Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...
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B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012<br />
65<br />
D R E H K R E U Z AU S B I L D U NG<br />
Insbeson<strong>der</strong>e Jugendliche mit Migrationshintergrund finden sich<br />
im Übergangssystem wie<strong>der</strong>, deutlich häufiger als Jugendliche<br />
ohne Migrationshintergrund mit gleichen Schulabschlüssen.<br />
9 Vgl. Autorenteam Bildungsberichterstattung<br />
Bremen<br />
und Bremerhaven (2012),<br />
S. 223.<br />
10 Vgl. ebenda, S. 223.<br />
11 Vgl. BIBB (2012), S. 186.<br />
12 Vgl. Die Senatorin für<br />
Bildung, Wissenschaft und<br />
Gesundheit (2012).<br />
13 Vgl. Mitteilung des Senats<br />
an die Bremische Bürgerschaft<br />
(Landtag) vom<br />
29.3.2011, S.<br />
14 Vgl. Stürzer, Monika u.a.,<br />
S. 65.<br />
15 Vgl. BIBB (2012),<br />
S. 186 ff.<br />
keine Son<strong>der</strong>rolle einnimmt. Darauf weisen auch<br />
die Analysen des Bildungsmonitorings für das Land<br />
Bremen durch die Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />
aus diesem Jahr hin. Danach gelang<br />
den bremischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
im Zeitraum 2009/2010 mit 18,9 Prozent<br />
ein direkter Übergang von <strong>der</strong> allgemeinbildenden<br />
öffentlichen Schule in eine öffentliche berufsbildende<br />
Schule mit Ziel einer dualen o<strong>der</strong> schulischen<br />
Berufsausbildung deutlich seltener als den<br />
Landeskin<strong>der</strong>n ohne Migrationshintergrund mit<br />
34,2 Prozent. Da<strong>bei</strong> liegt <strong>der</strong> Anteil von Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund, die in Bremerhaven<br />
direkt von <strong>der</strong> Schule in eine duale <strong>Aus</strong>bildung<br />
einmünden, mit 15,4 Prozent deutlich über dem<br />
Wert in <strong>der</strong> Stadt Bremen (12 Prozent). Umgekehrt<br />
sieht die Situation <strong>bei</strong> <strong>der</strong> schulischen Berufsausbildung<br />
aus. So wechselten in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
6,5 Prozent <strong>der</strong> Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
direkt in eine schulische <strong>Aus</strong>bildung,<br />
während dies in Bremerhaven nur <strong>bei</strong> 3,7 Prozent<br />
<strong>der</strong> Fall war. Während in <strong>bei</strong>den Städten die Übergangsquoten<br />
<strong>der</strong> Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
in eine duale <strong>Aus</strong>bildung wesentlich<br />
unter denen <strong>der</strong> Jugendlichen ohne Migrationshintergrund<br />
lagen, so gilt dies für den Übergang in<br />
eine schulische Berufsausbildung in Bremerhaven<br />
nicht. Hier mündeten etwas mehr Jugendliche mit<br />
als ohne Migrationshintergrund direkt nach <strong>der</strong><br />
Schule in diese <strong>Aus</strong>bildungsform ein. 9 Die ›Alternative‹<br />
zur <strong>Aus</strong>bildung für Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
ist dagegen das sogenannte<br />
Übergangssystem, auf das in einem geson<strong>der</strong>ten<br />
Abschnitt eingegangen wird. Vorweg nur so viel:<br />
52,5 Prozent <strong>der</strong> Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
wechselten im Land Bremen direkt nach<br />
<strong>der</strong> Schule in das Übergangssystem, <strong>bei</strong> den Jugendlichen<br />
ohne Migrationshintergrund waren es<br />
38,3 Prozent. 10<br />
Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
interessieren sich sehr für eine <strong>Aus</strong>bildung, auch<br />
wenn <strong>der</strong> Übergang in eine <strong>Aus</strong>bildung für sie oft<br />
langwierig ist und oft nicht gelingt. So waren in<br />
<strong>der</strong> Befragung von Schulabgängerinnen und Schulabgängern<br />
durch das Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
von 2010, 70 Prozent aller Schüler daran<br />
interessiert, im kommenden <strong>Aus</strong>bildungsjahr<br />
(2010/2011) eine <strong>Aus</strong>bildung zu beginnen. Da<strong>bei</strong><br />
war das Interesse <strong>bei</strong> den Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
mit 78 Prozent noch deutlich<br />
höher. 11 Am mangelnden Interesse <strong>der</strong> Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund liegt es also nicht,<br />
dass sie relativ gesehen <strong>bei</strong>m Übergang in <strong>Aus</strong>bildung<br />
weniger erfolgreich sind. Auch Befragungen<br />
