Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...

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112 B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012 113 A R B E I T S M I G R A N T E N , F L Ü C H T L I NGE U N D AU S S I E D L E R AU F D E M B R E M E R A R B E I T S M A R K T RAMIN POPALZAI: Erst sind wir nach Hamburg gegangen und haben dort den Asylantrag gestellt. Doch dann sind wir sofort nach Bremen weitergeschickt worden. In Bremen haben wir einen Monat im Bundesamt gewohnt, dann sind wir in ein Heim nach Vegesack verlegt worden. Nach einer neuen Bestimmung konnten wir uns aber selbst eine Wohnung suchen und leben nun seit sieben Monaten mit der ganzen Familie in einer Wohnung in Burglesum. LORENZEN: Was haben Sie hier gemacht, seit Sie angekommen sind. RAMIN POPALZAI: Ich habe angefangen Deutsch zu lernen und versucht, Arbeit zu finden. LORENZEN: Wo lernen Sie Deutsch? RAMIN POPALZAI: An der Volkshochschule, aber das ist teuer für mich. LORENZEN: Das müssen Sie selbst bezahlen? RAMIN POPALZAI: Ja, das muss ich selbst bezahlen. Ich muss auch meinen Anwalt bezahlen und ich muss meine Fahrkarten bezahlen. Und die Lehrbücher. Und Strom. Das ist sehr schwer. LORENZEN: Wie viel Geld bekommen Sie denn? RAMIN POPALZAI: 180 Euro im Monat, wie jeder Asylbewerber. LORENZEN: Welche Erfahrungen haben Sie bei der Arbeitssuche gemacht? RAMIN POPALZAI: Ich spreche gut Englisch und habe nach einer Arbeit gesucht, wo ich Englisch sprechen kann. Ich habe auch einige gute Stellen gefunden. Bei Zechbau und bei verschiedenen Hotels. Aber ich habe von der Ausländerbehörde keine Arbeitserlaubnis bekommen. Ich habe das sechsmal versucht. LORENZEN: Mit welcher Begründung ist Ihnen die Erlaubnis nicht gegeben worden? RAMIN POPALZAI: Sie haben gesagt: Erst wenn kein Deutscher oder ein EU-Ausländer die Arbeit machen können, kannst du die Stelle bekommen. An dieser Stelle meldet sich der jüngere Bruder Rashid zu Wort, der auf der Rückbank sitzt. Er geht zur Schule und spricht deshalb noch besser Deutsch als Ramin Popalzai. RASHID POPALZAI: Eigentlich darf man nach einem Jahr arbeiten. Man muss erst die Arbeit finden, dann bekommt man die Arbeitserlaubnis. Die Regel ist so, dass man eine Arbeit finden muss, die andere nicht machen können. LORENZEN: Wie kann man das denn beweisen, wenn ein Arbeitgeber einen haben will? RASHID POPALZAI: Das wissen wir nicht. Mein Bruder hätte dreimal in einem Hotel anfangen können, der Chef hat gesagt, dass er ihn braucht. Wegen der Sprache und den anderen Qualifikationen. Aber das Amt hat gesagt: Das geht nicht. LORENZEN: Welche Arbeiten dürften Sie denn machen? RAMIN POPALZAI: Gar keine. Ich habe einen afghanischen Verein gegründet. In Bremen gibt es viele junge afghanische Flüchtlinge. Sie wollen alle arbeiten. Ich kenne nur einen Einzigen, der eine Arbeitserlaubnis bekommen hat. LORENZEN: Und wie gehen Sie damit um? RAMIN POPALZAI: Ich versuche es noch mal und noch mal und noch mal. LORENZEN: Wann wird über Ihren Asylantrag entschieden? RAMIN POPALZAI: Das ist auch kompliziert. Ich kenne viele afghanische Familien, die seit vier oder sechs Jahren auf die Entscheidung warten. RASHID POPALZAI: Jetzt haben wir eine Aufenthaltsgestattung, die alle sechs Monate verlängert werden muss. Wir warten auf den zweiten Gerichtstermin, um die Anerkennung zu erhalten. Aber der Richter hat keine Zeit. RAMIN POPALZAI: Ich möchte noch sagen, die Leute aus Afghanistan schämen sich, Geld vom Sozialamt zu bekommen. Deshalb wollen wir alle arbeiten. Ich kenne viele Afghanen in Hamburg, davon arbeiten 90 Prozent. RASHID POPALZAI: In Hamburg ist es einfacher, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen als in Bremen. Die regeln das anders. RAMIN POPALZAI: Für die Bremer Wirtschaft wäre es auch besser, wenn wir arbeiten könnten. Ich verstehe wirklich nicht, warum das in Bremen so ist. Ich würde gern lernen, wie das Finanzsystem in deutschen Firmen läuft. RASHID POPALZAI: Wir hören im Radio und im Fernsehen, dass sich die Ausländer hier nicht so gut integrieren. Aber die Afghanen wollen sich integrieren, zur Schule gehen und arbeiten. Aber das Sozialamt bezahlt nicht mal die Sprachkurse. Es ist schwer sich zu integrieren, wenn man nur zu Hause sitzt und nichts machen darf. Die Brüder steigen aus und gehen – wahrscheinlich zur nächsten Bushaltestelle. Und der Interviewer ärgert sich, dass er nicht wenigstens angeboten hat, die beiden nach Hause zu fahren. Aber dazu war er zu sprachlos über die Geschichte, die er gerade gehört hat.

