LP AvB Skuban Michaela - Andrea von Braun Stiftung

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Andrea von Braun Stiftung voneinander wissen Bär-Mensch-Interaktionen in der Slowakei Eine interdisziplinäre Betrachtung der beidseitigen Auswirkungen und Einflüsse Autorin: Michaela Skuban / Projekt: Bär-Mensch-Interaktionen in der Slowakei – eine interdisziplinäre Betrachtung der beidseitigen Auswirkungen und Einflüsse / Art des Projektes: Forschungsaufenthalt und Publikation 1

<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Bär-Mensch-Interaktionen in der<br />

Slowakei<br />

Eine interdisziplinäre Betrachtung<br />

der beidseitigen Auswirkungen und Einflüsse<br />

Autorin: <strong>Michaela</strong> <strong>Skuban</strong> / Projekt: Bär-Mensch-Interaktionen in der Slowakei –<br />

eine interdisziplinäre Betrachtung der beidseitigen Auswirkungen und Einflüsse /<br />

Art des Projektes: Forschungsaufenthalt und Publikation<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Prinzipielles Wissen über die Ernährung <strong>von</strong> Bären sowohl im Herzstück seiner Verbreitung<br />

als auch in den peripheren Gebieten erlaubt einen Rückschluss auf die Nutzbarkeit <strong>von</strong><br />

Ressourcen in weiteren Gebieten, die <strong>von</strong> den Bären wiederbesiedelt werden könnten. Da<br />

der Mensch mit all seinen Wünschen und Ängsten für eine Koexistenz mit großen<br />

Raubtieren <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung ist, können die hier gewonnenen Ergebnisse für<br />

zukünftige Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen in neu besiedelten Gebieten außerhalb<br />

der Karpaten hilfreich sein. Eine pro und contra Auswertung der verschiedenen<br />

Managementpraktiken garantiert eine bessere und effektivere Präparierung in diesen Gebieten.<br />

Von einem sozioökologischen und sozioökonomischen Standpunkt darf die Rolle eines<br />

verantwortungsvollen und sinnvollen Ökotourismus nicht unterschätzt werden. Er könnte<br />

eine wirtschaftlich vielversprechende Alternative zu bestehender Trophäenjagd, finanziert<br />

durch ausländische Jäger, darstellen. Dieses Wissen soll in den deutschsprachigen Raum<br />

über ein populärwissenschaftliches Buch transferiert werden und in die biologische Forschung<br />

eingehen.<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Nachdem mir dieses interdisziplinär ausgerichtete Projekt <strong>von</strong> der <strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> bewilligt wurde, musste ich mir als erstes darüber klar werden, welches prinzipielle<br />

Ziel ich verfolgen würde. Ich wollte über den europäischen <strong>Braun</strong>bären eine bunte<br />

Collage um dazustellen, wer denn der Bär überhaupt ist. Somit sollten neben biologischen<br />

Fakten auch Meinungen, Einstellungen und Gedanken über diesen großen Waldbewohner<br />

ihren Platz bekommen. Der Bär gehört zu den Karnivoren, den Raubtieren. Gerade<br />

bei den Arten dieser Klasse gegenüber sich die Einstellung/Haltung der Menschen oft in<br />

zwei grundsätzlich gegensätzliche „Lager“ auf. Im Falle des Bären lassen sich die häufigst<br />

genannten Attribute so definieren:<br />

1. Der Bär ist interessant, faszinierend, besonders, schön, spannend, aufregend, niedlich,<br />

intelligent und ein gutes, unschuldiges Tier.<br />

2. Der Bär ist erschreckend, furchteinflößend, aggressiv, zerstörerisch, gefährlich und<br />

somit ein böses Tier.<br />

Abgesehen da<strong>von</strong>, dass ich nicht mit den Attributen „Gut und Böse“ für ein Tier übereinstimme,<br />

können alle anderen genannten Punkte <strong>von</strong> mir nachvollzogen werden und sind<br />

somit richtig. Nicht umsonst üben gerade deshalb Fotos und Filme über diese Tiere eine<br />

starke Anziehungskraft auf viele Menschen aus, die gebannt sowie mit Furcht und<br />

