1090_Loesung
1090_Loesung
1090_Loesung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 1<br />
Lösung Klausur Nr. <strong>1090</strong><br />
StA Würzburg 04. Juli 2013<br />
Az.: 6 Js 1769/11<br />
Verfügung 1<br />
I. Bezüglich der Tat vom 02.05.2013, also den<br />
Vorfällen am Haus Oberer Dallenbergweg 7,<br />
wird das Verfahren gegen die Beschuldigten<br />
Anton Rössl und Peer Kusmagic gemäß<br />
§ 170 II StPO eingestellt. 2<br />
Gründe:<br />
kundschaften wollen, um dann erst eine Nacht<br />
später in das Wohnhaus einzubrechen.<br />
3. Diese Angaben des Beschuldigten Kusmagic<br />
erscheinen als glaubhaft, können aber zumindest<br />
nicht widerlegt werden. Insbesondere hat<br />
die Vernehmung des Zeugen Dr. H. Cordal, des<br />
Hauseigentümers des Anwesens Oberer Dallenbergweg<br />
7, ergeben, dass er sich seiner ursprünglichen<br />
Angabe, die Täter hätten ein<br />
Stemmeisen oder ein ähnliches Werkzeug bei<br />
sich gehabt, doch nicht sicher ist. Weiterhin ist<br />
zu berücksichtigen, dass es - wie der Hauseigentümer<br />
glaubhaft angibt - unmöglich ist, ohne<br />
Gewalt in das Haus zu gelangen.<br />
1. Den Beschuldigten Anton Rössl und Peer Kusmagic<br />
lag zur Last, am 02.05.2013 gegen 2.55<br />
Uhr das von einem Zaun umgebene Grundstück<br />
Oberer Dallenbergweg 7 in Würzburg des<br />
Zahnarztes Dr. Hartmut Cordal betreten und<br />
dazu das Schloss am Gartentor zerkratzt zu<br />
haben. Sie sollen sich mit einem Stemmeisen,<br />
oder einem ähnlichen Werkzeug an der Terrassentür<br />
des Wohnhauses zu schaffen gemacht<br />
haben, um in das Wohnhaus zu gelangen und<br />
dort Gegenstände zu entwenden. Davon sollten<br />
sie nur dadurch abgehalten worden sein, dass<br />
sie der Hauseigentümer überraschte und in die<br />
Flucht schlug.<br />
2. Der Beschuldigte Rössl bestreitet, an dem Vorfall<br />
beteiligt gewesen zu sein. Der Beschuldigte<br />
Kusmagic räumt das Geschehen im Wesentlichen<br />
ein. Er behauptet jedoch, dass die beiden<br />
Beschuldigten einen Schraubenzieher bei sich<br />
gehabt hätten, während sie ein Stemmeisen<br />
und einen Glasschneider im Kofferraum des einige<br />
hundert Meter entfernt stehenden Wagens<br />
zurückgelassen hätten. Außerdem behauptet<br />
er, sie hätten in dieser Nacht gar nichts entwenden,<br />
sondern nur die Örtlichkeit aus-<br />
1<br />
2<br />
Vgl. Sie allgemein zur Abschlussverfügungsklausur im<br />
2. Staatsexamen Hemmer/Wüst/Gold/Daxhammer, Die<br />
Strafrechtsklausur im Assessorexamen, § 2.<br />
Bei den aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen abzulehnenden<br />
Tatbeständen ist zu unterscheiden: Eine "echte"<br />
(Teil-) Einstellung ist nur dann möglich, wenn es sich im<br />
Verhältnis zum angeklagten Delikt nicht um eine einheitliche<br />
Tat im prozessualen Sinne handelt (vgl. M-G, § 170, Rn. 8).<br />
Dagegen erfolgt innerhalb einer einheitlichen Tat i.S.d.<br />
§ 264 StPO keine Einstellung nach § 170 II StPO. Dann<br />
wird sich in der Regel die Formulierung eines "Vermerks"<br />
anbieten, in dem erläutert wird, warum neben dem angeklagten<br />
Tatbestand ein anderer ausscheidet (dazu s.u.).<br />
RAe Ingo Gold u. Christian Daxhammer / Juli 2013<br />
4. Ein hinreichender Tatverdacht wegen versuchten<br />
Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß<br />
§§ 242, 244 I Nr.3, II, 22, 23, 25 II StGB ist auf<br />
der Grundlage dieses Sachverhaltes nicht gegeben.<br />
a. Ein solcher versuchter Wohnungseinbruchdiebstahl<br />
ist zwar strafbar gemäß §§ 242 II, 244 II,<br />
23 I StGB.<br />
Exkurs: Auch ein Versuch der Strafzumessungsregel<br />
des § 243 StGB wäre nach der Rechtsprechung<br />
möglich (sehr strittig, vgl. Fischer, § 46,<br />
Rn. 97 ff. m.w.N.); unproblematisch ist ein solcher<br />
natürlich bei § 244 StGB (Qualifikation).<br />
b. Auch war ein entsprechender Tatentschluss<br />
der beiden Beschuldigten, die in bewusstem<br />
und gewolltem Zusammenwirken in das Haus<br />
einsteigen und dort wertvolle Gegenstände<br />
stehlen wollten, gegeben. Es ist nicht erforderlich,<br />
dass sie ihren Vorsatz schon auf bestimmte<br />
Gegenstände konkretisiert hatten. Insoweit<br />
reicht aus, dass sie - ganz allgemein -<br />
stehlenswerte Dinge mitnehmen wollten. Sie<br />
hatten auch die Absicht, sich die Gegenstände<br />
rechtswidrig zuzueignen; auch eine Weiterveräußerung<br />
fällt darunter, weil sie nur dem Eigentümer<br />
selbst zusteht.<br />
c. Allerdings hatten die Beschuldigten noch nicht<br />
zur Verwirklichung des Tatbestandes i.S.d. § 22<br />
StGB unmittelbar angesetzt.<br />
Als der Hauseigentümer die beiden Beschuldigten<br />
durch einen Schuss auf eine Lampe in die<br />
Flucht schlug, hatten sie weder die Terrassentür<br />
aufgebrochen noch Gegenstände weggenommen.<br />
Ein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme<br />
i.S.d. § 242 StGB liegt erst dann vor, wenn<br />
dem Täter nach seiner Vorstellung von der Tat
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 2<br />
die Wegnahme des Diebstahlsobjekts unmittelbar,<br />
d.h. ohne weitere Zwischenakte, möglich<br />
ist. Hierfür kann im vorliegenden Fall nicht allein<br />
auf die (evtl. unmittelbar bevorstehende) Verwirklichung<br />
des Regelbeispiels des § 243 I 2<br />
Nr.1 StGB, hier also u.U. auf das Aufbrechen<br />
des Gartentors, abgestellt werden. Einen Versuch<br />
wird man in solchen Fällen vielmehr nur<br />
dann bejahen können, wenn nach dem Täterplan<br />
die Wegnahme ohne weitere Zwischenhandlungen<br />
im unmittelbaren Anschluss an die<br />
Verwirklichung des Regelbeispiels bzw. der<br />
Qualifikation erfolgen sollte. Beim (Wohnungs-)<br />
Einbruchsdiebstahl ist das in der Regel der Fall,<br />
wenn der Zugang zum Diebstahlsobjekt durch<br />
die Verwirklichung des Regelbeispiels bzw. der<br />
Qualifikation frei wird, also wenn nur noch die<br />
Wegnahmehandlung erfolgen muss.<br />
Im vorliegenden Fall aber lag die Wegnahme<br />
nach dem maßgeblichen Tatplan in jedem Fall<br />
schon deswegen noch in weiter Ferne, weil sie -<br />
wie der Beschuldigte Kusmagic in durch die<br />
Umstände nicht widerlegbarer Weise angibt -<br />
