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Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

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B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012<br />

131<br />

E I N G RO S S E R S C H R I T T<br />

Wir werden uns an die Handels- und Handwerkskammer wenden,<br />

aber auch an die Betriebe und die Interessenvertretungen direkt herantreten.<br />

Wir werden dafür werben, dass Migrantinnen und Migranten<br />

gezielt und auch für hoch qualifizierte Bereiche eingestellt werden.<br />

Wilhelm Heitmeyer, auf die Sie im Integrationsplan auch<br />

Bezug nehmen, die sagt, dass sich die Ablehnung von<br />

Migrantinnen und Migranten in <strong>der</strong> Gesellschaft verschärft<br />

hat. Vor diesem Hintergrund ist <strong>der</strong> Integrationsplan<br />

ja sehr ambitioniert. Sie sprechen zum Beispiel auch<br />

davon, dass in Bremen strukturelle Diskriminierung<br />

beseitigt werden soll. Wo gibt es die denn?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Wir haben ja vorhin zum<br />

Beispiel über den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt gesprochen. Es ist<br />

einfach nicht nur eine Frage <strong>der</strong> Kompetenzen, ob<br />

jemand einen Ar<strong>bei</strong>tsplatz o<strong>der</strong> einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz<br />

erhält, es ist lei<strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em auch eine<br />

Frage <strong>der</strong> Herkunft sowie des Geschlechts beziehungsweise<br />

an<strong>der</strong>er diskriminieren<strong>der</strong> Merkmale.<br />

Das müssen wir thematisieren! Wir sollten alles<br />

unternehmen, dass mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund<br />

einen <strong>Aus</strong>bildungsplatz erhalten<br />

und das auch mit einer positiven antidiskriminierenden<br />

Botschaft verbinden. Dieses Brett, das<br />

wir da zu bohren haben, ist außerordentlich dick.<br />

THOMAS SCHWARZER: Die Anfänge <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft<br />

waren ja vom Mangel an Ar<strong>bei</strong>tskräften geprägt.<br />

Die Betriebe haben Zuwan<strong>der</strong>ung gebraucht. Über 40 Jahre<br />

später kann man heute auch sehen, dass die Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

mit migrantischen Kollegen zum Beispiel in großen<br />

Industriebetrieben heute kaum noch Probleme aufwirft.<br />

Da hat Integration durch Ar<strong>bei</strong>t funktioniert. Aber dieser<br />

Integrationsmechanismus Ar<strong>bei</strong>t, so will ich es mal sagen,<br />

versagt heute in vielen Fällen. Einfach, weil nicht genug<br />

Ar<strong>bei</strong>t da ist. Dadurch entstehen doch sicherlich neue Notwendigkeiten<br />

für Integration und Partizipation – o<strong>der</strong> ist<br />

Ar<strong>bei</strong>t immer noch das zentrale Feld?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Bildung und Ar<strong>bei</strong>t sind für<br />

die Menschen von hoher Bedeutung und bleiben<br />

zentral für die gesellschaftliche Teilhabe. Über den<br />

Ar<strong>bei</strong>tsprozess kommen Menschen ins Gespräch.<br />

Sie handeln gemeinsam und lernen sich da<strong>bei</strong><br />

kennen. Sie haben eine gemeinsame, eine dritte,<br />

Sache, die Ar<strong>bei</strong>t. In diesem Prozess <strong>der</strong> Vergesellschaftung<br />

und des gemeinsamen Handels können<br />

Vorurteile abgebaut werden und ein tieferes Verständnis<br />

füreinan<strong>der</strong> entwickelt werden.<br />

Im Rückblick muss man aber sagen: Das Anwerbeabkommen<br />

für ausländische Ar<strong>bei</strong>ter und<br />

Ar<strong>bei</strong>terinnen sowie das Verhalten <strong>der</strong> deutschen<br />

Gesellschaft und Politik war fast ausschließlich<br />

instrumentell. Heute, in <strong>der</strong> Gegenwart hat sich<br />

das ›Leben‹ durchgesetzt. Viele Menschen sind<br />

geblieben, haben Kin<strong>der</strong> und Enkel und leben<br />

gerne in Deutschland.<br />

Wo<strong>bei</strong> wir auch wissen: Sie hätten schon vor langer<br />

Zeit För<strong>der</strong>ung und Unterstützung erfahren müssen,<br />

um ihre Kompetenzen weiterzu<strong>entwickeln</strong>.<br />

Das haben wir aber auch nicht zur Kenntnis<br />

genommen!<br />

Wir sind mit unserer Integrations- und Partizipationspolitik<br />

ja im Grunde 20, 30 Jahre zu spät.<br />

Jetzt stehen wir auch vor Anfor<strong>der</strong>ungen, die<br />

durch Versäumnisse alter Zeiten entstanden sind.<br />

Die Situation am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt hat sich durch<br />