Faszination, diese Bilder betrachten. Artikel oder<br />

Bücher über blutrünstige oder brutale Übergriffe<br />

des Bären auf den Menschen finden grossen<br />

Anklang. Andererseits ist der Bär an sich ein großer<br />

Sympathieträger. Der Mensch betrachtet ihn gerne,<br />

bewundert seine Kraft und Stärke, und bezeichnet<br />

seine rundlicheren Proportionen und die knopfförmigen<br />

Augen als niedlich. Sein arteigener Name<br />

dient in verkleinerter Form als Kosebezeichnung<br />

(Bärchen, Bärli, entsprechende Übereinstimmungen<br />

auch in der slowakischen Sprache) und in jüngster<br />

Vergangenheit trat er seinen Siegeszug als Teddybär<br />

ins Kinderzimmer an.<br />

Titel des erschienen Buches<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Ein altes, bereits ergrautes Weibchen im Freiland. Unsicher, an einen Baum gelehnt und<br />

leicht im Unterholz versteckt, blinzelt sie in die aufgehenden Strahlen der Morgensonne. Viele<br />

Menschen werden sie zweifelsohne als schön bezeichnen, einige eventuell als niedlich und<br />

„süß“. Ein Naturfotograf ist fasziniert, pirscht heran und übersieht im Eifer um ein gutes Bild<br />

bisweilen die theoretisch ausgehende Gefahr des großen Tieres. Der Waldarbeiter jedoch, der<br />

schon am frühen Morgen seinen Dienst zwischen den Bäumen antreten muss, empfindet den<br />

Bären nicht nur als störend, da er ihn irgendwie umgehen muss und somit <strong>von</strong> der Arbeit<br />

abgehalten wird. Zudem kann oder wird sich der Mann auch erschrecken, da er nicht weiß,<br />

ob das Tier eventuell Junge hat und ihm somit gefährlich werden könnte. Ist er zudem allein,<br />

und vielleicht ohne Handyempfang, verstärkt sich seine Unsicherheit. Ein Tourist, etwa ein<br />

typischer Großstadtbewohner, auf der Suche nach Erholung, Ruhe, frischer Luft und Natur,<br />

wird auf diesen Anblick fast ausschließlich mit nackter Angst reagieren. (Photo: Vladimir<br />

Vician)<br />

In meinem Projekt habe ich mich auf die Spurensuche nach dem Bären begeben, sowohl<br />

klassisch im Freiland, als auch im übertragenen Sinne in der Literatur, der Ethnografie, der<br />

Kunst und in der Mythologie. Es stellten sich sehr bald zwei entscheidende Dinge heraus,<br />

die der interdisziplinäre Ansatz mit sich brachte:<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Foto der auffallend „menschenähnlichen“ Hinterpfote<br />

unseres 2012 gefangenen Männchens „Alf “. Kein<br />

Wunder, dass dieser Zusammenhang schon sehr früh<br />

den Menschen auffiel.<br />

Mir stellte sich nicht die Frage, welche Disziplinen<br />

ich in dieses Projekt involviere, sondern welche<br />

Disziplinen ich weglassen darf, da ich sie nicht zwingend<br />

für die Ausarbeitung benötige.<br />

Der Bär berührt sehr viele Aspekte unseres Lebens, wenn er mit Menschen in einem Land<br />

zusammenlebt. Zum einen ist er Teil der natürlichen Umwelt, verändert somit biologische<br />

Wechselwirkungen im Wald und hat zudem eine Art „Indikatorwirkung“ für den<br />

Gesundheitszustand des Waldes. Wer ist der Bär, wie lebt er eigentlich und was braucht er<br />

für sein Überleben?<br />

Neben der vielen Feldarbeit, den Spurensuchen, den Kotanalysen und den GIS-Kartierungen,<br />

hatte ich das große Glück, während der zwei Jahre gleich zwei männliche, „normale“<br />

