Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ...

Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ... Liebe Gemeinde, in seinem letzten Lebensjahr verfasste Paul ...

29.12.2013 Aufrufe

nicht hat wohl gerungen, geht nicht zur Freud hinein: Wieder leuchtet ein Motiv aus den Gleichnissen Jesu auf – das Eingehen der tüchtigen Knechte zur Freude ihres Herrn. Die Welt ist ein fremdes Zelt, ohne dauerhaften Standplatz. Das Leben ist Wanderschaft. Aber auf einmal hat das Ich die selbstbewusst-fröhliche Führung übernommen und wird nicht einfach nur getrieben vom Lauf der Dinge: So will ich zwar umtreiben mein Leben durch die Welt, doch denk ich nicht zu bleiben in diesem fremden Zelt! Wie der Sohn im Gleichnis plötzlich in der tiefsten Not der Fremde sein Leben in die Hand nimmt und sich auf den Weg ins Haus des Vaters macht, so vollzieht sich in unserem Lied der Umbruch, nachdem durchgerungen und die Anfechtung durchstanden ist: Ich wandre meine Straße, die zu der Heimat führt, da mich ohn alle Maße, mein Vater trösten wird. Wandern wir mit und stimmen ein in die Strophen 4 bis 6, um mit in diese Bewegung des Glaubens von der Anfechtung zur Gewissheit gezogen zu werden: EG 529, 4–6 Auslegung III: Todesheimweh (Gabriele Wohmann) 7) Mein Heimat ist dort droben, da alle Engel Schar den großen Herrscher loben, der alles ganz und gar in seinen Händen träget und für und für erhält, auch alles hebt und leget, wie es ihm wohlgefällt. 8) Zu dem steht mein Verlangen, da wollt ich gerne hin; die Welt bin ich durchgangen, daß ich’s fast müde bin. Je länger ich hier walle, je wen’ger find ich Freud, die meinem Geist gefalle; das meist ist Herzeleid. 9) Die Herberg ist zu böse, der Trübsaal ist zu viel. Ach komm, mein Gott, und löse mein Herz, wenn dein Herz will; komm, mach ein selig’s Ende an meiner Wanderschaft, und was mich kränkt, das wende durch deinen Arm und Kraft. – 4 –

10) Wo ich bisher gesessen, ist nicht mein rechtes Haus. Wenn mein Ziel ausgemessen, so tret ich dann hinaus; und was ich hier gebrauchet, das leg ich alles ab, und wenn ich angehauchet, so scharrt man mich ins Grab. Die Heimat ist dort, wo die Engel den großen Herrscher loben. Er hält alle in Händen und verbindet Himmel und Erde zu einem einzigen Raum seines Handelns. Er, der Herr, hält es in Händen. Ihm gehört auch mein Leben. Der Gottesdienst ist eine der Schnittstellen zwischen unten und oben. Hier steht der Himmel schon offen. »Zu dem steht mein Verlangen, da wollt ich gerne hin …« Die Schriftstellerin Gabriele Wohmann spricht vom »Todesheimweh« Paul Gerhardts. Der Glaube wird zur Selbstverständlichkeit und ermöglicht diese Art der Todessehnsucht mit unglaublicher Bodenhaftung. Noch einmal Gabriele Wohmann: Paul Gerhardts Lieder stellen eine »Mischung aus Lebensaufsässigkeit mit dem Heimweh nach der endlich menschlichen Freiheit« dar. Mit der Dauer des Lebensweges steigert sich das Verlangen nach der anderen Heimat. Denn: »Die Herberg ist zu böse, der Trübsal ist zu viel.« Der Sänger bittet Gott um ein Ende der Wanderschaft – aber er überlässt ihm den Zeitpunkt: »…wenn dein Herz will«. Und er bittet um ein seliges Ende der Wanderschaft. Gott möge alles wenden durch seinen Arm und Kraft. Nochmals variiert Paul Gerhardt in der 10. Strophe das Motiv des nicht dauerhaften Bleibens. Nun ist es das Bild des Hauses, nicht mehr das des Zeltes. »Wo ich bisher gesessen, ist nicht mein rechtes Haus.« Gottes Kinder leben in vorläufigen Häusern, im Übergang. Wenn ihr Ziel ausgemessen ist, treten sie hinaus. Alles, was hier zum Leben erforderlich ist, kann dann abgelegt werden. Strophe 10 verdichtet nochmals die große Gewissheit in Gottes Führung im Leben wie im Sterben. Und vermag beides zusammenzusehen: die Notwendigkeiten des Lebens und die Schlichtheit seines Endes: »… so scharrt man mich ins Grab.« Auch dies wird in der Vorstellung vorweggenommen und ausgehalten. Stimmen wir ein in die Strophen 7 bis 10 und treten ein in Paul Gerhardts Todesheimweh mit seiner unendlichen Bodenhaftung: EG 529, 7–10. Auslegung IV: Eine Himmelssehnsucht, die auf Erden gelassener macht 11) Du aber, meine Freude, du meines Lebens Licht, du ziehst mich, wenn ich scheide, hin vor dein Angesicht – 5 –

