Aus Vielfalt eigene Stärken entwickeln - bei der ...
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B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 012<br />
33<br />
AU S G E WÄ H LT E E RG E B N I S S E D E S E R S T E N B I L D U NGSBERICHTSBANDS<br />
9 Vgl. Projektgruppe ›Lebenslagen<br />
in Bremen‹ (2009),<br />
S. 340 ff.<br />
10 Vgl. Baumert et al.<br />
(2006).<br />
Segregation und Bildung<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
Für das Land Bremen wurde bereits im Armutsund<br />
Reichtumsbericht herausgear<strong>bei</strong>tet, dass ein<br />
hoher Anteil von Menschen von Armut bedroht ist<br />
und ein starker Unterschied zwischen den Ortsteilen<br />
bezüglich <strong>der</strong> sozioökonomischen, kulturellethnischen<br />
und familiären Situation <strong>der</strong> jeweils<br />
dort lebenden Bevölkerung besteht. Außerdem<br />
scheint sich die Koppelung prekärer Lebenslagen<br />
und Migration in etlichen Ortsteilen <strong>der</strong> Stadt fortzusetzen.<br />
9 Da<strong>bei</strong> ist zu bedenken, dass eine sozial<br />
negativ segregierte Schülerschaft zur <strong>Aus</strong>bildung<br />
von Lernmilieus führen kann, in denen Lernen<br />
deutlich erschwert wird. 10<br />
Um diesen Phänomenen weiter auf die Spur zu<br />
kommen, wurden die Ortsteile in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
auf Basis <strong>der</strong> Kennzahlen ›Anteil von Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergrund‹ und<br />
›Anteil von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen, die Leistungen<br />
nach SGB II erhalten‹ gruppiert. Es entstanden<br />
vier Gruppen von Ortsteilen:<br />
Abb. 6: Ortsteilgruppen in <strong>der</strong> Stadt Bremen nach<br />
Struktur <strong>der</strong> Bevölkerung zwischen 6 und 18 Jahren<br />
Ohne Zuordnung<br />
Gruppe A<br />
Gruppe B<br />
Gruppe C<br />
Gruppe D<br />
Quelle: Statistisches Landesamt Bremen<br />
❚ Ortsteilgruppe A: In diesen 30 Ortsteilen liegt <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong> Migrantinnen und Migranten und <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Menschen, die SGB-II-Hilfe empfangen, an <strong>der</strong> schulrelevanten<br />
Bevölkerung über dem stadtweiten Durchschnitt.<br />
❚ Ortsteilgruppe B: In diesen 40 Ortsteilen liegt <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong> Migrantinnen und Migranten und <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Menschen, die SGB-II-Hilfe empfangen, an <strong>der</strong> schulrelevanten<br />
Bevölkerung unter dem stadtweiten Durchschnitt.<br />
❚ Ortsteilgruppe C: In diesen vier Ortsteilen liegt <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Migrantinnen und Migranten über dem<br />
stadtweiten Durchschnitt, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Menschen, die<br />
SGB-II-Leistungen beziehen, jedoch darunter.<br />
❚ Ortsteilgruppe D: In diesen vier Ortsteilen liegt <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Migrantinnen und Migranten unter dem<br />
stadtweiten Durchschnitt, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Menschen, die<br />
SGB II-Leistungen beziehen, hingegen darüber.<br />
Festgestellt wurde <strong>bei</strong> den Analysen ein nahezu<br />
linearer Zusammenhang: Je höher das Armutsrisiko<br />
in einem Ortsteil, desto höher ist dort auch <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Menschen mit Migrationshintergrund –<br />
und umgekehrt. Ein großer Teil <strong>der</strong> Migrantinnen<br />
und Migranten ist also von Armut bedroht und<br />
macht in einigen Stadtteilen einen großen Teil <strong>der</strong><br />
Bevölkerung aus.<br />
Diese starke Segregation in <strong>der</strong> Stadt Bremen hat<br />
einen deutlichen Nie<strong>der</strong>schlag im Bildungssystem.<br />
Die Schulen unterscheiden sich nicht nur bezüglich<br />
<strong>der</strong> ethnisch-kulturellen Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> Schülerschaft voneinan<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch<br />
bezüglich des sozialen Gefüges.<br />
Den Regelungen des Grundgesetzes entsprechend<br />
besteht auch in Bremen die Möglichkeit, Privatschulen<br />
einzurichten. Ihre Gründung setzt ein<br />
beson<strong>der</strong>es pädagogisches Interesse o<strong>der</strong> bekenntnismäßige<br />
beziehungsweise weltanschauliche Prägungen<br />
voraus. Verfassungsrechtlich ist die private<br />
Grundschule daher die <strong>Aus</strong>nahme. Der Anteil von<br />
