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Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...

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Sieht man ab von den Porträts, den ganz bewußt Individuen aus Kunst, Kultur und Politik<br />

fokussierenden Bildern, dann hat <strong>Klemm</strong> von Anfang an eine besondere Vorliebe für das<br />

Miteinander von Menschen entwickelt. Das ist schon Christoph Stölzl aufgefallen.<br />

«Niemand», schreibt er, «hat sich in den letzten Jahrzehnten so konsequent wie sie den<br />

Gruppen zugewandt. Niemand hat so gut erkannt, daß die neuere Sozialgeschichte der<br />

Bundesrepublik entscheidend nicht mehr von den Individuen, sondern von der Kraft der<br />

Gruppierungen und Gesellungen bestimmt worden ist.» 26 Aber es sind eben nicht nur die<br />

Spitzenpolitiker, die Polizisten, die Stammtischbrüder, die das Interesse der Fotografin<br />

provozieren. Es sind oft genug Zeitgenossen, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun<br />

haben, die der Zufall zusammengeführt hat und die nun eine kleine Gesellschaft formen, oft<br />

ein bißchen verloren in einer mausgrau tapezierten Welt. In <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s visuellem<br />

Spielplan ist für Absurdes Theater immer Platz.<br />

Speziell die internationale Autorenfotografie der 1980er und 1990er Jahre hat – unter dem<br />

Eindruck von Robert Frank, William Klein oder Sergio Larrain – den fotografischen Blick<br />

revolutioniert. Unschärfen, hart angeschnittene Figuren, der «Schuß aus der Hüfte» spielt<br />

ebenso eine Rolle wie taumelnde Horizonte oder schroffe Hell-Dunkel-Kontraste. Im<br />

Gegensatz dazu sind <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s Aufnahmen sorgfältig gebaut. Ihr Formwille ist<br />

entschieden, aber keineswegs radikal. Da gibt es keine Unschärfen bzw. Verwischungen,<br />

keine von links oder rechts ins Bild ragenden Figuren, keine mehr oder minder dem Zufall<br />

geschuldeten Regelverstöße. <strong>Klemm</strong>s Bilder seien «ungewöhnlich genau komponiert», stellt<br />

Jean-Christophe Ammann fest. 27 Das macht sie eigen und unverwechselbar. <strong>Klemm</strong> folgt<br />

einer klaren Grammatik, nicht sklavisch, aber doch insoweit konsequent, daß man von einem<br />

Stil sprechen kann. Sie schätzt die bildbestimmende Horizontale, legt ihre Bilder gern<br />

achsensymmetrisch an, liebt den orthogonalen Blick. Auf <strong>Klemm</strong>s Bilder schaut man oft<br />

genug – der Vorhang hat sich gehoben – wie auf eine Theaterbühne, wobei die Fotografin<br />

dem Betrachter einen komfortablen Platz ungefähr in der Mitte des Parketts zugewiesen hat.<br />

«Ihren Stil», bestätigt <strong>Barbara</strong> Catoir, «entwickelte <strong>Klemm</strong> zum einen mit ihren bevorzugten<br />

Frontalansichten, wodurch sie Menschen in einer bühnenähnlichen architektonischen<br />

Rahmung zu fassen vermag, zum anderen durch zufällige oder gelenkte Motivbegegnungen<br />

aus Vorder- und Hintergrund». 28 Tatsächlich sind nicht alle, aber doch bemerkenswert viele<br />

<strong>Klemm</strong>-Bilder ausgesprochen flächig angelegt. Und wenn Personen auftreten, dann oft in<br />

geordneter Aufstellung, was nicht selten wunderbare Vergleiche ermöglicht. Man denke an<br />

das Gruppenporträt zum Tag der deutschen Einheit mit Oskar Lafontaine, Willy Brandt,<br />

Hans-Dietrich Genscher, Helmut und Hannelore Kohl, Richard von Weizsäcker und Lothar<br />

de Maizière (S. 134): ein regelrechter Atlas der Stimmungen und Gefühle.<br />

<strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s Kosmos ist entschieden schwarzweiß. Das liegt zum einen an ihrer Affinität<br />

zur klassischen Fotografie. Schwarzweiß, hat sie einmal gesagt, sei Farbe genug. 29 Zum<br />

anderen an den Bedürfnissen ihrer Zeitung, die vor 2007 im redaktionellen Teil praktisch<br />

keine Farbe druckte. Ein wenig änderte sich die Situation, als die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung 1980 ihr wöchentliches Magazin aus der Taufe hob. 30 Kein Geringerer als Willy<br />

Fleckhaus, einst Art Director der Jugendzeitschrift twen, war ausersehen, das immer freitags<br />

beiliegende Supplement grafisch zu gestalten. Wolfgang Haut und <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> sollten für<br />

das Magazin fotografieren und werden im Impressum der frühen Hefte auch genannt.<br />

Allerdings wurden schon bald recht unterschiedliche Auffassungen deutlich, was die<br />

Bildsprache, die Ästhetik, besonders die Aufgabe einer journalistischen Fotografie betraf. Bis<br />

heute erinnert sich <strong>Klemm</strong> an die Auseinandersetzungen mit Fleckhaus, der sie wie eine<br />

Studentin behandelt habe. Ständig sei man «gebrieft» worden. «Wir müssen Essays<br />

fotografieren», habe Fleckhaus immer wieder gesagt, was nicht selten Inszenierung meinte<br />

und damit im Widerspruch stand zu der von <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> vertretenen journalistischen<br />

Position. Deutlich entsinnt sie sich eines Porträttermins mit Botho Strauß. «Vielleicht können<br />

wir wieder einmal ein Profil machen und über zwei Seiten ziehen», habe Fleckhaus<br />

vorgeschlagen. «Damit war klar, daß der Kopf angeschnitten wird», so <strong>Klemm</strong>, die ihrerseits<br />

meinte, es sei besser, den Schriftsteller doch erst einmal zu treffen. «Tatsächlich hatte er<br />

sehr dicke Brillengläser, so daß ein Profil gar nicht in Frage kam.» Überhaupt habe sie große<br />

<strong>Pressemappe</strong>: <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>. <strong>Fotografien</strong> 1968 – 2013 Seite 20

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