Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...
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Monochromie tendierende Tafelmalerei prägend war. «Von ihm», bestätigt Jean-Christophe<br />
Ammann, «dürfte sie das ‹malerische› oder auch ‹künstlerische› Auge geerbt haben. Jenes<br />
Auge, das die Fähigkeit besitzt, Raum wahrzunehmen bzw. Dinge unmittelbar in ihrer<br />
räumlichen Beziehung zu erkennen.» 10<br />
<strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>, 1939 in Münster geboren, aufgewachsen im badischen Karlsruhe, hat früh<br />
erlebt, was Kunst bedeuten kann. Nämlich Lebensinhalt, spirituelle Herausforderung, eine<br />
Erweiterung der Wahrnehmung, des Blicks, aber auch ökonomische Engpässe, alles andere<br />
als Überfluß im Alltag. Sechs Kinder hatten die <strong>Klemm</strong>s. <strong>Barbara</strong> war das vierte. Sie war<br />
schlecht in der Schule, wäre «sitzen geblieben», wurde 14-jährig aus dem Unterricht<br />
genommen und daheim der Mutter an die Seite gestellt. Das Kind sollte in Ruhe seine<br />
Talente erkunden, seine Fähigkeiten kennenlernen – das war die Idee. Und was die<br />
Fotografie betrifft: Zumindest als Medium privaten Erinnerns hatte sie in der Familie einen<br />
festen Platz. Der Vater habe sich, wie <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> berichtet, im Jahr ihrer Geburt eine<br />
Contax gekauft, mit ihr Familienfotos gemacht und sogar selbst vergrößert. 11 <strong>Klemm</strong><br />
ihrerseits durfte im Volksbildungsheim einen Fotokurs belegen und bekam zum Fotografieren<br />
eine Box-Kamera geschenkt. So wurde die Lichtbildnerei – irgendwo zwischen Handwerk<br />
und Kunst, Alchimie und Lebensunterhalt angesiedelt – tatsächlich zur beruflichen Option.<br />
1955 begann <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> im Karlsruher Atelier von Jule Bauer eine klassische<br />
Fotografenlehre. Den Kontakt hatte der Vater hergestellt. «Paßbilder, Porträts, Architektur ’n<br />
bißchen» 12 hätten, wie <strong>Klemm</strong> sich erinnert, im Mittelpunkt des tagtäglichen Geschäfts<br />
gestanden, was bedeutete: Studioarbeit, Routine, alles andere als künstlerische<br />
Selbstverwirklichung. Immerhin lernte <strong>Klemm</strong>, wovon sie im Grunde noch heute zehrt: den<br />
Umgang mit Licht. Die Arbeit in der Dunkelkammer. Entwickler abwiegen, Negative<br />
retuschieren, Bilder ausflecken, kurz: solides Handwerk. Nach wie vor vergrößert <strong>Barbara</strong><br />
<strong>Klemm</strong> ihre Barytabzüge selbst. Auch Bilder für die Tageszeitung – gern im Format 30 x 40<br />
cm – haben bei ihr Museumsqualität. Für sie, wird <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> nicht müde zu betonen,<br />
sei «dieser Entwicklungs- und Vergrößerungsprozeß, wie ich die Tonwerte legen kann, der<br />
zweite Schritt zu einem guten Bild.» 13 Außerdem könne man «selbst den nicht sehr guten<br />
Zeitungsdruck (...) durch exzellente Vergrößerungen anheben.» 14<br />
1958 schloß <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> ihre Lehre mit der Gesellenprüfung ab, trat wenig später eine<br />
letztlich wenig geliebte Stelle in einer Klischeeanstalt an, um, wie sie selbst bekennt,<br />
«samstags immer freizuhaben», 15 und wechselte schließlich 1959 zur Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung, die nicht etwa eine Fotografin gesucht hatte. <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> wird als<br />
Klischografin engagiert und die folgenden zehn Jahre mit dem Klischieren von<br />
Schwarzweißfotos beschäftigt sein.<br />
«Man mag darüber rätseln, wieso ein Erztalent wie <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> sich eine Inkubationszeit<br />
von gut zehn Jahren für ihre Kunst verordnete», hat Christoph Stölzl einmal räsoniert. Aber<br />
womöglich, so der Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, seien<br />
in jenen langen Jahren, «die schließlich in die Mitarbeit und ‹Lehrzeit› bei Wolfgang Haut<br />
mündeten, gerade jene Qualitäten gewachsen, ohne die ihr unverwechselbarer Stil nicht<br />
hätte entstehen können.» 16 <strong>Klemm</strong>, soviel ist sicher, war hier dem verehrten Wolfgang Haut<br />
nahe, hatte direkten Zugriff auf seine Bilder, erlebte aus nächster Nähe, was Bildredakteure<br />
als Editing bezeichnen, verfeinerte ihre Dunkelkammerpraxis und dürfte im übrigen geahnt<br />
haben, daß sie selbst einmal für die FAZ als Fotografin unterwegs sein würde. <strong>Barbara</strong><br />
<strong>Klemm</strong> tritt leise auf, wirkt bescheiden, Star- Allüren sind ihr fremd. Aber wer sie kennt, weiß:<br />
Sie ist zäh, zäh im Ringen um das beste Bild. Und entschlossen vermutlich auch mit Blick<br />
auf die eigene Karriere. Was zählen zehn Jahre, wenn man am Ende für eine der besten<br />
Zeitungen der Welt arbeiten, genauer: fotografieren darf? 1970 war die «Inkubationszeit», so<br />
Christoph Stölzl, zu Ende und <strong>Klemm</strong> erhielt einen Vertrag als Redaktionsfotografin mit<br />
Schwerpunkt Feuilleton und Politik. Schon vorher hatte sie begonnen, aktiv zu fotografieren<br />
bzw. bildjournalistisch zu arbeiten. 1965 porträtierte sie den Gründungsherausgeber der<br />
Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Paul Sethe. Sethe starb 1967, und <strong>Klemm</strong>s Aufnahme<br />
erschien in der Wochenzeitung Die Zeit – wohl ihre erste Publikation überhaupt. Es folgten<br />
<strong>Pressemappe</strong>: <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>. <strong>Fotografien</strong> 1968 – 2013 Seite 17