den Wegfall <strong>der</strong> Einfachar<strong>bei</strong>tsplätze verschärft,<br />

denn es bestehen nicht genügend Ar<strong>bei</strong>tsmöglichkeiten<br />

für Menschen mit geringen Qualifikationen.<br />

Dies betrifft auch insbeson<strong>der</strong>e die älteren Migrantinnen<br />

und Migranten. Damit sind sie von gesellschaftlicher<br />

Teilhabe durch Ar<strong>bei</strong>t ausgeschlossen.<br />

Das erfor<strong>der</strong>t, dass wir auch für sie, die nicht direkt<br />

einen Ar<strong>bei</strong>tsplatz finden können, ein Beschäftigungsangebot<br />

vorhalten: Eines, das weiterqualifiziert,<br />

den Lebensunterhalt sichert und Wertschätzung<br />

ausdrückt.<br />

THOMAS SCHWARZER: Wenn Sie sagen, Ar<strong>bei</strong>t ist<br />

nach wie vor das Zentrale, welche Rolle kommt denn dem<br />

öffentlichen Dienst als einem <strong>der</strong> großen Ar<strong>bei</strong>tgeber zu?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Der öffentliche Dienst kann<br />

nicht alle Lücken auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt beziehungsweise<br />

mangelnde Angebote kompensieren.<br />

Auch wenn wir ambitionierte Ziele für die <strong>Aus</strong>bildungsplatzzahlen<br />

im öffentlichen Dienst haben:<br />

Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund<br />

wird sich erst auf sehr lange Sicht erhöhen.<br />

Wir haben einen Einstellungsstopp, das wissen Sie,<br />

das heißt, wir können nur über die Zielzahlen <strong>bei</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Aus</strong>bildung steuern. Insofern sind wir darauf<br />

angewiesen, dass die Unternehmen auf dem sogenannten<br />

freien Markt ihre Strategien weiter<strong>entwickeln</strong>,<br />

um mehr Migrantinnen und Migranten in<br />

unsere Ar<strong>bei</strong>tsgesellschaft zu integrieren.<br />

THOMAS SCHWARZER: Wie?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Es bedarf <strong>der</strong> offensiven<br />

Werbung für die Einstellung von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund einerseits und verän<strong>der</strong>ter<br />

anonymisierter <strong>Aus</strong>wahlverfahren an<strong>der</strong>erseits.<br />

Wir können natürlich nicht in die Einstellungsverfahren<br />

<strong>der</strong> Unternehmen eingreifen, wir können<br />

nur überzeugen. Wir werden uns an die Handels-<br />

und Handwerkskammer wenden, aber auch<br />

an die Betriebe und die Interessenvertretungen<br />

direkt herantreten. Wir werden dafür werben,<br />

dass Migrantinnen und Migranten gezielt und<br />

auch für hoch qualifizierte Bereiche eingestellt<br />

werden.<br />

THOMAS SCHWARZER: Stichwort hoch qualifiziert: Die<br />

migrantische Bevölkerung Bremens ist ja hochgradig ausdifferenziert.<br />

Es gibt viele sehr gut gebildete und ausgebildete<br />

Migrantinnen und Migranten, die ganz selbstverständlich<br />

hier wohnen, ar<strong>bei</strong>ten, leben. Die Kin<strong>der</strong> machen<br />

normale Bildungswege et cetera, diese Gruppe könnte aber<br />

auch Vorbildfunktionen übernehmen. Sind sie auch Zielgruppe<br />

Ihres Integrations- und Partizipationsplans?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Ziel des Plans ist es, Teilhabechancen<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund<br />

zu erweitern o<strong>der</strong> überhaupt zu ermöglichen.<br />

Da<strong>bei</strong> wenden wir uns an diejenigen, die Qualifikationslücken<br />

haben, die Unterstützung brauchen.<br />

Meine These ist aber, dass uns das nur gelingt,<br />

wenn wir auch diejenigen erreichen, die ihren<br />

Weg bereits gegangen sind. Deshalb auch <strong>der</strong> Blick<br />

auf Partizipation. Wir müssen uns vergegenwärtigen,<br />

wie bunt unsere Gesellschaft schon ist. Stützangebote<br />

brauchen wir nicht an Menschen zu richten,<br />

die schon mittendrin sind. Aber an sie ergeht<br />

die Bitte: Zeigt euch, beteiligt euch am gesellschaftlichen<br />

Leben in Vereinen, Betrieben, Parteien,<br />

Projekten und in politischen Gremien. Wir haben<br />

viele, viele Kin<strong>der</strong> und Jugendliche in den Sportvereinen,<br />

aber viel zu wenige Übungsleiterinnen und<br />

-leiter mit einem Migrationshintergrund. Auch in<br />

den Beiräten in den Stadtteilen finden sich zu<br />

wenig Menschen mit Migrationshintergrund in<br />

den Strukturen wie<strong>der</strong>. Das fällt schon auf. Unser<br />

Ar<strong>bei</strong>tsschwerpunkt sollte gezielt darauf gelegt<br />

werden und <strong>der</strong> Frage nachgehen: Wie sollten<br />

Strukturen weiterentwickelt werden, in denen<br />

Menschen mit und ohne Migrationshintergrund<br />

gerne miteinan<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Weiterentwicklung unserer<br />