erst am nächsten Tag erfolgen sollte, während<br />
dieses Eindringen nur zum Auskundschaften<br />
stattfand. Im Übrigen war auch aufgrund der übrigen<br />
vorgestellten Umstände (Notwendigkeit<br />
der Überwindung zumindest einer weiteren Tür)<br />
der Zugang zu dem von § 242 StGB geschützten<br />
Eigentum noch in keiner Weise möglich.<br />
Es liegt daher eine insoweit straflose Vorbereitungshandlung<br />
vor. 3<br />
befriedetes Besitztum vorliegt. 4 Der gemäß<br />
§ 123 II StGB erforderliche Strafantrag fehlt<br />
aber. Dieser war zwar zunächst in der Anzeige<br />
zu sehen, da der Wille, den Täter unbedingt zu<br />
bestrafen, klar erkennbar ist. 5 Allerdings wurde<br />
der hier gemäß § 77d I 2 StGB wirksam zurückgenommen.<br />
Eine Prüfung des besonderen<br />
öffentlichen Interesses für die Anklage kommt<br />
nach dem Gesetzeswortlaut von vornherein<br />
nicht in Betracht.<br />
7. Auch wenn man die Kratzer am Gartentor noch<br />
als vorsätzliche Sachbeschädigung gemäß<br />
§ 303 I StGB einordnet, 6 so fehlt es jedenfalls<br />
nun auch insoweit an dem gemäß § 303c StGB<br />
erforderlichen Strafantrag. Ein Anlass, das besondere<br />
öffentliche Interesse an der Strafverfolgung<br />
zu bejahen, ist nach Ansicht der<br />
Staatsanwaltschaft hier schon aufgrund des minimalen<br />
Schadens nicht gegeben (a.A. vertr.;<br />
dann wäre aber eine Einstellung gem. § 154<br />
StPO naheliegend).<br />
II. Zivilrechtliche Ansprüche werden davon nicht<br />
berührt.<br />
III. Weiterhin wird das Verfahren gegen die Beschuldigten<br />
Anton Rössl und Peer Kusmagic<br />
gemäß § 170 II StPO eingestellt, soweit ihnen<br />
ihr Verhalten nach dem eigentlichen Diebstahl<br />
zur Last liegt. 7<br />
Gründe: 8<br />
Anmerkung: A.A. hier wohl kaum vertretbar. Dann<br />
dürfte jedenfalls nicht § 24 StGB angenommen werden,<br />
da es sich hier keinesfalls um einen freiwilligen<br />
Rücktritt handelt.<br />
5. Ein hinreichender Tatverdacht wegen einer<br />
Verabredung nach § 30 StGB kommt schon<br />
wegen § 12 II StGB nicht in Betracht.<br />
6. Ein Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB<br />
wurde unproblematisch erfüllt, da häufig schon<br />
das Betreten einer Terrasse ausreichen kann,<br />
hier wegen des Zauns aber in jedem Fall ein<br />
3<br />
Im Falle des Versuchs des § 242 StGB ist weiter streitig, ob<br />
für die Anwendung des § 243 StGB das Regelbeispiel vollendet<br />
sein muss, oder ob auch das unmittelbare Ansetzen<br />
zur Verwirklichung des Regelbeispiels hierfür reicht. BGH St<br />
33, 370 bejaht letzteres zumindest dann, wenn auch das<br />
Grunddelikt nur versucht war; Schlagwort: Tatbestandsähnlichkeit<br />
von Regelbeispielen. Diesem Ansatz<br />
folgt auch BayObLG NStZ 1997, 442 (vgl. hierzu Fischer,<br />
§ 46, Rn. 101; Life and law 2011, 323).<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013<br />
Den Beschuldigten lag v.a. zur Last, das gestohlene<br />
Geld zum Kauf von Kleidern eingesetzt<br />
zu haben.<br />
1. Eine (weitere) Unterschlagung am gestohlenen<br />
Geld gemäß § 246 StGB kommt nicht in Betracht.<br />
Richtigerweise fehlt es hier schon am<br />
Tatbestand, da man sich die Sache nicht zweimal<br />
zueignen kann, zumindest aber weil - so die<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Vgl. Fischer, § 123, Rn. 8.<br />
Vgl. Fischer, § 77, Rn. 24.<br />
Dazu vgl. Fischer, § 303, Rn. 5.<br />
Dies geschah erst einige Tage später, so dass man nicht<br />
mehr von einer prozessualen Tat i.S.d. § 264 StPO sprechen<br />
kann; andernfalls wären die folgenden Ausführungen<br />
mit in den Vermerk gekommen.<br />
Hier wird man sich, weil die Tatsachen - anders als oben -<br />
auch auf der Grundlage des von Anfang an gegebenen Tatvorwurfs<br />
schon allein aus Rechtsgründen entfallen, wesentlich<br />
knapper fassen können.
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 3<br />
sog. Konkurrenzlösung - eine mitbestrafte<br />
Nachtat gegeben wäre. 9<br />
2. Auch ein hinreichender Tatverdacht wegen<br />
Hehlerei gemäß § 259 I StGB kommt nicht in<br />
Betracht, weil es sich für die beiden Beschuldigten<br />
nicht um eine fremde Vortat i.d.S. handelte.<br />
Soweit man tatbestandsmäßig eine Teilnahme<br />
(§ 26 StGB) an der angeklagten Hehlerei<br />
der Kati Rössl für möglich hält, ist diese zumindest<br />
mitbestrafte Nachtat gegenüber dem<br />
Diebstahl. 10<br />
3. Ein hinreichender Tatverdacht nach § 263<br />
StGB beim Kauf der Kleider unter Einsatz des<br />
gestohlenen Geldes kommt schon wegen<br />
§ 935 II BGB nicht in Betracht.<br />
IV. Mitteilung von I. bis III. (formlos und ohne<br />
Gründe) an die Beschuldigten.<br />
V. Keine Mitteilung an den ursprünglichen Anzeigeerstatter<br />
Dr. H. Cordal, da die Rücknahme<br />
des Strafantrages zeigt, dass er hierauf erkennbar<br />
keinen Wert legt.<br />
VI. Vermerk: Bezüglich des von der Anklage erfassten<br />
Verhaltens der Angeschuldigten vom<br />
03. Mai 2013 (Einbruch in Reichenberg) liegen<br />
weitere Straftatbestände nicht vor:<br />
1. Ein Einbruchsdiebstahl gemäß §§ 242,<br />
243 I 2 Nr.1, 25 II StGB, bei dessen Tatausführung<br />
die Angeschuldigten arbeitsteilig zusammenwirkten,<br />
ist zwar unproblematisch gegeben,<br />
doch werden die §§ 242, 243 StGB von<br />
§ 244 StGB verdrängt. 11<br />
2. Eine Bande 12 i.S.d. § 244 I Nr.2 bzw. § 244a I<br />
StGB liegt definitiv nicht vor, da v.a. auch nichts<br />
ausreichendes dafür ersichtlich ist, dass die Beteiligten<br />
sich zur fortgesetzten Begehung zusammengeschlossen<br />
haben.<br />
3. Die tatbestandlich verwirklichten Vergehen des<br />
Hausfriedensbruchs, § 123 StGB, sowie der<br />
Sachbeschädigung, § 303 StGB, werden von<br />
der Qualifikation des Wohnungseinruchsdiebstahles,<br />
§ 244 I Nr.3 StGB, konsumiert. 13<br />
VII. Anklageschrift gemäß beiliegendem Entwurf<br />
fertigen und dem Amtsgericht Würzburg -<br />
Schöffengericht - zuleiten.<br />
Unterschrift<br />
Staatsanwalt<br />
______________________<br />
Staatsanwaltschaft Würzburg, 04.07.2013<br />
Würzburg<br />
Az.: 6 Js 1769/11 Haft !<br />
Anklageschrift<br />
in der Strafsache gegen<br />
1. Anton Rössl, geb. 25. Oktober 1968 in Haßfurt,<br />
