Teil 2 - Epp & Kühl Avocats Rechtsanwälte
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AKTUELLE INFORMATIONEN ZUM FRANZÖSISCHEN<br />
WIRTSCHAFTSRECHT – TEIL 2/2 VOM 17.4.2013<br />
UNSER WIRTSCHAFTSRECHTSTEAM IN KÖLN:<br />
Die Kanzlei <strong>Epp</strong> & <strong>Kühl</strong> ist Ihr Partner<br />
im deutsch-französischen Rechtsverkehr.<br />
Gordian Deger,<br />
LL.M.<br />
Rechtsanwalt<br />
Herr Deger berät<br />
unsere Mandanten in<br />
Fragen des gewerblichen<br />
Rechtsschutzes<br />
sowie des<br />
deutschen und französischen<br />
Wettbewerbs-<br />
und Kartellrechts.<br />
Daneben berät<br />
er im deutschen<br />
und französischen<br />
Zivil- und Handelsrecht,<br />
insbesondere<br />
bei der Gestaltung<br />
internationaler<br />
Verträge.<br />
Christophe Klinkert,<br />
D.E.S.S.<br />
Rechtsanwalt<br />
Herr Klinkert ist im<br />
Bereich des Vertragsrechts<br />
spezialisiert. Er<br />
berät und betreut unsere<br />
Mandanten insbesondere<br />
bei der Gestaltung<br />
handelsrechtlicher<br />
Verträge<br />
und AGB. Außerdem<br />
begleitet er deutsche<br />
Unternehmen im Bereich<br />
der erneuerbaren<br />
Energien in<br />
Frankreich.<br />
Jeanne Ledig,<br />
LL.M<br />
Avocat à la Cour<br />
Frau Ledig ist im<br />
Bereich des Handelsrechts<br />
und des internationalen<br />
Privatrechts<br />
spezialisiert.<br />
Daneben berät sie<br />
unsere Mandanten im<br />
Bereich des grenzüberschreitenden<br />
Forderungseinzugs<br />
und<br />
Insolvenzrechts. Außerdem<br />
begleitet sie<br />
Mandanten bei Gerichtsverfahren<br />
in<br />
Frankreich.<br />
Gregor Roßwinkel,<br />
D.E.S.S.<br />
Rechtsanwalt<br />
Herr Roßwinkel berät<br />
insbesondere im europäischen<br />
und internationalen<br />
Vertrags-,<br />
Handels- und Gesellschaftsrecht.<br />
Außerdem begleitet er<br />
unsere Mandanten bei<br />
Gerichtsverfahren in<br />
Deutschland und<br />
Frankreich und unterstützt<br />
sie in Fragen<br />
des gewerblichen<br />
Rechtsschutzes und<br />
des Wettbewerbsrechts.<br />
Emilie Schwan,<br />
LL.M. oec.<br />
Avocat à la Cour<br />
Frau Schwan berät im<br />
Wettbewerbs- und<br />
Kartellrecht sowie in<br />
Fragen des gewerblichen<br />
Rechtsschutzes,<br />
insbesondere in<br />
Marken- und Domainstreitigkeiten.<br />
Daneben berät Frau<br />
Schwan unsere Mandanten<br />
in französischen<br />
immobilienund<br />
erbrechtlichen<br />
Angelegenheiten.<br />
Wir beraten Unternehmen aus dem<br />
deutschsprachigen Raum im<br />
Frankreichgeschäft und betreuen die<br />
französischen Niederlassungen deutscher,<br />
österreichischer und schweizer<br />
Unternehmen in allen rechtlichen<br />
Belangen.<br />
Köln<br />
Konrad-Adenauer-Ufer 71<br />
D-50668 Köln<br />
Tel. 00 49 - (0)2 21 - 1 39 96 96 0<br />
Fax 00 49 - (0)2 21 - 1 39 96 96 69<br />
deger@avocat.de klinkert@avocat.de ledig@avocat.de rosswinkel@avocat.de schwan@avocat.de<br />
INHALT:<br />
1. Gewerbliches Mietrecht<br />
Der Mieter eines in einem Einkaufszentrum belegenen Ladenlokals<br />
hat Anspruch auf Instandhaltung der gemeinschaftlich genutzten<br />
Anlagen und Flächen<br />
2. Subunternehmerrecht<br />
Erweiterte Prüfpflichten des Auftraggebers in Bezug auf<br />
Subunternehmer<br />
3. Wettbewerbsrecht<br />
