29.12.2013 Aufrufe

Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

118<br />

B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012<br />

119<br />

A R B E I T S M I G R A N T E N , F L Ü C H T L I NGE U N D AU S S I E D L E R AU F D E M B R E M E R A R B E I T S M A R K T<br />

LORENZEN: Ich hab jetzt von Anwälten bis zu Ar<strong>bei</strong>tslosen<br />

und Reinigungskräften viele unterschiedliche Migranten<br />

interviewt. Man trifft auf sehr viele Kämpferbiografien.<br />

Da gibt es mehrfach gebrochene Biografien, Leute, die<br />

vielleicht erst später noch mal so einen Schub bekommen<br />

und sich Zusatzqualifikationen aneignen. Wenn die über<br />

30 sind, müssen die sich das alles selbst zusammenorganisieren.<br />

Dort fehlt es oft an Unterstützung.<br />

REIMANN: Das ist ja auch das, was ich meine. Da ist<br />

zum Beispiel ein Lagerar<strong>bei</strong>ter. Da guckt man dann<br />

nicht, was er denn vorher gemacht hat. Was hat er<br />

vorher für Abschlüsse gemacht? Hat er vielleicht<br />

einen Abschluss im <strong>Aus</strong>land gemacht? Hat er hier<br />

vielleicht noch Praktika gemacht? Vielleicht im<br />

Pflegebereich? Vielleicht gibt es da noch an<strong>der</strong>e<br />

Möglichkeiten. Wenn da eine Lücke ist, muss man<br />

gucken, was da passiert ist. Das gehört auch zum<br />

Job.<br />

LORENZEN: Gibt es etwas, was Sie sich organisatorischstrukturell<br />

wünschen, das Ihnen die Ar<strong>bei</strong>t erleichtern<br />

würde?<br />

REIMANN: Bei Kunden mit schwierigerem Hintergrund<br />

würde ich mir mehr Zeit wünschen. Das ist<br />

aber auch ein Thema, das erkannt wurde, in diese<br />

Richtung geht es. Es wird irgendwann so kommen,<br />

dass wir dann auch innerhalb des Teams jemanden<br />

haben, <strong>der</strong> keine 250 Kunden mehr hat. Und dafür<br />

mehr Zeit für den Einzelnen im Gespräch, mehr<br />

Zeit, die Bewerbungsunterlagen intensiver anzugucken<br />

o<strong>der</strong> zu einem Bewerbungsgespräch mitzugehen.<br />

LORENZEN: Haben Sie für sich das Gefühl, dass Sie<br />

hier an dem richtigen Platz gelandet sind? Dass Sie hier<br />

Ihre Erfahrungen, Fähigkeiten gut einsetzen können?<br />

REIMANN: Ja, ich denke das Thema Beratung ist<br />

eines meiner Kernkompetenzen. Was das Thema<br />

Ideen einzubringen und umzusetzen anbelangt, ist<br />

es in einer Behörde schwierig. Wir haben ganz<br />

bestimmte Vorgaben, aber innerhalb dieser Vorgaben<br />

kann man das auch.<br />

Milton Reimann kann sich vorstellen, irgendwann<br />

einmal Migrationsbeauftragter o<strong>der</strong><br />

Berufsberater im akademischen Bereich <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tsagentur zu werden.<br />

Das Gespräch hat den Eindruck hinterlassen,<br />

dass auf fachlicher Ebene ein Umdenken eingesetzt<br />

hat und um neue Lösungsmöglichkeiten<br />

gerungen wird.<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Aus</strong> den in den Interviews aufgezeigten Lösungsansätzen<br />

sollen zum Schluss noch einmal drei<br />

herausgefiltert und geson<strong>der</strong>t erörtert werden.<br />

Gesetzgebung<br />

›Es gibt im Betriebsverfassungsgesetz das hehre Ziel,<br />

Menschen mit an<strong>der</strong>er Herkunft zu för<strong>der</strong>n. Es<br />

wäre gut, wenn <strong>der</strong> Gesetzgeber verbindliche Formen<br />

finden könnte, die es den Betriebsräten<br />

ermöglichen, das auch durchzusetzen‹, sagt Pelin<br />

Ögüt. Über 1.200 Unternehmen und Organisationen<br />

in Deutschland haben die Charta <strong>der</strong> <strong>Vielfalt</strong><br />

unterschrieben und sich <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> <strong>Vielfalt</strong><br />

verpflichtet. Dazu gehört auch die För<strong>der</strong>ung<br />

von Mitar<strong>bei</strong>tern mit Migrationshintergrund. Doch<br />

Diversity-Programme bleiben zahnlose Tiger, wenn<br />

die Betriebsräte sie nicht in verbindliche Betriebsvereinbarungen<br />

gießen können. Zu den För<strong>der</strong>instrumenten,<br />

die gesetzlich verpflichtend sein sollten,<br />

gehören auch Sprachkurse für die Mitar<strong>bei</strong>ter.<br />

Ohne den Staat aus <strong>der</strong> Verantwortung für die<br />

Bereitstellung <strong>der</strong> nötigen För<strong>der</strong>instrumente zu<br />

entlassen. Aber mit Eintritt ins Ar<strong>bei</strong>tsleben kann<br />

Sprachför<strong>der</strong>ung wesentlich besser auf betrieblicher<br />

Ebene organisiert werden. Nachzudenken ist<br />

über eine verbesserte Zusammenar<strong>bei</strong>t betrieblicher<br />

und öffentlicher Angebote im Sinne einer biografiebegleitenden<br />

Sprachför<strong>der</strong>ung, die auch auf<br />

die Brüche in den Lebensgeschichten reagieren<br />

kann.<br />

Manchmal würde schon eine humanere <strong>Aus</strong>legung<br />

von Gesetzen reichen, um jemanden eine<br />

qualifizierte Ar<strong>bei</strong>t zu ermöglichen, wie die Geschichte<br />

von Ramin Popalzai zeigt.<br />

Öffentlicher Dienst als Vorreiter<br />

›Als ich mich beworben habe, stand <strong>bei</strong> vielen<br />

Anzeigen: Migrationshintergrund gewünscht.‹ Die<br />

Geschichte von Güler Binici zeigt, wie wichtig es<br />

ist, gezielt Menschen mit Migrationshintergrund<br />

für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. In München,<br />

das als ein Vorreiter auf diesem Weg gilt,<br />

liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>zubildenden mit Migrationshintergrund<br />

im öffentlichen Dienst durch<br />

gezielte För<strong>der</strong>maßnahmen schon <strong>bei</strong> 20 Prozent<br />

(Bremen: 17 Prozent).<br />

Bildet Netzwerke<br />

›Daraus haben sich Netzwerktreffen ergeben, wo<br />

sich alle Beratungsstellen für Migranten und<br />

Behörden regelmäßig treffen‹, sagt Milton Reimann.<br />

Um den nötigen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel<br />

weg vom Defizitdenken zu bewerkstelligen,<br />

ist es wichtig, dass die Akteure in den unterschiedlichen<br />

Bereichen zusammenar<strong>bei</strong>ten. Die in<br />

den Beratungsstellen, die Lehrer mit und ohne<br />

Zuwan<strong>der</strong>ungsgeschichte, die Betriebsräte und Vertrauensleute<br />

und und und. Und noch besser wäre<br />

es, wenn diese Vernetzung auch bereichsübergreifend<br />

stattfindet. O<strong>der</strong> wie Nermin Sali sagt: ›Ein<br />

bisschen Vitamin B tut <strong>der</strong> Gesellschaft ganz gut.‹

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!