von Schülerinnen und Schülern aus Abgangsklassen<br />
in Bremen-Nord und Gröpelingen in den Jahren<br />
2010 und 2011 zeigen, dass das Interesse an<br />
einer <strong>Aus</strong>bildung <strong>bei</strong> den Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
hoch ist. Es gibt bezüglich des<br />
Umfangs auch kaum einen Unterschied zwischen<br />
den Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund.<br />
12 We<strong>der</strong> bezüglich des Interesses an einer<br />
<strong>Aus</strong>bildung noch hinsichtlich <strong>der</strong> erworbenen<br />
Schulabschlüsse liegen die Jugendlichen mit und<br />
ohne Migrationshintergrund also weit auseinan<strong>der</strong>.<br />
Dennoch münden deutlich weniger Jugendliche<br />
mit als ohne Migrationshintergrund in eine <strong>Aus</strong>bildung<br />
ein. In seiner Mitteilung an die Bremische<br />
Bürgerschaft vom 29.3.2011 weist <strong>der</strong> Senat darauf<br />
hin, dass 2009 die <strong>Aus</strong>bildungsbeteiligungsquote<br />
an einer dualen <strong>Aus</strong>bildung <strong>bei</strong> den 18- bis 21-jährigen<br />
ausländischen Jugendlichen lediglich <strong>bei</strong> 7,3<br />
Prozent, <strong>bei</strong> den deutschen Jugendlichen jedoch<br />
<strong>bei</strong> 37,2 Prozent lag. 13 Ergänzend führt <strong>der</strong> Senat<br />
aus, dass hier neben dem ›Konkurrenzverhältnis‹<br />
zwischen den deutschen und ausländischen<br />
Jugendlichen, zudem noch die ›Konkurrenz‹ aus<br />
dem bremischen Umland, den Einstieg von ausländischen<br />
Jugendlichen in ein <strong>Aus</strong>bildungsverhältnis<br />
in Bremen erschwere.<br />
Das Deutsche Jugendinstitut gibt für das Jahr<br />
2009 an, dass im gesamten Bundesgebiet von den<br />
deutschen Jugendlichen etwa die Hälfte und <strong>bei</strong><br />
den ausländischen Jugendlichen gerade einmal ein<br />
Drittel eine vollqualifizierende <strong>Aus</strong>bildung begonnen<br />
haben. 14 Nach Ansicht des Bundesinstituts für<br />
Berufsbildung sind dafür, neben den schulischen<br />
Voraussetzungen, vor allem familiäre und personelle<br />
Ressourcen mitverantwortlich. 15 So lässt sich<br />
empirisch belegen, dass junge Frauen mit Migrationshintergrund<br />
schlechtere Chancen haben als<br />
junge Männer mit Migrationshintergrund. Auch<br />
das Herkunftsland lässt sich als Faktor ausweisen,<br />
<strong>der</strong> die Chancen auf einen Erfolg <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>bildungsplatzsuche<br />
min<strong>der</strong>t. Da<strong>bei</strong> ist es keineswegs<br />
so, dass sich Jugendliche mit o<strong>der</strong> Migrationshintergrund<br />
hinsichtlich ihrer Bewerbungsstrategie<br />
wesentlich unterscheiden.<br />
Während es zum schwierigen Übergang für<br />
Jugendliche mit Migrationshintergrund von <strong>der</strong><br />
Schule in <strong>Aus</strong>bildung (sogenannte erste Schwelle)<br />
zahlreiche Studien und eine verhältnismäßig gute<br />
Datenlage gibt, liegen Informationen zur sofortigen<br />
Übernahme dieser Jugendlichen in ein Ar<strong>bei</strong>tsverhältnis<br />
nach erfolgreicher <strong>Aus</strong>bildung noch<br />
wenig systematisiert vor. Folgt man den <strong>Aus</strong>führungen<br />
von Kock aus dem Jahr 2008, <strong>der</strong> sich<br />
auf eine Erhebung von Damelang und Haas aus<br />
2006 bezieht, dann gestaltet sich <strong>der</strong> Einstieg für<br />
Jugendliche mit Migrationshintergrund auch an<br />
<strong>der</strong> sogenannten zweiten Schwelle schwieriger als<br />
für Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Die<br />
angegebenen Übernahmewerte von jeweils über<br />
70 Prozent <strong>bei</strong> einem maximalen Abstand von sieben<br />
Prozent zwischen Jugendlichen mit und ohne<br />
Migrationshintergrund lassen jedoch auf ein geringeres<br />
<strong>Aus</strong>maß an Schwierigkeiten schließen. 16<br />
Abzweig Übergangssystem<br />
An <strong>der</strong> ersten Schwelle, dem Übergang von <strong>der</strong><br />
Schule in eine <strong>Aus</strong>bildung, entstanden in den letzten<br />
Jahrzehnten eine Reihe von Maßnahmen schulischer,<br />
berufsorientieren<strong>der</strong> und berufsvorbereiten<strong>der</strong><br />
Art, die Jugendlichen mit Startschwierigkeiten<br />
helfen sollen, eine <strong>Aus</strong>bildung aufzunehmen.<br />
Neben den Län<strong>der</strong>n im schulischen Bereich sind<br />
da<strong>bei</strong> die Agenturen für Ar<strong>bei</strong>t und die Jobcenter<br />
