 erstes<br />

Theaterprojekt „Bernarda Albas<br />

Haus“ mit Patricia von Miserony.<br />

Anfang 2010 erste Lesung<br />

eigener Texte im<br />

Neuköllner Schillerpalais. 2011<br />

Preisträgerin des Treffen junger<br />

Autoren. Im Jahr 2012 Engagement<br />

am Theater unterm Turm,<br />

Berlin und Nachwuchsdramatikerin<br />

beim Interplay<br />

Europe in Madrid. <strong>2013</strong> Engagement<br />

im schaltwerk. Studentin<br />

<strong>der</strong> Psychologie.<br />

Julian Eric Christian, geboren<br />

1990 in Frankfurt am Main, Student<br />

an <strong>der</strong> UdK Berlin mit Ausrichtung<br />

auf transmediales<br />

Raumdesign bzw. raumspezifische<br />

Erkenntnisprovokation.<br />

Kunstvermittlung im Rahmen<br />

<strong>der</strong> documenta 12 „Die Welt bewohnen“,<br />

dokumentarische Begleitung<br />

diverser Zusammenkünfte<br />

im theatralen Bereich in<br />

Bild, Grafik und Ton. Stets an<br />

<strong>der</strong> Erlebbarmachung eines<br />

psychogeographischen Reizes<br />

interessiert – bezogen auf performative<br />

und zeitbasierte Medien<br />

– welcher beim Adressaten<br />

mindestens so intensiv ist wie<br />

beim Performer.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Essay<br />

Rezension und Party – von Sebastian Meineck<br />

Das <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> ist ein Festival, aber es ist mehr als nur ein Fest. Wenn die Blumen<br />

verteilt werden und <strong>der</strong> Applaus durch den Saal rauscht, wenn abends die Party steigt, dann ist es<br />

Zeit fürs Fest. Jede eingeladene Produktion hat auf hohem Niveau etwas geschaffen, das bemerkenswert<br />

ist. Das darf so richtig gefeiert werden.<br />

Das <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong><br />

– ein komischer Raum<br />

Das <strong>Theatertreffen</strong> ist aber<br />

auch ein Raum für Gespräche<br />

und für neue Gedanken. Die<br />

Produktionen kommen aus<br />

ganz Deutschland. Manchmal<br />

kommen sie aus kleinen Ortschaften,<br />

und bisher haben nur<br />

Lokalzeitungen über sie geschrieben.<br />

In Berlin öffnet sich<br />

ein ganz an<strong>der</strong>er Raum. Hier<br />

gibt’s eine neue Öffentlichkeit.<br />

Das Festival ist zwar zu groß,<br />

als dass man hier jeden Einzelnen<br />

kennen lernen kann. Aber<br />

es ist auch so klein, dass man<br />

sich auf eines verlassen könnte:<br />

Es ist ein geschützter Raum.<br />

Wir sind eine kleine Gemeinschaft.<br />

Das <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong> ist ein Raum, in dem<br />

sich keiner zurückhalten muss<br />

mit spontanen Einfällen, frechen<br />

Späßen o<strong>der</strong> einfach nur<br />

Klartext. Dazu sind die Workshops<br />

da, die Aufführungsgespräche,<br />

und auch: die Festivalzeitung.<br />

Die Festivalzeitung FZ –<br />

ein komisches Ereignis<br />

Die Festivalzeitung ist nicht nur<br />

dazu da, all das abzubilden, was<br />

in diesen acht Tagen hier geschieht.<br />

Das gehört natürlich<br />

auch dazu, und deshalb laufen<br />

wir jeden Tag mit Aufnahmegeräten<br />

und Fotoapparaten<br />

herum. Uns geht es aber auch<br />

darum, neue Ereignisse zu schaffen,<br />

und zum Festival etwas beizutragen,<br />

das es sonst nicht<br />

geben würde. Und ein solcher<br />

Beitrag zum Festival, das sind<br />

die Rezensionen.<br />

Überraschung!<br />

Mit den Rezensionen wollen wir<br />

Gespräche über die Stücke anregen,<br />

die sonst vielleicht nicht<br />

geführt worden wären. Ich bin<br />

jetzt seit drei Jahren beim <strong>Theatertreffen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>, und jedes<br />

Jahr treffe ich überraschte<br />

Leute, die nicht gedacht hätten,<br />

dass wir das schreiben,<br />

was wir schreiben. Wir von <strong>der</strong><br />

Redaktion sind in erster Linie<br />

Autoren und haben uns beim<br />

Schwester-Wettbewerb des<br />

<strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>,<br />

dem Treffen junger Autoren,<br />

kennen gelernt. Einige von uns<br />

sind schon seit mehr als fünf<br />

Jahren beim <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong>. Wir lieben das Theater,<br />

aber wir kommen in <strong>der</strong> Regel<br />

nicht von <strong>der</strong> Bühne. Wir schauen<br />

uns die Stücke an und horchen<br />

in uns rein, was sie bei uns<br />

auslösen. Manche von uns machen<br />

sich direkt im Stück Notizen.<br />

Am Abend und am Morgen<br />

danach diskutieren wir darüber.<br />

Dann geht es uns darum,<br />

unsere Eindrücke in einen Text<br />

zu bringen, und dabei deutlich<br />

zu machen, woher diese Eindrücke<br />

kommen. Unser Ziel ist<br />

es dabei, <strong>der</strong> Wirkung gerecht<br />

zu werden, die das Stück in uns<br />

ausgelöst hat. Unser Ziel ist es<br />

aber nicht, Verbesserungsvorschläge<br />

zu machen, denn wir<br />

sind keine Regisseure. Und allgemeingültige<br />

Urteile wollen<br />

wir auch nicht fällen. Das können<br />

wir gar nicht, und wahrscheinlich<br />

kann das ohnehin<br />

keiner. Was man mit diesen Rezensionen<br />

dann anfängt, das<br />

ist jedem selbst überlassen.<br />

Bestimmt kann man nicht immer<br />

ganz nachvollziehen, warum<br />

<strong>der</strong> Rezensent nun diesen<br />

o<strong>der</strong> jenen Eindruck vom Stück<br />

mitgenommen hat. Ich wun<strong>der</strong>e<br />

mich auch manchmal über<br />

meine Kollegen. Manche Sachen<br />

kann ich erst Tage später<br />

diskutieren, weil ich die erst einmal<br />

sacken lassen muss. Aber<br />

gerade darin sehen wir den beson<strong>der</strong>en<br />

Input <strong>der</strong> Rezensionen.<br />

Die wollen nicht eingeschweißt<br />

o<strong>der</strong> eingerahmt<br />

werden. Sie wollen überraschen<br />

und irritieren, um Gespräche<br />

übers Theater anzuregen.<br />

97


Spezial<br />

Außenblick<br />

Dienstag, 28. Mai 2012<br />

10:00 – 12:00 Uhr<br />

Raus aus dem Mikrokosmos <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>. Es galt, die Großstadt zu<br />

entdecken: ganz klassisch im Bus, ganz touristisch…<br />

Innenblick<br />

Dienstag, 28. Mai 2012<br />

15:00 Uhr – 16:00 Uhr<br />

Prospektzüge, Ober- und Untermaschinerie, Galerien in schwindelerregen<strong>der</strong><br />

Höhe und mehr aus <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Theatertechnik waren zu bestaunen in <strong>der</strong> Tour<br />

durch das Haus <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong>.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Stimmen zum Festival<br />

+++ ich habe neue formen von theater kennengelernt +++ ich habe über<br />

sehr viele themen neu nachgedacht, auch über mich selbst, und ich bin zu<br />

neuen schlüssen gekommen +++ ich habe es geliebt, so viel zu lernen +++<br />

als ehemaliger habe ich nicht alles miterlebt, aber es gab trotzdem sehr<br />

viel neuen input, man lernt einfach nicht aus, und hier wird so offen miteinan<strong>der</strong><br />

umgegangen +++ ich war ja auch schon letztes jahr dabei und<br />

fand, dass die stücke dieses jahr noch viel abwechslungsreicher waren +++<br />

die leute waren toll, die band auch, die fassbrause ist natürlich immer das<br />

coolste, ich hab viel gelernt +++ die stücke sind vielfältiger geworden, zum<br />

beispiel die performance aus solingen war eine neue erfahrung für mich:<br />

abschreckend, aber sehr interessant +++ ich habe gesehen, wie leute neue<br />

formen vom theater ausprobieren +++ ich kann im namen <strong>der</strong> gruppe sprechen:<br />

wir haben uns persönlich total verän<strong>der</strong>t, wir sind stärker geworden,<br />

wir können mehr kritik vertragen als vorher +++ <strong>der</strong> tanzworkshop hat<br />

mich unglaublich weitergebracht +++ man lernt so viele leute kennen, man<br />

ist so erschlagen von <strong>der</strong> wucht +++ es hat sich alles verän<strong>der</strong>t bei mir +++<br />

ich bin sehr viel offener geworden, als vorher, das hat mich richtig verän<strong>der</strong>t<br />