Bären überwachen zu können. Ich habe sehr viel Zeit mit ihnen und draußen verbracht,<br />

oft alleine oder auch tief in der Nacht. Neben dem Stolz, den jeder Biologe kennt, wenn<br />

er erfolgreich ein Tier besendert hat und es überwachen kann, habe ich <strong>von</strong> diesen beiden<br />

Tieren sehr viel gelernt und konnte an ihnen viele Dinge nachvollziehen, die ich in der<br />

wissenschaftlichen Literatur gelesen habe oder später wieder finden konnte.<br />

Den 1. März 2007 werde ich wohl in meinem<br />

Leben niemals vergessen. Ein Bär<br />

hatte in einen Metallkübel seinen Kopf<br />

hineingesteckt und war somit hoffnungslos<br />

verklemmt.<br />

Mein Kollege Dr. Slavomir Find’o narkotisierte<br />

erfolgreich den Bären. Es war möglich,<br />

ihn nicht nur zu befreien, sondern<br />

auch zu besendern. Er war der erste Bär in<br />

der Geschichte der Slowakei, der jemals<br />

mit einem Radiosender markiert worden<br />

ist.<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Gelegentlich kam er durch unwissende Wanderer oder Spaziergänger unabsichtlich enger in<br />

menschliche Nähe, als es „ihm offensichtlich lieb war“. Ich als wissende dritte Person konnte<br />

oft beobachten, wie er sich daraufhin zurückzog und die Distanz zu den Menschen erneut<br />

vergrößerte. Leider verlor er Ende Juli desselben Jahres seinen Telemetriesender an einem<br />

Markierungsbaum. Beim Scheuern seines Halses am Stamm streifte er sich das Halsband ab.<br />

Der zweite Bär wurde erfolgreich am 26.6.2008 in Pol’ana in einer Boxfalle gefangen und<br />

mit einem GPS-Sender versehen. Dieser Bär führte mich noch stärker auf die Felder, zeigte<br />

mir seine Vorliebe für Getreide und seinen 24-Stunden-Rhythmus.<br />

Alleine durch seine Biologie interagiert der Bär stark mit dem Menschen: Er verursacht<br />

Schaden an Bienen und auf Feldern, er tötet gelegentlich Nutztiere und bereitet selbst den<br />

Förstern oft genug Kopfzerbrechen, wenn er wertvolle Bäume zu Markierungszwecken<br />

benutzt und somit entwertet oder gar Wildfütterstellen demoliert und die Holzschober<br />

mit Futter zerstört, um an den verführerischen Inhalt zu gelangen.<br />

Ich habe für die biologische Disziplin viel auf russische Literatur zurückgegriffen. Sehr<br />

viele Stunden und Nächte widmete ich somit der reinen Übersetzung. Hierbei war auffällig,<br />

dass die moderne Biologie oft nur wenig Zeit zulässt. Der starke Publikationsdruck<br />

macht langdauernde Forschungsprojekte oft unmöglich. Somit gehen viele Details<br />

interessanten Verhaltens gerade bei langlebenden Tierarten verloren. Ein Bär erreicht im<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Freiland ohne Schwierigkeiten ein Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Der „Methusalem der<br />

Slowakei“, der älteste bis heute gefundene Bär, hatte ein Alter <strong>von</strong> 33 Jahren und erlag der<br />

Altersschwäche.<br />

In die Btrachtung flossen die wirtschaftlichen Bereiche des menschlichen Lebens mit<br />

ein. Schadensstatistik und jährliche Ausgaben für den Bären und der Vergleich mit anderen<br />

