Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...
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B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012<br />
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A R B E I T S M I G R A N T E N , F L Ü C H T L I NGE U N D AU S S I E D L E R AU F D E M B R E M E R A R B E I T S M A R K T<br />
Und da war ich Realist.<br />
Milton Reimann studiert in Bremen Jura, orientiert<br />
sich nach dem Studium aber schnell um<br />
und landet im Bildungsbereich.<br />
LORENZEN: Wie kamen Sie denn, als Sie sich entschlossen<br />
hatten, Ihren sozialen Interessen zu folgen, zu dem Job hier<br />
als Ar<strong>bei</strong>tsvermittler?<br />
REIMANN: Meine Aufgabe war es, Bildungsangebote<br />
für Akademiker zu schaffen und zu vermarkten.<br />
Deshalb bin ich dann hier auch regelmäßig aufgeschlagen<br />
und hatte hier auch Präsentationen. So<br />
kam das Gespräch zu dem damaligen Teamleiter<br />
hier zustande.<br />
LORENZEN: Gibt es spezielle Aspekte, die <strong>bei</strong> Ar<strong>bei</strong>tsuchenden<br />
mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen sind?<br />
REIMANN: Das spielt schon eine Rolle, aber es wird<br />
jetzt nicht beson<strong>der</strong>s darauf geachtet. Wie <strong>bei</strong><br />
jedem an<strong>der</strong>en gucken wir uns die Rahmenbedingungen<br />
an. Sind die Sprachkenntnisse da? Sind die<br />
Fachkenntnisse da? Sind die Ar<strong>bei</strong>tserfahrungen<br />
da? Gib es zeitliche o<strong>der</strong> gesundheitliche Einschränkungen?<br />
Einfach sämtliche Rahmenbedingungen,<br />
und <strong>bei</strong> Menschen mit Migrationshintergrund<br />
gibt es keine Beson<strong>der</strong>heiten außer den<br />
Sprachkenntnissen.<br />
LORENZEN: Im Akademikerbereich gibt es auf Ar<strong>bei</strong>tgeberseite<br />
wahrscheinlich keine Vorbehalte gegenüber<br />
Migranten? O<strong>der</strong>?<br />
REIMANN: Ich denke schon, dass alle Beteiligten,<br />
die Behörde, die Ar<strong>bei</strong>tnehmer, die Ar<strong>bei</strong>tgeber, ein<br />
bisschen mehr tun können. Wir müssen uns schon<br />
fragen, warum wir hier spezifische Fachkräfte<br />
haben, die wir eigentlich gar nicht hier haben dürften,<br />
wenn wir tatsächlich einen Fachkräftemangel<br />
hätten. Also von daher kann man gewisse Tendenzen<br />
schon merken.<br />
LORENZEN: Was für Tendenzen?<br />
REIMANN: Also man fragt sich natürlich schon,<br />
warum ein Maschinenbauer mit Migrationshintergrund<br />
und deutschem Abschluss eineinhalb Jahre<br />
ar<strong>bei</strong>tslos ist. Wir gucken uns die Unterlagen an<br />
wie <strong>bei</strong> jedem an<strong>der</strong>en, die Rahmenbedingungen<br />
und <strong>der</strong> Abschluss sind gut. Da würde ich schon<br />
sagen, das dauert von <strong>der</strong> Tendenz her schon länger<br />
als in an<strong>der</strong>en Bereichen.<br />
LORENZEN: Haben Sie da eine Erklärung für?<br />
REIMANN: Ich nehme teilweise als Feedback von<br />
den Kunden auf, dass sie sich benachteiligt fühlen.<br />
LORENZEN: Sie sagten, man könnte noch mehr tun, von<br />
<strong>der</strong> Behördenseite, aber auch vonseiten <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeber.<br />
REIMANN: Ich denke, es gibt unterschwellig<br />
sicher überall Vorbehalte. Das ist erwiesen und<br />
überhaupt nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen. Das gibt<br />
es in jedem Teil <strong>der</strong> Gesellschaft. Und da sollte <strong>der</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>tgeber mehr auf die fachlichen Kenntnisse,<br />
auf die persönlichen <strong>Stärken</strong> und die an<strong>der</strong>en Pluspunkte<br />
achten. Wie zum Beispiel einen an<strong>der</strong>en<br />
kulturellen Hintergrund, Erfahrungen mit an<strong>der</strong>en<br />
Menschen aus dem Bereich und Sprachkenntnisse.<br />
Diese Punkte sollten ein bisschen höher gewichtet<br />
werden. Und vonseiten <strong>der</strong> Behörde sollte man<br />
mehr darauf achten, was vorhanden ist und nicht<br />
auf das, was fehlt. Das ist ja mit dem Anerkennungsgesetz,<br />
das seit dem 01.04.2012 in Kraft getreten<br />
ist, auch tatsächlich besser möglich.<br />
LORENZEN: Haben Sie irgendwie eine Möglichkeit, die<br />
Ar<strong>bei</strong>tgeberseite für diese Sichtweise zu sensibilisieren?<br />
REIMANN: Ja, wir versuchen das sicherlich über<br />
unseren Ar<strong>bei</strong>tgeberservice. Solche Dinge sprechen<br />
wir immer an, da haben wir unsere <strong>eigene</strong> Abteilung,<br />
die unser Ansprechpartner für die Ar<strong>bei</strong>tgeber<br />
ist. Es ist nur die Frage, wie fruchtbar das dann<br />
letztendlich ist. Einer unserer Vorstände hat einen<br />
Brief geschrieben mit genau diesem Tenor. Wir<br />
müssen alle mehr tun. Also auch die Behörden und<br />
die Ar<strong>bei</strong>tgeber.<br />
LORENZEN: Sie haben ja wenig mit dem gewerblichen<br />
Bereich zu tun, aber Sie kriegen ja wahrscheinlich mit,<br />
was Ihre Kollegen so erzählen. Haben Sie das Gefühl, dass<br />
das, was Sie aus dem akademischen Bereich kennen, sich<br />
dort noch mal potenziert? O<strong>der</strong> kann man das so gar<br />
nicht sagen?<br />
REIMANN: Das würde ich mir jetzt nicht anmaßen<br />
zu beurteilen. Ich würde sagen, insgesamt ist noch<br />
nicht die entsprechende Haltung an den Tag gelegt<br />
worden. Dass man offener ist und auf das Vorhandene<br />
und zusätzlich Vorhandene guckt und nicht<br />
auf das, was fehlt. Aufgrund des neuen Gesetzes ist<br />
eine Art von Netzwerk entstanden. Es fand im April<br />
eine Auftaktveranstaltung in <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />
statt, an <strong>der</strong> ich als Vertreter für die Agentur<br />
teilnahm. Daraus haben sich Netzwerktreffen<br />
ergeben, wo sich alle Beratungsstellen für Migranten<br />
und Behörden regelmäßig treffen und das<br />
Gesetz als Aufhänger nehmen, mehr zu machen.