Magazin Theatertreffen der Jugend 2013 - Berliner Festspiele
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Revue, Showeinlage o<strong>der</strong><br />
künstlerisches Experiment? Wie<br />
immer, wenn die klaren Linien<br />
zwischen Genres und Veranstaltungsformen<br />
verschwimmen,<br />
entsteht etwas ganz Beson<strong>der</strong>es:<br />
Die Bewusstwerdung<br />
des Live-Momentes, die Frage<br />
nach <strong>der</strong> individuellen Mitverantwortung<br />
aller Anwesenden<br />
für eine Situation, die Verdeutlichung<br />
<strong>der</strong> Ko-Präsenz zwischen<br />
Performer/-innen und<br />
Zuschauenden, die nur das<br />
Theater herstellen kann, das<br />
Involviert-Sein, das Sich-nichtentziehen-können.<br />
Bei „99 Prozent“ geht es also<br />
um die Frage nach Teilhabe und<br />
Beteiligung. Im Theater, im Privaten<br />
und im Politischen. Wann<br />
bewegst du dich? Wann unterschreibst<br />
du eine Petition?<br />
Wann spendest du für Kin<strong>der</strong>,<br />
die T-Shirts nähen o<strong>der</strong> Waffen<br />
tragen? Wann schwimmst du<br />
gegen den Strom? Wann stehst<br />
du auf und brüllst aus Leibeskräften:<br />
„Ihr könnt mich alle mal<br />
am Arsch lecken. Ich lass mir<br />
das nicht länger gefallen!?“<br />
Die Gruppe vom spinaTheater<br />
hat ihren Weg gefunden zurückzuschlagen.<br />
Angeleitet von<br />
zwei ehemaligen Spielern entwickelt<br />
sie im kollektiven Verfahren<br />
eine Inszenierung, die<br />
Mut macht. Die Gruppe wütet<br />
ungehemmt im multifunktionalen<br />
Bühnenbild aus immer<br />
wie<strong>der</strong> neu zu kombinierenden<br />
Pappkartons, die mal als ordentliche<br />
Wand dem Publikum<br />
die Sicht auf die Bühne versperren,<br />
mal zum Schlachtfeld werden.<br />
Auch die Kostüme sind<br />
einfach und unaufdringlich. Ein<br />
zerrissenes Abendgewand und<br />
ein rotes Kleid werden symbolträchtig.<br />
Im Vor<strong>der</strong>grund steht<br />
immer die direkte, unverstellte<br />
und energetisch aufgeladene<br />
Spielweise <strong>der</strong> einzelnen Akteur<br />
/-innen. Sie verausgaben sich,<br />
rennen, toben, proklamieren,<br />
schreien, singen, musizieren,<br />
tanzen, riskieren, improvisieren<br />
und tun selten so als ob. Die<br />
Spieler/-innen wollen (immer<br />
mit einem geschickten Augenzwinkern),<br />
dass auch ihr Publikum<br />
richtig wütend wird. Dieses<br />
Experiment gelingt.<br />
Und das Herz − ein Muskel in<br />
<strong>der</strong> Größe einer Faust − schlägt<br />
höher, wenn das Theater von<br />
jungen Menschen so viele Fragen<br />
stellt, eine so große Formenvielfalt<br />
entwickelt und ein<br />
so facettenreiches und selbstreflektiertes<br />
Bild einer Generation<br />
wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
<strong>Theatertreffen</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugend</strong>