Wildtieren: Was kostet der Bär? Wie viel macht er kaputt? Wer zahlt und wer trägt<br />

die Zeche?<br />

Obwohl der Bär ein Kostenfaktor ist, hält sich der <strong>von</strong> ihm verursachte Schaden im Vergleich<br />

mit anderem Wild durchaus in Grenzen. Jedoch betreffen seine Beschädigungen<br />

manchmal menschliche Einzelschicksale, für welche ein solcher Verlust sehr einschneidend<br />

sein kann. Schon früher waren die Bedingungen für Bauern und Viehzüchter<br />

beschwerlich. Unter dem wirtschaftlichen Druck der heutigen Zeit hat diese Bevölkerungsgruppe<br />

erneut mit harschen Konditionen zu kämpfen.<br />

Das Entschädigungssystem der Slowakei hinkt und viele „geschädigte“ Leute beklagen<br />

dies. Die Verfahren sind zu lang, die Gutachter oft nicht ausgebildet, und häufig gehen die<br />

Betroffenen leer aus. Dieser Punkt erschwert nicht nur dem Bär, sondern auch ganz stark<br />

dem Wolf eine wertfreie Koexistenz.<br />

Wie gefährlich ist der Bär? Was macht ihn gefährlich und welche Situationen sind für uns<br />

Menschen kritisch? Der Ausbau <strong>von</strong> Hotelanlagen in tiefer Wildnis, die Wegwerfgesellschaft<br />

mit ihrem Abfallproblem und das Eindringen in immer unberührtere Gegenden<br />

verändert die natürliche Umwelt des <strong>Braun</strong>bären. Darauf reagiert er. Das große Thema der<br />

verhaltensgestörten, unnormalen Bären taucht hierbei auf: die Abfallfresser, die bärigen<br />

Dorfbewohner und konsequenterweise die Frage, was sich der Mensch gefallen lassen<br />

muss.<br />

Bislang hat sich niemand dieses Punktes so intensiv angenommen. Es ist nicht nur ein relativ<br />

neues, sondern auch ein mit starken Emotionen behaftet. Dennoch ist die Urangst des<br />

Menschen vor Raubtieren sehr alt. Auch wir selbst tragen heute noch viele der entwickelten<br />

Mechanismen in uns. Problematische Begegnungen mit Bären nähren diese Angst und<br />

verstärken die negative Seite der Koexistenz.<br />

Ich habe versucht anhand dem Schicksal einer sehr problematischen Bärin, genannt Lilli,<br />

welche gefangen und besendert wurde, diesen schwierigen Punkt so genau wie möglich zu<br />

betrachten, inklusive rechtlicher Bestimmungen, Vorbeugemaßnahmen, Lösungen und<br />

Misserfolgen. Die hierbei gemachten Erfahrungen sind in einer tagebuchartigen Aufzeichnung<br />

des gesamten Verlaufes gesammelt.<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Effektivere und nachhaltige Entfernung dieser Tiere aus dem Freiland ist essenziell nötig,<br />

um Lerneffekte auf andere Tiere zu verhindern. Gerade dieser ungelöste Punkt sowie radikale<br />

Organisationen, welche diese Entfernungen verhindern, sind einer der Gründe,<br />

warum die Stimmung in der Slowakei bezüglich der Bären abzukippen droht.<br />

Des Weiteren habe ich Material über Attacken auf Menschen gesammelt, analysiert und<br />

ausgewertet. In diesem Falle ist viel mehr Forschung nötig, um noch mehr über die<br />

Umstände und die Auslöser für Übergriffe zu erfahren. Jeder Mensch, der eine solche<br />

schmerzhafte Begegnung hatte, muss sehr ernst genommen werden. Alte Dokumente belegen,<br />

dass in der Vergangenheit diese Bärenübergriffe auf Menschen sehr selten und fast<br />

nur bei der Bärenjagd, also dem effektiven Nachstellen der Tiere, aufgetreten sind.<br />

