29.12.2013 Aufrufe

Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

10<br />

B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012<br />

11<br />

M I G R ATION, I N T E G R ATION, PA RTIZIPATION<br />

Durch die SINUS-Milieu-Studie wurde deutlich, dass weite Teile<br />

<strong>der</strong> befragten Menschen mit Migrationshintergrund sich selbst als<br />

integriert betrachten o<strong>der</strong> Integrationsbereitschaft zeigen.<br />

❚ Zum Beispiel leben 83 Prozent <strong>der</strong> befragten Menschen<br />

mit Migrationshintergrund gern in Deutschland, 42<br />

Prozent sehr gern. 82 Prozent fühlen sich mit Deutschland<br />

eng verbunden. Da sich gleichzeitig 68 Prozent<br />

mit ihrem Herkunftsland ebenfalls eng verbunden<br />

fühlen, schließt die Verbundenheit mit einem Land<br />

eine zweite Verbundenheit nicht aus.<br />

❚ Bei 65 Prozent <strong>der</strong> Menschen mit Migrationshintergrund<br />

wird in <strong>der</strong> Familie Deutsch gesprochen, <strong>bei</strong><br />

34 Prozent ausschließlich o<strong>der</strong> hauptsächlich. In 31<br />

Prozent <strong>der</strong> Familien werden sowohl Deutsch als auch<br />

eine an<strong>der</strong>e Sprache gesprochen. Hingegen wird in<br />

35 Prozent <strong>der</strong> Familien ausschließlich (17 Prozent)<br />

o<strong>der</strong> überwiegend nicht Deutsch gesprochen (18 Prozent).<br />

Mit ihren engsten Freunden sprechen 82 Prozent<br />

Deutsch, 30 Prozent von ihnen ausschließlich, 17 Prozent<br />

überwiegend und 35 Prozent sowohl Deutsch als<br />

auch eine an<strong>der</strong>e Sprache.<br />

❚ Von den Menschen mit Migrationshintergrund ohne<br />

deutsche Staatsangehörigkeit haben 36 Prozent<br />

die Absicht sich einzubürgern, 64 Prozent haben die<br />

Absicht nicht.<br />

Abb. 2: Migranten-Milieus in Deutschland<br />

hoch 1<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

7%<br />

traditionelles<br />

Ar<strong>bei</strong>termilieu<br />

16%<br />

statusorientiertes<br />

Milieu<br />

12%<br />

Durch die SINUS-Milieu-Studie wurde deutlich,<br />

dass weite Teile <strong>der</strong> befragten Menschen mit Migrationshintergrund<br />

sich selbst als integriert betrachten<br />

o<strong>der</strong> Integrationsbereitschaft zeigen. Das<br />

heißt, viele von ihnen sehen sich selbst nicht als<br />

›Migrant(in)‹, was für die fünf Millionen <strong>der</strong> in<br />

Deutschland Geborenen sowieso nicht zutrifft. Sie<br />

sind und fühlen sich außerdem zum Teil als besser<br />

›integriert‹ als zum Beispiel ar<strong>bei</strong>tslose o<strong>der</strong> in<br />

Armut lebende ›Einheimische‹. Die Frage nach<br />

ihrer ›Integration‹ wird deshalb als befremdlich,<br />

wenn nicht sogar als diskriminierend empfunden.<br />

Und viele von ihnen sehen ihren Migrationshintergrund<br />

und ihre Mehrsprachigkeit als Bereicherung<br />

für sich und für die deutsche Gesellschaft. Tatsächlich<br />

zeigt die SINUS-Milieu-Studie eine <strong>Vielfalt</strong> an<br />

Lebensweisen, Grundorientierungen und sozial<br />

ungleichen Lagen, die nicht auf eine <strong>der</strong> ursprünglichen<br />

Herkunftskulturen zurückgeführt werden<br />

können.<br />

entwurzeltes<br />

Milieu<br />

9%<br />

soziale<br />

Lage<br />

Grundorientierung<br />

Quellen: Sinus Sociovision 2008<br />

intellektuellkosmopolitisches<br />

Milieu<br />

11%<br />

bürgerliches<br />

Milieu<br />

16%<br />

multikulturelle<br />

Schrittmacher<br />

13%<br />

subkulturelles<br />

Milieu<br />

15%<br />

Tradition Mo<strong>der</strong>nisierung Neuidentifikation<br />

Die Ergebnisse <strong>der</strong> Studie belegen, dass die Menschen<br />

mit Migrationshintergrund je nach Milieu<br />

eigensinnige Strategien des alltäglichen Handelns<br />

und Denkens verfolgen. Man kann nicht sagen:<br />

Je länger jemand in Deutschland lebt, desto ›deutscher‹<br />

wird er. Aber je länger Migranten in<br />

Deutschland leben, umso weniger stark prägt ihre<br />

ursprüngliche Herkunft ihr Handeln und Denken<br />

und umso vielfältiger <strong>entwickeln</strong> sie ihre Lebensweisen<br />

und Lebensauffassungen weiter. Diese<br />

Weiterentwicklungen zu verstehen war eines <strong>der</strong><br />

vorrangigen Ziele <strong>der</strong> Studie, und zwar aus <strong>der</strong> subjektiven<br />