Entschädigungsanspruch einer juristischen Person wegen eines<br />
immateriellen Schadens<br />
4. Kreditsicherungsrecht<br />
a) Unwirksamkeit von Geschäftsführerbürgschaften nach dem<br />
französischem Recht<br />
b) Verhältnis des besonderen Pfandrechts an Warenlagern zum<br />
allgemeinen Pfandrecht des französischen Zivilrechts<br />
5. Insolvenzrecht<br />
Paris<br />
39, avenue des Champs-Elysées<br />
F-75008 Paris<br />
Tel. 00 33 - (0)1 - 53 83 10 37<br />
Fax 00 33 - (0)1 - 53 83 10 38<br />
Strasbourg<br />
16, rue de Reims<br />
F-67000 Strasbourg<br />
Tel. 00 33 - (0)3 - 88 45 65 45<br />
Fax 00 33 - (0)3 - 88 60 07 76<br />
Baden-Baden<br />
Schützenstraße 7<br />
D-76530 Baden-Baden<br />
Tel. 00 49 - (0)72 21 - 3 02 37 0<br />
Fax 00 49 - (0)72 21 - 3 02 37 25<br />
Sarreguemines<br />
50, rue de Grosbliederstroff<br />
F-57200 Sarreguemines<br />
Tel. 00 33 - (0)3 - 87 02 99 87<br />
Fax 00 33 - (0)3 - 87 28 08 13<br />
www.avocat.de<br />
Zur Zulässigkeit der Ausdehnung französischer Insolvenzverfahren<br />
auf ausländische Unternehmen im Falle der Vermögensverflechtung<br />
6. Kurzmeldungen<br />
Die Artikel dienen ausschließlich der generellen Information und ersetzen kein individuelles Beratungsgespräch. Ein Mandantenverhältnis kommt hierdurch nicht zustande. Jegliche Haftung wird hiermit ausgeschlossen<br />
1
1. Gewerbliches Mietrecht<br />
Der Mieter eines in einem Einkaufszentrum belegenen Ladenlokals<br />
hat Anspruch auf Instandhaltung der gemeinschaftlich genutzten<br />
Anlagen und Flächen<br />
Der französische Kassationshof hat mit Urteil vom 19.12.2012 (Az. 11-<br />
23.541) festgestellt, dass die Instandhaltungspflichten des Vermieters<br />
eines Ladenlokals in einem ihm gehörenden Einkaufszentrum nicht auf<br />
die vermieteten Räume beschränkt sind, sondern sich auf die<br />
Gemeinschaftsflächen erstrecken.<br />
Ein Unternehmen hatte ein in einem Einkaufszentrum belegenes<br />
Ladenlokal angemietet. Der Vermieter war Eigentümer des gesamten<br />
Gebäudes, in welchem sich mehrere Geschäfte in einer Ladengalerie<br />
befanden. Der Mietvertrag enthielt keine Vereinbarung zu Pflichten der<br />
Parteien in Bezug auf die gemeinschaftlich genutzten Anlagen und<br />
Flächen des Einkaufszentrums. Nachdem der Vermieter diese Flächen<br />
nicht mehr ordnungsgemäß instand hielt, kündigte der Mieter den<br />
Vertrag aus wichtigem Grund und verlangte Schadensersatz.<br />
Das Berufungsgericht stellte fest, dass die fehlende Instandhaltung der<br />
gemeinschaftlich genutzten Anlagen und Flächen durch den Vermieter<br />
eine Verletzung seiner vertraglichen Pflichten darstellt und verurteilte ihn<br />
zur Zahlung von Schadensersatz. Hiergegen hat der Vermieter Revision<br />
eingelegt und vorgetragen, dass sich nach Artikel 1719 Code civil die<br />
Instandhaltungspflichten des Vermieters auf die Mietsache selbst<br />
beschränken und der Mieter daher auf die Instandhaltung<br />
gemeinschaftlich genutzter Anlagen und Flächen keinen Anspruch habe.<br />
In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urteil vom<br />
28.06.2005, Az. 04-14.087) hat der Kassationshof das Urteil des<br />
Berufungsgerichts bestätigt und festgestellt, dass die vertragsgemäße<br />