verheiratet, arbeitslos, wohnhaft in Frankfurter<br />
Str. 64, 97082 Würzburg<br />
in dieser Sache in U-Haft seit dem 07. Juni<br />
2013 in der JVA Würzburg aufgrund des Haftbefehls<br />
des Ermittlungsrichters beim AG Würzburg<br />
vom 06. Juni 2013.<br />
Pflichtverteidiger: ..........................<br />
2. Peer Kusmagic, geb. am 14. August 1965, ledig,<br />
arbeitslos, wohnhaft Konradstr. 1 in 97072<br />
Würzburg<br />
in dieser Sache in U-Haft seit dem 07. Juni<br />
2013 in der JVA Würzburg aufgrund des Haftbefehls<br />
des Ermittlungsrichters beim AG Würzburg<br />
vom 06. Juni 2013.<br />
Pflichtverteidiger: ..................................<br />
3. Kati Rössl, geb. 12. März 1972, verheiratet,<br />
Hausfrau, wohnhaft Frankfurter Str. 64, 97082<br />
Würzburg<br />
Wahlverteidiger: RA Lothar Leinstein, Bockgasse<br />
12a, 97070 Würzburg<br />
Die Staatsanwaltschaft legt aufgrund ihrer Ermittlungen<br />
den Angeschuldigten folgenden Sachverhalt<br />
zur Last:<br />
9<br />
Vgl. Fischer, § 246, Rn. 14.<br />
10 Vgl. Fischer, § 259, Rn. 31 m.w.N.<br />
11 Fischer, § 244, Rn. 53.<br />
12 Vgl. hierzu Fischer, § 244, Rn. 34 ff.<br />
13 In Anlehnung an die Argumentation bei BGH NStZ 2001,<br />
642 ließe sich durchaus auch die Annahme von Tateinheit<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013<br />
1. Am 03. Mai 2013 beschlossen die Angeschuldigten<br />
Anton Rössl und Peer Kusmagic<br />
während des Besuchs einer Gaststätte und<br />
nach dem Genuss mehrerer Glas Bier, einen<br />
zw. § 303 StGB und § 244 I Nr.3 StGB vertreten (vgl. auch<br />
Fischer, § 243, Rn. 30).
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 4<br />
Einbruchsdiebstahl zu begehen. Der Angeschuldigte<br />
Rössl besorgte eine Pistole Marke<br />
"Baretta Spezial", die geladen war und die er mit<br />
Wissen des Angeschuldigten Kusmagic bei<br />
dem Einbruch mitnahm. Sie sollte aber nach einer<br />
Absprache der Angeschuldigten keinesfalls<br />
wirklich eingesetzt werden.<br />
Der Einbruch sollte nach dem vom Angeschuldigten<br />
Rössl entworfenen und mit dem Angeschuldigten<br />
Kusmagic abgesprochenen Plan in<br />
die Villa Guttenberger Str. 5 in Reichenberg erfolgen.<br />
Über diese hatte der Angeschuldigte<br />
Rössl aus der Zeitung erfahren, dass diese dem<br />
Bankdirektor Mathieu Bauer gehört, der dort<br />
wertvolle Vasen sammelt.<br />
Nachdem sie die Villa den ganzen Tag überwacht<br />
hatten, schnitten sie kurz nach Mitternacht<br />
Glas aus der Terrassentür heraus und<br />
gingen ins Haus. Dort entwendeten sie 3.000,- €<br />
in bar und einige Vasen, um das Geld und die<br />
Vasen, die ihnen - bekanntermaßen - nicht gehörten<br />
für sich zu verwenden. Eine der Vasen<br />
ist antik und ca. 30.000,- € wert; die anderen<br />
sind billige Imitate für jeweils ca. 25,- €, was die<br />
beiden Angeschuldigten aber nicht wussten.<br />
Die mitgenommene Pistole ließen sie in der<br />
Villa zurück. Vom erbeuteten Geld haben sich<br />
die beiden Angeschuldigten Bekleidungsstücke<br />
eingekauft; von dem Geld ist nichts mehr übrig.<br />
2. In der Nacht vom 13. zum 14. Mai 2013 fuhr der<br />
Angeschuldigte Anton Rössl mit den entwendeten<br />
Vasen in Richtung Autobahnraststätte<br />
Gramschatzer Wald. Er hatte mit dem ihm als<br />
Aufkäufer von Diebesgut bekannten und anderweitig<br />
verfolgten Heribert Helpmann aus Bad<br />
Kissingen auf dem Parkplatz dort ein Treffen<br />
verabredet. Helpmann und der Angeschuldigte<br />
Anton Rössl hatten verabredet, dass ersterer<br />
den Wert der Vasen schätzen und sie dann ankaufen<br />
würde.<br />
Der Angeschuldigte Anton Rössl blieb allerdings<br />
wegen einer Autopanne zuvor an der Autobahn<br />
unweit des geplanten Übergabeortes liegen und<br />
rief deshalb die Angeschuldigte Kati Rössl, seine<br />
Ehefrau, von dort an, damit sie ihn samt der<br />
Vasen mit ihrem Wagen zur Raststätte Gramschatzer<br />
Wald bringe. Dabei erklärte er ihr<br />
auch, dass die Vasen gestohlen sind, wenn er<br />
ihr auch keine Einzelheiten mitteilte.<br />
kleinen Parkplatz. Sie handelte dabei aus Geldnot,<br />
insbesondere weil sie ihre Miete nicht zahlen<br />
konnte; außerdem hatte ihr der Angeschuldigte<br />
Anton Rössl versprochen, ihr aus dem<br />
Verkaufserlös für die Vasen Geld für ein neues<br />
Kleid zu geben.<br />
Als die Angeschuldigte Kati Rössl auf einem<br />
kleinen Autobahn-Parkplatz eintraf, wo ihr Mann<br />
sich mit seinem defekten Wagen befand, wurden<br />
sie und Anton Rössl festgenommen; die<br />
gestohlenen Vasen wurden im Kofferraum des<br />
Pkw des Angeschuldigten Anton Rössl sichergestellt.<br />
Der Bankdirektor Mathieu Bauer hatte bereits am<br />
03. Mai 2013 Strafantrag gestellt.<br />
Die Angeschuldigten Anton Rössl und Peer Kusmagic<br />
werden daher beschuldigt,<br />
gemeinschaftlich handelnd eine fremde bewegliche<br />
Sache einem anderen, unter Beisichführung<br />
einer Waffe, in der Absicht weggenommen<br />
zu haben, die Sache sich rechtswidrig<br />
zuzueignen, wobei sie zur Ausführung der Tat in<br />
eine Wohnung eingebrochen sind,<br />
zudem hierbei ohne Erlaubnis eine halbautomatische<br />
Kurzwaffe geführt zu haben, 14<br />
also eines Diebstahls mit Waffen in Tateinheit<br />
mit Wohnungseinbruchsdiebstahl und unerlaubtem<br />
Führen einer halbautomatischen<br />
Kurzwaffe nach §§ 242 I, 244 I Nr.1a, I Nr.3,<br />
25 II, 52 StGB, 52 I Nr.2b WaffG.<br />
Die Angeschuldigte Kati Rössl wird beschuldigt,<br />
einem anderen geholfen zu haben, Sachen, die<br />
dieser durch gegen fremdes Vermögen gerichtete<br />
Taten erlangt hat, abzusetzen, um sich<br />
zu bereichern,<br />
also der Hehlerei nach § 259 I StGB.<br />
Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen:<br />
14 Da alle genannten Delikte reine Vorsatzdelikte sind, muss<br />
Die Angeschuldigte Kati Rössl erklärte sich zur<br />
Mithilfe bereit und fuhr mit ihrem Pkw zu dem<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013<br />
nicht angegeben werden, dass diese vorsätzlich verwirklicht<br />
sind. Dies ist nur nötig, wenn sowohl die vorsätzliche, als<br />
auch die fahrlässige Begehung strafbar ist.