Heutzutage bevölkert der Mensch die Landesfläche nicht nur dichter, sondern dringt<br />

auch immer weiter in die Wälder vor. Teilweise verhält er sich dabei sehr leise z.B als<br />

Spaziergänger und kann <strong>von</strong> den im Unterholz rastenden Bären kaum geortet werden.<br />

Aus diesem Grund finden viele Bärenübergriffe zur „Selbstverteidigung“ oder zum Schutz<br />

des Nachwuchses statt, wobei der Mensch aufgrund seiner körperlichen Unterlegenheit<br />

gefährdet ist. Ein Bär kann sehr schnell laufen und ist „bärenstark“.<br />

Viele Bereiche wie Wirtschaft, Futterinteraktionen, gesundheitliche Faktoren und die<br />

Angst des Menschen sind betroffen und konnten umrissen werden. Eine weitere Frage<br />

bezog sich auf die „schönen Künste“, die Ethnografie und somit das ständige: Wo finde ich<br />

was? Und wie stehten die Erkenntnisse und Dartsellungen des Bären mit der Biologie in<br />

Zusammenhang?<br />

Am Anfang meiner Arbeit glich das Zusammentragen verschiedenster Informationen fast<br />

schon einer „eher planlosen Spurensuche“.<br />

Einige wenige ethnografische Arbeiten zeigten sowie diverse Besuche in Schlössern und<br />

Burgen, dass der Bär nicht exklusiv ein Tier der Oberschicht war, sondern beim kleineren<br />

Volk wesentlich mehr Beachtung fand. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts waren in der<br />

Slowakei Bären ein Teil <strong>von</strong> Volksfesten, eine Tradition, die heute leider verloren geht.<br />

Immer auffälliger und deutlicher wurde der Zusammenhang zwischen der Biologie des<br />

Bären und der Ethnografie. Offenbar wurde gerade um seine rätselhaften biologischen<br />

Besonderheiten wie z.B. des Winterschlafes eine volkskundliche Erklärung geschaffen, es<br />

entstanden Faschingsrituale, Fruchtbarkeitsrituale für Ernte und Hochzeit sowie Bilder<br />

der liebevollen Bärin und verwaisten Menschenkindern.<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Traditioneller Bärentanz,<br />

oft im Faschingszug.<br />

Nach Olejnik<br />

Handgeschnitzen Becher<br />

zum Trinken <strong>von</strong> „Schafssauermilch“.<br />

Der liebevoll<br />

geschnitzte Bär trägt ein<br />

kleines Bienennest zur Schau.<br />

Kein Wunder, setzt sich doch<br />

der slowakische Name<br />

„Medved“ aus Med = Honig<br />

und Ved, vom Verb „vediet“ =<br />

wissen, kennen zusammen.<br />

Insgesamt also der<br />

„Honigkenner“<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Das professionelle Märchenlexikon Schweiz enthielt weitere sehr wichtige Literaturangaben,<br />

diese mich in eine Welt aus Märchen, Geschichten, Aberglauben und „altem<br />

Wissen“ führten. Durch die Beschäftigung mit der Literaturwissenschaft und vor allen<br />

Dingen der professionellen Märchenforschung betrat ich ein Gebiet aus religiösen<br />

Zusammenhängen, welche ich niemals in diesem Bereich vermutet hätte.<br />

Dabei wurde deutlich, dass die Raubtierverfolgung und -vernichtung stark durch die<br />

Christianisierung vorangetrieben wurde. Die Recherche zeigte deutlich, dass die vorchristlichen<br />

Religionen ein ganz anderes Welt- und Tierverständnis hatten, in welchem<br />

gerade der Bär einen wichtigen Platz einnahm. In dem oft lokal herrschenden Glauben an<br />

Wiedergeburt und Zurückkehren ins Leben, fügen sich Bären durch ihre biologische<br />