Nutzung des eigentlichen Mietobjekts den ordnungsgemäßen Zustand<br />
der gemeinschaftlich genutzten Anlagen und Flächen voraussetzt und<br />
sich daher die Instandhaltungspflichten des Vermieters auch auf diese<br />
Flächen erstrecken.<br />
PRAXISTIPP:<br />
Trotz der vorgestellten Entscheidung empfiehlt es sich zur<br />
Vermeidung von Streitigkeiten, in französischen<br />
Gewerbemietverträgen den Umfang der Instandhaltungspflichten in<br />
Bezug auf die gemeinschaftlich genutzten Anlagen und Flächen<br />
vertraglich zu regeln. Allgemein ist beim Abschluss französischer<br />
Gewerbemietverträge aus Mietersicht Vorsicht geboten, da die<br />
französische Rechtspraxis auf diesem Gebiet von der deutschen<br />
abweicht und die gängigen Mietverträge oft vergleichsweise<br />
vermieterfreundlich ausgestaltet sind.<br />
Unsere nächsten Veranstaltungen:<br />
25. April 2013 - Bielefeld<br />
Frankreich für den Mittelstand<br />
Dr. Christophe <strong>Kühl</strong><br />
Avocat à la Cour<br />
Rechtsanwalt<br />
25. Juni 2013 - Köln<br />
Die französische Tochtergesellschaft<br />
in der Krise<br />
Dr. Christophe <strong>Kühl</strong><br />
Avocat à la Cour<br />
Rechtsanwalt<br />
Emilie Wider, LL.M.<br />
Avocat à la Cour<br />
26. Juni 2013 - Köln<br />
Der Geschäftsführer in Frankreich:<br />
wesentliche Aspekte in der Praxis<br />
Dr. Christophe <strong>Kühl</strong><br />
Avocat à la Cour<br />
Rechtsanwalt<br />
Laure-Amandine Trésarrieu, LL.M.<br />
Avocat à la Cour<br />
Wir bieten zu folgenden Themen<br />
auch INHOUSESCHULUNGEN an:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die Personalabteilung im<br />
Frankreichgeschäft<br />
Arbeitsrecht in Frankreich<br />
Haftung des Managements in<br />
Frankreich<br />
Vertragsgestaltung und<br />
Forderungsmanagement im<br />
Frankreichgeschäft<br />
Tochtergesellschaft in der Krise<br />
Rechtsabteilung im<br />
Frankreichgeschäft<br />
Weitere Informationen zu unseren<br />
Veranstaltungen und Schulungen erhalten<br />
Sie bei Frau Viola Richter<br />
(inhouse@avocat.de).<br />
Die Artikel dienen ausschließlich der generellen Information und ersetzen kein individuelles Beratungsgespräch. Ein Mandantenverhältnis kommt hierdurch nicht zustande. Jegliche Haftung wird hiermit ausgeschlossen<br />
2
2. Subunternehmerrecht<br />
Erweiterte Prüfpflichten des Auftraggebers in Bezug auf Subunternehmer<br />
Der Auftraggeber kann sich seinen Pflichten aus dem französischen Subunternehmergesetz vom<br />
31.12.1975 nicht dadurch entziehen, dass er sie auf den Hauptunternehmer verlagert. Dies ergibt sich aus<br />
einem Urteil des französischen Kassationshofs vom 21.11.2012 (Az. 11-25.101). Nach dem<br />
Subunternehmergesetz muss der Auftraggeber unter anderem kontrollieren, ob der Hauptunternehmer ihn<br />
über alle Subunternehmer in Kenntnis gesetzt und um Zustimmung gebeten hat. Außerdem muss er sich<br />
vergewissern, dass alle Subunternehmer durch Bürgschaft oder Schuldübernahme für ihre Forderungen<br />
abgesichert sind. Es genügt nicht, dass er von dem Hauptunternehmer verlangt, alle Subunternehmer zu<br />
melden und abzusichern, dann aber nicht kontrolliert, ob der Hauptunternehmer diesen Verpflichtungen<br />
tatsächlich nachgekommen ist. Nach dem Urteil des Kassationshofs macht sich der Auftraggeber in solchen<br />