wesentliche Akteure. Zu den bekanntesten Maßnahmen<br />
gehören da<strong>bei</strong> die Berufsausbildungsvorbereitung,<br />
die Einstiegsqualifizierung, das eino<strong>der</strong><br />
zweijährige Berufsfachschuljahr o<strong>der</strong> das<br />
schulische Berufsgrundbildungsjahr. Ohne Zweifel<br />
sind sie für viele Jugendliche, die noch nicht (ganz)<br />
die Anfor<strong>der</strong>ungen einer <strong>Aus</strong>bildung erfüllen,<br />
wichtige För<strong>der</strong>instrumente. Obwohl eigentlich<br />
zielgruppenorientiert angelegt, endet die Suche<br />
nach einer <strong>Aus</strong>bildung für viele Jugendliche jedoch<br />
oft in einer solchen Maßnahme. Vor allem im<br />
vergangenen Jahrzehnt ist das Übergangssystem<br />
aufgrund eines nicht ausreichenden Angebots an<br />
<strong>Aus</strong>bildungsplätzen erheblich angewachsen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
finden sich im Übergangssystem wie<strong>der</strong>, deutlich<br />
häufiger als Jugendliche ohne Migrationshintergrund<br />
mit gleichen Schulabschlüssen. Weniger<br />
stark ausgeprägt sind da<strong>bei</strong> die Unterschiede zwischen<br />
den Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund<br />
<strong>bei</strong>m Übergang ins Schulberufssystem.<br />
17<br />
Von den Bremer Landeskin<strong>der</strong>n mit Migrationshintergrund<br />
wechselten 2009/2010 52,5 Prozent direkt<br />
von einer öffentlichen allgemeinbildenden Schule<br />
in den Übergangsbereich, erheblich mehr als bremische<br />
Schulabgängerinnen und -abgänger ohne<br />
Migrationshintergrund (38,3 Prozent). Dass Jugendliche<br />
mit Migrationshintergrund hier überrepräsentiert<br />
sind, zeigt auch <strong>der</strong> Blick auf die Gesamtzahl,<br />
die mit 43,2 Prozent aller in diesen Bereich<br />
wechselnden Schülerinnen und Schüler wesentlich<br />
niedriger ausfiel.<br />
Die <strong>bei</strong>den Städte Bremerhaven und Bremen<br />
weisen hier große Unterschiede auf. In Bremerhaven<br />
scheint <strong>der</strong> direkte Übergang in ein <strong>Aus</strong>bildungsverhältnis<br />
für Jugendliche mit und ohne<br />
Migrationshintergrund beson<strong>der</strong>s schwierig zu<br />
sein. Hier waren 57,6 Prozent <strong>der</strong> Jugendlichen<br />
ohne und 59,3 Prozent <strong>der</strong> Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergrund aus <strong>der</strong> Stadt auf das Übergangssystem<br />
angewiesen. Auch in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
wechselte zwar die Hälfte <strong>der</strong> Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund (50,8 Prozent), aber<br />
nur ein Drittel <strong>der</strong> Jugendlichen ohne Migrationshintergrund<br />
(33,2 Prozent) im Anschluss an die<br />
Schule in den Übergangsbereich. Diese Ergebnisse<br />
bestätigen auch indirekt, dass die <strong>Aus</strong>bildungsplatzsituation<br />
in ihrer Stadt für die Jugendlichen<br />
aus Bremerhaven nach wie vor beson<strong>der</strong>s problematisch<br />
ist. 18<br />
Angesichts des nachlassenden demografischen<br />
Drucks auf das <strong>Aus</strong>bildungsangebot ist es an <strong>der</strong><br />
Zeit, das Übergangssystem neu zu fokussieren, so<br />
dass es seinen ursprünglichen Aufgaben wie<strong>der</strong><br />
gerecht wird. Zumal auch viele Jugendliche nicht<br />
erkennen, dass sie hier gegebenenfalls eine unnötige<br />
Warteschleife in ihren Berufsweg einziehen.<br />
Mit verstärkter Berufsorientierung in den Schulen<br />
und nach Schulende und Berufseinstiegsbegleitung<br />
von <strong>der</strong> Schule bis in die <strong>Aus</strong>bildung, versuchen<br />
die Partner <strong>der</strong> Bremer ›Vereinbarung für <strong>Aus</strong>bildung<br />
und Fachkräftesicherung‹ hier gegenzusteuern<br />
und die Jugendlichen individuell <strong>bei</strong>m<br />
Übergang in <strong>Aus</strong>bildung zu unterstützen. Dass dies<br />
unbedingt erfor<strong>der</strong>lich ist, zeigen auch die Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> Schülerbefragungen aus Bremen-Nord<br />
und Gröpelingen, die aufzeigen, dass immer noch<br />
viele Jugendliche trotz <strong>Aus</strong>bildungswunsch letztlich<br />
in einer Schulmaßnahme unterkommen.<br />
16 Vgl. Kock, Klaus (2008),<br />
S. 14 f.<br />
17 Vgl. Christe, Gerhard<br />
(2011), S. 18.<br />
18 Vgl. Autorenteam Bildungsberichterstattung<br />
Bremen und Bremerhaven<br />
(2012), S. 223.