Besonderheit des Überwinterns durch Schlafen selbstverständlich nahtlos ein. Sie verschwinden<br />

im Spätherbst und tauchen im kommenden Frühjahr erneut wieder auf. Die<br />

weiblichen Tiere kann man dann zudem in Begleitung <strong>von</strong> Jungtieren sehen. Diese<br />

Fortpflanzung nach unbeobachtete Schwangerschaft und Geburt verfestigte ihren Status<br />

als muttergottähnliches Wesen. Sowohl in der germanischen, der keltischen, der slawischen<br />

als auch der sibirischen Mythologie, die einzige, die noch in einigen Gegenden lebt,<br />

kann man einen hoch entwickelten Kult ausmachen mit entsprechenden religiösen<br />

Zusammenhängen, spezifischen Feiertagen und rituellen Kultzeremonien. Der Ursprung<br />

des Bärenkultes, welcher gelegentlich selbst heute noch praktiziert wird, hatte definitiv<br />

seinen Ursprung in der Jagd. Des Weiteren haben sämtliche künstlerischen Aktivitäten des<br />

Menschen ebenfalls hier ihren Ursprung.<br />

Vor diesem Hintergrund kann man den Bogen in die jüngere Vergangenheit bis zum Jetzt<br />

schließen: Wie geht der Mensch eigentlich mit dem Bären um? Wie betrachtet er ihn und<br />

wieviel ist da<strong>von</strong> noch sehr „alt“? Wie stark hat sich das gewandelte Bild <strong>von</strong> einem mystischen,<br />

halbgöttlichen Geschöpf, ob mit dem Menschen verwandt ist, zu einen sündigen,<br />

verfressenen oder tollpatischen Kreatur in uns festgesetzt? Was brauchen sowohl Mensch<br />

wie Bär, um unter modernen Bedingungen auch weiter erfolgreich koexistieren zu können?<br />

Wie ging alles zusammen?<br />

Im Endeffekt versuchte ich Themenbereiche zu schaffen, in welchen entscheidende biologische<br />

Zusammenhänge aufgezeigt und mit der menschlichen Seite überlappt wurden.<br />

Mir war es dabei wichtig, die Biologie sehr anschaulich und bunt darzustellen, viele,<br />

immer mehr verschwindende Rituale zu beleuchten und die heutigen Konflikte aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln zu betrachten:<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Aufbau der Arbeit:<br />

– Die beeindruckende Befreiung des Bären Albin dient als Einleitung.<br />

– Ein Steckbrief des Bären fasst wichtige Kernpunkte des Bären inklusive seiner<br />

Verbreitung und den Wappen <strong>von</strong> Bärendörfern zusammen.<br />

– Im Familienleben des Bären werden wichtige Verhaltensbesonderheiten der Tiere<br />

erklärt, die im späteren Verlauf mit der Mythologie überlappten. Der Muttergottcharakter<br />

der Bärin stützt sich in großen Teilen auf die besondere Zeit im<br />

Zusammenleben mit ihren Jungen.<br />

– Der Winterschlaf des Bären zeigt nicht nur die exklusive Überwinterung, sondern<br />

auch die um sie herum bestehenden ethnografischen Rituale und Festlichkeiten.<br />

– Die Futtertabelle des <strong>Braun</strong>bären beinhaltet nicht nur neue Erkenntnisse hinsichtlich<br />

der Ernährung, sondern auch die Überlappung mit vielen menschlichen Interessen,<br />

der Ökonomie und der alten Schäferkunst.<br />

– Die Migration des Bären zeigt die Verletzlichkeit der Tiere und wirft die Frage auf,<br />

wie viel Natur sich der Mensch in einer schnellebigen Zivilisation überhaupt noch<br />

leisten kann.<br />

– Lillies Tagebuch endet in der Schwierigkeit der problematischen Bären und beleuchtet<br />

einen wichtigen Streitpunkt in der Slowakei.<br />

– Wenn Mann oder Frau einen Bären trifft kategorisiert verschiedene Bärenübergriffe<br />

auf den Menschen und erzählt <strong>von</strong> einigem, teilweise sehr dramatische Begegnungen.<br />