Fällen gegenüber den Subunternehmern gemäß Artikel 14-1 des Subunternehmergesetzes in Verbindung<br />
mit Artikel 1382 Code civil schadensersatzpflichtig. Zu beachten ist dabei, dass der Auftraggeber seine<br />
Kontroll- und Fürsorgepflichten gegenüber den Subunternehmern aller Stufen ausüben muss. Diese<br />
gesetzlichen Pflichten können weder ausgeschlossen noch auf andere Beteiligte oder Dritte abgewälzt<br />
werden.<br />
PRAXISTIPP:<br />
Beim Einsatz von Subunternehmern in Frankreich sind die zwingenden Vorschriften des<br />
Subunternehmergesetzes zu beachten. Dabei geht es vor allem um Kontrollpflichten und die<br />
Stellung von Sicherheiten. Dazu kommen Dokumentations- und Nachweispflichten aus dem<br />
französischen Arbeits- und Sozialrecht, die von den Beteiligten beachtet werden müssen. Eine<br />
Übersicht über die Rechte und Pflichten im Subunternehmerverhältnis nach französischem Recht<br />
enthält unser aktuelles Merkblatt zum Thema.<br />
3. Wettbewerbsrecht<br />
Entschädigungsanspruch einer juristischen Person wegen eines immateriellen Schadens<br />
Ein Urteil des französischen Kassationshofs vom 15.5.2012 (Az. 11-10.278) bestätigt, dass nach<br />
französischem Zivilrecht auch juristische Personen Ersatz eines immateriellen Schadens verlangen können.<br />
Die Klägerin, eine GmbH französischen Rechts, hatte eine Gesellschaft erworben, deren Zweck im Betrieb<br />
einer Pizzeria in Biarritz bestand. Der Kaufvertrag enthielt zu Lasten der Verkäuferin, deren Geschäftsführer<br />
das Restaurant zusammen mit seiner Frau zuvor viele Jahre betrieben hatte, eine Klausel, die ihm den<br />
Betrieb einer Pizzeria am Ort untersagte. Ungeachtet dieses Verbots hatte die Verkäuferin kurze Zeit später<br />
eine Pizzeria in Biarritz erworben und erfolgreich betrieben. Dabei hatte sie nach dem Vortrag der Klägerin<br />
nicht nur in der Hochsaison vier Mitarbeiter der veräußerten Gesellschaft abgeworben, sondern auch die<br />
Inneneinrichtung der verkauften Pizzeria nachgebildet. Die Klägerin hat den Verkäufer deswegen auf Ersatz<br />
ihres Vermögensschadens sowie eines von ihr vorgetragenen immateriellen Schadens verklagt. Das<br />
Berufungsgericht hatte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz für den erlittenen Vermögensschaden<br />
verurteilt, den Antrag auf Ersatz des immateriellen Schadens jedoch mit der Begründung abgewiesen,<br />
juristische Personen könnten generell keinen immateriellen Schaden geltend machen. Auf die Revision der<br />
Klägerin hat der Kassationshof das Urteil auf der Grundlage der Artikel 1147, 1382 und 1383 des Code civil<br />
aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht Toulouse verwiesen. Damit<br />
bestätigt der Kassationshof, dass auch juristische Personen einen ersatzfähigen immateriellen Schaden<br />
erleiden können. In der Vergangenheit wurde dies insbesondere in Fällen der Rufschädigung und<br />
Verleumdung angenommen. Mit dem vorgestellten Urteil wurde ein immaterieller Schaden erstmals im<br />
Zusammenhang mit der Verletzung eines Wettbewerbsverbots anerkannt.<br />
PRAXISTIPP:<br />
Anders als das deutsche Recht, welches juristischen Personen Anspruch auf eine<br />