nicht hat wohl gerungen, geht nicht zur Freud h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>: Wieder leuchtet e<strong>in</strong> Motiv aus den<br />

Gleichnissen Jesu auf – das E<strong>in</strong>gehen der tüchtigen Knechte zur Freude ihres Herrn.<br />

Die Welt ist e<strong>in</strong> fremdes Zelt, ohne dauerhaften Standplatz. Das Leben ist Wanderschaft.<br />

Aber auf e<strong>in</strong>mal hat das Ich die selbstbewusst-fröhliche Führung übernommen und wird nicht<br />

e<strong>in</strong>fach nur getrieben vom Lauf der D<strong>in</strong>ge: So will ich zwar umtreiben me<strong>in</strong> Leben durch die<br />

Welt, doch denk ich nicht zu bleiben <strong>in</strong> diesem fremden Zelt!<br />

Wie der Sohn im Gleichnis plötzlich <strong>in</strong> der tiefsten Not der Fremde se<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> die Hand<br />

nimmt und sich auf den Weg <strong>in</strong>s Haus des Vaters macht, so vollzieht sich <strong>in</strong> unserem Lied der<br />

Umbruch, nachdem durchgerungen und die Anfechtung durchstanden ist: Ich wandre me<strong>in</strong>e<br />

Straße, die zu der Heimat führt, da mich ohn alle Maße, me<strong>in</strong> Vater trösten wird.<br />

Wandern wir mit und stimmen e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Strophen 4 bis 6, um mit <strong>in</strong> diese Bewegung des<br />

Glaubens von der Anfechtung zur Gewissheit gezogen zu werden: EG 529, 4–6<br />

Auslegung III:<br />

Todesheimweh (Gabriele Wohmann)<br />

7) Me<strong>in</strong> Heimat ist dort droben,<br />

da alle Engel Schar<br />

den großen Herrscher loben,<br />

der alles ganz und gar<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Händen träget<br />

und für und für erhält,<br />

auch alles hebt und leget,<br />

wie es ihm wohlgefällt.<br />

8) Zu dem steht me<strong>in</strong> Verlangen,<br />

da wollt ich gerne h<strong>in</strong>;<br />

die Welt b<strong>in</strong> ich durchgangen,<br />

daß ich’s fast müde b<strong>in</strong>.<br />

Je länger ich hier walle,<br />

je wen’ger f<strong>in</strong>d ich Freud,<br />

die me<strong>in</strong>em Geist gefalle;<br />

das meist ist Herzeleid.<br />

9) Die Herberg ist zu böse,<br />

der Trübsaal ist zu viel.<br />

Ach komm, me<strong>in</strong> Gott, und löse<br />

me<strong>in</strong> Herz, wenn de<strong>in</strong> Herz will;<br />

komm, mach e<strong>in</strong> selig’s Ende<br />

an me<strong>in</strong>er Wanderschaft,<br />

und was mich kränkt,<br />

das wende durch de<strong>in</strong>en<br />

Arm und Kraft.<br />

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