+++ ich glaube schon, dass es mich verän<strong>der</strong>t hat, aber das muss sich<br />

erstmal setzen +++ für mich war das festival auch sehr schön, es war mal<br />

an<strong>der</strong>s als die festivals, auf denen ich sonst war, auch von <strong>der</strong> struktur her<br />

+++ die workshops waren sehr toll, es hat mir auch gut gefallen, dass wir so<br />

viele workshops hatten +++ zum beispiel das stück gestern (aus heidelberg)<br />

hab ich nicht richtig verstanden +++ ich fand das festival sehr dicht, ich<br />

fands toll, all die stücke sehen zu können, acht stücke nacheinan<strong>der</strong> jeden<br />

abend! +++ ich fand die workshops sehr cool, sehr abwechslungsreich, es<br />

war sehr intensiv, ich bin jetzt aber ganz froh, erstmal ’ne pause zu haben<br />

+++ ich habe hier tolle leute kennen gelernt und mich mit leuten unterhalten,<br />

mit denen ich mich sonst nicht unterhalten würde. nicht, weil ich die<br />

verachten würde o<strong>der</strong> so, nein, einfach, weil ich die sonst nie treffen würde<br />

+++ das festival war cool, es gab gute stimmung, und alles war auf einem<br />

hohen niveau +++<br />

99


Forum<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


101


Forum<br />

Das FORUM des <strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> richtete sich<br />

an Spielleiter/-innen und unterglie<strong>der</strong>te sich in drei<br />

Sektionen: Praxis, Dialog und Fokus. Praxis enthielt zwei<br />

kompakte Blöcke mit jeweils mehreren Impulsworkshops<br />

und einem Intensivworkshop sowie einen Block Impulsworkshops<br />

für Studierende. Dialog beinhaltete alle Aufführungsgespräche<br />

des Festivals. Fokus widmete sich<br />

einem Schwerpunkt innerhalb des Forum-Programms.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Praxis<br />

Praxis I<br />

Handlungen, die in einem zeitlichen Ablauf<br />

reproduzierbar organisiert sind, so<br />

lassen sich Choreografien beschreiben.<br />

Je mehr sich Theaterformen vom Text<br />

entfernen, desto interessanter werden<br />

choreografische Zugriffe: Bil<strong>der</strong> statt<br />

Sprache, physische Realität statt<br />

Sprechtechnik. Aber was macht Choreografien<br />

aus und sind sie auch jenseits<br />

von Tanz denkbar? Die vier Referenten<br />

vermittelten unterschiedliche<br />

Zugänge, Methoden und Bausteine.<br />

Im Workshop von Tom Bünger stand <strong>der</strong><br />

sprechende Körper im Zentrum. Zentral<br />

dabei ist, dass Tanz kein „Als-Ob“<br />

kennt, son<strong>der</strong>n die unmittelbare, reale<br />

Physis. Der Workshop machte das „Dasein“<br />

stark, eine neutrale körperliche<br />

Präsenz, die eine große Kraft auf <strong>der</strong><br />

Bühne entwickeln kann. Davon ausgehend<br />

wurden mit großer Reduktion die<br />

Zeichenhaftigkeit von Bewegungen,<br />

Raumrichtungen, Geschwindigkeiten,<br />

Nähe und Distanz, Synchronität und<br />

Gegenbewegung untersucht. Was erzählt<br />

ein neutraler Blick ins Publikum,<br />

ein Rücken, ein fallen<strong>der</strong> Arm, was<br />

macht <strong>der</strong> restliche Körper dabei? Der<br />

Workshop konzentrierte die Aufmerksamkeit<br />

auf den Körper, noch bevor<br />

Tanz stattfindet. Erst im zweiten Schritt<br />

wurde das Körperzeichen dann in den<br />

Raum, in eine Choreografie transportiert.<br />

Wichtigste Arbeitsmethode dabei<br />

war nicht die Komposition von Bewegung,<br />

son<strong>der</strong>n die zufällige Gleichzeitigkeit<br />

o<strong>der</strong> Begegnung von vorgegebenen<br />

und improvisierten Bewegungs -<br />

elementen: so entstanden die interessantesten<br />

choreografischen Wirkungen<br />

des Workshops. Der Workshop machte<br />

auch Nicht-Tänzern Mut, Tanz einmal<br />

nur als den physischen Körper zu denken:<br />

Der Körper spricht schon durch<br />

einfachste Bewegungen wie die Drehung<br />

eines Kopfes, das Fallen von<br />

Schultern o<strong>der</strong> das Einknicken <strong>der</strong> Knie.<br />

Der Praxis-Impuls von Andreas Simon<br />

hingegen spielte mit den Extremen <strong>der</strong><br />

zeitlichen Gestaltung: Langsamkeit und<br />

maximale Geschwindigkeit sowohl in<br />

Form von Bewegungsetüden, als auch<br />

einer Arbeitsmethode: Was passiert,<br />

wenn sich Bewegung unter Zeitdruck<br />

entwickeln muss? Im Kontrast dazu:<br />

Wie läuft die langsamste Bewegung an,<br />

was passiert im Körper? Wie hängen<br />

Tempo und Größe <strong>der</strong> Bewegung zusammen,<br />

welche Grenzen gibt es? Die<br />

Wirkung von Tempovariationen wurden<br />

in unterschiedlichen choreografischen<br />

Sets ausprobiert. Deutlich wurde, dass<br />

Zeitdruck Hemmungen fallen lässt und<br />

das spielerische Moment einer Improvisationsphase<br />

för<strong>der</strong>t. Die Konzentration<br />

auf extreme Langsamkeit schafft ein<br />

Bewusstsein für den Körper: Gewichtsverlagerung,<br />

Kraft, Form, Größe einer<br />

103


Bewegung. Als spannendste Gestaltungsmittel<br />

für Choreografien wurden<br />

im Workshop Kontraste und Tempowechsel<br />

formuliert.<br />

Auch Musik kann ein wichtiges choreografisches<br />

Element sein, wenn sie überlegt<br />

eingesetzt wird. Dominik Blumer<br />

fokussierte seinen Workshop auf Musik<br />

als Teil <strong>der</strong> Inszenierung (in Abgrenzung<br />

zum Einsatz in <strong>der</strong> Probenarbeit, zur<br />

Entwicklung von Figuren o<strong>der</strong> Szenen<br />

etc.) und schärfte die Aufmerksamkeit<br />

für die unterschiedlichen Wirkungen<br />

von Musikeinsätzen. Zentrale Fragen bei<br />

<strong>der</strong> Verwendung von Musik waren: Wer<br />

hört die Musik? Ist sie für den Zuschauer<br />

zusätzliche Bebil<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> agieren<br />

die Spieler damit? Wer spielt die Musik?<br />

Gibt es eine Band, wird sie auf <strong>der</strong> Bühne<br />

produziert o<strong>der</strong> kommt sie als Einspielung?<br />

Welchen Anlass im Stück gibt<br />

es für Musik und wie motiviert sie sich<br />

im konkreten Moment? Musik kann ein<br />

szenisches Mittel zur Unterstützung<br />

o<strong>der</strong> Verfremdung <strong>der</strong> Situation auf <strong>der</strong><br />