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 5<br />
1. Die Angeschuldigten Anton Rössl und Peer<br />
Kusmagic haben den Sachverhalt in vollem<br />
Umfang eingeräumt.<br />
a. Ihr Verhalten erfüllt zunächst den Tatbestand<br />
des gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen<br />
gemäß §§ 244 I Nr.1a, 25 II StGB<br />
Anmerkung: Im Rahmen des Wesentlichen Ergebnisses<br />
der Ermittlungen werden Ausführungen zu<br />
den angeklagten materiell-rechtlichen Straftatbeständen<br />
nur in beschränktem Umfang vorgenommen.<br />
Nur in problematisch gelagerten Fällen sind<br />
weitergehende Ausführungen angebracht. Sie sollten<br />
Ihre Erwägungen zu materiell-rechtlichen Fragestellungen<br />
deshalb i.d.R. in Ihr etwaiges (Hilfs-) Gutachten<br />
verlagern. Da es sich im vorliegenden Fall allerdings<br />
zum Teil um komplexere strafrechtliche<br />
Problemkreise handelt, welche durchaus auch in der<br />
Praxis im Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen<br />
ausgeführt werden, ferner aufgrund der grds. im<br />
Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen einzubauenden<br />
Beweisverwertungsproblematik bei der Angeschuldigten<br />
Kati Rössl (vgl. Sie hierzu die nachfolgenden<br />
Ausführungen), wurden aus Gründen einer<br />
zusammenhängenden Darstellung und der besseren<br />
Nachvollziehbarkeit insgesamt weitergehende strafrechtliche<br />
Ausführungen ins Wesentliche Ergebnis<br />
der Ermittlungen aufgenommen. Eine systematische<br />
Prüfung aller - evtl. auch noch so eindeutigen -<br />
Punkte (wie etwa im Stil des Referendarexamens) ist<br />
im Folgenden aber natürlich nicht angezeigt. Immerhin<br />
handelt es sich um eine praktische Arbeit.<br />
Insbesondere hat Rössl eine funktionstüchtige<br />
(Schuss-) Waffe bei sich geführt, weil er diese -<br />
wie beide wussten - gebrauchsbereit bei sich<br />
hatte. Unerheblich ist, ob der Täter die Waffe<br />
tatsächlich verwenden will, weil alleine schon<br />
durch das Beisichführen die Gefährlichkeit des<br />
Täters objektiv erhöht wird. 15 Dass er sie vor<br />
Beendigung der Tat wieder weglegte, ändert daran<br />
ebenfalls nichts, weil es genügt, dass er sie<br />
jedenfalls in der Phase nach Versuchsbeginn<br />
vorübergehend bei sich führte. 16<br />
Unerheblich ist auch, dass der Angeschuldigte<br />
Kusmagic selbst keine Waffe bei sich führte,<br />
weil schon der Wortlaut des § 244 I Nr.1a StGB<br />
auch das Führen durch einen anderen Beteiligten<br />
ausreichen lässt, ihm im Übrigen diese<br />
Handlung im Rahmen des gemeinschaftlichen<br />
Tatplans auch nach allgemeinen Grundsätzen<br />
(§ 25 II StGB) zugerechnet wird.<br />
An der für die Zueignungsabsicht der beiden<br />
Mittäter erforderlichen Aneignungskomponente<br />
ist ebenfalls nicht zu zweifeln. Denn die Absicht,<br />
die Sachen an einen Hehler zu veräußern, beinhaltet<br />
die Absicht, sich die Sachen zumindest<br />
vorübergehend zuzueignen, da sich die Täter<br />
durch den Verkauf der Sachen wie Eigentümer<br />
gerieren.<br />
b. Zudem wurde § 244 I Nr.3 StGB verwirklicht,<br />
indem die Täter zur Ausführung der Tat in die<br />
Wohnung des Zeugen Bauer einbrachen.<br />
§ 244 I Nr.1a StGB steht hierzu in Tateinheit,<br />
§ 52 StGB.<br />
2. Die Angeschuldigte Kati Rössl behauptet nach<br />
anfänglichem Geständnis inzwischen, sie habe<br />
ihrem Mann den Wagen bringen wollen, ohne<br />
dass sie etwas von dem Diebstahl und seinen<br />
Veräußerungsplänen gewusst habe.<br />
Die Tatsache, dass sie Kenntnis von den Umständen<br />
und auch ein eigenes wirtschaftliches<br />
Interesse an der Tat hatte, wird dennoch bewiesen<br />
werden können. Dies zwar nicht durch eine<br />
Verlesung des Vernehmungsprotokolls (vgl.<br />
§ 254 StPO), wohl aber durch eine Zeugenvernehmung<br />
des Vernehmungsbeamten KOM<br />
Zenker.<br />
Anmerkung: Ein echtes Verwertungsverbot, wie es<br />
sich aus der weiten Auslegung des § 252 StPO,<br />
durch den auch der Polizist als Zeuge vom Hörensagen<br />
gesperrt sein kann, ergibt, besteht also bei<br />
§ 254 StPO nicht.<br />
Insbesondere ist hier auch kein sonstiges Verwertungsverbot<br />
gegeben.<br />
a. Die §§ 163a IV, 136a StPO wurden nicht verletzt.<br />
Anhaltspunkte dafür dass die freie Willensentschließung<br />
der Angeschuldigten von seiten<br />
der Vernehmungsbeamten dabei durch<br />
Zwang oder Täuschung beeinflusst worden wäre,<br />
sind nicht ersichtlich.<br />
15 Vgl. Fischer, § 244, Rn. 31. Str. beim gefährlichen Werkzeug,<br />
vgl. hierzu Fischer, § 244, Rn. 14 ff.<br />
16 Vgl. Fischer, § 244, Rn. 29.<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 6<br />
