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Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ...

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<strong>Paul</strong> Gerhardt: Ich s<strong>in</strong>ge dir mit Herz und Mund (EG 324)<br />

und anhaltendes Gespräch mit dem Schöpfer. Se<strong>in</strong>e Lieder hat der Dichterpfarrer ja zuerst<br />

für die persönliche Andacht, für das Gebet <strong>in</strong> häuslicher Geme<strong>in</strong>schaft und für das S<strong>in</strong>gen<br />

bei der Arbeit geschrieben. Dafür sollten wir sie heute auch noch gebrauchen. Erst später<br />

s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Choräle dann im Gottesdienst gesungen worden, und wir werden sie anders s<strong>in</strong>gen,<br />

wenn wir uns bewusst <strong>in</strong> das Zwiegespräch mit Gott h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> nehmen lassen. Über viele<br />

Strophen h<strong>in</strong>weg betrachten <strong>Paul</strong> Gerhardts Lieder den Weg des E<strong>in</strong>zelnen vor Gott und<br />

zeichnen se<strong>in</strong>e Schritte <strong>in</strong> die Wunderwerke der Schöpfung e<strong>in</strong>, die wir manchmal schon gar<br />

nicht mehr wahrnehmen. Er er<strong>in</strong>nert uns mit se<strong>in</strong>en Fragen unaufdr<strong>in</strong>glich an die vielen D<strong>in</strong>ge,<br />

die uns mit jedem neuen Morgen geschenkt werden. Die Zeile zum Beispiel: „Wer<br />

schützt uns vor dem W<strong>in</strong>d?“ bekommt e<strong>in</strong>e überraschende Wendung, wenn wir an den Orkan<br />

der <strong>letzten</strong> Tage denken. Haben wir Gott eigentlich schon dafür gedankt, dass wir heute<br />

heil und unbeschadet hier se<strong>in</strong> können?<br />

Wem das Beten schwer wird, der kann sich von <strong>Paul</strong> Gerhardt <strong>in</strong> diese staunenden Betrachtungen<br />

unter dem schönen Himmelszelt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>nehmen lassen und e<strong>in</strong>stimmen: „Wohlauf,<br />

me<strong>in</strong> Herze, s<strong>in</strong>g und spr<strong>in</strong>g / und habe guten Mut!“<br />

2) E<strong>in</strong> zweiter Punkt, Gottes Umgang mit Sünde und Schuld, macht gerade dieses Lied bedeutsam.<br />

Genau <strong>in</strong> der Mitte des Liedes, <strong>in</strong> der 9. Strophe, wird Gott lobend auf se<strong>in</strong> heilvolles<br />

Handeln angesprochen. „Du strafst uns Sünder mit Geduld / und schlägst nicht allzusehr,<br />

/ ja endlich nimmst du unsere Schuld / und wirfst sie <strong>in</strong> das Meer“.<br />

Ich kann mir gut vorstellen, dass e<strong>in</strong>ige bei diesen befremdlichen Formulierungen Bauchschmerzen<br />

haben. Weckt dies nicht völlig falsche Vorstellungen von Gott, dem man auch<br />

noch für se<strong>in</strong>e „Strafen“ und „Schläge“ dankbar se<strong>in</strong> muss?<br />

Für den Liederdichter ist Gott auch als Richter se<strong>in</strong>en Geschöpfen nahe. Er sieht den gütigen<br />

und den zornigen Gott <strong>in</strong> dieser Welt am Regiment. Der Schöpfer des Universums ist<br />

nicht der harmlos liebe Kuschelgott, der mit mir auf dem Sofa sitzt und um den ich me<strong>in</strong>en<br />

Arm legen kann. Manche betonen ja nur diese e<strong>in</strong>e Seite Gottes und s<strong>in</strong>gen dann entsprechend:<br />

„Herr, de<strong>in</strong>e <strong>Liebe</strong> ist wie Gras und Ufer“. Das stimmt alles, aber es ist nur die halbe<br />

Wahrheit. Wer die Bibel aufmerksam liest, auch <strong>in</strong> den unbequemen Passagen, der merkt:<br />

Der Zorn ist nur die andere Seite von Gottes <strong>Liebe</strong>. ER ist doch ke<strong>in</strong> emotionsloser Klotz,<br />

sondern e<strong>in</strong> lebendiges Gegenüber! Aber Gott sei Dank ist se<strong>in</strong>e Barmherzigkeit viel größer,<br />

als es jeder von uns verdient hätte.<br />

Wie hieß es <strong>in</strong> der Lesung aus Jesaja 12 [Verse 1-6]? „Ich danke dir, HERR, daß du bist<br />

zornig gewesen über mich und de<strong>in</strong> Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. Siehe,<br />

Gott, ist me<strong>in</strong> Heil“. Daran schließt sich die Aufforderung an: „Lobs<strong>in</strong>get dem HERRN!“ Gott<br />

zeigt se<strong>in</strong>e <strong>Liebe</strong> dar<strong>in</strong>, dass se<strong>in</strong> Zorn nicht das letzte Wort hat. Am Ende stehen Trost und<br />

Dank. In dieser zutiefst biblischen Traditionsspur bewegt sich <strong>Paul</strong> Gerhardt. Alles an Gottes<br />

Handeln <strong>in</strong> der Welt, selbst se<strong>in</strong> Gericht, ist ihm Anlass zum Lobpreis: „Du strafst uns Sünder<br />

mit Geduld und schlägst nicht allzusehr“. Hier spricht sich zwar e<strong>in</strong>e Pädagogik aus, die nicht<br />

© Dr. Albrecht Schödl, 21. 01. 2007, St. Laurentius Neuendettelsau 3

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