Perspektive <strong>der</strong> befragten Menschen mit<br />

Migrationshintergrund. Sie selbst haben <strong>Aus</strong>kunft<br />

über ihre Lebenslagen, Lebensziele, Wertorientierungen<br />

und Zukunftserwartungen gegeben.<br />

Daraus konnten am Ende vier unterschiedliche<br />

Milieu-Segmente gebildet werden. Diese Zuordnung<br />

nach Milieus erfolgte nicht, um Menschen<br />

mit Migrationshintergrund in neue Schubladen<br />

einzuordnen. Durch das Migranten-Milieu-Modell<br />

kann vielmehr <strong>der</strong> Blick für die <strong>Vielfalt</strong> geschärft<br />

werden, angesichts verbreiteter öffentlicher Vereinfachungen.<br />

Angesichts dieser <strong>Vielfalt</strong> geraten aber<br />

auch die sozialen Ungleichheiten zwischen den<br />

Milieus nicht aus den Augen, da sich prekäre soziale<br />

Lagen, relativ gesicherte und gehobene soziale<br />

Lagen unterscheiden lassen.<br />

❚ Zu den bürgerlich orientierten Migranten-Milieus<br />

(28 Prozent) können zwei Gruppen gezählt werden,<br />

das statusorientierte Milieu (12 Prozent) und das<br />

bürgerliche Milieu (16 Prozent). Gemeinsam ist ihnen<br />

die Orientierung an einer bürgerlichen Lebensweise.<br />

❚ Zu den ambitionierten Migranten-Milieus (24 Prozent)<br />

gehören ebenfalls zwei Gruppen, die multikulturellen<br />

Schrittmacher (Performer) mit 13 Prozent und das<br />

intellektuell-kosmopolitische Milieu mit 11 Prozent.<br />

Gemeinsam ist ihnen ihre Orientierung am Fortschritt<br />

und an einer mo<strong>der</strong>nen Verbindung zwischen Herkunfts-<br />

und Aufnahmekultur.<br />

❚ Zu den traditionellen Migranten-Milieus (23 Prozent)<br />

zählen das religiös verwurzelte Milieu (7 Prozent) und<br />

das wesentlich größere traditionsorientierte Ar<strong>bei</strong>termilieu<br />

(16 Prozent). Gemeinsam ist ihnen die deutlich<br />

erkennbare Orientierung an den Werten ihrer Herkunftskultur<br />

– hinsichtlich <strong>der</strong> Familien, <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Religion. Zu diesen Milieus zählen mehrheitlich<br />

eher ältere Migranten.<br />

❚ Zu den prekären Migranten-Milieus (24 Prozent)<br />

gehören das entwurzelte Milieu (9 Prozent) und das<br />

wesentlich größere subkulturelle (hedonistische) Milieu<br />

(15 Prozent). Zu diesen Milieus gehören mehrheitlich<br />

eher jüngere Migranten, die <strong>bei</strong> Schwierigkeiten einer<br />

gelingenden Integration zum Teil mit Abgrenzungen<br />

und subkulturellen Anleihen <strong>bei</strong> ihrer Herkunftskultur<br />

reagieren.<br />

Die SINUS-Milieu-Studie hat seit ihrer Veröffentlichung<br />

zu einem positiveren Blick auf die Menschen<br />

mit Migrationshintergrund <strong>bei</strong>getragen,<br />

beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> deutschen Fachöffentlichkeit. 5<br />

Der zugrunde liegende lebensweltliche Ansatz<br />

hilft auch, die ohne Frage existierenden Probleme<br />

und Konflikte in einem Einwan<strong>der</strong>ungsland wie<br />

Deutschland besser einordnen und auch in ihrem<br />

Umfang einschätzen zu können. Zum Beispiel ist<br />

das ›religiös verwurzelte Milieu‹ (vgl. Abb. 2) mit<br />

lediglich sieben Prozent zwar vergleichsweise klein,<br />

aber durch sehr traditionelle, religiöse Wertvorstellungen<br />

geprägt. 54 Prozent <strong>der</strong> Befragten in diesem<br />

Milieu sind muslimischen Glaubens. Nicht<br />

ganz die Hälfte praktiziert jedoch an<strong>der</strong>e Religionen,<br />

unter an<strong>der</strong>em auch christlich fundamentalistische<br />

Glaubensrichtungen. Auf typische Problemlagen<br />

und Konflikte in Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaften<br />

weisen insbeson<strong>der</strong>e die folgen Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Studie hin:<br />

❚ 14 Prozent aller Migranten geben an, noch nie eine<br />

deutsche Familie zu Hause besucht zu haben, was<br />

auf starke soziale Schließungen gegenüber von Teilen<br />

<strong>der</strong> Migranten-Milieus hinweist beziehungsweise<br />

auf ihre (Selbst-)Abgrenzung. Und 50 Prozent<br />

verbringen viel Zeit mit Menschen, die den gleichen<br />

Migrationshintergrund haben. 5 Ebenso das ab 2010<br />

regelmäßig durchgeführte<br />

›Integrationsbarometer‹<br />

des Sachverständigenrats<br />

deutscher Stiftungen für<br />

Integration und Migration.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!