Bühne sein. Sie kann auch dramaturgisches<br />

Mittel sein, beispielsweise leitmotivisch<br />

für eine Figur klingen o<strong>der</strong> eine<br />

Entwicklung abbilden, in dem sie die<br />

Handlung an Anfang und Schluss klammert<br />

und die Schlussmusik eine Variation<br />

<strong>der</strong> Anfangsmusik ist (z.B. an<strong>der</strong>e<br />

Instrumentierung). Als rhythmisches<br />

Element dynamisiert sie die Handlung,<br />

kann verlangsamen o<strong>der</strong> beschleunigen.<br />

Musikeinsätze lassen sich auch auf<br />

<strong>der</strong> Konzeptebene motivieren: durch die<br />

Liedtexte, die Zeitebene o<strong>der</strong> ein Genre<br />

– wenn Musik sich mit an<strong>der</strong>en Mitteln<br />

in eine Richtung verdichtet, entfaltet<br />

sie die größtmögliche szenische Wirkung.<br />

Im Workshopexperiment wurden<br />

anhand einer Szene aus „Das Fest“ die<br />

Wirkung von unterschiedlichen Musiken<br />

und Musikeinsätzen untersucht. Schauspiel<br />

lässt sich als ein Dialog zwischen<br />

physischer Handlung und einem Text<br />

beschreiben, <strong>der</strong> Anhaltspunkt, die Folie<br />

für die konkrete Handlung ist.<br />

In Maike Krauses Workshop waren zufällige<br />

Choreografien in physischen<br />

Handlungen zentral. Ein performatives<br />

Experiment führte in den theoretischen<br />

Workshophintergrund ein und war<br />

gleichzeitig schon Spielraum für Zufälle:<br />

Ausgangsbasis war ein identischer Text,<br />

jedoch mit drei unterschiedlichen Regieanweisungen,<br />

die dem Publikum<br />

nicht bekannt waren. Dieser Text wurde<br />

von drei Personen vorgelesen, die jeweils<br />

ihre Regieanweisungen umsetzten.<br />

Die Versuchsanordnung lenkte unsere<br />

Aufmerksamkeit auf die physische<br />

Handlung, die sich beim Lesen zwischen<br />

den Spielern vollzieht – die zufällige<br />

Choreografie. Als Mittel konkretisierten<br />

sich Form, Zeit, Ausdruck,<br />

Bewegung und Bewegungsqualität,<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Raum, Richtung, Tempo und Tempowechsel,<br />

Dauer, Geste. Diese Gestaltungsmittel<br />

gehen zurück auf die Werkzeuge<br />

des Schauspielers: Augen<br />

(Blicke), Atem, Kontakt (mit sich, mit<br />

dem Boden, mit einem Partner), Bewegung,<br />

Rhythmus (Dynamik, zeitliche<br />

Struktur) – <strong>der</strong> Körper agiert wie eine<br />

Skulptur, die sich in Bewegung setzen<br />

kann. Mithilfe von „Instant Compositions“,<br />

kleinen körperlichen Handlungsanweisungen,<br />

entwickelten wir dann<br />

Kurzchoreografien, in denen die Werkzeuge<br />

und Stilmittel erprobt werden<br />

konnten.<br />

Durch die Impulsworkshops leitete: Rieke Oberlän<strong>der</strong>, geboren<br />

1982, Studium <strong>der</strong> Kulturwissenschaften und ästhetischen<br />

Praxis mit Schwerpunkt Theater an <strong>der</strong> Universität Hildesheim.<br />

2003 und 2005 Jurorin beim <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>,<br />

2004 bei den Landesschultheatertagen Thüringen, 2008 Jurorin<br />

beim Festival Liebe Macht Tod – Schüler spielen Shakespeare,<br />

Regieassistentin in verschiedenen Schauspielproduktionen<br />

in Hildesheim und Bremen. Workshopleiterin für<br />

verschiedene Träger – u.a. <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>, Schiller<br />

05, Schultheater <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. 2004 bis 2007 Leiterin des <strong>Jugend</strong>clubs<br />

am Stadttheater Hildesheim. Seit Sommer 2007<br />

Theaterpädagogin und Leiterin <strong>der</strong> Theaterpädagogik am<br />

Theater Bremen.<br />

Im Intensivworkshop mit Heiko Kalmbach<br />

erkundeten und (er)probten die<br />

Teilnehmer/-innen Einsatzmöglichkeiten<br />

von Video im Theater.<br />

105


Praxis II<br />

Wie arbeiten theaterpädagogische Eigenproduktionen<br />

mit Figuren? Welches<br />

Verhältnis zwischen Figur und Spieler<br />

gibt es da und wie viel Fiktion braucht<br />

das Biografische Theater? Wie wird aus<br />

Biografischem Fiktionales und geht es<br />

auch umgekehrt? In Praxis II sollten die<br />

Workshops <strong>der</strong> drei Referenten einen<br />

Austausch über unterschiedliche Perspektiven<br />

auf das Thema anregen.<br />

Die Einheit von Ulrike Hatzer fand als<br />

Gradwan<strong>der</strong>ung zwischen fiktionaler<br />

Figur und physischer Realhandlung<br />

statt. Aus körperlichen Zuständen und<br />

Handlungsabfolgen wurden zum Thema<br />

„Meine letzte große Schlacht“ Texte<br />

und Subtexte entwickelt und miteinan<strong>der</strong><br />

in Beziehung gesetzt. Welche Sätze<br />

kommen, wenn mein Körper beengt am<br />

Boden kauert? Welche Figur aus <strong>der</strong> Literatur,<br />

aus Film o<strong>der</strong> Geschichte fällt<br />

mir dazu ein? Und welche Wirkung entsteht,<br />

wenn ich nun einen fremden Text<br />

zu meiner Bewegungsabfolge spreche,<br />

diesen aber in Einschüben mit kurzen<br />

Bestandsaufnahmen meines realen<br />

körperlichen Befindens kommentiere?<br />

Deutlich wurde, wie sinnlich Figuren<br />

durch körperliche Handlungen werden,<br />

wie viel Spannung erzeugt wird, wenn<br />

Körper und Text sich reiben und wie das<br />

Kommentieren sowohl eine humorvolle<br />

Leichtigkeit, als auch eine Tiefe schaffen<br />

kann. Plötzlich erscheint die Figur mehrdimensionaler<br />

und gleichzeitig kommt<br />

<strong>der</strong> Spieler selbst zum Vorschein. Reizvoll<br />

ist die Beziehung, die sich zwischen beiden<br />

andeutet und dem Zuschauer viel<br />

Raum für Deutungen überlässt.<br />

Der Schreibworkshop von Thomas Freyer<br />

arbeitete an <strong>der</strong> Fiktionalisierung von<br />

Biografischem. Orientiert am Prinzip<br />

„Distanz erzeugt Spannung“ ging es um<br />

die Reduktion, die Konzentration auf das<br />

eigentliche Interesse an etwas bereits<br />

Ausgesprochenem. Biografisches Material<br />

hat nicht per se theatrale Qualität,<br />

in <strong>der</strong> Auswahl und Komposition liegt die<br />

Kraft. Der Workshop vermittelte einen<br />

Ansatz, wie dokumentarisches Material<br />

zu einer Figur jenseits <strong>der</strong> Klischees inspirieren<br />

kann, <strong>der</strong> später das Material<br />

als Sprache zurückgegeben wird. In einer<br />

dreischrittigen Schreibaufgabe entwickelten<br />

wir aus Figuren Situationen und<br />

später (Dialog-) Szenen.<br />

Performance inszeniert im Gegensatz<br />

zum traditionellen Theaterverständnis<br />

keine „Als-Ob“-Situationen, son<strong>der</strong>n<br />

zeigt reale Handlung, die Spielregeln<br />

folgt. Figuren schaffen Zusammenhänge,<br />

sind aber ein Fiktionalitätssignal. In<br />

<strong>der</strong> Performance steht die Realpräsenz<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


des Performerkörpers im Zentrum. Können<br />

Figuren demnach überhaupt performativ<br />

handeln? Und können Performer<br />

zu Figuren werden?<br />

Anhand von Beispielinszenierungen von<br />

Rimini Protokoll und She She Pop wurden<br />

im Impuls von Linda Waack Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Grenzüberschreitung zwischen<br />

Performance und Figur diskutiert.<br />

Beispielsweise erlebt das Publikum bei<br />

sehr langen Theaterabenden Schauspieler<br />

auch als Performer, <strong>der</strong>en Körper<br />

auf die körperliche Belastung des Spiels<br />

reagieren. Denkbar sind auch performative<br />

Elemente in Inszenierungen, wie<br />

z.B. in „Wilhelm Tell“ den Apfelschuss in<br />

Korrespondenz zu Marina Abramovics<br />

Performance „Rest energy“ zu gestalten.<br />

Rimini Protokoll überschreiten die<br />

Grenze des Fiktionalen mithilfe von Experten<br />

des Alltags, die sie anhand <strong>der</strong><br />

Figurenliste des Stücks auswählen. Der<br />

Wallenstein wird so ein echter Politiker,<br />

<strong>der</strong> über seinen Aufstieg und Fall berichtet,<br />

Soldaten sind echte Soldaten,<br />

die ihre Einsätze schil<strong>der</strong>n. Im Workshop<br />

wurde nach diesem Vorbild aus <strong>der</strong> Figurenliste<br />

unterschiedlicher Klassiker<br />

eine Taskperformance entwickelt und<br />

Handlungsanweisungen für die Theatralisierung<br />

des Expertenmaterials erfunden.<br />

Durch die Impulsworkshops leitete: Rieke Oberlän<strong>der</strong> (Vita s.<br />