Des Weiteren wird der Urangst des Menschen vor sämtlichen Raubtieren nachgespürt<br />

und der heutigen Eindringung des Menschen in den ruhigen Wald.<br />

– Der Teil Gefangen oder sicher stellt viele Gründe, Ungerechtigkeiten und Schwierigkeiten<br />

dar, welche eine Haltung <strong>von</strong> Bären in der Vergangenheit bis heute mit sich<br />

bringt. Des Weiteren sind Slowakische Bärenkinder ein emotionales Thema, welches<br />

eine schnelle Lösung erfordert.<br />

– Die Mythologie und der Wandel des Waldgeistes Bär findet sich in<br />

Von (Bären)märchen und Menschen wieder. Er baut auf der alten sakralen<br />

Ansichtsweise und der modernen Märchenforschung sowie der biologischen<br />

Besonderheiten des Bären auf.<br />

– Der letzte Teil Jagd und Kunst baut auf den meisten vorherigen Teilen auf. Die Reise<br />

durch die Jagdrituale der sibirischen Völker bis in die Slowakei zeigt die Bärenjagd<br />

aus einem ganz anderen Blickwinkel. Der Bär wurde im Verlauf der Zeit aus zwei<br />

Gründen gejagt, für Fell, Fleisch und Fett sowie zum Schutz der Herden. Die Jagd in<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Zahlen und Gründen in der Slowakei kommt deshalb nicht ohne einen kurzen<br />

historischen Rückblick aus. Parallel wird sie mit der Kunst überlappt, welche ihren<br />

Ursprung in der Jagd hat. Die einzigartige Geschichte des Bärenschutzes in der<br />

Slowakei wurde durch Jäger vorangetrieben. Den Abschluss bildet die Situation der<br />

Jagd heute und der starke andauernde Konflikt um diesen Punkt. Mittlerweile ist der<br />

Bär zu einem politischen Thema geworden, was ihm nicht gut tut. Die Wichtigkeit<br />

einer schnellen Lösung dieses Disputes wird somit deutlich, damit Bär und Mensch<br />

wieder etwas ruhiger miteinander auskommen können.<br />

Danksagung<br />

Der <strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong> für die Ermöglichung dieses Projektes.<br />

Herrn Dr. Slavomir Find’o für die wissenschaftliche Anleitung und die vielen, stundenlangen<br />

Diskussionen über Bären.<br />

Herrn Eduard Tschabold vom Märchenlexikon Schweiz, für seine freundliche Hilfe und<br />

die wichtigen Hilfestellungen bei der Literaturrecherche zum Thema Bär.<br />

Der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft für die Benutzung der unter dem Projekt<br />

Brown Bear Corridors in Slovakia“ gewonnenen Erkenntnisse und Daten.<br />

Dem Forstwirtschaftliches Institut in Zvolen/Slowakei (Národné Lesnické Centrum<br />

Zvolen, Slovensko) für die Zusammenarbeit und die Benutzung des Laboratoriums<br />

danken.<br />

Vladimir Vician für die Zurverfügungsstellung der Fotos und die Dokumentation der<br />

Fangaktion des Bären Adriano.<br />

Beim Zoo Bojníce Dr. Michal Belák, Dr. Luptak und Dr. Schrank für die Kooperation.<br />

Lubo Fritsch für den Entwurf eines Plakates zum Thema „Bär-Mensch-Interaktionen“.<br />

Tomas Hulik für die Bereitstellung <strong>von</strong> Fotos <strong>von</strong> Bären und Menschen.<br />

Jan Schkoda und dem Forstangestellten aus Hybe für die Geschichten <strong>von</strong><br />

Bärenübergriffen.<br />

Michal Kalasch für das Foto des überfahrenen Bären, die Tagebuchnotizen und Daten.<br />