Weiterhin lag aber auch die von der Verteidigung<br />
behauptete "völlige Verwirrung" der Angeschuldigten,<br />
die ebenfalls unter den in seiner<br />
Aufzählung nicht abschließenden § 136a StPO<br />
fallen könnte, 17 nicht vor. Andernfalls hätte sie<br />
sich kaum so zielsicher an verschiedene Kanzleien<br />
wenden können, die eben nur des Nachts<br />
nicht besetzt waren. Daher ist insoweit die Erklärung<br />
des Vernehmungsbeamten glaubhaft,<br />
und die Angeschuldigte trägt zudem die Beweislast<br />
für das Gegenteil. 18<br />
Auch ist nichts für eine totale Übermüdung 19<br />
ersichtlich oder dafür, dass ihr die Beiziehung<br />
eines Rechtsanwalts verwehrt worden wäre. 20<br />
b. Das Vorgehen des Vernehmungsbeamten verstieß<br />
auch nicht gegen die §§ 163a IV, 136<br />
StPO. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen<br />
musste die Angeschuldigte über ihr<br />
Schweigerecht und die Möglichkeit belehrt werden,<br />
einen Verteidiger zu befragen. Das ist geschehen.<br />
Der Ablauf der Vernehmung mit dem<br />
Versuch einen Verteidiger zu beauftragen, zeigt,<br />
dass sie ihre Rechte auch verstanden hat.<br />
Zwar hat sie sich im Verlauf dieser Vernehmung<br />
nach ordnungsgemäßer Belehrung über ihre<br />
Rechte als Beschuldigte (§§ 163a IV 2, 136 I 2<br />
StPO) auf ihr Recht berufen, Angaben ohne<br />
Hinzuziehung eines Verteidigers zu verweigern.<br />
Sie hat sich aber - nach kurzer Unterbrechung<br />
der Vernehmung - doch bereitgefunden, zunächst<br />
Angaben zur Person und schließlich<br />
auch zur Sache zu machen, nachdem sie wegen<br />
der Vernehmung zur Nachtzeit keinen Verteidiger<br />
erreichen konnte.<br />
Jenseits der von § 136a StPO gezogenen<br />
Grenzen geht die StPO davon aus, dass ein im<br />
vollen Besitz seiner geistigen Kräfte befindlicher<br />
Beschuldigter selbst und frei entscheiden<br />
kann und muss, inwieweit er die in der Belehrung<br />
eröffneten Rechte für sich in Anspruch<br />
nehmen will.<br />
Ein Verbot, die Vernehmung in Fällen wie dem<br />
vorliegenden fortzusetzen, kann der StPO<br />
nicht entnommen werden. 21 Ein solches Verbot<br />
ergibt sich auch nicht aus dem (verfassungsmäßig<br />
verankerten) Grundsatz des fairen Verfahrens.<br />
Der BGH lässt weitgehend offen, inwieweit einem<br />
Beschuldigten bei der Suche nach einem<br />
Verteidiger geholfen werden muss. 22 Die<br />
höchstrichterliche Rechtsprechung gewährt jedenfalls<br />
kein Beweisverwertungsverbot, wenn<br />
dem Beschuldigten das Recht zur Verteidigerkonsultation<br />
aktuell bekannt war. Auch gebiete<br />
die Pflicht zur Belehrung über das Recht auf<br />
Verteidigerkonsultation nicht, den Beschuldigten,<br />
der keinen Wunsch auf Hinzuziehung eines<br />
Verteidigers äußert, auf einen vorhandenen anwaltlichen<br />
Notdienst hinzuweisen. 23<br />
Allerdings meinte der 5. Strafsenat des BGH, 24<br />
das Gebot eines fairen Verfahrens zwinge nicht<br />
nur dazu, eine polizeiliche Vernehmung zu unterbrechen,<br />
wenn ein Beschuldigter zunächst<br />
nach einem Rechtsanwalt verlange, sondern die<br />
Vernehmung ohne Verteidiger dürfe nur dann<br />
fortgesetzt werden, wenn die Polizei sich zuvor<br />
ernsthaft bemüht habe, dem Beschuldigten bei<br />
der Herstellung des Kontaktes zu einem Verteidiger<br />
zu helfen, und ihn danach nochmals<br />
ausdrücklich auf sein Recht, einen Verteidiger<br />
hinzuzuziehen, hingewiesen habe. Bei einem<br />
Verstoß gegen diese Grundsätze hat der<br />
5. Strafsenat ein Verwertungsverbot angenommen.<br />
Dem ist jedenfalls für den vorliegend zu entscheidenden<br />
Fall, in dem es wegen der mitternächtlichen<br />
Stunde wenig Aussichten gab, am<br />
Vernehmungsort einen Rechtsanwalt zu erreichen,<br />
nicht zu folgen. Es ist zunächst Aufgabe<br />
des Gesetzgebers, den Verfassungsgrundsätzen<br />
der Rechtsstaatlichkeit und Achtung der<br />
Menschenwürde, aus denen das Gebot eines<br />
fairen Strafverfahrens erwächst, durch die Ausgestaltung<br />
des Strafprozessrechts Rechnung zu<br />
tragen. Erst wenn eine Abwägung des öffentlichen<br />
Interesses an der Wahrheitsfindung mit<br />
den verfassungsrechtlich geschützten Belangen<br />
21 BGH NJW 1996, 2242; vgl. bereits BGH NJW 1992, 2903<br />
17 M-G, § 136a, Rn. 6.<br />
18 So die h.M.; vgl. M-G, § 136a, Rn. 32 m.w.N.<br />
19 Zu den strengen Voraussetzungen dieser Alternative, siehe<br />
BGH NJW 1992, 2903 [2904], BGH NStZ 1999, 630.<br />
20 Hierzu BGH St 38, 372 = NJW 1993, 338; dazu ausführlich<br />
in Assessor-Basics Klausurentraining Strafprozess, Fall 3.<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013<br />