Praxis I)<br />

Dennis Deter und Lea Martini stellten in<br />

ihrem Intensivworkshop den Körper als<br />

Material und Werkzeug künstlerischer<br />

Forschungsprozesse in den Mittelpunkt.<br />

107


Praxis für Studierende<br />

Im Fokus <strong>der</strong> vier Impulseinheiten standen<br />

Fragen des „drüber Redens“ im Mittelpunkt:<br />

Wie lässt sich über das Theater<br />

von und mit <strong>Jugend</strong>lichen reden? Woran<br />

lassen sich Beschreibungen von <strong>Jugend</strong><br />

auf <strong>der</strong> Bühne anknüpfen und von welchem<br />

Theater ist überhaupt die Rede?<br />

Den Impuls 1 mit dem Titel „Buntzone -<br />

Theaterpädagogik und/o<strong>der</strong>/ist nicht/<br />

ist auch/ Regie“ leitete Ulrike Hatzer,<br />

die sich diesen Fragen spielerisch mittels<br />

theatraler Dialogformate annäherte.<br />

So ging es zunächst einmal darum,<br />

sich im wahrsten Sinne des Wortes um<br />

Kopf und Kragen zu reden, losgelöst<br />

von „Wissen“. Begrifflichkeiten wie biografisches<br />

und dokumentarisches Theater,<br />

ästhetische Bildung, Amateurtheater,<br />

Laientheater wurden in einem<br />

assoziativen Reihum zum Thema gemacht.<br />

Anschließend wurden diese Begrifflichkeiten<br />

in einer fiktiven Konferenzsituation<br />

zwischen Repräsentanten<br />

des Biografischen (z.B. Andres Veiel)<br />

und Experten/-innen des Theaters<br />

(Theaterlehrer,-pädagogen, Regisseure)<br />

verhandelt. Wenn auch fiktiv, so wurde<br />

ein Dialog eröffnet, <strong>der</strong> verschiedene<br />

Perspektiven aufzeigte und im Nachdenken<br />

über das eigene Theatermachen<br />

wie<strong>der</strong>um „Realität“ erlangte.<br />

Im zweiten Impuls „Von <strong>der</strong> Recherche<br />

zur Szene – Herausfor<strong>der</strong>ungen für die<br />

Dramaturgie“ mit Birgit Lengers standen<br />

Form und Verfahren des sogenannten<br />

Recherchetheaters im Mittelpunkt.<br />

Anhand einer Produktion des Jungen DT<br />

(„Fluchtpunkt Berlin”) wurde beispielhaft<br />

aufgezeigt, wie biografisches Material<br />

im Rahmen eines Projekts recherchiert,<br />

erhoben und in Szene gesetzt<br />

werden kann, was nicht von den Spielern<br />

selbst stammt. Ein solcher Transformations-<br />

bzw. Gestaltungsprozess<br />

wurde anhand einer Recherche zum<br />

Thema „frem<strong>der</strong> Tascheninhalt“ erprobt.<br />

So wurde nicht die eigene Tasche<br />

nach Inhalt durchsucht und anschließend<br />

in <strong>der</strong> Art einer kleinen Installation<br />

aufbereitet, son<strong>der</strong>n die des Partners.<br />

Im Arrangement des<br />

„persönlichen Materials“ zeigte sich <strong>der</strong><br />

fremde Blick auf das je Eigene und war<br />

für alle Beteiligten eine beson<strong>der</strong>e Erfahrung.<br />

Mit dem Impuls 3 unter dem Titel „Qualitätskriterien<br />

– Meilensteine <strong>der</strong> Jurytätigkeit“<br />

eröffnete Martin Frank ebenfalls<br />

spielerisch das Gespräch über<br />

Qualitätskriterien im Theater von und<br />

mit <strong>Jugend</strong>lichen. Im Spiel mit den<br />

vier Elementen konnte zunächst dem<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


eigenen Empfinden im Festival-Hierund-Jetzt<br />

nachgespürt werden. Anschließend<br />

wurden Fragen zur Qualität<br />

im Theater allgemein o<strong>der</strong> im Theater<br />

mit <strong>Jugend</strong>lichen über die Elemente<br />

verhandelt. Hierbei wurde auch auf die<br />

eingeladenen Produktionen Bezug genommen.<br />

So lautetet z.B. eine Frage:<br />

Welches Element war die Inszenierung<br />

Almost Lovers? Welches Element hat<br />

<strong>der</strong> Inszenierung gefehlt? Im Spiel mit<br />

den Elementen eröffnete sich hier eine<br />

an<strong>der</strong>e, abstrakte Form des Nachdenkens<br />

und Redens über Theater.<br />

Form zu finden, über die sich im Durchdringen<br />

von Sagen und Zeigen sinnstiftende<br />

Momente ereigneten; Aha-Effekte<br />

<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Art und Weise.<br />

Leitung: Ina Driemel > Sozialpädagogin und Theaterpädagogin.<br />

Tätig als freischaffende Theaterpädagogin und Lehrbeauftragte<br />

im Bereich Ästhetik/ Medien/Kunst; forscht zum<br />

Thema „<strong>Jugend</strong>” in <strong>der</strong> Theaterpädagogik.<br />

Der vierte Impuls unter dem Titel „Lecture-Performance-Experimente“<br />

wurde<br />

von Veronika Reichl geleitet. Auch hier<br />

wurde auf die Produktionen des Festivals<br />

Bezug genommen und zum Gegenstand<br />

kleinerer Lecture-Performance-<br />

Experimente gemacht. Das „Reden<br />

über“ wurde theatral bzw. performativ<br />

gerahmt, beispielweise durch die Einnahme<br />

einer öffentlichen Sprecherposition<br />

o<strong>der</strong> über die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem, was genau nicht<br />

gemeint ist, quasi als Performance des<br />

Gegenteiligen. Eine Analyse von Produktionen<br />

auf körperliche Art und Weise<br />

wurde ebenfalls erprobt. Unter dem<br />

Motto: Dance your analysis! galt es eine<br />

109


Dialog<br />

Aufführungsgespräche<br />

25. – 31. Mai <strong>2013</strong>, jeweils 17:00 – 18:00 Uhr,<br />

01. Juni <strong>2013</strong>, 10:30 – 11:30 Uhr<br />

Beschreibungen und Beobachtungen führten in das tägliche Aufführungsgespräch<br />

mit Juror/-innen, Spielleiter/-innen und Forumsteilnehmer/-innen über formalästhetische,<br />

inhaltliche und thematische Aspekte <strong>der</strong> Produktionen. Gefragt waren<br />

Expertise, Toleranz, grenzenlose Neugier und viel Lust auf das Experimentieren<br />

mit Gesprächsstrukturen.<br />

mit Ulrike Hatzer – Siehe Jury<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Fokus<br />

Gespräch mit <strong>der</strong> Jury<br />

Dienstag, 28. Mai <strong>2013</strong><br />

13:30 – 16:00 Uhr<br />

Die Bedingungen rund ums <strong>Jugend</strong>theater sind im Wandel. Wie kann zwischen G8<br />

und Smartphones gutes <strong>Jugend</strong>theater entstehen? Diese und weitere Fragen wurden<br />

von den Teilnehmer/-innen in einer offenen Gesprächsrunde für die Gäste des<br />

<strong>Theatertreffen</strong>s <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> mit dessen Jury erörtert.<br />