114 B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012 115 A R B E I T S M I G R A N T E N , F L Ü C H T L I NGE U N D AU S S I E D L E R AU F D E M B R E M E R A R B E I T S M A R K T ›Ich bin eher der Zahlenmensch‹ Aussiedler Neben den Arbeitsmigranten und den Asylbewerbern sind die Aussiedler die dritte große Gruppe derjenigen, die in den letzten fünfzig Jahren zugezogen sind. Im Gegensatz zu den Flüchtlingen sind sie hier gewünscht – jedenfalls offiziell. Auf dem Arbeitsmarkt müssen Aussiedler aus Osteuropa und deren Kinder mit Benachteiligungen rechnen. An dieser Stelle kommt der Sohn einer Aussiedlerfamilie zu Wort, der seine Ziele hier weitgehend umsetzen konnte. Und an seinem jetzigen Arbeitsplatz im Personalmanagement bei Daimler einen guten Einblick in die Situation anderer Arbeitnehmer hat. Gregor Kruppa – über die Produktion ins Büro Lange war die Suche nach einem Personalmanager mit einem Migrationshintergrund vergeblich. Der entscheidende Tipp kam dann vom Daimler- Betriebsrat. Irgendwann klingelte das Telefon und Gregor Kruppa war dran. Er hatte zwar gerade viel zu tun, weil er unter anderem für den Einsatz der Ferienkräfte zuständig ist, nahm sich aber gern die Zeit für ein Gespräch. Gregor Kruppa wurde 1966 in Polen geboren. Die Großeltern waren Deutsche und die Eltern hatten ziemlich lange vergeblich die Ausreise nach Deutschland beantragt. Im oberschlesischen Kohlerevier sind Arbeitskräfte knapp. Bis zur siebten Klasse wächst Gregor Kruppa in Polen auf, die Eltern verstehen zwar noch Deutsch, gesprochen wird aber nur Polnisch beziehungsweise Oberschlesisch. Gregor Kruppa ist ein guter Schüler, dem das Lernen leichtfällt. 1980 bleiben die Eltern während eines Urlaubs in Deutschland. Die Kinder kommen nach acht Monaten nach. KRUPPA: Ich war davon nicht so begeistert, weil ich meine ganzen Freunde in Polen hatte, aber ich wurde nicht gefragt. Am Anfang bin ich von den Eindrücken erschlagen worden, allein schon von den Einkaufsmöglichkeiten. Bei meiner Ankunft hat mein Vater gleich ein Kilo Bananen gekauft. Das war hier eine andere Welt als in Oberschlesien. Aber nicht nur die äußeren Eindrücke machen dem Neuankömmling zu schaffen. KRUPPA: Ich hatte mich nicht getraut, nach draußen zu gehen und Kontakt mit anderen Kindern zu knüpfen, weil ich Probleme mit der deutschen Sprache hatte. Er ist mit einem guten Zeugnis nach Deutschland gekommen und muss nun Ende der siebten Klasse in der Hauptschule einsteigen. Er bekommt Förderunterricht in Deutsch, versteht aber anfangs nur im Matheunterricht etwas, wo er vom Stoff her wesentlich weiter ist als seine Mitschüler. KRUPPA: Nach den Ferien bin ich dann in die Realschule gewechselt und habe weiter nebenbei Förderunterricht gehabt. Ich hatte weiter wenig Kontakt, aber nach etwa einem halben Jahr Aufenthalt in Deutschland bin ich einmal rausgegangen. Und ab dem Zeitpunkt bin ich ständig mit den neuen Freunden draußen gewesen. Der Vater arbeitet als Schlosser im Montagebereich, die Mutter war in Polen kaufmännische Angestellte und arbeitet in Deutschland als Raumpflegerin im Krankenhaus. Als Gregor Kruppa 18 Jahre alt ist, ziehen die Eltern aus beruflichen Gründen weg. Er bleibt in Bremen, unter anderem, weil er schon eine Beziehung zu seiner späteren Frau hat. LORENZEN: Was war Ihr erster Berufswunsch? KRUPPA: Zahntechniker. Aber meine Lehrer haben meine Eltern immer bekräftigt, mich aufs Gymnasium zu schicken, deshalb habe ich mich nicht um eine Lehrstelle beworben. Die Schule habe ich dann jedoch abgebrochen. Die meisten meiner Freunde hatten schon Geld, da sie eine Ausbildung angefangen hatten. Ich war hier mit 18 Jahren auf mich allein gestellt, habe es auf dem Gymnasium etwas schleifen lassen und mich um eine Ausbildungsstelle bemüht. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann und zweijähriger Berufstätigkeit bewirbt er sich wegen der fehlenden Perspektive in seiner Firma bei Daimler. KRUPPA: Aber bei Daimler hieß es, dass sie für den kaufmännischen Bereich keine Externen einstellen. Es gab nur die Möglichkeit, erst einmal in der Produktion anzufangen und dann zu versuchen, sich intern zu bewerben. Davon hat mir die damalige Personalberaterin aufgrund meiner Ausbildung abgeraten. Ich hatte einen Tag Bedenkzeit und habe mich nach Rücksprache mit meiner Freundin doch dafür entschieden. Im Nachhinein eine gute Entscheidung. Ich hatte das Glück, dass ich nicht direkt in der Produktion am Band anfangen musste, sondern im Logistikbereich, im Wareneingang. Da hatte ich auch etwas mit ›Papierkram‹ zu tun. Die Umstellung aus einem Einzelbüro war trotzdem schwer. Die ersten drei Wochen waren ziemlich schlimm. Nachdem man sich aber etwas eingearbeitet hatte und Kontakt zu anderen Kollegen geknüpft hatte, waren die Probleme vergessen. Nebenbei habe ich noch eine Ausbildung zum praktischen Betriebswirt gemacht. Das wurde erst etwas belächelt. Es hieß, es hätten schon ganz andere versucht, in den kaufmännischen Bereich zu kommen, sogar mit akademischen Abschlüssen. Zu der Zeit versuchen einige qualifizierte Arbeitnehmer, die eventuell auch aus finanziellen Gründen in die Produktion gegangen sind, wieder in eine Bürotätigkeit zu gelangen. Gregor Kruppa schafft das mit der ersten Bewerbung und landet in der Zeitabrechnung. Dort wird er nach vier Jahren stellvertretender Teamleiter. Als der Teamleiter 2004 in Vorruhestand geht, wird er bis 2007 Fachvorgesetzter. Dann spricht ihn ein Teamleiter aus der Personalabteilung an, wo er seitdem in wechselnden Funktionen arbeitet. KRUPPA: Ich bin eher der Zahlenmensch. Jetzt bin ich hauptsächlich für das Thema Arbeitnehmerüberlassung zuständig, für die ganze Prozesskette vom Recruiting bis zur Abrechnung. LORENZEN: Gibt es bei Ihnen Programme oder Instrumente für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund? KRUPPA: Unter dem Stichwort ›Diversity‹, also Vielfalt, haben wir ein Programm, das sich mit den Themen Migration, Frauengleichstellung, Fair Play und anderem beschäftigt. LORENZEN: Wie sehen Sie die augenblickliche Situation von Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund hier im Unternehmen? KRUPPA: Die Migranten sind bei uns voll integriert, gerade die türkischen Mitarbeiter sind ja bereits seit den Anfängen von Daimler in Bremen dabei. LORENZEN: Kann es eventuell zu Benachteiligungen bei Beförderungen kommen? KRUPPA: Das kann ich mir nicht vorstellen. Bei den Versetzungsprozessen guckt man auf die Qualifikationen und nicht auf die Staatsangehörigkeit. LORENZEN: Haben Sie selbst noch weitergehende Ziele? KRUPPA: Ich fühle mich im Moment sehr wohl und habe keine Ambitionen, den Bereich zu wechseln. Vom Fach Zum Schluss dieses Streifzuges durch Bremer Betriebe, Verwaltungen und Beratungsstellen soll ein Mann vorgestellt werden, der aus seiner eigenen Geschichte weiß, dass es manchmal gerade die Umwege sind, die zum Ziel führen. Der Biografien daraufhin abklopft, wo jemand eine Fähigkeit anbietet und nicht daraufhin, wo ein Defizit verborgen sein könnte. Genau wie Nermin Sali am Anfang dieses Berichtes, betont er die Notwendigkeit, die Gleichung: ›Migrationshintergrund= Defizit‹ endlich auszuradieren und stattdessen nach Potenzialen zu suchen (was bei jedem anderen Arbeitsuchenden mittlerweile selbstverständlich ist). Und das Beste: Milton Reimann befindet sich auf einer Stelle, wo er diese Erkenntnis auch umsetzen und vorantreiben kann: mitten in der Arbeitsagentur. Milton Reimann – der Vermittler Die Gänge in der Bremer Arbeitsagentur am Doventorsteinweg sind noch genauso lang und verschlungen wie zu der Zeit, als der Interviewer nach dem Studium die Vermittlungsstelle für Akademiker aufsuchte. Dort sitzt heute Milton Reimann und zeigt den Weg durchs Labyrinth. Milton Reimann ist in Kolumbien als Sohn einer Kolumbianerin und eines Deutschen geboren. Der Vater arbeitete bei VW in Brasilien und Kolumbien und kehrte mit der Familie nach Deutschland zurück, als Milton Reimann vier Jahre alt war. Seine Schul- und Studienzeit verläuft relativ reibungslos. Die Integration gelingt ihm unter anderem mithilfe seines großen Fußball-Talents sehr gut. Mit der B-Jugend von Werder Bremen wird er sogar Deutscher Vize-Meister, als Erwachsener spielte er unter anderem für den FC Bremerhaven in der Regionalliga. LORENZEN: Hatten Sie mal den Traum, Profifußballer zu werden? REIMANN: Nicht wirklich. Ich gehörte eher zu den Ökos. Also von daher hatte ich eher eine gesunde Einstellung dazu und ich wollte sogar nach dem zweiten Jahr B-Jugend eigentlich lieber aufhören. LORENZEN: Bereuen Sie das manchmal, dass Sie da nicht mit mehr Ehrgeiz rangegangen sind? REIMANN: Nein, eine meiner besonderen Eigenschaften ist, mich gut einschätzen zu können. ›Man sollte auf das achten, was vorhanden ist, nicht auf das, was fehlt.‹

