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Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ...

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<strong>Paul</strong> Gerhardt: Ich s<strong>in</strong>ge dir mit Herz und Mund (EG 324)<br />

mehr unsere se<strong>in</strong> kann, geme<strong>in</strong>t ist doch aber Folgendes: Gott könnte ganz anders mit uns<br />

umgehen, <strong>in</strong>dem er uns gnadenlos abstraft für unsere Verfehlungen. Die Nähe des Schöpfers<br />

zeigt sich dar<strong>in</strong>, dass er viel Geduld bei unseren Fehltritten hat. Weil er gütig und treu<br />

ist, tut er das aber nicht, im Gegenteil! Se<strong>in</strong> Handeln an uns zielt auf Vergebung ab. Um das<br />

vor Augen zu malen, knüpft der Liederdichter wieder an alttestamentliche Bilder an: „ja endlich<br />

nimmst du unsre Schuld / und wirfst sie <strong>in</strong> das Meer“ – dort wird sie wirklich bleiben!<br />

3) E<strong>in</strong> dritter und letzter Punkt, auf den uns <strong>Paul</strong> Gerhardt aufmerksam macht, ist der richtige<br />

Umgang mit unseren Sorgen. „Was kränkst du dich <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n / und grämst dich Tag<br />

und Nacht? Nimm de<strong>in</strong>e Sorg und wirf sie h<strong>in</strong> / auf den, der dich gemacht.“<br />

Aus diesem schlichten Reim spricht tiefe Erfahrung und Menschenkenntnis. Wenn uns die<br />

Sorgen Tag und Nacht beschäftigen und gar nicht mehr loslassen wollen, machen sie uns<br />

irgendwann krank. Dann ist es wichtig, dieser Kränkung zu widerstehen. „Was kränkst du<br />

dich <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n?“ Hier ist nämlich der Punkt erreicht, wo sich niemand voreilig <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />

Schicksal fügen darf, sondern selbst aktiv werden muss. Die drückenden Sorgen können<br />

doch an der richtigen Adresse ausgesprochen werden, nämlich „bei dem, der dich gemacht“.<br />

Dazu kommt, was noch schwieriger als das Aussprechen ist: Vor Gott sollen die Sorgen<br />

wirklich „h<strong>in</strong>geworfen“ werden – das schließt e<strong>in</strong>, loslassen zu können und das eigene Handeln<br />

<strong>in</strong> größere Hände zu legen. Auch hier tut der Liederdichter nichts anderes, als elementare<br />

Bibelworte auszulegen: „Sorgt nicht um euer Leben“, sagt der Bergprediger [Mt 6,25],<br />

und im ersten Petrusbrief heißt es: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch“ [1.<br />

Petr 5,7].<br />

Man darf diese seelsorgerliche E<strong>in</strong>sicht Gerhardts nicht spiritualisieren oder politisch missbrauchen,<br />

als wären Christen zu völliger Passivität <strong>in</strong> ihren Leiden verurteilt. Der Liederdichter<br />

selbst war ke<strong>in</strong> Leisetreter, wie die Konflikte um se<strong>in</strong>e Amtsenthebung zeigen. Er hat sich<br />

se<strong>in</strong>em Schicksal nicht gefügt und dem Kurfürsten mutig widersprochen. Zugleich hat er betont,<br />

dass das eigene Handeln und alle Sorgen, die damit verbunden s<strong>in</strong>d, immer wieder <strong>in</strong><br />

Gottes Hände zurückgelegt werden müssen, damit ER wirklich zum Zuge kommt und wir ihm<br />

nicht an falscher Stelle im Wege stehen. Hier ist Ergebung <strong>in</strong> Gottes Führung angesagt.<br />

Dietrich Bonhoeffer hat später dieser wichtige geistliche Unterscheidung mit den Worten<br />

„Widerstand und Ergebung“ aufgegriffen und auf e<strong>in</strong>e kurze Formel gebracht. Es gibt Situationen,<br />

wo wir e<strong>in</strong>schreiten müssen gegen das Leiden. Auf der anderen Seite führt uns Gott<br />

ebenso durch das Leiden, wenn wir ihn denn lassen und auf se<strong>in</strong>e Möglichkeiten vertrauen.<br />

<strong>Paul</strong> Gerhardt gibt uns für diese Ergebung mit auf den Weg: „Ei nun, so laß ihn ferner tun /<br />

und red ihm nicht dare<strong>in</strong>, / so wirst du hier im Frieden ruhn / und ewig fröhlich se<strong>in</strong>.“<br />

Amen.<br />

© Dr. Albrecht Schödl, 21. 01. 2007, St. Laurentius Neuendettelsau 4

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