111


Essay<br />

Die Gefahr liegt in <strong>der</strong> Imitation – von Lydia Dimitrow<br />

In <strong>der</strong> Parkaue-Inszenierung<br />

„Romeo und Julia” ging es vor<br />

allem um die Unmöglichkeit,<br />

als <strong>Jugend</strong>theater so einen<br />

Klassiker auf die Bühne zu bringen.<br />

FZ hat nachgedacht und<br />

ist ins Gespräch gekommen,<br />

und stellt die ketzerische Frage:<br />

Sind Textrealisationen im <strong>Jugend</strong>theater<br />

sinnvoll? Bei den<br />

vielen Literaturverweisen, die<br />

das Heidelberger Ensemble in<br />

seinem Programmheft angibt,<br />

ist nicht ganz klar, ob wir da<br />

gestern eine Textrealisation<br />

von Christopher Krieses „ich<br />

bin nicht hamlet“, „ich bin<br />

hamlet“ und „bin ich hamlet<br />

o<strong>der</strong> bin ich’s nicht ist das ein<br />

titel o<strong>der</strong> ein gedicht“ gesehen<br />

haben, o<strong>der</strong> ob es sich bei<br />

<strong>der</strong> Inszenierung um eine große<br />

collagierte Adaption handelt<br />

(abgesehen davon, dass<br />

auch nicht ganz klar ist, ob es<br />

sich bei Krieses Texten um<br />

dramatische handelt). Aber<br />

ansonsten ist die Lage klar:<br />

Sechs Abende voller Eigenproduktionen<br />

bis jetzt, woran<br />

auch nichts än<strong>der</strong>t, dass sich<br />

eine davon als „Romeo und<br />

Julia“-Inszenierung ausgibt.<br />

Ein Theaterfestival, das fast<br />

nur Eigenproduktionen zeigt –<br />

bildet das einen Trend ab o<strong>der</strong><br />

eine Notwendigkeit?<br />

Jury-Mitglied Maike Plath sieht<br />

durchaus einen Zusammenhang<br />

zwischen <strong>der</strong> Überzahl an<br />

Eigenproduktionen und <strong>der</strong><br />

Festivalphilosophie des <strong>Theatertreffen</strong>s<br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>: „Wir<br />

suchen hier ja Gruppen, die die<br />

eigene o<strong>der</strong> eine kritische Haltung<br />

auf die Bühne bringen.“<br />

Für eine Eigenproduktion ist<br />

dieser Ansatz schon Grundvoraussetzung,<br />

bei Textrealisationen<br />

liegt <strong>der</strong> vielleicht weniger<br />

auf <strong>der</strong> Hand. Die Gefahr liegt<br />

in <strong>der</strong> Imitation. Maike Plath<br />

erzählt, es gebe auch Bewerbungen,<br />

die nicht nur versuchen,<br />

möglichst texttreu zu<br />

sein, son<strong>der</strong>n die sogar ganze<br />

Inszenierungen nachahmen.<br />

„Das ist dann einfach wahnsinnig<br />

langweilig.“ Und laut Plath<br />

auch gefährlich. Man könne die<br />

Tatsache nicht ignorieren, dass<br />

viele Schauspieler im professionellen<br />

Theater schlicht drei bis<br />

vier Jahre Schauspielausbildung<br />

hinter sich haben. Wenn<br />

man sich dann mit Stoff o<strong>der</strong><br />

Inszenierung in den direkten<br />

Vergleich begebe, könne <strong>Jugend</strong>theater<br />

leicht „defizitär“<br />

wirken, sagt Plath. „Uns interessiert<br />

nicht, wie Schüler versuchen,<br />

Schauspieler zu sein.“<br />

Auf diesen Punkt kommt auch<br />

Workshopleiterin Linda Waack<br />

zu sprechen. Für sie ist es wichtig,<br />

dass es nicht als Mangel<br />

behandelt wird, dass die Spieler<br />

beispielsweise keine ausgebildeten<br />

Sprecher sind, son<strong>der</strong>n<br />

dass man versucht, damit produktiv<br />

umzugehen. „Man legt<br />

dem Handwerk das Handwerk“,<br />

sagt sie. Und auch das<br />

sei laut Maike Plath ein Aspekt,<br />

<strong>der</strong> bei Textrealisationen oft zu<br />

kurz kommt: „Da werden die<br />

<strong>Jugend</strong>lichen dann oft nur als<br />

Schauspieler behandelt.“ Dabei<br />

sei doch das Tolle am <strong>Jugend</strong>theater,<br />

dass die Spieler eher als<br />

ganzheitliche Künstler wahrgenommen<br />

werden, Künstler, die<br />

gleichzeitig Schauspiel, Dramaturgie,<br />

Bühne und Kostüm machen<br />

können. Man kann im <strong>Jugend</strong>theater<br />

einfach freier sein,<br />

mehr ausprobieren – ohne Berufshierarchie<br />

o<strong>der</strong> die Angst<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong><br />

Dialog


um das nächste Engagement.<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Freiheit ergibt<br />

sich im <strong>Jugend</strong>theater auch<br />

daraus, dass es kein Abonnentenpublikum<br />

gibt, das es zu befriedigen<br />

gilt. Man kann sich<br />

relativ ungebunden fragen:<br />

Welche Themen bewegen uns?<br />

Mit welcher Sprache wollen wir<br />

uns ausdrücken? Warum also<br />

dann ein Stück finden, das dem<br />

nur annähernd entspricht,<br />

wenn man auch eins selber<br />

machen kann, eben so, wie es<br />

einem gefällt. Bei Realisationen<br />

müsse man sich das Stück<br />

mit all seinen Überfor<strong>der</strong>ungsmomenten<br />

aneignen, sagt Linda<br />

Waack. Bei einer Adaption<br />

könne man zumindest die ganze<br />

Fremdheit <strong>der</strong> Vorlage ausstellen<br />

und einen Abstand dazu<br />

schaffen. „Deswegen münden<br />

auch so viele Textrealisationen<br />

irgendwann in Textadaptionen.“<br />

Da stellt sich doch die<br />

Frage: Ist nicht genau diese<br />

Fremdheit eines an<strong>der</strong>en Textes,<br />

die etwaige Komplexität eine<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung? Wenn man<br />