Geldentschädigung für die Verletzung persönlichkeitsrechtlicher Ansprüche versagt, gibt das<br />
französische Recht ihnen einen solchen Entschädigungsanspruch. Dies gilt es nun auch bei<br />
wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten in Frankreich zu berücksichtigen.<br />
Die Artikel dienen ausschließlich der generellen Information und ersetzen kein individuelles Beratungsgespräch. Ein Mandantenverhältnis kommt hierdurch nicht zustande. Jegliche Haftung wird hiermit ausgeschlossen<br />
3
4. Kreditsicherungsrecht<br />
a) Unwirksamkeit von Geschäftsführerbürgschaften nach dem französischem Recht<br />
Banken verlangen bei der Kreditvergabe an Gesellschaften als Sicherheit häufig eine Bürgschaft des<br />
Geschäftsführers. Dabei ist zu beachten, dass solche Bürgschaften nach französischem Recht unter<br />
bestimmten Umständen wegen Überforderung des Bürgen unwirksam sind. Nach Artikel L.341-4 des<br />
französischen Verbrauchergesetzbuchs, der grundsätzlich auch auf die Geschäftsführerbürgschaften<br />
Anwendung findet, kann sich eine Bank nicht auf die Bürgschaft einer natürlichen Person berufen, wenn die<br />
Höhe der Bürgschaft bei ihrer Unterzeichnung offensichtlich außer Verhältnis zu Vermögen und Einkünften<br />
des Bürgen stand, es sei denn, der Bürge verfügt zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme tatsächlich über<br />
ausreichende Mittel. Liegt ein Fall der Unverhältnismäßigkeit vor, so kann der Kreditgeber den Bürgen nicht<br />
in Anspruch nehmen.<br />
Der französische Kassationshof hat mit Urteil vom 4.5.2012 (Az. 11-11.461) eine interessante Entscheidung<br />
zu den Beurteilungskriterien der Unverhältnismäßigkeit von Geschäftsführerbürgschaften gefällt. In dem<br />
entschiedenen Fall hatte ein Geschäftsführer eine Bürgschaft zur Absicherung eines Kredits des von ihm<br />
geleiteten Unternehmens übernommen. Nach Eintritt des Sicherungsfalls nahm die Bank den Bürgen in<br />
Anspruch. Dieser berief sich auf die Unwirksamkeit der Bürgschaft, da er zum Zeitpunkt ihrer<br />
Unterzeichnung keine regelmäßigen Einkünfte hatte. Das Berufungsgericht stellte jedoch fest, dass es bei<br />
der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit im Sinne des Artikels L.341-4 des Verbrauchergesetzbuchs auch<br />
darauf ankomme, wie groß die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Sicherungsfalls bei Unterzeichnung der<br />
Bürgschaft war. Die Bürgschaft sei im entschiedenen Fall angesichts der erwarteten Geschäftsentwicklung<br />
und der damals vorhandenen Mitteln des Bürgen (69.000 € an Einlagen und 47.000 € an staatlichen<br />
Subventionen) wirksam gewesen. Der Kassationsgerichtshof bestätigte diese Entscheidung und hielt fest,<br />
dass die Unverhältnismäßigkeit der Bürgschaftsverpflichtung auch anhand der Erfolgschancen des zu<br />
finanzierenden Projektes festzustellen ist.<br />
Die französischen Gerichte berücksichtigen somit nicht nur das Vermögen des Geschäftsführers zum<br />
Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaft, sondern bewerten auch die Geschäftserwartung des<br />
Darlehensempfängers (sog. dynamische Bewertung). Dies kann im Einzelfall zu einer weiten Betrachtung<br />
des Vermögens des Geschäftsführers führen. In einem anderen gerichtlich entschiedenen Fall hatte ein<br />