[2904 f]; vgl. hierzu M-G, § 136, Rn. 10.<br />
22 Vgl. BGH StV 2002, 117 ff. = Life & Law 2002, 547 ff.<br />
23 Vgl. BGH NStZ 2002, 380 ff.; Besprechung von Roxin in JZ<br />
2002, 897 ff.; Ein Hinweis auf einen Anwaltsnotdienst ist<br />
auch entbehrlich, wenn nach Ermöglichung eines vom Beschuldigten<br />
benannten Rechtsanwalts der Kontakt zu diesem<br />
gescheitert ist, NStZ 2006, 114 f = JuS 2006, 272.<br />
24 BGH NJW 1996, 1547.
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 7<br />
des Beschuldigten ergibt, dass die Anwendung<br />
geltenden Strafprozessrechts zu einem verfassungsrechtlich<br />
nicht hinnehmbaren Eingriff in<br />
die Beschuldigtenrechte führt, ist Raum für eine<br />
Korrektur oder Ergänzung der StPO.<br />
Ein solcher Fall kann zwar dann eintreten, wenn<br />
zwar die Belehrungspflichten vor einer Vernehmung<br />
beachtet werden, dem Beschuldigten sodann<br />
jedoch von seiten der Ermittlungsorgane<br />
bedeutet wird, er werde seine prozessualen<br />
Rechte nicht durchsetzen können, etwa wenn<br />
nach Belehrung die Kontaktaufnahme zu einem<br />
Rechtsanwalt aktiv verweigert und zugleich erklärt<br />
wird, die Vernehmung werde (ohne Anwalt)<br />
solange fortgesetzt, "bis Klarheit herrsche". 25<br />
So liegen die Dinge hier aber nicht. Es kann<br />
nicht die Rede davon sein, dass die Angeschuldigte<br />
in irgendeiner Form genötigt worden wäre,<br />
ihre Beschuldigtenrechte nicht geltend zu machen.<br />
Vielmehr ist ihre Entscheidung, ohne Anwalt<br />
keine Angaben zur Sache zu machen, vom<br />
Polizeibeamten zunächst akzeptiert worden, indem<br />
ihr die Verschiebung auf den nächsten<br />
Morgen angeboten wurde, um einen Verteidiger<br />
hinzuziehen zu können.<br />
Eine prozessuale Pflicht zu einer Art "erste Hilfe<br />
bei der Verteidigerkonsultation", 26 also zu einer<br />
umfangreichen aktiven Mithilfe der Polizei beim<br />
Ausfindigmachen eines geeigneten Verteidigers,<br />
kann jedenfalls im vorliegenden Fall nicht<br />
angenommen werden. Dies mag man unter<br />
ganz besonderen Umständen 27 noch bejahen<br />
können, etwa bei sprachunkundigen Ausländern<br />
oder ganz besonders hervorstechender Verunsicherung<br />
des Beschuldigten.<br />
zögerungen bekundet, kann dem vorliegend jedenfalls<br />
nicht gefolgt werden. 29<br />
Anmerkung: Dass insoweit der Große Senat nicht<br />
angerufen wurde, liegt daran, dass der 5. Senat wegen<br />
nicht rechtzeitigem Protest der Verteidigung in<br />
der Hauptverhandlung das Verwertungsverbot im<br />
konkreten Fall dann letztlich auch abgelehnt hatte.<br />
c. Auch § 137 I 1 StPO ist nicht verletzt worden.<br />
Aus dem Recht des Beschuldigten, in jeder Lage<br />
des Verfahrens einen Verteidiger hinzuzuziehen,<br />
folgt nicht das Verbot, einen aussagebereiten<br />
Beschuldigten ohne Verteidiger zu vernehmen,<br />
nur weil er zu einem, früheren Zeitpunkt<br />
nach einem solchen verlangt hatte.<br />
Zwar wird in der Literatur allgemein gefordert,<br />
eine Vernehmung sei zu unterbrechen, wenn<br />
der Beschuldigte den Wunsch äußere, zunächst<br />
einen Anwalt zu sprechen, doch darf die Vernehmung<br />
nach einer gewissen Bedenkzeit fortgesetzt<br />
werden. Die gegenteilige Auffassung,<br />
die sich auf den Zusammenhang der Vorschriften<br />
über die Beschuldigtenvernehmung stützt,<br />
überzeugt nicht. Die ordnungsgemäß belehrte<br />
Angeschuldigte hätte ihre Rechte aus § 137 I 1<br />
StPO hier unschwer durchsetzen können, wenn<br />
sie bei ihrer Vernehmung weitere Angaben verweigert<br />
hätte.<br />
d. Schließlich ist mit dem 1. Strafsenat 30 auch<br />
davon auszugehen, dass selbst dann, wenn<br />
man die Vorgehensweise der Vernehmungsbeamten<br />
als verfahrensfehlerhaft ansehen<br />
wollte, dies kein Verwertungsverbot für<br />
die polizeilichen Vernehmungsergebnisse zur<br />
Folge hätte.<br />
Soweit - was nicht ganz eindeutig ist - der 5.<br />
Strafsenat 28 eine solche aktive Mithilfe generell<br />
für Fälle fordert, in denen die Polizei ihren Willen<br />
zu einer Vernehmung möglichst ohne Ver-<br />
25 So die Konstellation bei BGH St 38, 372 = NJW 1993, 338.<br />
26 So die Bezeichnung von Beulke in NStZ 1996, 257.<br />
27 Dem Urteil des 5. Senats in NJW 1996, 1547 lag ein Fall<br />
zugrunde, in dem die Polizei den Beschuldigten durch Vorlage<br />
des besonders umfangreichen - und damit unüberschaubaren<br />
- Branchenverzeichnisses Hamburger Rechtsanwälte<br />
von der Aussichtslosigkeit überzeugt hatte, einen<br />
geeigneten Verteidiger zu seiner nächtlichen Vernehmung<br />
hinzuzuziehen, anstatt ihn auf den für die Stadt<br />
Hamburg eingerichteten anwaltlichen Notdienst hinzuweisen.<br />
28 BGH NJW 1996, 1547.<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013<br />
Die Entscheidung für oder gegen ein solches<br />
Verbot ist aufgrund einer allgemeinen Abwägung<br />
der im Rechtsstaatsprinzip angelegten<br />
gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen. 31 Bei<br />
dieser Abwägung ist mitentscheidend, ob ein<br />
schwerwiegender Rechtsverstoß vorliegt und<br />
ein Beschuldigter in besonderem Maße des<br />
Schutzes bedarf.<br />
Im vorliegenden Fall, in dem die Angeschuldigte<br />
ordnungsgemäß über ihre Rechte aufgeklärt<br />
und die Vernehmung zunächst unterbrochen<br />
worden war, wöge eine Verletzung der Be-<br />
29 Vgl. hierzu auch BGH NJW 1996, 2242.<br />
30 BGH NJW 1996, 2242.<br />
31 BGH St 38, 214 [219 ff] = NJW 1992, 1463; BGH NJW<br />
1992, 2903 [29051; vgl. auch BVerfG NJW 1996, 771.
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 8<br />
schuldigtenrechte nicht so schwer, dass daraus<br />
ein Verwertungsverbot folgen müsste. Die Auffassung<br />
des 5. Strafsenats, 32 die Rechtssicherheit<br />
verbiete es, bei der Frage nach einem Verwertungsverbot<br />
zwischen Rechtsverstößen unterschiedlicher<br />
Schwere zu differenzieren, wenn<br />
- wie auch immer - der Wunsch eines Beschuldigten<br />
nach einem Verteidiger "unterlaufen"<br />
werde, ist abzulehnen. Denn bei dieser<br />
Auffassung unterbleibt im Ergebnis die gebotene<br />
Abwägung. 33<br />
3. Mit diesem Verhalten hat die Angeschuldigte<br />
Kati Rössl sich der vollendeten Hehlerei gemäß<br />
§ 259 I StGB hinreichend verdächtig gemacht,<br />
und zwar in Form der Absatzhilfe.<br />
a. Während das Tatbestandsmerkmal "Absetzen"<br />
voraussetzt, dass der Hehler die Sache in eigener<br />
Verantwortung, aber im Interesse des<br />
Vortäters weiterverschiebt, ist die Absatzhilfe<br />
eine unselbständige Unterstützung des Vortäters<br />
zu der von ihm selbst vorgenommenen<br />
Veräußerung.<br />
Anmerkung: Es handelt sich dabei eigentlich um eine<br />
Beihilfehandlung zum Absatz des Vortäters. Da<br />
die Hehlerei des Vortäters mangels einer fremden<br />
Vortat jedoch nicht strafbar ist, wäre auch die Beihilfe<br />
dazu straflos. Deshalb hat der Gesetzgeber durch<br />
die Aufnahme des Merkmals der "Absatzhilfe" eine<br />
Beihilfehandlung als täterschaftliche Hehlerei eingestuft.<br />
Trennen Sie dies also von der Beihilfe zum Absetzen<br />