sich an etwas abarbeitet, das<br />

eben nicht das Eigene ist – kann<br />

nicht gerade das zu neuen<br />

Gedanken, einer neuen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

führen?<br />

Auch Textrealisationen bzw.<br />

-adaptionen könnten spannend<br />

sein, sagt Jurymitglied<br />

Klaus Riedel. Dann müsse man<br />

sich auch gar nicht fragen, wie<br />

die Lebenswelt <strong>der</strong> Spieler auf<br />

das Stück zu adaptieren sei,<br />

wichtig sei nur, dass das Ensemble<br />

etwas mit dem Kernkonflikt<br />

anfangen könne. Es<br />

sei nur so schwer, passende<br />

Texte fürs <strong>Jugend</strong>theater zu<br />

finden. Denn während man im<br />

professionellen Theater nach<br />

dem passenden Ensemble für<br />

ein Stück sucht, muss man im<br />

<strong>Jugend</strong>theater natürlich oft<br />

nach dem passenden Stück<br />

fürs Ensemble suchen. Da<br />

brauche man Textvorlagen, die<br />

eher „Textflächen” seien, die<br />

nicht vollkommen durch dialogisiert<br />

sind, die eine „hohe<br />

Leerstellendichte“ aufweisen.<br />

So etwas sei in <strong>der</strong> Gegenwartsdramatik<br />

leichter zu<br />

finden als bei den Klassikern,<br />

und damit könne man dann<br />

viel anfangen.<br />

Interessant ist: Bei <strong>der</strong> Frage,<br />

ob man sich für eine Eigenproduktion<br />

entscheidet o<strong>der</strong><br />

für eine Textvorlage, scheinen<br />

auch vor allem praktische Entscheidungen<br />

eine Rolle zu<br />

spielen, denn gegen Letzteres<br />

scheint rein konzeptionell erst<br />

mal nichts zu sprechen. Klar –<br />

es sollte etwas Eigenes entstehen.<br />

Aber man kann genauso<br />

gut aus einer Textvorlage etwas<br />

Eigenes machen wie aus<br />

einer Produktion, für die man<br />

von vorneherein den Text<br />

selbst entwickelt, selbst aus<br />

einem Klassiker. Denn dann<br />

könnte man versuchen, sich<br />

eben nicht nur am Text selbst<br />

abzuarbeiten, son<strong>der</strong>n auch<br />

an dem Diskurs, <strong>der</strong> sich schon<br />

um ihn rankt. Schließlich kann<br />

selbst <strong>der</strong> Vergleich mit an<strong>der</strong>en<br />

produktiv werden – wenn<br />

<strong>Jugend</strong>liche ganz selbstbewusst<br />

sagen: Das können wir<br />

besser! Ein bisschen Größenwahn<br />

gehört eben auch dazu.<br />

113


Epilog<br />

Wir haben es getan – von Margarita Iov<br />

Wir haben so viel geschafft in<br />

den vergangenen acht Tagen.<br />

Und wir haben so viel Spaß gehabt<br />

dabei. Wir sind hier alle<br />

aufgeblüht, je<strong>der</strong> auf seine Art.<br />

Wir haben eingesehen, dass wir<br />

alle nur versuchen, gute Jungs<br />

zu sein. Dass wir Ängste haben<br />

und Sorgen, aber eben auch<br />

Träume. Wir haben gesehen,<br />

dass es da eine große Kluft gibt<br />

zwischen zwei Welten und dass<br />

das Internet die Welt einerseits<br />

kleiner, aber an<strong>der</strong>erseits auch<br />

einsamer macht. Wir haben<br />

gesehen, wie viel Hellersdorf<br />

uns allen zu erzählen hat über<br />

das, was sich än<strong>der</strong>n soll, in <strong>der</strong><br />

Welt und in uns. Wir haben gesehen,<br />

dass es mitten in unserem<br />

Land ein riesiges Loch gibt,<br />

das unaufhaltbar wächst. Dass<br />

Menschen ihre Heimat verlieren<br />

und wir nichts davon mitkriegen.<br />

Wir haben uns gemeinsam<br />

empört und einan<strong>der</strong><br />

mal richtig die Meinung gegeigt.<br />

Uns geärgert, über Gott<br />

und die Welt und über unsere<br />

eigene Antriebslosigkeit. Wir<br />

haben gesehen, dass man „Romeo<br />

und Julia” nicht mehr guten<br />

Gewissens aufführen kann<br />

und es gerade deshalb doch<br />

tun sollte. Wir waren kurzzeitig<br />

alle wie<strong>der</strong> 14 und verknallt. Wir<br />

haben totes und lebendiges<br />

Fleisch auf <strong>der</strong> Bühne gesehen<br />

und waren alle mal kurz Hamlet<br />

und alle mal Ophelia. Wir<br />

haben was über Kunst gelernt.<br />

Wir haben uns auf einen musikalischen<br />

Berlin-Trip eingelassen<br />

und mal ganz genau hingehört.<br />

Wir haben uns immer<br />

wie<strong>der</strong> die Hände wund geklatscht.<br />

Wir haben ein Hörspiel<br />

gehört, in dem Angelina<br />

Jolie vorkommt. Wir haben gehört,<br />

dass die FZ-Redaktion<br />

auch super seriös kann, wenn<br />

sie will. Will sie aber nur ganz<br />

selten. Wir haben uns überraschen<br />

und beeindrucken lassen,<br />

manchmal sogar von uns<br />

selbst. Wir haben getrunken<br />

und gefeiert und gespielt, neue<br />

Bekanntschaften gemacht und<br />

neue Freundschaften geschlossen.<br />

Wir haben gelernt, uns zu<br />

konzentrieren. Wir haben gelernt,<br />

einan<strong>der</strong> ernst zu nehmen.<br />

Wir haben gelernt, mit<br />

an<strong>der</strong>en zu arbeiten. Wir haben<br />

uns weiterentwickelt. Wir haben<br />

gelernt, Kritik auszuteilen<br />

und einzustecken. Wir haben<br />

die Hosen runtergelassen und<br />

sind über unseren Schatten gesprungen.<br />

Wir haben uns was<br />

getraut. Und hoffentlich ein<br />

bisschen was gelernt. Auch<br />

über uns. Wir haben Texte geschrieben<br />

und Spiele entwickelt.<br />

Wir haben Filme gedreht<br />

und Fotos geschossen. Wir haben<br />

getanzt und gesungen. Wir<br />

haben nachgedacht, über die<br />

Schauspielerei und das Theater<br />

an sich. Gesehen, was man alles<br />

machen kann auf einer<br />

Bühne. Und sind zu dem Ergebnis<br />

gekommen, dass man absolut<br />

alles machen kann und<br />

sich auch ruhig mal irren darf.<br />

Wir haben uns angesehen, was<br />

die an<strong>der</strong>en so gemacht haben.<br />

Und dann darüber gesprochen.<br />

Wir haben herausgefunden,<br />

dass <strong>der</strong> Dancefloor unten<br />

„Ritze” heißt. Und <strong>der</strong> Barmann<br />

„Levin”. Und wir haben hoffentlich<br />

ein bisschen in <strong>der</strong> FZ<br />

geblättert. Wir haben sogar<br />

tatsächlich mal eine Stadtrundfahrt<br />

gemacht. Wir haben<br />

einsehen müssen, dass <strong>der</strong> Mai<br />

ein Wintermonat ist und dass<br />

es in Berlin jeden Tag regnet.<br />

Jeden Tag. Wir haben unglaublich<br />

gut gegessen und<br />

literweise Fassbrause getrunken.<br />

Und unglaublich gut ausgesehen.<br />

Wir haben eigentlich<br />

kaum geschlafen. Dafür<br />

abends gemeinsam das Tanzbein<br />

geschwungen. Im Garten<br />

herumgehangen, bei jedem<br />

Wetter und zu je<strong>der</strong> Uhrzeit.<br />

Uns stundenlang unterhalten.<br />

Und was haben wir gelacht.<br />

Und wie werden wir das hier<br />

alles vermissen.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


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<strong>Dokumentation</strong><br />

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Jury<br />

Martin Frank (Jury-Vorsitz), Basel<br />

geboren 1962, Lithograph, Diplom-Sozialpädagoge,<br />

Berufspraxis in <strong>der</strong> offenen Psychiatrie,<br />

Ausbildung an <strong>der</strong> Theaterspielschule Nordrhein-<br />

Westfalen, Theaterpädagoge am Theater im<br />

Zentrum Stuttgart, an <strong>der</strong> Württembergischen<br />

Landesbühne Esslingen, am Staatstheater<br />

Braunschweig und carrousel Theater in Berlin,<br />

Gründung des Theaterpädagogischen Zentrums<br />

Theaterplus Basel und des Schweizer <strong>Jugend</strong>club-<br />

Festivals Spiilplätz, zahlreiche Inszenierungen im<br />

professionellen und Laientheater in den Sparten<br />

Schauspiel, Tanz und Oper. In <strong>der</strong> Jury seit 1994.<br />

Ulrike Hatzer, Braunschweig<br />

geboren 1966, Schreinerin, Studium <strong>der</strong> Theaterwissenschaft,<br />

Philosophie und Regie in München<br />

und Dublin, Mitglied in Künstlergruppen<br />

wie Fatal Theater, Micro Oper München, Forum<br />

Kunst und Bühne. Nach Assistenzen/Hospitanzen<br />

bei Regisseuren wie Bob Wilson, Vicco von<br />

Bülow und Arbeiten für die Schauburg am Elisabethplatz<br />

in München fünf Jahre künstlerische<br />

und geschäftsführende Leitung <strong>der</strong> TheaterFAB-<br />

RIK Gera des Theaters Altenburg-Gera. Ihre Produktionen<br />

erhielten Festivaleinladungen und<br />

Auszeichnungen zum <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>,<br />

Bundestreffen <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>clubs an Theatern<br />

und Preis des Kin<strong>der</strong>- und <strong>Jugend</strong>theaterzentrums<br />

<strong>der</strong> BRD in Frankfurt / M. Seit 2005<br />

Inszenierungen in Potsdam, Bonn, Duisburg,<br />

seit 2010 regelmäßig für das Junge Staatstheater<br />

in Braunschweig und für das Stadt-Theater<br />

des Staatstheaters – ein Bürgerensemble, das<br />

sie mitinitiiert und -entwickelt hat. Seit 2010 Arbeit<br />

mit Regiestudenten <strong>der</strong> Abteilung für<br />

Schauspiel und Regie des Mozarteums in Salzburg<br />

zum dokumentarischen Theater mit professionellen<br />

und nichtprofessionellen Schauspielern.<br />

In <strong>der</strong> Jury seit 2007.<br />

Josef Meißner, Passau<br />

geboren 1950, seit 1981 Lehrer am Gymnasium<br />

Leopoldinum Passau; 1982ff Aufbau und Leitung<br />

einer Schultheatergruppe mit überwiegend kabarettistischen<br />

Eigenproduktionen mit Einladungen<br />

zum <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> 2006, den<br />

Theatertagen <strong>der</strong> bayerischen Gymnasien 1992,<br />

2002, 2005 und zum <strong>Jugend</strong>theaterfestival in<br />

Straubing 2005, 2007; 1998–2006 Neuinszenierungen<br />

von Freilichtspielen mit Laien in Nie<strong>der</strong>bayern;<br />

2003–2008 Gründung und Leitung des Kabarettensembles<br />

TREIBGUT/Passau; Referent in den<br />

Bereichen Kabarett, Regie und szenisches Lernen;<br />

2007 Jurymitglied des <strong>Jugend</strong>theaterfestivals<br />

EuroArt in Brasov/ROM; seit 2008 Jurymitglied für<br />

den Nachwuchspreis Scharfrichterbeil für Kabarettisten;<br />

2010 Gründung des Kabarettensembles<br />

Kellerkin<strong>der</strong> / Passau und Regie; seit 2010 Leiter<br />

<strong>der</strong> För<strong>der</strong>gemeinschaft für die bayerischen Theatertage<br />