Geschäftsführer für ein Darlehen an das von ihm geleitete Unternehmen gebürgt. Die Mittel sollten dem<br />
Erwerb eines dritten Unternehmens dienen. Das Berufungsgericht Lyon hat hier bei der Beurteilung des<br />
Vermögens des Geschäftsführers unter anderem den Wert der Zielgesellschaft berücksichtigt (Urteil vom<br />
04.10.2012, Az. 11-02.320).<br />
PRAXISTIPP:<br />
Während die deutschen Gerichte zur Feststellung der Unwirksamkeit der Bürgschaften neben der<br />
„krassen Überforderung“ ähnlich wie bei der Ehegattenbürgschaft auf die emotionale Verbundenheit<br />
des Bürgen zum Darlehensempfänger abstellen, verzichten die französischen Gerichte auf eine<br />
solche Voraussetzung und erkennen grundsätzlich die Schutzbedürftigkeit bürgender<br />
Geschäftsführer an. Inwieweit die Vorschriften des Artikels L.341-4 des französischen<br />
Verbrauchergesetzbuchs als „Eingriffsnormen“ im Sinne von Artikel 9 der EuGVO auch bei der<br />
Vereinbarung deutschen Rechts zu beachten sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Gegen eine<br />
solche Qualifizierung spricht ein Urteil des Kassationshofs vom 30.01.2013 (Az. 11-10.588). Banken<br />
sollten bei der Besicherung von Krediten mit Bürgschaften französischer Bürgen dennoch das<br />
Risiko der Unwirksamkeit der Bürgschaft genau prüfen. Der Bürge ist gegenüber der Bank zur<br />
Erteilung der notwendigen Auskünfte betreffend seine finanziellen Verhältnisse verpflichtet.<br />
b) Verhältnis des besonderen Pfandrechts an Warenlagern zum allgemeinen Pfandrecht des<br />
französischen Zivilrechts<br />
Ein aktuelles Urteil des französischen Kassationshofs (Urteil vom 19.02.2013, Az. 11-21.763) bestimmt das<br />
Verhältnis des in Artikel L.527-1 ff. des französischen Handelsgesetzbuchs vorgesehenen speziellen<br />
besitzlosen Pfandrechts an Warenlagern zum allgemeinen Pfandrecht der Artikel 2333 ff. Code civil.<br />
Die Artikel dienen ausschließlich der generellen Information und ersetzen kein individuelles Beratungsgespräch. Ein Mandantenverhältnis kommt hierdurch nicht zustande. Jegliche Haftung wird hiermit ausgeschlossen<br />
4
Nach den im Jahr 2006 eingeführten Artikeln L.527-1 ff. des französischen Handelsgesetzbuchs können<br />
sich Kreditinstitute zur Besicherung von Darlehen ein besitzloses Pfandrecht auf die Lagerbestände ihrer<br />
Schuldner einräumen lassen, sofern die Schuldner Unternehmer sind. Die Verwertung dieses Pfandrechts<br />
erfolgt entweder durch Zwangsversteigerung oder dadurch, dass dem Kreditinstitut das Eigentum an dem<br />
Pfandgegenstand übertragen wird. Beide Verwertungsmöglichkeiten setzen allerdings eine entsprechende<br />
richterliche Anordnung voraus. Artikel L.527-2 des französischen Handelsgesetzbuchs sieht ausdrücklich<br />
die Nichtigkeit vertraglicher Vereinbarungen vor, nach denen das Kreditinstitut im Sicherungsfall<br />
automatisch Eigentümer der verpfändeten Gegenstände wird (sog. pacte commissoire).<br />
In dem entschiedenen Fall wollte eine Bank das Verbot des Artikels L.527-2 des französischen<br />
Handelsgesetzbuchs dadurch umgehen, dass sie das vereinbarte Pfandrecht den Bestimmungen des<br />
allgemeinen zivilrechtlichen Pfandrechts unterwarf, die in Artikel 2348 Code civil den pacte commissoire<br />