(§§ 259 I, 27 StGB), die dann vorliegt, wenn<br />
nicht der Haupttäter, sondern ein selbständig absetzender<br />
Nicht-Haupttäter unterstützt wird (vgl. Fischer,<br />
§ 259, Rn. 17).<br />
b. Nach der Rechtsprechung stellen Absatz und<br />
Absatzhilfe gleichwertige Begehungsformen<br />
dar, weil beide Merkmale Unterstützungshandlungen<br />
derart beinhalten, als sie helfen, die gestohlene<br />
Sache weiterzuverschieben. Hilfe ist<br />
zu definieren als jede vorbereitende, ausführende<br />
oder nur unterstützende Tätigkeit zum<br />
Zwecke des Absatzes, selbst wenn dieser<br />
nicht gelingt. 34 Mit dem Begriff "Absetzen" sei<br />
nach dem Gesetzeszweck auch die bloße Tätigkeit<br />
beim Absetzen gemeint; ein Erfolg müsse<br />
nicht eintreten. Die Vorschrift sei nach dem<br />
Willen des Gesetzgebers erfolgsneutral zu interpretieren.<br />
Ein Versuch der Absatzhilfe gemäß § 259 StGB<br />
kommt nur dann in Betracht, wenn das Handeln<br />
des Täters entgegen seiner Vorstellung nicht<br />
geeignet war, den Vortäter bei seinen Absatzbemühungen<br />
zu unterstützen.<br />
Die Rechtsprechung beruft sich auf den früheren<br />
Wortlaut des Gesetzes ("Mitwirken zum Absatz"),<br />
der dahingehend interpretiert wurde,<br />
dass jede Absatzbemühung ausreiche. Daran<br />
habe der Gesetzgeber durch die Neufassung<br />
des § 259 StGB nichts ändern wollen. Diese<br />
Auslegung scheitert auch nicht an der Wortlautgrenze,<br />
da man sprachlich unter "Absetzen" und<br />
"Absetzen helfen" durchaus auch die darauf gerichtete<br />
Tätigkeit verstehen kann. Die Gegenmeinung,<br />
35 die diese "helfende Tätigkeit" nur als<br />
versuchte Absatzhilfe ansehen will, ist abzulehnen.<br />
Anmerkung: Dogmatisch überzeugender erscheint<br />
m.E. die Gegenmeinung der h.L., nach der einer solchen<br />
Behandlung die Wortlautsperre des<br />
Art. 103 II GG entgegensteht. Absetzen dürfte dem<br />
natürlichen Wortsinn nach nämlich selbst bei weitherzigster<br />
Deutung zumindest voraussetzen, dass<br />
der Absetzende den Besitz über den Gegenstand<br />
aufgegeben hat. Außerdem entstehen Wertungswidersprüche,<br />
weil - praktisch unstreitig - die Verschaffensalternative<br />
erst mit erfolgreicher Sachverschiebung<br />
erfüllt ist (s.u.).<br />
Auch wenn hier damit also die a.A. eigentlich recht<br />
gut vertretbar ist (vorausgesetzt das Problem wird -<br />
was oft nicht der Fall ist - überhaupt als solches erkannt<br />
und genau diskutiert!), so stellt sich die Frage,<br />
inwieweit sie einem in dieser Aufgabe, die immerhin<br />
eine praktische Arbeit darstellen soll, von einem<br />
rechtsprechungsorientierten Praktiker "abgekauft"<br />
würde. Dies v.a. deswegen, weil nach BGH der StA<br />
weitgehend an die (ständige) obergerichtliche Rechtsprechung<br />
gebunden sein soll (vgl. M-G, § 170,<br />
Rn. 2; Vor § 141 GVG, Rn. 11).<br />
I.ü. zeigt der Fall eines ganz klar: Bei der Prüfung<br />
der Hehlerei immer zuerst ganz sauber herausarbeiten,<br />
um welche Variante des § 259 I StGB es überhaupt<br />
geht. Die vorliegende Klausur mit dem Unterschied<br />
bei Helpmann einerseits und K. Rössl andererseits<br />
zeigt wohl anschaulich, dass dies eine<br />
enorm wichtige Weichenstellung sein kann!<br />
c. Die Angeschuldigte hatte auch das Bewusstsein,<br />
dass die Sache durch eine rechts-<br />
32 NJW 1996, 1547.<br />
33 So auch BGH NJW 1996, 2242.<br />
34 Vgl. Fischer, § 259, Rn. 18, 19 ff.; BGH St 27, 50.<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013<br />
35 Vgl. etwa OLG Köln NJW 1975, 987; Stree JuS 1976, 143;<br />
Seelmann JuS 1988, 41; Roth JA 1988, 193 [204]; Lackner<br />
§ 259, Rn. 13.
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 9<br />
widrige Tat erlangt wurde. Insoweit bedurfte<br />
es insbesondere auch keiner genaueren Kenntnisse.<br />
Eine allgemeine Vorstellung über die<br />
Tatsache, dass das Hehlergut durch eine<br />
rechtswidrige Vortat erlangt wurde, reicht aus 36<br />
und war bei der Angeschuldigten nach dem Telefonat<br />
mit ihrem Mann auch vorhanden.<br />
Da sie vom Absatz der Vasen auch profitieren<br />
wollte, hatte sie auch die Absicht, sich durch ihre<br />
Hilfe einen Vermögensvorteil zu verschaffen.<br />
Ob insoweit - wie bei § 263 StGB - eine Art<br />
Stoffgleichheit nötig ist, ist streitig, 37 kann aber<br />
offen blieben, da man dies hier bejahen muss:<br />
Die von der Angeschuldigten erstrebten Vorteile<br />
sind die unmittelbare Folge (Kehrseite) der geplanten<br />
Tat.<br />
Anmerkung: § 257 StGB scheidet aus, da mit dieser<br />
Tat nicht die unmittelbaren Vorteile der Vortat<br />
gesichert werden sollten (Fischer, § 257, Rn. 6).<br />
Dies hätte man ggf. in einem Vermerk festhalten<br />
können (aufgrund der Evidenz aber nicht müssen).<br />
4. Die Angeschuldigten Anton Rössl und Peer<br />
Kusmagic sind wegen gemeinschaftlichen Einbruchsdiebstahls<br />
einschlägig vorbestraft. Die<br />
Angeschuldigte Kati Rössl ist nicht vorbestraft.<br />
Zur Aburteilung ist das Amtsgericht - Schöffengericht<br />
- Würzburg zuständig (§§ 24, 25, 28 GVG, 7,<br />
8 StPO, 2, 3 StPO).<br />
Ich erhebe deshalb die öffentliche Klage und beantrage,<br />
38<br />
a. die Anklage zur Hauptverhandlung vor dem<br />
Amtsgericht - Schöffengericht - Würzburg zuzulassen,<br />
Als Beweismittel bezeichne ich:<br />
Zeugen:<br />
- KOM Zenker von der Polizeiinspektion Würzburg,<br />
Augustinerstraße<br />
- Mathieu Bauer, Guttenberger Straße 5, 97234<br />
Reichenberg<br />
Urkunden:<br />
- Auszug aus dem BZR.<br />
- Gutachten des Spurensicherungsdienstes über<br />
die Fingerabdrücke auf der Pistole "Baretta<br />
Spezial"<br />
Sonstige Beweismittel:<br />
- eine Pistole, Marke "Baretta Spezial"<br />
- die am 13. Mai 2013 sichergestellten Vasen<br />
Mit den Akten<br />
an den/die Vorsitzende(n)<br />
des Amtsgerichts - Schöffengericht - Würzburg<br />
Würzburg, den 4. Juli 2013<br />
Unterschrift (StA)<br />
_______________________<br />
Hilfsgutachten:<br />
Hinreichender Tatverdacht bzgl. des<br />
Helpmann<br />
I. Beihilfe zum Diebstahl (§ 244 bzw. § 242<br />
i.V.m. § 27 StGB):<br />
Hier kann es nur um eine psychische Beihilfe<br />
gehen, und zwar dadurch, dass Helpmann (H)<br />
nach den Angaben des Angeschuldigten Anton<br />
Rössl die Abnahme der Ware vor der Tat bereits<br />
zusagte.<br />
b. die Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung,<br />
c. Haftfortdauer anzuordnen, da die Haftgründe<br />
fortbestehen. Nächster Haftprüfungstermin<br />
nach § 121 StPO: 7. Dezember 2014.<br />
36 Fischer, § 259, Rn. 24.<br />
37 Vgl. Fischer, § 259, Rn. 28.<br />
38 Ein Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers jeweils<br />
für Rössl und Kusmagic, die sich in U-Haft befinden, musste<br />
hier nicht gestellt werden. Seit dem Gesetz vom 29.07.2009<br />
(BGBl I. 2009, 2274) muss unverzüglich nach Beginn der<br />
Vollstreckung der U-Haft ein Pflichtverteidiger bestellt werden,<br />
vgl. §§ 140 I Nr. 4, 141 III 4 StPO (§ 117 IV StPO wurde<br />
aufgehoben). Dies ist laut Sachverhalt erfolgt.<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013<br />