<strong>der</strong> Gymnasien. In <strong>der</strong> Jury seit 2008.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Jan Koslowski, Zürich<br />

aufgewachsen in Berlin, seit 2007 Mitglied des<br />

<strong>Jugend</strong>theaters P14 <strong>der</strong> Volksbühne Berlin am<br />

Rosa Luxemburg Platz, zunächst auf <strong>der</strong> Bühne,<br />

später als Regisseur. Es folgten Regie-Hospitanzen<br />

bei René Pollesch und erste eigene Stücke<br />

im Rahmen von P14. Teilnahme am <strong>Theatertreffen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> 2010 mit dem Stück „Paulina sulla<br />

spiaggia“ und am Bundestreffen <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>clubs<br />

an Theatern mit <strong>der</strong> Produktion<br />

„Beschissene Umarmungen“. Er studierte an <strong>der</strong><br />

Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg<br />

und besucht zurzeit die Masterclass für<br />

Regie an <strong>der</strong> Zürcher Hochschule <strong>der</strong> Künste. Er<br />

inszenierte unter an<strong>der</strong>em für das Dramatikerfestival<br />

des Badischen Staatstheaters und die<br />

Biennale Neue Stücke Europa in Wiesbaden sowie<br />

aktuell für das Schauspielhaus Stuttgart.<br />

In <strong>der</strong> Jury als Jungjuror seit 2011.<br />

Klaus Riedel, Kassel<br />

geboren 1969, Studienleiter und Lehrer für<br />

Deutsch, Politik und Darstellendes Spiel an <strong>der</strong><br />

Modellschule Obersberg in Bad Hersfeld. Ausbil<strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Lehrerfortbildung für Darstellendes<br />

Spiel/Theater; Leitung von Workshops zu den<br />

Themen Klassikerinszenierungen, Theatertheorie,<br />

Didaktik. Mitglied des Vorstandes des Landesverbandes<br />

Schultheater in Hessen e.V.; Organisation<br />

verschiedener Theaterfestivals. Mit mehreren<br />

Schultheater-Produktionen eingeladen<br />

zum <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> und dem Schultheater<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Veröffentlichungen bei Klett<br />

und Edition Körber-Stiftung; Mitglied <strong>der</strong> Autorengruppe<br />

<strong>der</strong> Schulbuchreihe „Grundkurs Darstellendes<br />

Spiel“, Schroedel-Verlag. In <strong>der</strong> Jury<br />

seit 2010.<br />

Maike Plath, Berlin<br />

geboren 1970 in Flensburg, 1998 – <strong>2013</strong> Lehrerin<br />

für Darstellendes Spiel, Deutsch und Englisch in<br />

<strong>der</strong> Sekundarstufe 1. Seit 2004 Entwicklung und<br />

Durchführung zahlreicher Theaterproduktionen<br />

an <strong>der</strong> Anna-Siemsen-Hauptschule Berlin Neukölln.<br />

Seit <strong>2013</strong> freiberufliche Theaterpädagogin,<br />

Fortbildnerin und Autorin. Workshops und Vorträge<br />

zum Biografischen Theater und zur Statuslehre<br />

(nach Keith Johnstone) in Deutschland<br />

und in <strong>der</strong> Schweiz. 2008 – 2012 Vorstandsmitglied<br />

im Bundesverband Theater in Schulen<br />

(BVTS). Seit 2011 Künstlerische Leitung <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>theaterprojekte<br />

am Heimathafen Neukölln.<br />

Publikationen: „Biografisches Theater in<br />

<strong>der</strong> Schule“, Beltz Verlag 2009, „Spielend unterrichten<br />

und Kommunikation gestalten – Warum<br />

je<strong>der</strong> Lehrer ein Schauspieler ist“, Beltz Verlag<br />

2010, „Freeze & Blick ins Publikum – Das Methodenrepertoire<br />

für den Theaterunterricht“, Beltz<br />

Verlag 2011. In <strong>der</strong> Jury seit 2008.<br />

133


Sebastian Stolz, Eisenach<br />

geboren 1980 in Gera, freiberuflicher Regisseur,<br />

Dramaturg und Filmemacher. Beginn <strong>der</strong> Theater-<br />

und Filmarbeit 1997 in <strong>der</strong> TheaterFABRIK<br />

des Theater Altenburg-Gera. 2003 Gründung <strong>der</strong><br />

Filmgruppe Allesfilm Apfelfilm, anschließend 4<br />

Jahre Film&Theater in Lodz/Polen. 2008 Dozent<br />

für Filmproduktion bei <strong>der</strong> International Film<br />

Workshop Academy in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong><br />

Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.<br />

2008-2012 Leiter des Jungen Schauspiel am Landestheater<br />

Eisenach, davor Dramaturg am Jungen<br />

Theater des Hans Otto Theaters Potsdam.<br />

Ab 2012 Studium Theater- und Musikmanagement<br />

an <strong>der</strong> Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München. Seit <strong>2013</strong> Inhaber <strong>der</strong> FILMWILD Produktionsfirma.<br />

Zudem tätig als Werkstattleiter<br />

und Coach in den Bereichen Film, Theater und<br />

Kommunikation. Zahlreiche Auszeichnungen,<br />

u.a. vier Einladungen zum <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Jugend</strong> in Berlin. In <strong>der</strong> Jury seit 2011.<br />

Carmen Waack, Hildesheim<br />

geboren 1981 in Gießen, Studium <strong>der</strong> Kulturwissenschaften<br />

und ästhetischen Praxis an <strong>der</strong><br />

Universität Hildesheim mit Schwerpunkt Theater.<br />

Seit 1990 eigene künstlerische Tätigkeiten und<br />

Theaterproduktionen. Theaterpädagogische<br />

und -vermittelnde Tätigkeit seit 1996 u.a. bei<br />

Theaterprojekten des Bund Deutscher Pfadfin<strong>der</strong>Innen,<br />

bei dem bolivianischen Straßentheaterprojekt<br />

„Ojo Morado“, am Jungen Schauspiel<br />

Hannover und beim UnArt-Festival in Dresden<br />

und Berlin. Mitbegründung des Hildesheimer<br />

Theater- und Performancekollektivs Fräulein<br />

Wun<strong>der</strong> AG 2006. Jungjurorin des <strong>Theatertreffen</strong>s<br />

<strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> 2008 und 2009. Lehrtätigkeit an<br />

<strong>der</strong> Universität Hannover im Studienfach Darstellendes<br />

Spiel, an <strong>der</strong> HBK Braunschweig, an<br />

<strong>der</strong> Universität <strong>der</strong> Künste Berlin und an <strong>der</strong><br />

Universität Hildesheim. Leitung Theaterpädagogik/Junges<br />

Staatstheater am Staatstheater<br />

Braunschweig 2010. In <strong>der</strong> Jury seit 2010.<br />

Anna Wille, Leipzig<br />

geboren 1989 in Schwerin, während <strong>der</strong> Schulzeit<br />

wirkte sie konzeptionell und spielerisch an diversen<br />

Projekten <strong>der</strong> Theatergruppe am Goethe<br />

Gymnasium Schwerin TaGGS mit. 2008 wurde<br />

die Gruppe mit „hamlet.net“ zum Bundestreffen<br />

Theater <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> und zum Liebe Macht Tod-<br />

