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Ausgabe 2_2013 (PDF-Datei 630 KB) - Fachstelle für Prävention ...

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Schwerpunkt Demenz – Initiativen und Unterstützung in Berlin<br />

ten unbedingt alle Berufsgruppen einbeziehen,<br />

die mit demenzerkrankten Menschen zu tun<br />

haben. Dazu gehören neben medizinischen<br />

und pflegerischen Berufen auch Architekt/innen,<br />

Sozialarbeiter/innen, Städteplaner/innen,<br />

Mitarbeiter/innen der Sozialämter, der<br />

Pflegekassen, der Krankenkassen, Psycholog/innen<br />

und viele mehr.<br />

Mit einer multiprofessionellen Expert/innengruppe<br />

haben wir schließlich angefangen, Inhalte<br />

<strong>für</strong> den Studiengang zu sammeln.<br />

<strong>Fachstelle</strong>: Was können die Teilnehmenden<br />

fachlich aus dem Studium mitnehmen?<br />

Christel Bienstein: Wir haben die Themen analog<br />

zum Rahmenkonzept der WHO entwickelt.<br />

Diese hat fünf Ebenen definiert, auf welchen<br />

Versorgungsleistungen erbracht werden müssen.<br />

Dies ist gleichzeitig die didaktische Linie<br />

des Studienganges. Beginnend beim Individuum<br />

reicht sie über Familie, Gemeinden und<br />

Kommunen hin zu gesellschaftlichen Akteuren<br />

bis in den politischen Bereich.<br />

Wir fangen also bei den Betroffenen an: Wann<br />

merken sie, dass sich bei ihnen etwas verändert<br />

und wie geht es ihnen damit? Was ist das<br />

<strong>für</strong> ein Krankheitsbild, welche Verläufe gibt es,<br />

welche Hilfen?<br />

Auf der nächsten Ebene schauen wir uns an,<br />

was dies <strong>für</strong> Familie, Freund/innen und Umgebung<br />

des von Demenz Betroffenen bedeutet.<br />

Auf der kommunalen Ebene betrachten wir,<br />

welche Beratungsangebote und Netzwerke es<br />

gibt. Hier sind wichtige Fragestellungen, ob etwa<br />

Apotheken, Ärzteschaft, Friseur/innen oder<br />

Lebensmittelhändler/innen über die Krankheit<br />

informiert sind, wie bauliche Strukturen vor Ort<br />

gestaltet sind oder ob Angebote angemessen<br />

barrierefrei sind, damit Menschen mit Demenz<br />

lange zu Hause bleiben können.<br />

Dann gehen wir im nächsten Schritt auf die<br />

Ebene der gesellschaftlichen und professionellen<br />

Akteure und schauen, wie sich das z.B. <strong>für</strong><br />

Krankenkassen, Pflegekräfte und Wohlfahrtsverbände<br />

darstellt. Wie müssen diese Bereiche<br />

aufgestellt werden, welche Angebote müssen<br />

entwickelt werden? Hier kommt auch der juristische<br />

Bereich ins Spiel: Welche Rechte haben<br />

Menschen mit Demenz und welchen Anspruch<br />

auf Unterstützung? Wie können Versorgungsmöglichkeiten<br />

positiv beeinflusst werden?<br />

Nicht zuletzt beschäftigen wir uns mit der Politik:<br />

Welche Initiativen und Positionierungen<br />

gibt es, wie müssen Gesetzesvorhaben miteinander<br />

vernetzt werden und wie kann auf Gesetzgebungsverfahren<br />

eingewirkt werden?<br />

<strong>Fachstelle</strong>: Wie sieht der Studienalltag aus?<br />

Christel Bienstein: Wir haben den Studiengang<br />

berufsbegleitend <strong>für</strong> Vollzeitbeschäftigte<br />

konzipiert und auf drei Jahre angelegt. Die<br />

Robert Bosch Stiftung vergibt zudem einige<br />

Stipendien <strong>für</strong> den Studiengang.<br />

Es gibt Studienphasen zum Selbstlernen, Onlinevorlesungen<br />

und Wochenendseminare, damit<br />

die Studierenden in den Austausch kommen.<br />

Derzeit werden Kooperationsmöglichkeiten<br />

mit dem Bezirk Spandau ausgelotet. Wenn<br />

sich im nächsten Jahrgang ausreichend Teilnehmende<br />

aus Berlin an dem Studienangebot<br />

beteiligen, dann werden Teile der Präsenzphasen<br />

ab dem nächsten Wintersemester in Berlin<br />

durchgeführt.<br />

Die Studierenden können schon während des<br />

Studiums Multiprofessionalität hautnah erleben.<br />

Wir vergeben gezielt Aufgaben an gemischte<br />

Teams wie etwa die Architektin und<br />

den Sozialarbeiter, den Pflegewissenschaftler<br />

und die Juristin zur gemeinsamen Bearbeitung.<br />

<strong>Fachstelle</strong>: Was genau sind die Ziele des Studienganges<br />

