Dezember 2013 - Sächsischer Bergsteigerbund
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Klettern in den Alpen<br />
Karwendel: Sehnsucht und Leidenschaft<br />
Immer mehr Menschen finden in der westlichen<br />
modernen Welt das Klettern chic. Die<br />
Folge sind wachsende Spielarten in dieser<br />
Sportart. Die Alpinisten des ursprünglichen<br />
Kletterstiles sind eher eine aussterbende<br />
Spezies.<br />
Eine der Ursachen ist, dass die körperlich<br />
Aktiven in dieser übersättigten westlichen<br />
Zivilisation mehr kontrolliertes Abenteuer<br />
fordern und der Markt auch entsprechend<br />
reagiert. Der Siegeszug des Plaisierkletterns<br />
ist ungebremst und nicht mehr aufzuhalten.<br />
Die heroischen Taten der Altvorderen, die sich<br />
mit dicken Hanfstricken um den Bauch gewickelt<br />
und schweren Eisenkarabinern glatte<br />
Risse und Kamine hinaufkämpften, lassen uns<br />
erstaunen und schaudern zugleich. Glücklicherweise<br />
sind diese halsbrecherischen Zeiten<br />
vorbei. Gesundheit und Unversehrtheit beim<br />
Klettern stehen im Vordergrund.<br />
Das Klettern im Karwendel hat es mir seit<br />
1987, meiner Ausreise aus der DDR, angetan.<br />
Mit der mächtigen Ost-West Ausdehnung<br />
dieses Gebirges ist es vergleichbar mit den<br />
großen Tälern in den Alpen. Wer hier abseits<br />
der Wanderwege unterwegs ist, dem ist das<br />
Bergabenteuer sicher.<br />
Im Sommer 2000 stand ich unter der mächtigen<br />
1000-m-Nordwand der Grubenkarspitze<br />
(2.663 m) abseits des übervölkerten<br />
Ahornbodens. Mein steiler Blick nach oben<br />
suchte nach Möglichkeiten eines neuen<br />
Durchstieges. In dieser Wand sind die Kletterrouten<br />
übersichtlich und teilweise aus alten<br />
Zeiten. Der Blick durch einen Feldstecher<br />
eröffnete mir mehrere Möglichkeiten. Rechts<br />
des Zentralteiles mit seinem an Regentagen<br />
mächtigen Wasserfall sah der Fels relativ fest<br />
aus. Erste Erkundungen über höher gelegene<br />
Bänder stärkten mich in der Absicht, hier eine<br />
neue Route zu eröffnen.<br />
Meinen Freund Peter Siegert konnte ich im<br />
Spätsommer überreden, vollbepackt mit<br />
Bohrhaken und einer Bohrmaschine, die<br />
ersten Meter einzubohren. Dabei war der<br />
Übergang vom Eisfeld über den Bergschrund<br />
abenteuerlich, dreckig und gefährlich. An<br />
zwei Wochenenden hatten wir 3 Seillängen<br />
und 3 Standplätze fertiggestellt. Die Enttäuschung<br />
folgte an einem späten Nachmittag,<br />
als ich oberhalb unsereres Weiterweges<br />
mehrere Bohrhaken entdeckte. Frustriertes<br />
Abseilen und Kletterfrust die nächsten Tage.<br />
Die Gedanken wurden später allmählich<br />
wieder klarer, und so kehrte ich im schönen<br />
Spätherbst mit neuen Ideen an die Wand<br />
zurück. Weiter links gab es ja auch noch Möglichkeiten.<br />
Die ersten Schritte waren getan,<br />
und mit Peter skateten wir uns im Winter in<br />
Oberammergau und in der Leutasch die Seele<br />
aus dem Leib. Im Jahr 2002 beendete Ralf<br />
Sussmann seine uns anfänglich kreuzende<br />
Route in der Grubenkar und benannte sie<br />
„Inferno und Ekstase".<br />
Je länger eine regenreiche Zeit neue Taten<br />
in der Wand verhinderte, um so fiebriger<br />
wurde mein Denken um diese Wand. An<br />
einem Sommertag 2003 beschloss ich, den<br />
oberen leichten Teil der Wand von oben zu<br />
erkunden. Über das Rossloch im Hinterautal<br />
schleppte ich Seile, ein paar Bohrhaken und<br />
wieder die schwere Hilti auf den Gipfel. Die<br />
ganze Nacht hindurch hatte ich geackert, um<br />
am Morgen an einer mir günstig erscheinenden<br />
Stelle abzuseilen. Es waren nicht mehr<br />
als 4 bis 5 Abseilstellen geplant, um anschließend<br />
im leichten Gelände wieder solo<br />
aufzusteigen. Es ging zügig voran, einzig und<br />
allein die schrägen Schuttrampen stellten eine<br />
wirkliche Gefahr da, weil beim Abziehen der<br />
Seile der Steinschlag nicht aufhören wollte.<br />
Ich war besessen und beglückt zugleich, dass<br />
der Ausstieg gesichert ist und die Probleme<br />
überschaubar sind.<br />
Erst ein Donnergrollen lässt mich erstarren.<br />
Nur wenig später fallen die ersten<br />
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