Allen Förstern aus der Gebirgsregion in Pol’ana für die Unterstützung im Freiland bei der<br />

Arbeit mit Bären danken.<br />

Als letztes sind all den vielen Menschen gedankt, welche hier nicht namentlich aufgeführt<br />

sind und die mir auf verschiedene Weise geholfen haben (Interviews, ihre eigenen<br />

Geschichten, Wissen über Bären etc.).<br />

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<strong>Andrea</strong> <strong>von</strong> <strong>Braun</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>von</strong>einander wissen<br />

Curriculum Vitae<br />

1976 geboren am 27.12.1976 in Starnberg<br />

1983–1987 Grundschule am Isardamm, Geretsried<br />

1987–1996 Gymnasium Geretsried<br />

Abschluss: Allgemeine Hochschulreife<br />

1996–1997 ein Semester Studium der Biologie an der TU München<br />

1998–2000 Schauspielausbildung bei „Schauspiel München“<br />

Abschluss: Zwischenprüfung der Allgemeinen<br />

Bühnenreife<br />

2000–2005 Studium der Biologie an der LMU München<br />

Hauptfach: Zoologie, Nebenfächer: Ökologie,<br />

Neurobiologie, Psychologie<br />

Diplomarbeit: „The diet of four different wolf (Canis<br />

lupus)-packs in the Biesczcady-Mountains, Southeastern<br />

of Poland“ betreut durch Dr. Matthias Starck, LMU<br />

München und Dr. Roman Gula, Ustrzyki Dolne, Polen<br />

Forschungsaufenthalt in Polen:<br />

(Carpathian Wildlife Research Museum and Institute of<br />

Zoology; Polish Academy of Science; Belska 24; 38-700<br />

Ustrzyki Dolne, Polen), Dez. 2003: Vorpraktikum<br />

Seit 2006 Leben und arbeiten in der Slowakei<br />

Praktika bis 2000<br />

7–8/1993 5-wöchiges Praktikum bei Tierarzt Dr. Ruffy in<br />

Rosenheim<br />

1994–1996 Mitarbeit in der Tierarztpraxis bei Dr. Kalk,<br />

Altvaterstraße in 82538 Geretsried, sowie in der<br />

integrierten Tierpension<br />

Tätigkeit: Tierärztliche Assistenz bei Behandlungen, im<br />

Labor und bei Operationen sowie Pflege und<br />

Versorgung der Pflegehunde<br />

Parallel: Versorgung privater Pflegehunde<br />

11/1999 Seminar „Vom Wolf zum Hund“ bei Dr. Erik Zimen im<br />

Bayrischen Wald<br />

3–10/2000 Pflegepraktikum im Tierheim München Riem<br />

Einsatzorte:<br />

Hunde- und Krankenstation<br />

Studienbegleitende Praktika (zusätzlich zum Studium)<br />

8/2001 4-wöchiges Praktikum im Tierheim Demirtas,<br />

Südanatolien in der Türkei<br />

Tätigkeit: Pflege der Hunde, Ermittlung <strong>von</strong><br />

Verhaltensdiagrammen, Fangen <strong>von</strong> Straßenhunden mit<br />

anschließender Kastration und abschließender<br />

„Auswilderung“<br />

<strong>Michaela</strong> <strong>Skuban</strong>, M. Sc.<br />

Verhaltenspraktikum „Ethogramm des Wolfes“ bei 2/2003<br />

Dr. Erik Zimen im Bayrischen Wald/Tierpark<br />

Lohberg<br />

4-wöchige Mitarbeit in der mobilen Eingreiftruppe 8/2005<br />

<strong>von</strong> Walter Hildbrand, angeschlossen an das<br />

Herdenschutzzentrum Schweiz<br />

Tätigkeit: Integration zweier Maremma-Hunde in<br />

bestehende Herde in Fuldera (Nähe italienische<br />

Grenze) aufgrund Wiedereinwanderung des<br />

<strong>Braun</strong>bären<br />

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