– wie soll er „wirken“ und welche<br />

Berufsperspektiven ergeben sich daraus <strong>für</strong><br />

Absolvent/innen?<br />

Christel Bienstein: Die Absolvent/innen sollen<br />

das Handwerkszeug erhalten, künftig in ihrem<br />

Berufsalltag die Situation von Menschen mit<br />

Demenz und ihren Angehorigen lebenswert zu<br />

gestalten – auf allen Ebenen. Das kann keine<br />

Profession alleine. Und es muss viel Öffentlichkeitsarbeit<br />

gemacht werden.<br />

Diplom-Pädagog/innen etwa können in Schulen<br />

über das Thema Demenz informieren oder<br />

Abendveranstaltungen anbieten. Wir brauchen<br />

in den Sozialämtern Personen, die sich um das<br />

Thema kümmern und beispielsweise Demenznetzwerke<br />

aufbauen. Wir brauchen auch Journalist/innen,<br />

die Demenz öffentlich thematisieren.<br />

Ziel ist es, die gesamte Gesellschaft mitzunehmen<br />

und zu informieren.<br />

Für Friseur/innen planen wir derzeit ein kleines<br />

Faltblatt, damit Veränderungen im Verhalten<br />

besser wahrgenommen werden und sie wissen,<br />

wohin man sich wenden kann. Denn bei<br />

einem Friseurbesuch sprechen viele Menschen<br />

über sich oder die Nachbarschaft und über<br />

Veränderungen und so wissen Friseur/innen<br />

viel über die Gesundheit der Menschen.<br />

Oder etwa Handwerker/innen, die Wohnungen<br />

umbauen und wie sie mit Demenzerkrankten in<br />

Kontakt kommen. Oder die Verkäufer/innen an<br />

der Supermarktkasse, die Verwirrungen bei<br />

Menschen wahrnehmen. All diese Berufsgruppen<br />

müssen gut informiert sein über die Krankheit<br />

und über Hilfsmöglichkeiten.<br />

Es ist im Grunde eine gesellschaftliche Zielsetzung,<br />

wie wir mit Menschen mit Demenz umgehen<br />

und wie jede Profession Einfluss nehmen<br />

kann. Die teilnehmenden Berufsgruppen sollen<br />

gewissermaßen hinterher ihren Job besser<br />

machen. Für die Berufsperspektive heißt das<br />

grundsätzlich, dass die Leute in ihrem Job bleiben<br />

und diesen weiterentwickeln. Wir haben<br />

auch einen Diplom-Mathematiker dabei, der<br />

Produkte <strong>für</strong> die Pflegeversicherer entwickelt.<br />

Er möchte nun maßgeschneiderte Produkte<br />

entwickeln, die die Versorgung im Falle auftretender<br />

Demenz absichern.<br />

<strong>Fachstelle</strong>: Gibt es Berufsfelder, in denen Sie<br />

besondere Herausforderungen sehen?<br />

Christel Bienstein: Besonders große Herausforderungen<br />

sehe ich bei den Kommunen. Ich<br />

habe den Eindruck, dass diese noch nicht mit<br />

den Entwicklungen Schritt halten. Wenn etwa<br />

jemand früher ins Altersheim kommt als notwendig,<br />

dann kostet das die Kommunen viel<br />

Geld, insbesondere wenn Sozialhilfe erforderlich<br />

wird. Hier kann gezielte Unterstützung ein<br />

längeres Wohnen im Kiez ermöglichen.<br />

Weiterhin muss die Bereitschaft zur Früherkennung<br />

größer werden. Das schaffen wir nur<br />

durch Öffentlichkeitsarbeit. Wir müssen Scham<br />

bei Betroffenen und Angehörigen verringern,<br />

damit sie sich frühzeitig Unterstützung holen.<br />

Vor Herausforderungen stehen auch die Krankenhäuser.<br />

Deshalb müssen Ärzteschaft und<br />

Pflegekräfte gut geschult sein. Aber auch die<br />

niedergelassenen Ärzt/innen brauchen entsprechendes<br />

Wissen, denn sie haben häufig<br />

Probleme. Demenz zu diagnostizieren oder<br />

sind gehemmt, dies den Betroffenen mitzuteilen.<br />

Auch im baulichen Bereich ist hohe Fachkompetenz<br />

bei Architekt/innen gefragt. Dort steht<br />

leider noch zu oft Ästhetik vor Funktionalität.<br />

Für Planungen im Kontext Demenz müssen oft<br />

weitere Faktoren wie mögliche Unterstützung<br />

durch Pflegepersonal oder Ehrenamtsressourcen<br />

einbezogen werden.<br />

<strong>Fachstelle</strong>: Vielen Dank <strong>für</strong> das Gespräch.<br />

Die Fragen stellte Rike Hertwig<br />

Weitere Informationen zu Bewerbung,<br />

Aufnahmeverfahren, Kosten, Stipendien<br />

und Terminen sind zu erhalten unter<br />

www.uni-wh.de/gesundheit/<br />

multiprofessioneller-master-of-arts-demenz<br />

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