Gesellschaft mitwirken?<br />

THOMAS SCHWARZER: Zuerst mal müssten Sie dann ja<br />

herausfinden, wo ist die Beteiligung von Migranten gut,<br />

wo nicht, wo gibt es Nachholbedarfe? Das heißt, und das<br />

sagt <strong>der</strong> Bericht auch, Sie brauchen ein umfassendes Monitoring<br />

für alle möglichen Bereiche. Diesen Anspruch formuliert<br />

<strong>der</strong> Plan auch sehr klar und durchgängig. Und Sie<br />

wollen auch evaluieren, also nach einer Zeit nachsehen,<br />

haben unsere Bemühungen zu etwas geführt. Haben wir<br />

jetzt mehr Migranten im Polizeidienst? Haben mehr<br />

Beiratsmitglie<strong>der</strong> einen Migrationshintergrund? Können<br />

mehr Kin<strong>der</strong> dem Unterricht folgen?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Das haben wir in <strong>der</strong> Tat<br />

sehr anspruchsvoll im Entwicklungsplan formu-<br />

liert. Es ist jedenfalls so, dass ich festgestellt habe,<br />

dass wir an vielen Stellen nicht wissen, über welche<br />

konkrete Situation wir reden. Wo benötigen<br />

wir soziale Pfade <strong>der</strong> Integration, wo haben wir sie,<br />

wo erreichen unsere Angebote die Menschen und<br />

an welchen Stellen gehen sie am Ziel <strong>der</strong> Partizipation<br />

vor<strong>bei</strong>? Ist es Partizipation, wenn ich in einzelnen<br />

Bereichen Projekte anbiete, die sich nur an<br />

Migrantinnen und Migranten wenden? Darüber<br />

muss man einmal nachdenken.<br />

THOMAS SCHWARZER: Dann denken Sie auch über den<br />

Migrantenanteil im Theater am Goetheplatz nach?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Ja, natürlich! Also, wir<br />

benötigen ein möglichst einheitliches Evaluationskonzept<br />

und anschließend richten wir den Fokus<br />

auf bestimmte Bereiche, um sie auszuleuchten.<br />

Dieses Evaluationskonzept wird mit den Ressorts<br />

entwickelt.<br />

THOMAS SCHWARZER: Haben Sie denn die Macht, zu<br />

sagen, an das und das Feld gehen wir jetzt mal intensiv<br />

ran o<strong>der</strong> müssen Sie immer alle überzeugen? Können<br />

Sie zum Beispiel Zielvorgaben machen, an die die an<strong>der</strong>en<br />

Ressorts sich halten müssen? Wie steuern sie das?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Meine ›Macht‹ liegt in <strong>der</strong><br />

Verpflichtung, alle Themen miteinan<strong>der</strong> zu kommunizieren.<br />

Ich kann den Ressorts nichts vorschreiben.<br />

Aber es bietet sich für die Ressorts an, mit uns,<br />

dem Referat für Integrationspolitik, zusammenzuar<strong>bei</strong>ten,<br />

denn wir haben Zugänge, Kontakte und<br />

sind sehr gut vernetzt. Das nützt den Ressorts in<br />

<strong>der</strong> Umsetzung ihrer inhaltlichen Vorhaben und<br />

dem Integrationsreferat verbleiben Handlungsspielräume.<br />

Es besteht <strong>der</strong> gemeinsame politische Wille,<br />

dass dieser Entwicklungsplan gemeinsam umgesetzt<br />

wird. Ich bin da ganz hoffnungsfroh.<br />

THOMAS SCHWARZER: Sie schreiben im Entwicklungsplan<br />

auch, dass Sie die Zahlen eingebürgerter Migrantinnen<br />

und Migranten erhöhen wollen. Es gab dazu bereits<br />

früher Kampagnen. Was gibt es Neues?<br />

EVA QUANTE-BRANDT: Wir wollen die Kampagne<br />

zur Einbürgerung mit dem Innensenator gemeinsam<br />

neu auf- und vor allem auch mit Beratungsangeboten<br />

hinterlegen. Manchmal scheitern Einbürgerungen<br />

an einfachen Hürden, die leicht übersprungen<br />

werden könnten. Manchmal sind es<br />

Kosten, die entstehen, wenn jemand aus seinem<br />

Herkunftsland ausbürgern möchte et cetera. Wir<br />

müssen über diese und an<strong>der</strong>e Fragen besser informieren.<br />

Das stimmen wir mit dem Senator für<br />

Inneres ab.

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