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RAMIN POPALZAI: Erst sind wir nach Hamburg<br />

gegangen und haben dort den Asylantrag gestellt.<br />

Doch dann sind wir sofort nach Bremen weitergeschickt<br />

worden. In Bremen haben wir einen Monat<br />

im Bundesamt gewohnt, dann sind wir in ein<br />

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eine Wohnung suchen und leben nun seit sieben<br />

Monaten mit <strong>der</strong> ganzen Familie in einer Wohnung<br />

in Burglesum.<br />

LORENZEN: Was haben Sie hier gemacht, seit Sie angekommen<br />

sind.<br />

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lernen und versucht, Ar<strong>bei</strong>t zu finden.<br />

LORENZEN: Wo lernen Sie Deutsch?<br />

RAMIN POPALZAI: An <strong>der</strong> Volkshochschule, aber<br />

das ist teuer für mich.<br />

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Ich muss auch meinen Anwalt bezahlen und ich<br />

muss meine Fahrkarten bezahlen. Und die Lehrbücher.<br />

Und Strom. Das ist sehr schwer.<br />

LORENZEN: Wie viel Geld bekommen Sie denn?<br />

RAMIN POPALZAI: 180 Euro im Monat, wie je<strong>der</strong><br />

Asylbewerber.<br />

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Ar<strong>bei</strong>tssuche gemacht?<br />

RAMIN POPALZAI: Ich spreche gut Englisch und<br />

habe nach einer Ar<strong>bei</strong>t gesucht, wo ich Englisch<br />

sprechen kann. Ich habe auch einige gute Stellen<br />

gefunden. Bei Zechbau und <strong>bei</strong> verschiedenen<br />

Hotels. Aber ich habe von <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>län<strong>der</strong>behörde<br />

keine Ar<strong>bei</strong>tserlaubnis bekommen. Ich habe das<br />

sechsmal versucht.<br />

LORENZEN: Mit welcher Begründung ist Ihnen die<br />

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RAMIN POPALZAI: Sie haben gesagt: Erst wenn kein<br />