Festival des ZDFtheaterkanals eingeladen. Nach<br />

dem Abitur und während des Studiums folgten<br />

Dramaturgie-Hospitanzen und Assistenzen am<br />

Staatstheater Schwerin, Staatsschauspiel Dresden<br />

und Maxim Gorki Theater Berlin. Bis 2012<br />

studierte sie Dramaturgie an <strong>der</strong> Hochschule für<br />

Musik und Theater Leipzig. Sie ist Mitglied des<br />

Werkstattmacher e.V. für Theaternachwuchs in<br />

Leipzig und arbeitet als Assistentin für das Kollektiv<br />

ehrliche arbeit – freies Kulturbüro in Projekten<br />

<strong>der</strong> Freien Theater Szene Berlin. In <strong>der</strong><br />

Jury als Jungjurorin seit 2012.<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Kuratorium<br />

Dr. Irina Ehrhardt, Bundesministerium für Bildung und Forschung (Vorsitz)<br />

Agnes Schipper, Senatsverwaltung für Bildung, <strong>Jugend</strong> und Wissenschaft, Berlin<br />

(stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitz)<br />

Michael Assies, Bundesverband Theater an Schulen e. V. (BVTS), Berlin<br />

Eva Besteck, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur<br />

Rheinland-Pfalz, Mainz<br />

Prof. Dr. Dagmar Dörger, Fachhochschule Erfurt<br />

Günter Frenzel, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, München<br />

Annett Israel, Kin<strong>der</strong>- und <strong>Jugend</strong>theaterzentrum in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland,<br />

Frankfurt am Main<br />

Thomas Lang, Bundesakademie für Kulturelle Bildung, Wolfenbüttel<br />

Rosemarie Meyer-Behrendt, Ministerium für Familie, Kin<strong>der</strong>, <strong>Jugend</strong>, Kultur und Sport des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />

N.N., Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit – Landesjugendamt, Erfurt<br />

Brigitte Menell, Ministerium für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein, Kiel<br />

Maren Schmidt, BAG Spiel und Theater e.V., Hannover<br />

Dr. Gerd Taube, Bundesvereinigung für Kulturelle Kin<strong>der</strong>- und <strong>Jugend</strong>bildung e.V. (BKJ), Remscheid<br />

135


Statistik<br />

Bewerbungen insgesamt 102<br />

Verteilung auf Bundeslän<strong>der</strong>:<br />

Baden-Württemberg 9<br />

Bayern 6<br />

Berlin 18<br />

Brandenburg 2<br />

Bremen 1<br />

Hamburg 1<br />

Hessen 7<br />

Mecklenburg-Vorpommern 3<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen 10<br />

Nordrhein-Westfalen 28<br />

Rheinland-Pfalz 4<br />

Saarland 1<br />

Sachsen 5<br />

Sachsen-Anhalt 0<br />

Schleswig-Holstein 4<br />

Thüringen 3<br />

Produktionsform:<br />

Eigenproduktion 60<br />

Textadaption 25<br />

Textrealisation 17<br />

Produktionsort:<br />

Schule 37<br />

- Grundschule 1<br />

- Hauptschule (Grundkurs) 1<br />

- Gesamtschule (Theater-AG’s) 5<br />

- Realschule 0<br />

- Gymnasium 25<br />

- davon Theater AG (17)<br />

- davon Grundkurs/DS/LK (8)<br />

- Oberschule 1<br />

- För<strong>der</strong>schule 0<br />

- Waldorfschule 0<br />

- Freie Schule 0<br />

- Berufsschule/Berufsausbildung (Theater-AG’s) 4<br />

- Hochschule 0<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Außerschulischer Bereich 65<br />

- Vereine 5<br />

- freie Gruppen 8<br />

- Kooperationen Schule/Theater 1<br />

- Kooperationen Schule/Vereine 1<br />

- Projekte von Ehemaligen 1<br />

- <strong>Jugend</strong>kunst- und/o<strong>der</strong> Musikschule 2<br />

- <strong>Jugend</strong>kulturzentren 1<br />

- kirchliche Träger 1<br />

<strong>Jugend</strong>theater und <strong>Jugend</strong>gruppen an Freien Theatern 12<br />

<strong>Jugend</strong>clubs an Stadt-/Landes-/Staatstheater 31<br />

Genre:<br />

Sprechtheater 93<br />

Tanztheater 4<br />

Musiktheater/Musicals 4<br />

Performance 1<br />

Alterszusammensetzung:<br />

Unter 15 Jahren 2<br />

Überwiegend zwischen 11 und 19 23<br />

Überwiegend zwischen 16 und 21 52<br />

Überwiegend ab 17 bis über 21 23<br />

Überwiegend über 20 2<br />

137


Bundeswettbewerbe <strong>der</strong><br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />

30. Treffen junge Musik-Szene 07. bis 11. November <strong>2013</strong><br />

Konzert <strong>der</strong> Preisträger<br />

08. November <strong>2013</strong>, 19:00 Uhr<br />

Neuer Ausschreibungsbeginn März 2014<br />

28. Treffen junger Autoren 21. bis 25. November <strong>2013</strong><br />

Lesung <strong>der</strong> Preisträger<br />

22. November <strong>2013</strong>, 19:00 Uhr<br />

Neuer Ausschreibungsbeginn März 2014<br />

35. <strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> 30. Mai bis 07. Juni 2014<br />

Ausschreibungsbeginn Oktober <strong>2013</strong><br />

Einsendeschluss 10. Februar 2014<br />

01. Tanztreffen <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong> 27. August bis 01. September 2014<br />

Ausschreibungsbeginn Oktober <strong>2013</strong><br />

Einsendeschluss 24. März 2014<br />

Alle Bundeswettbewerbe <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> werden geför<strong>der</strong>t vom<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung.<br />

Das Programm <strong>der</strong> Bundeswettbewerbe <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> glie<strong>der</strong>t sich in allen Sparten in drei<br />

Säulen: Auf <strong>der</strong> BÜHNE erfolgen die öffentlichen Präsentationen <strong>der</strong> Arbeiten. Der CAMPUS beinhaltet<br />

das Workshop-Programm und verschiedene Gesprächsformate für die ausgewählten<br />

Teilnehmer/-innen. Und das FORUM richtet sich an Pädagogen/-innen, Praktiker/-innen und Studierende<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Bereiche <strong>der</strong> kulturellen <strong>Jugend</strong>arbeit.<br />

Die Bundeswettbewerbe <strong>der</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> auch auf Facebook:<br />

www.facebook.com/bundeswettbewerbe<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


Impressum<br />

Festival<br />

Leitung: Dr. Christina Schulz<br />

Koordination: Renate Kligge<br />

Koordination Forum: Ina Driemel<br />

Mitarbeit: Gudrun Ohst<br />

Technische Leitung: Thomas Pix<br />

Beleuchtungsmeisterin: Petra Dorn<br />

Tonmeister: Manfred Tiesler / Jürgen Kramer<br />

Spielstättenleitung: Karsten Neßler<br />

Presse: Sara Franke<br />

Festivalbüro: bundeswettbewerbe@berlinerfestspiele.de<br />

Tel. +49 30 254 89 213 / Fax +49 30 254 89 132<br />

Veranstalter<br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />

Ein Geschäftsbereich <strong>der</strong> Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH<br />

Geför<strong>der</strong>t durch den Beauftragten <strong>der</strong> Bundesregierung für Kultur und Medien<br />

Intendant: Dr. Thomas Oberen<strong>der</strong><br />

Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben<br />

Leitung Redaktion: Christina Tilmann<br />

Leitung Marketing: Stefan Wollmann<br />

Leitung Presse: Jagoda Engelbrecht<br />

Technische Leitung: Andreas Weidmann<br />

Leitung Ticket Office: Michael Grimm<br />

Leitung Hotelbüro: Heinz Bernd Kleinpaß<br />

Protokoll: Gerhild Hey<strong>der</strong><br />

Magazin<br />

Herausgeber: <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />

Redaktion: Dr. Christina Schulz, Christina Tilmann<br />

Mitarbeit: Renate Kligge, Anne Phillips-Krug, Barbara Barthelmes<br />

Grafik: Ta-Trung, Berlin<br />

Festival-Fotografie: Dave Grossmann<br />

Festival-Motiv: Philipp Jester<br />

Druck: enka-druck GmbH<br />

Stand: September <strong>2013</strong><br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong>, Schaperstraße 24, 10719 Berlin, T +49 30 254 89 0<br />

www.berlinerfestspiele.de, info@berlinerfestspiele.de<br />

Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH, Schöneberger Str. 15<br />

10963 Berlin, www.kbb.eu<br />

139


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>


141


<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>

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