zulassen. Nach Eintritt des Sicherungsfalls machte die Bank gegenüber dem Insolvenzverwalter der<br />
Schuldnerin ein Absonderungsrecht geltend. Die Instanzgerichte gaben ihrer Klage mit der Begründung<br />
statt, die Regelung des Artikels L.527-1 des französischen Handelsgesetzbuchs hindere die Kreditinstitute<br />
nicht daran, mit ihren Schuldnern ein den Bestimmungen der Artikel 2333 ff. Code civil unterliegendes,<br />
besitzloses Pfandrecht zu vereinbaren. Auf die Revision des Insolvenzverwalters hat der französische<br />
Kassationshof das berufungsgerichtliche Urteil aufgehoben. Er stellte klar, dass die spezielle<br />
handelsrechtliche Regelung in ihrem Anwendungsbereich die Geltung der allgemeinen Pfandrechtsregeln<br />
des Code civil ausschließt.<br />
PRAXISTIPP:<br />
Das vorgestellte Urteil bringt weitere Klarheit in das nach der Reform im Jahr 2006 noch nicht<br />
vollends gefestigte französische Recht der Kreditsicherheiten, welches nach wie vor keine<br />
Sicherungsübereignung kennt. Damals wurde nicht nur das besitzlose Pfandrecht an beweglichen<br />
Sachen neu eingeführt, sondern auch die Pfandrechte an Forderungen und die<br />
Immobiliarsicherheiten und sonstigen Vorzugsrechte reformiert und neu geordnet. Ein besitzloses<br />
Pfandrecht an Warenlagern kann nach französischem Recht zugunsten von Kreditinstituten nur<br />
unter den Beschränkungen der Artikel L.527-1 ff. des französischen Handelsgesetzbuchs bestellt<br />
werden. Eine Vertragsklausel, nach welcher die Bank im Sicherungsfall automatisch Eigentümerin<br />
der Pfandsachen wird, ist nichtig.<br />
5. Insolvenzrecht<br />
Zur Zulässigkeit der Ausdehnung französischer Insolvenzverfahren auf ausländische Unternehmen<br />
im Falle der Vermögensverflechtung<br />
Mit Urteil vom 10.05.2012 (Az. 09-12.642) hat der französische Kassationshof entschieden, dass ein<br />
französisches Gericht ein Insolvenzverfahren im Fall des Vorliegens einer Vermögensverflechtung nur dann<br />
auf ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Drittunternehmen ausdehnen kann, wenn das<br />
Drittunternehmen seinen wirtschaftlichen Interessenschwerpunkt in Frankreich hat. Mit dieser Entscheidung<br />
folgt der Kassationshof einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15.12.2011 (Az. C‐<br />
191/10), dem er diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte. Hintergrund der Vorlage ist der<br />
Umstand, dass nach Artikel L.621-2 des französischen Handelsgesetzbuchs das Insolvenzgericht ein<br />
Insolvenzverfahren auf ein drittes Unternehmen ausdehnen kann, welches mit dem Insolvenzschuldner<br />
finanziell so verflochten ist, dass eine wirtschaftliche Einheit vorliegt (confusion des patrimoines).<br />
Rechtsfolge der Verfahrenserweiterung ist die Bildung einer einheitlichen Insolvenzmasse aus den Aktiva<br />
der verflochtenen betroffenen Unternehmen.<br />
PRAXISTIPP:<br />
Aufgrund der vom EuGH und dem Kassationshof vorgenommenen, europarechtskonformen<br />
Auslegung des Artikels L.621-2 des französischen Handelsgesetzbuchs scheidet die Haftung<br />
deutscher Unternehmen für die Insolvenzschulden ihrer französischen Tochter- oder<br />
Schwestergesellschaft bei Vorliegen einer finanziellen Verflechtung regelmäßig aus. Jedoch könnte<br />