Deutscher o<strong>der</strong> ein EU-<strong>Aus</strong>län<strong>der</strong> die Ar<strong>bei</strong>t<br />

machen können, kannst du die Stelle bekommen.<br />

An dieser Stelle meldet sich <strong>der</strong> jüngere Bru<strong>der</strong><br />

Rashid zu Wort, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Rückbank sitzt.<br />

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besser Deutsch als Ramin Popalzai.<br />

RASHID POPALZAI: Eigentlich darf man nach einem<br />

Jahr ar<strong>bei</strong>ten. Man muss erst die Ar<strong>bei</strong>t finden,<br />

dann bekommt man die Ar<strong>bei</strong>tserlaubnis. Die<br />

Regel ist so, dass man eine Ar<strong>bei</strong>t finden muss, die<br />

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hätte dreimal in einem Hotel anfangen können,<br />

<strong>der</strong> Chef hat gesagt, dass er ihn braucht. Wegen<br />

<strong>der</strong> Sprache und den an<strong>der</strong>en Qualifikationen.<br />

Aber das Amt hat gesagt: Das geht nicht.<br />

LORENZEN: Welche Ar<strong>bei</strong>ten dürften Sie denn machen?<br />

RAMIN POPALZAI: Gar keine. Ich habe einen afghanischen<br />

Verein gegründet. In Bremen gibt es viele<br />

junge afghanische Flüchtlinge. Sie wollen alle<br />

ar<strong>bei</strong>ten. Ich kenne nur einen Einzigen, <strong>der</strong> eine<br />

Ar<strong>bei</strong>tserlaubnis bekommen hat.<br />

LORENZEN: Und wie gehen Sie damit um?<br />

RAMIN POPALZAI: Ich versuche es noch mal und<br />

noch mal und noch mal.<br />

LORENZEN: Wann wird über Ihren Asylantrag<br />

entschieden?<br />

RAMIN POPALZAI: Das ist auch kompliziert. Ich<br />

kenne viele afghanische Familien, die seit vier o<strong>der</strong><br />

sechs Jahren auf die Entscheidung warten.<br />

RASHID POPALZAI: Jetzt haben wir eine Aufenthaltsgestattung,<br />

die alle sechs Monate verlängert<br />

werden muss. Wir warten auf den zweiten<br />

Gerichtstermin, um die Anerkennung zu erhalten.<br />

Aber <strong>der</strong> Richter hat keine Zeit.<br />

RAMIN POPALZAI: Ich möchte noch sagen, die Leute<br />

aus Afghanistan schämen sich, Geld vom Sozialamt<br />

zu bekommen. Deshalb wollen wir alle ar<strong>bei</strong>ten.<br />

Ich kenne viele Afghanen in Hamburg, davon<br />

ar<strong>bei</strong>ten 90 Prozent.<br />

RASHID POPALZAI: In Hamburg ist es einfacher,<br />

eine Ar<strong>bei</strong>tserlaubnis zu bekommen als in Bremen.<br />

Die regeln das an<strong>der</strong>s.<br />

RAMIN POPALZAI: Für die Bremer Wirtschaft wäre<br />

es auch besser, wenn wir ar<strong>bei</strong>ten könnten. Ich<br />

verstehe wirklich nicht, warum das in Bremen so<br />

ist. Ich würde gern lernen, wie das Finanzsystem<br />

in deutschen Firmen läuft.<br />

RASHID POPALZAI: Wir hören im Radio und im<br />

Fernsehen, dass sich die <strong>Aus</strong>län<strong>der</strong> hier nicht so<br />

gut integrieren. Aber die Afghanen wollen sich<br />

integrieren, zur Schule gehen und ar<strong>bei</strong>ten. Aber<br />

das Sozialamt bezahlt nicht mal die Sprachkurse.<br />

Es ist schwer sich zu integrieren, wenn man nur<br />

zu Hause sitzt und nichts machen darf.<br />

Die Brü<strong>der</strong> steigen aus und gehen – wahrscheinlich<br />

zur nächsten Bushaltestelle. Und <strong>der</strong> Interviewer<br />

ärgert sich, dass er nicht wenigstens<br />

angeboten hat, die <strong>bei</strong>den nach Hause zu fahren.<br />

Aber dazu war er zu sprachlos über die<br />

Geschichte, die er gerade gehört hat.

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