Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ...

Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ... Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ...

29.12.2013 Aufrufe

An dieser Stelle stieg man oft aus unserem Lied aus und ließ die andern Strophen weg, wollte nicht sehen, daß es hinter Paul Gerhardt Fröhlichkeit diese schmerzliche Seite gibt. Die Romantik hielt da lieber das Bild vom sonnigen und heiteren Paul Gerhardt hoch. Ihr verdanken wir auch die volksliedhafte Melodie von August Harder im EG. Der Sommergesang als lyrische Beruhigungspille?, so hat jemand gefragt. Gedichtet ist er als Hoffnungshilfe! Die Bilder von hier lassen uns ahnen, worauf hin wir leben. Sie zeigen uns einen zweiten Garten, Christi Garten in Strophe 10. Dort wird es erst wirklich schön! Und erst dort kommt Gottes Schöpfung zu ihrer Vollendung. Beide Gärten gehören zusammen, Christi Garten und die Schönheit, die uns hier begegnet. Und vom künftigen Garten fällt erst das Licht auf den gegenwärtigen. Weil am Ende die Rede von der „armen Erde“ nicht mehr zutreffen wird, besingen wir im Glauben schon jetzt ihren Reichtum. Wir verdrängen nicht, wie die Natur an allen Ecken und Enden verarmt und ausgeplündert wird. Und singen doch schon von ihrer Zukunft, von Gottes Zukunft. Mit welcher Melodie tut man das? Dieses Lied hat schon die unterschiedlichsten erlebt. Die im alten EKG abgedruckte aus dem 16. Jh. führte eher ein Schattendasein. Die romantischen Bedürfnisse waren einfach stärker, wie es das EG auch zeigt. Auch wenn dabei Paul Gerhardts Vermaß gestört wird durch die Verdoppelung der Schlußzeile in jeder Strophe. Ich frage mich, ob nicht die viel ältere Melodik die beiden Gärten besser zu verbinden weiß; ob sie nicht besser paßt zu Christi Garten und zum Psalmengesang der Engel vor Gottes Thron? Je öfter ich sie höre und singe, desto mehr nimmt die alte Melodie mich mit mit ihrem tänzerischen Takt. Versuchen wir es doch mit ihr. Singen wir ihn mit, den Wunsch nach dem schönen Himmel, in dem alles zum Ziel gebracht wird. Strophe 9-11 (Mel.: EKG) Und doch, diese schmerzliche Unterseite des Liedes. Paul Gerhardt dichtet und übt sich im Staunen über die Schöpfung und in der Hoffnung auf die Vollendung. Und 3

lebt in einer Zeit, wo ihm und vielen Menschen das Letzte abhanden zu kommen droht: „... weil ich noch hier trage dieses Leibes Joch“, heißt es in Strophe 12. Als die erste Tochter mit acht Monaten gestorben ist, soll er das Lied der Mutter Anna Maria besonders empfohlen haben: „Geh aus, mein Herz ...“, bleib nicht bei dir selbst und deinem Kummer! Der schreckliche Krieg ist offiziell gerade fünf Jahre vorbei, nicht aber seine Folgen: Das Heimatdorf ist niedergebrannt, der Bruder an der Pest gestorben, Hunger regiert die Tage: „ihr vormals schönen Felder, mit frischer Saat bestreut, jetzt aber lauter Wälder und dürre, wüste Heid ...“ (EKG 392,4) dichtet er, was er sieht. Nur in ganz kleinen Zwischenrufen hören wir das Elend der geplagten Schöpfung durch die Strophen des Sommergesangs hindurch. In anderen Liedern wird es vernehmlicher. Es muß auch nicht immerzu meditiert werden. Oft ist die Not aber auch stumm oder fast wortlos. Manchmal macht sie auch das Weitersingen schwer: „Geh aus, mein Herz, und suche Leid in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben. Schau an der schönen Gifte Zier und siehe, wie sie hier und mir sich aufgereihet haben. ... Die unverdroßne Bienenschar nimmt summend ihren Auftrag wahr und nascht an jeder Blüte. Mir brummt der Kopf, mir taubt die Hand, statt süßem Duft füllt wüster Sand mir Seele und Gemüte. .. Ich selber möchte nichts als ruhn. Des großen Gottes großes Tun ist für mich schlicht Getue. Ich schweige still, wo alles singt und lasse ihn, da Zorn nichts bringt, nun meinerseits in Ruhe. 4

An dieser Stelle stieg man oft aus unserem Lied aus und ließ die andern Strophen<br />

weg, wollte nicht sehen, daß es h<strong>in</strong>ter <strong>Paul</strong> Gerhardt Fröhlichkeit diese<br />

schmerzliche Seite gibt. Die Romantik hielt da lieber das Bild vom sonnigen und<br />

heiteren <strong>Paul</strong> Gerhardt hoch. Ihr verdanken wir auch die volksliedhafte Melodie<br />

von August Harder im EG. Der Sommergesang als lyrische Beruhigungspille?, so<br />

hat jemand gefragt.<br />

Gedichtet ist er als Hoffnungshilfe! Die Bilder von hier lassen uns ahnen, worauf<br />

h<strong>in</strong> wir leben. Sie zeigen uns e<strong>in</strong>en zweiten Garten, Christi Garten <strong>in</strong> Strophe 10.<br />

Dort wird es erst wirklich schön! Und erst dort kommt Gottes Schöpfung zu ihrer<br />

Vollendung.<br />

Beide Gärten gehören zusammen, Christi Garten und die Schönheit, die uns hier<br />

begegnet. Und vom künftigen Garten fällt erst das Licht auf den gegenwärtigen.<br />

Weil am Ende die Rede von der „armen Erde“ nicht mehr zutreffen wird, bes<strong>in</strong>gen<br />

wir im Glauben schon jetzt ihren Reichtum. Wir verdrängen nicht, wie die Natur an<br />

allen Ecken und Enden verarmt und ausgeplündert wird. Und s<strong>in</strong>gen doch schon<br />

von ihrer Zukunft, von Gottes Zukunft.<br />

Mit welcher Melodie tut man das? Dieses Lied hat schon die unterschiedlichsten<br />

erlebt. Die im alten EKG abgedruckte aus dem 16. Jh. führte eher e<strong>in</strong><br />

Schattendase<strong>in</strong>. Die romantischen Bedürfnisse waren e<strong>in</strong>fach stärker, wie es das EG<br />

auch zeigt. Auch wenn dabei <strong>Paul</strong> Gerhardts Vermaß gestört wird durch die<br />

Verdoppelung der Schlußzeile <strong>in</strong> jeder Strophe. Ich frage mich, ob nicht die viel<br />

ältere Melodik die beiden Gärten besser zu verb<strong>in</strong>den weiß; ob sie nicht besser paßt<br />

zu Christi Garten und zum Psalmengesang der Engel vor Gottes Thron? Je öfter ich<br />

sie höre und s<strong>in</strong>ge, desto mehr nimmt die alte Melodie mich mit mit ihrem<br />

tänzerischen Takt. Versuchen wir es doch mit ihr. S<strong>in</strong>gen wir ihn mit, den Wunsch<br />

nach dem schönen Himmel, <strong>in</strong> dem alles zum Ziel gebracht wird.<br />

Strophe 9-11 (Mel.: EKG)<br />

Und doch, diese schmerzliche Unterseite des Liedes. <strong>Paul</strong> Gerhardt dichtet und übt<br />

sich im Staunen über die Schöpfung und <strong>in</strong> der Hoffnung auf die Vollendung. Und<br />

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