Schülerinnen und Schülern, die eine allgemeinbildende<br />
Privatschule besuchen, war 2009 mit 9,6<br />
Prozent im Land Bremen (Stadtgemeinde Bremen<br />
10,1 Prozent, Bremerhaven 7,4 Prozent) höher als<br />
in Berlin (8,1 Prozent) und niedriger als in Hamburg<br />
(10,5 Prozent), aber im Bundeslän<strong>der</strong>vergleich<br />
überdurchschnittlich hoch. Bei einer Analyse<br />
nach Ortsteilgruppen zeigt sich für die Stadt<br />
Bremen nun, dass sich die soziale Segregation in<br />
<strong>der</strong> Schülerschaft von Privatschulen sehr viel<br />
stärker nie<strong>der</strong>schlägt als in öffentlichen Schulen:<br />
Privatschulen werden eher von Schülerinnen und<br />
Schülern besucht, die in Ortsteilen <strong>der</strong> Gruppe B<br />
aufwachsen. Die Befundlage deutet darauf hin,<br />
dass die Privatschulen die soziale und kulturelle<br />
Selektivität im Schulsystem verstärken. Jedoch ist<br />
aufgrund <strong>der</strong> methodischen Grenzen einer ortsteilbezogenen<br />
Betrachtung dieser Frage in weiterer<br />
Forschung beson<strong>der</strong>s nachzugehen.<br />
Bildungskarrieren von Schülerinnen<br />
und Schülern unterschiedlicher sozialer<br />
Herkunft<br />
Neben <strong>Aus</strong>wirkungen auf die Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> Schülerschaft in den einzelnen Schulen gibt<br />
es deutliche Unterschiede bezüglich <strong>der</strong> Bildungskennzahlen<br />
von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Ortsteilgruppen. Analog zum<br />
oben skizzierten Befund für Migrantinnen und<br />
Migranten fallen die Kennzahlen für Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendliche, Schülerinnen und Schüler, die in<br />
Ortsteilen <strong>der</strong> Gruppe A leben, im Durchschnitt<br />
durchweg ungünstiger aus als für Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendliche, Schülerinnen und Schüler aus den<br />
Ortsteilen <strong>der</strong> Gruppe B. Dies wird in <strong>der</strong> folgenden<br />
Abbildung deutlich.<br />
Abb. 7: Vergleich zentraler Kennzahlen nach Ortsteilgruppen<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremen, Schuljahr 2009/10 bzw. 2011/12 in Prozent<br />
Anteil/Quote <strong>der</strong> …<br />
Kin<strong>der</strong> mit Sprachför<strong>der</strong>bedarf<br />
vor <strong>der</strong> Einschulung<br />
Früheinschulungen<br />
Wie<strong>der</strong>holer in <strong>der</strong> Grundschule<br />
Schüler/innen mit son<strong>der</strong>pädagogischem<br />
För<strong>der</strong>bedarf in <strong>der</strong> Grundschule<br />
Schüler/innen, die in Klasse 4<br />
das Leistungskriterium erfüllen<br />
Übergänger/innen zum Gymnasium in<br />
Klasse 5 an allen Übergänger/innen 2011/12<br />
Schüler/innen am För<strong>der</strong>zentrum in Klasse 8<br />
an allen Schüler/innen in Klasse 8<br />
Schüler/innen am Gymnasium in Klasse 8 an<br />
allen Schüler/innen<br />
Wie<strong>der</strong>holer in <strong>der</strong><br />
Sekundarstufe l<br />
Schüler/innen mit son<strong>der</strong>pädagogischem<br />
För<strong>der</strong>bedarf in <strong>der</strong> Sekundarstufe l<br />
Übergänger in die Gymnasiale Oberstufe an<br />
allen Übergängern aus <strong>der</strong> Sekundarstufe l<br />
Wie<strong>der</strong>holer in <strong>der</strong><br />
Gymnasialen Oberstufe<br />
Ortsteilgruppe A<br />
Ortsteilgruppe B<br />
3,1<br />
1,5<br />
6,9<br />
3,1<br />
15,6<br />
21,8<br />
7,8<br />
4,0<br />
19,4<br />
17,1<br />
33,0<br />
30,9<br />
35,5<br />
0 10 20 30 40 50 60 70<br />
Ergänzend wurde im Bericht <strong>der</strong> Frage nachgegangen,<br />
ob und inwiefern sich diese Kennzahlen für<br />
Migrantinnen und Migranten in den Ortsteilgruppen<br />
unterscheiden. Der Befund: In <strong>der</strong> Ortsteilgruppe<br />
B fallen die Kennzahlen für Menschen mit<br />
Migrationshintergrund deutlich ungünstiger aus<br />
als für die an<strong>der</strong>en Menschen. In <strong>der</strong> Ortsteilgruppe<br />
A sind die Unterschiede zwischen den <strong>bei</strong>den<br />
Gruppen eher gering. Dies weist darauf hin, dass<br />
insbeson<strong>der</strong>e die ungünstigen sozialen Bedingungen,<br />
unter denen eine Vielzahl von Migrantinnen<br />
und Migranten lebt, erhebliche negative Effekte<br />
auf die Bildungskarrieren haben.<br />
2,2<br />
2,2<br />
7,0<br />
2,8<br />
5,1<br />
3,8<br />
Quelle: Die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit<br />
42,7<br />
48,1<br />
56,2<br />
56,8<br />
65,8