Allerdings kann in einer solchen Zusage nicht<br />
immer eine psychische Beihilfe gesehen werden.<br />
Für die Beurteilung ist insoweit bedeutsam,<br />
worin die eigentliche Aufgabe des Hehlers bestand.<br />
Der Umstand, dass er bei der Diebstahlstat<br />
bereits den Tätern bekannt und seine<br />
Bereitschaft zum Absetzen der Beute oder zur<br />
Absatzhilfe von den Dieben bei ihrer Tat schon<br />
eingeplant war, führt noch nicht dazu, dass er<br />
dann auch jeweils als Gehilfe beim Diebstahl<br />
anzusehen ist. 39 Andernfalls müsste man beispielsweise<br />
eine Bandenhehlerei jeweils zugleich<br />
auch immer als eine Beihilfe zum Bandendiebstahl<br />
ansehen, weil es gerade die - von<br />
39 So BGH NStZ 1996, 493.
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur <strong>1090</strong> / Lösung Seite 10<br />
vornherein an ihn gestellte - Aufgabe des in die<br />
Bandenstruktur eingegliederten Hehlers ist, die<br />
Beute zu verwerten. 40<br />
Den Gehilfen kennzeichnet die Unterstützung<br />
der konkreten Tat eines anderen. Wenn eine<br />
Person dagegen "nur" die bei Taten anderer zu<br />
erwartende Beute absetzen will, nur dafür seine<br />
Zuwendungen erhält und nur dies sein Interesse<br />
begründet, dann wird er regelmäßig nur<br />
Hehler sein. 41 Hier spricht viel dafür, dass letzteres<br />
der Fall war, so dass Beihilfe zum Diebstahl<br />
abzulehnen wäre.<br />
Auch wenn weitere Feststellungen ein anderes<br />
ergeben würden, so dürfte jedenfalls keine Bestrafung<br />
nach §§ 244 I Nr.1a, 27 StGB erfolgen,<br />
da er keine Kenntnis von der mitgeführten<br />
Waffe hatte (§ 16 I 1 StGB). Es läge dann also,<br />
da insoweit von entsprechender Kenntnis auszugehen<br />
ist, nur eine Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl<br />
gem. §§ 244 I Nr.3, 27<br />
StGB vor. 42<br />
II. Versuchte gewerbsmäßige Hehlerei gemäß<br />
§§ 259, 260 I, II, 22, 23 StGB (Ankaufen)<br />
1. Die Tat ist nicht vollendet. Bei dieser Variante<br />
der Hehlerei, die nur einen Unterfall des Sichverschaffens<br />
darstellt, ist zur Vollendung praktisch<br />
unstreitig die Besitzverschaffung notwendig,<br />
die hier nicht erfolgt ist. 43<br />
2. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus<br />
§ 260 II StGB.<br />
3. Der Tatentschluss ist unproblematisch gegeben.<br />
H wollte die Vasen ankaufen und wusste,<br />
dass diese durch einen Diebstahl erlangt worden<br />
waren. Er hatte auch die grds. ausreichende<br />
allgemeine Vorstellung, dass das Hehlergut<br />
40 Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um eine Tat einer<br />
Bande. Die Argumentation des BGH ist m.E. aber dennoch<br />
auch insoweit einschlägig, als kein Grund ersichtlich ist, warum<br />
die einfache Hehlerei insoweit anders vom Diebstahl<br />
abgegrenzt werden sollte.<br />
41 BGH NStZ 1996, 493<br />
42 Eine Einordnung als besonders schwerer Fall könnte sich<br />
bei einem Teilnehmer trotz der Kenntnis der für den besonders<br />
schweren Fall relevanten Umstände nicht allein aus<br />
dieser Kenntnis ergeben, weil z.B. § 243 StGB - anders als<br />
§ 244 StGB - keinen Tatbestandscharakter hat, sondern<br />
letztlich nur Strafzumessungsgesichtspunkte enthält. Die<br />
Teilnahmehandlung als solche müsste als besonders<br />
schwerer Fall zu werten sein; vgl. Fischer, § 46, Rn. 105.<br />
43 Vgl. Fischer, § 259, Rn. 10 ff.<br />
durch eine rechtswidrige Vortat erlangt wurde.<br />
Weiterhin wollte er mit dem Veräußerer Rössl<br />
auch einverständlich zusammenwirken, und<br />
zwar in dem Sinne, dass er als Abnehmer über<br />
die Sachen als eigene und zu eigenen Zwecken<br />
verfügen hätte können. 44<br />
Es handelt sich bei dem Diebstahl als Vortat<br />
auch um eine Tat eines anderen, was nach der<br />
Rechtsprechung und h.M. selbst dann gelten<br />
würde, wenn dort doch die Voraussetzungen für<br />
eine psychische Beihilfe gegeben wären. 45<br />
Anmerkung: Dann wäre von Tatmehrheit gemäß<br />
§ 53 StGB auszugehen (vgl. Fischer, § 259, Rn. 31).<br />
H wollte sich auch bereichern, da er die Vasen<br />
mit Gewinn weiterveräußern wollte. Schließlich<br />
wollte er mit dieser Tat nach den bisherigen<br />
Feststellungen aber weiterhin auch eine nicht<br />
nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem<br />
Wert aufrechterhalten, also gewerbsmäßig<br />
handeln, § 260 I Nr.1 StGB.<br />
Anmerkung: Für einen Vorsatz bezüglich der Eingliederung<br />
in eine Bande (vgl. § 260 I Nr. 2 bzw.<br />
§ 260 a StGB) ist hier nichts ersichtlich.<br />
4. Auch ein unmittelbares Ansetzen zur Tat wird<br />
man zu bejahen haben. Nach seiner Vorstellung,<br />
die insoweit nach h.M. maßgeblich ist,<br />
stand die Übergabe durch den Rössl unmittelbar<br />
bevor, weil dieser nur noch erscheinen<br />
musste. Daher war zumindest aus seiner Sicht<br />
schon eine konkrete Gefahr für das Rechtsgut<br />
des § 259 StGB gegeben, weil seine Handlungen<br />
bei ungestörtem Fortgang unmittelbar in die<br />
eigentliche Tathandlung einmünden sollten. 46<br />
Die Schwelle zum "jetzt geht es los" ist hier<br />
überschritten.<br />
Anmerkung: A.A. gut vertretbar. Hier jedenfalls<br />
zeigt sich die gewaltige Auswirkung der Einordnung<br />
der Tat in die Schiene „Absetzen“ bzw. „Absatzhilfe“<br />
einerseits oder in die Schiene „Sichverschaffen“ andererseits.<br />
Ergebnis: Da H auch rechtswidrig und schuldhaft<br />
handelte, hat er sich gemäß §§ 259, 260 I,<br />
II, 22, 23 StGB hinreichend verdächtig gemacht.<br />
_______________<br />
44 Dies ist wichtig für die Abgrenzung zum Absetzen bzw. zur<br />
Absatzhilfe; vgl. Fischer, § 259, Rn. 11 und bereits oben.<br />
45 Vgl. Fischer, § 259, Rn. 31.<br />
46 Vgl. Fischer, § 22, Rn. 10 f.<br />
RAe Christian Daxhammer u. Ingo Gold / Juli 2013