Dezember 2013 - Sächsischer Bergsteigerbund
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Bücher – Bücher – Bücher – Bücher – Bücher – Bücher – Bücher<br />
Oscar Schuster – gesehen durch ein<br />
Temperament!<br />
Mein zweiter Kletterweg als Bergsteigereleve<br />
war der Schusterweg am Falkenstein. Die für<br />
einen Anfänger doch ziemliche Ausgesetztheit<br />
und die Länge des Weges steigerten meine<br />
Aufgeregtheit und ließen mich die „Schuster-<br />
Plakette“ im letzten Teil des Weges und das<br />
damit verbundene Ritual meines Vorsteigers<br />
kaum zur Kenntnis nehmen. Doch irgendwie<br />
prägte sich dieser ungewöhnliche Vorgang<br />
dann doch bei mir ein, denn Erinnerungsplaketten<br />
dieser Art sind im sächsischen Fels ja<br />
nicht die Regel. Zusehends interessierte mich<br />
der Berg-Pionier Oscar Schuster immer mehr,<br />
zumal mein Kletterkumpel und Buchautor<br />
Joachim Schindler vermehrt und mit zunehmender<br />
Begeisterung über ihn sprach.<br />
In den letzten Monaten nahmen diese „Vorträge“<br />
immer temperamentvollere Züge an. Wir<br />
– unsere Wandergruppe – ahnten da schon<br />
etwas von der jetzt vorliegenden Publikation.<br />
Buchautoren haben in ihrem Schaffensprozess<br />
verschiedene Herangehensweisen. Viele<br />
machen diesen inneren Schaffensprozess mit<br />
sich selbst ab. Bei Achim ist das grundsätzlich<br />
anders. Er diskutiert, fordert andere zum Mitdenken<br />
und -diskutieren heraus; hält halbe<br />
Vorträge zur Selbstverständigung und kommt<br />
dann, ausgerüstet über eine große Identifikationsfähigkeit<br />
zu seinem „Helden“ und mit<br />
seinem phänomenalen Gedächtnis, zu den<br />
springenden Punkten des Problems.<br />
Durch diese temperamentvolle Annäherung,<br />
natürlich auch durch Befragung noch lebender<br />
Personen, durch das systematische und<br />
hartnäckige Studium von Zeitschriften und<br />
Büchern in Archiven und Bibliotheken ist diese<br />
wertvolle Dokumentation mit einer Vielzahl<br />
von seltenen, auch neuen Dokumenten und<br />
Aufnahmen über Oscar Schuster entstanden.<br />
Die „Mitarbeiter-Troika“ wurde komplettiert<br />
durch die bucherfahrenen Bernd Arnold und<br />
Frank Richter.<br />
Oscar Schuster war ein kletterbesessener<br />
„Gipfelverschlinger“. Dies aber nicht um<br />
jeden Preis. Er hatte den Blick für neue Wege;<br />
der Berg stellte für ihn eine Art Gesamtherausforderung<br />
dar. Seinen Bergfreunden war er<br />
zuerst Schüler und später ein immer bescheiden<br />
bleibender Führer, Freund und Kamerad.<br />
Ihm verdanken wir in der Sächsischen Schweiz<br />
Erstbesteigungen und -begehungen u. a. am<br />
Bösen Turm, Schusterturm, Goldstein, Meurerturm,<br />
Wartturm, Zuckerhut, Kampfturm,<br />
Osterturm, Großen Spitzen Horn.<br />
Oscar Schuster war es auch, der bei seinen<br />
vorangegangen Alpentouren den dort<br />
benutzten Kletterschuh (mit Hanfsohle) im<br />
sächsischen Fels einführte. Ab und an noch<br />
mit künstlichen Hilfsmittel kletternd, wandte<br />
er sich nach und nach davon ab und schuf<br />
damit wichtige Grundlagen für die Regeln des<br />
heimatlichen Felskletterns. Er skizzierte Gipfel<br />
und Kletterwege mit Ansätzen zur Bewertung<br />
der Kletterschwierigkeit. Oscar Schuster hat<br />
diese Aufzeichnungen 1895 unter dem Titel<br />
„Klettertouren in der Sächsischen Schweiz“<br />
veröffentlicht. Rudolf Fehrmann arbeitete<br />
diese Erkenntnisse dann 1908 in seinen ersten<br />
Kletterführer ein.<br />
Oscar Schuster ist mit 44 Jahren nicht alt<br />
geworden. Seine Biografie zeigt einen gebildeten<br />
Menschen, der nur scheinbar rastlos<br />
Bergerlebnisse sucht. Mit 16 Jahren stand<br />
er auf dem Matterhorn. Zwei Jahre später<br />
unternahm er mit Eugen Guido Lammer eine<br />
vielbeachtete Neutour an der Zsigmondyspitze.<br />
Damit erhielt er seine „alpine Weihe“<br />
und wurde Mitglied des Österreichischen Alpenklubs.<br />
In den Dolomiten gelangen ihm die<br />
Besteigung der Kleinen Zinne, des Langkofels<br />
und der Fünffingerspitze im Langkofelmassiv.<br />
Er fuhr mehrfach in den Kaukasus und in die<br />
Berge Norwegens.<br />
Trotz seiner vielen Bergtouren verfolgte Oscar<br />
Schuster seinen Bildungsweg mit zielstrebiger<br />
Konstanz. Er besuchte das Wettin-Gymnasium<br />
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