im Zuge der geplanten Reform der europäischen Insolvenzverordnung eine mit Artikel L.621-2 des<br />
französischen Handelsgesetzbuches vergleichbare Regelung in die europäische Verordnung<br />
aufgenommen werden, was die Ausweitung von Insolvenzverfahren auf verflochtene Unternehmen<br />
Die Artikel dienen ausschließlich der generellen Information und ersetzen kein individuelles Beratungsgespräch. Ein Mandantenverhältnis kommt hierdurch nicht zustande. Jegliche Haftung wird hiermit ausgeschlossen<br />
5
aus anderen EU-Staaten generell ermöglichen würde. Anzumerken ist bei dieser Gelegenheit, dass<br />
ausländische Unternehmen bereits jetzt für die Verbindlichkeiten ihrer insolventen französischen<br />
Tochtergesellschaften haften, wenn sie auf deren Geschäftsführung bestimmenden Einfluss<br />
ausgeübt haben (faktische Geschäftsführung).<br />
6. Kurzmeldungen<br />
Schaffung eines elektronischen Registers für alle Veröffentlichungen französischer Unternehmen in<br />
den amtlichen Mitteilungsblättern<br />
Seit dem 01.01.2013 werden die Pflichtmitteilungen französischer Unternehmen nicht mehr nur in einem der<br />
regelmäßig erscheinenden amtlichen Mitteilungsblätter (Journaux d’annonces légales) veröffentlicht,<br />
sondern automatisch auch in elektronischer Form. Zu diesem Zweck ist ein Online-Register geschaffen<br />
worden, in dem die entsprechenden Meldungen (Gesellschaftsgründungen, Änderungen von<br />
Gesellschaften, Bilanzen, Fusionen/Verkäufe, Geschäftsaufgaben, Insolvenzverfahren etc.) gesammelt<br />
werden und zeitlich unbeschränkt gegen eine Gebühr von 1,60 € pro Meldung abgerufen werden können.<br />
Für die veröffentlichungspflichtigen Unternehmen ändert sich dadurch nichts: Sie müssen ihre Mitteilungen<br />
weiterhin in einem oder mehreren der Mitteilungsblätter veröffentlichen. Der Herausgeber des<br />
Mitteilungsblatts leitet die Anzeigen dann unaufgefordert an das Online-Register weiter, wo sie in<br />
elektronischer Form veröffentlicht und kategorisiert werden.<br />
PRAXISTIPP:<br />
Unternehmen und Privatpersonen können über die neue Plattform ohne großen Aufwand<br />
rechtssichere Informationen über ihre Geschäftspartner erhalten. Die Datenbank ist unter<br />
www.actulegales.fr erreichbar und ähnelt in ihrem Aufbau dem deutschen elektronischen<br />
Unternehmensregister.<br />
_______________________________________________________________________________________<br />
Diese Information wird Ihnen zur Verfügung gestellt von:<br />
<strong>Kühl</strong> Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />
Konrad-Adenauer-Ufer 71, 50668 Köln<br />
www.avocat.de<br />
KÖLN PARIS STRASBOURG BADEN-BADEN SARREGUEMINES<br />
Der Artikel dient ausschließlich der generellen Information und ersetzt kein individuelles Beratungsgespräch. Jegliche Haftung wird hiermit<br />
ausgeschlossen. Ein Mandatsverhältnis kommt hierdurch nicht zustande. Die Haftung für den Inhalt wird ausgeschlossen.<br />
Die Artikel dienen ausschließlich der generellen Information und ersetzen kein individuelles Beratungsgespräch. Ein Mandantenverhältnis kommt hierdurch nicht zustande. Jegliche Haftung wird hiermit ausgeschlossen<br />
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