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Oktober 2007<br />

Für unsere Hörer<br />

und RÜ-Bezieher<br />

Annette-Allee 35 - 48149 Münster<br />

Tel.: 0251-98109-0 - Fax: -98109-62<br />

http://www.alpmann-schmidt.de


AS aktuell<br />

Zivilrecht<br />

Schuldrecht AT<br />

Die Bedeutung des Übergangs der<br />

Gegenleistungsgefahr im Rahmen von<br />

§ 243 Abs. 2 BGB und § 275 Abs. 2 BGB<br />

Canaris JuS 2007, 793<br />

Die Leistungsgefahr betrifft die Frage, ob eine Leistung<br />

noch erbracht werden muss, wenn eine Leistungsstörung<br />

in dem Zeitraum zwischen Entstehen der Verpflichtung<br />

und der Erfüllung eintritt.<br />

Demgegenüber bezieht sich die Gegenleistungsgefahr<br />

(oder Preisgefahr) darauf, ob die Gegenleistung erbracht<br />

werden muss, wenn der Schuldner die Leistung<br />

nicht erhält.<br />

Leistungsgefahr und Gegenleistungsgefahr sind streng<br />

voneinander zu trennen. Canaris untersucht – und<br />

bejaht – allerdings die Frage, ob der Übergang der<br />

Gegenleistungsgefahr nicht auch die Wertung des<br />

Gesetzes enthält, dass zu diesem Zeitpunkt auch die<br />

Leistungsgefahr übergegangen ist. Gegenstand der<br />

Untersuchung sind die Problematik der Rückgängigmachung<br />

der Konkretisierung und Regelung des § 275<br />

Abs. 2 BGB.<br />

I. Rückgängigmachung der Konkretisierung<br />

Ob der Schuldner eine gemäß § 243 Abs. 2 BGB eingetretene<br />

Konkretisierung rückgängig machen kann,<br />

ist umstritten.<br />

Nach der ersten Ansicht ist die Rückgängigmachung<br />

der Konkretisierung grundsätzlich unzulässig, etwas<br />

anderes kann sich aus dem Einwand des Rechtsmissbrauch<br />

gemäß § 242 BGB ergeben.<br />

Die zweite Ansicht bildet Fallgruppen für die Zulässigkeit<br />

oder Unzulässigkeit der Rückgängigmachung der<br />

Konkretisierung.<br />

Die dritte Ansicht hält die Rückgängigmachung der<br />

Konkretisierung grundsätzlich für zulässig, erkennt<br />

aber Ausnahmen bei berechtigten Interessen des<br />

Gläubigers an.<br />

Canaris entwickelt eine vierte Ansicht, nach der die<br />

Konkretisierung rückgängig gemacht werden kann,<br />

solange nicht die Gegenleistungsgefahr auf den Gläubiger<br />

übergegangen ist. Die Regelungen über den<br />

Übergang der Gegenleistungsgefahr enthielten eine<br />

gesetzgeberische Wertung, nach der die Sache dem<br />

Gläubigers endgültig zugeordnet und damit ein Rückgängigmachen<br />

der Konkretisierung durch den Schuldner<br />

ausgeschlossen sei.<br />

Bei der Holschuld setzt die Konkretisierung voraus,<br />

dass der Schuldner eine Sache mittlerer Art und Güte<br />

ausgesondert und den Gläubiger zum Abholen aufgefordert<br />

hat. Canaris folgt der Ansicht, die weiterhin<br />

den Ablauf einer angemessenen Frist erfordert, innerhalb<br />

derer der Gläubiger die Sache abholen kann.<br />

Wenn man die Konkretisierung bei der Holschuld so<br />

definiert, geht mit der Konkretisierung in aller Regel<br />

zugleich die Gegenleistungsgefahr gemäß § 326 Abs. 2<br />

S. 1, 2 Alt. BGB wegen Annahmeverzugs über. Auch<br />

der Annahmeverzug sei von dem Ablauf einer angemessenen<br />

Frist abhängig, da § 297 BGB zeige, dass der<br />

Gläubiger dem Schuldner eine faire Chance zur Entgegennahme<br />

der Leistung geben muss. Bei der Holschuld<br />

könnten die Konkretisierung und der Übergang<br />

der Gegenleistungsgefahr nur in seltenen Ausnahmefällen<br />

wie dem einer vorübergehenden Annahmeverhinderung<br />

gemäß § 299 BGB auseinander fallen. Nur<br />

in diesen Fällen könne der Schuldner ein Interesse an<br />

der Rückgängigmachung der Konkretisierung haben.<br />

Ähnlich liege es bei der Bringschuld. Bei dieser führe<br />

das Handeln des Schuldners regelmäßig entweder zur<br />

Erfüllung oder zumindest zum Annahmeverzug. Ausnahmefälle<br />

seien wiederum die des § 299 BGB.<br />

Bei der Schickschuld tritt Konkretisierung ein, wenn<br />

der Schuldner eine Gattungssache mittlerer Art und<br />

Güte an eine sorgfältig ausgewählte Transportperson<br />

übergibt. Bezüglich der Gegenleistungsgefahr ist zu<br />

unterscheiden.<br />

Ist der Käufer kein Verbraucher i.S.d. §§ 13, 474<br />

BGB, geht die Gegenleistungsgefahr gemäß § 447 BGB<br />

im gleichen Zeitpunkt über, in dem die Konkretisierung<br />

erfolgt. Nach der Ansicht von Canaris ist eine<br />

Rückgängigmachung der Konkretisierung in diesem<br />

Fall nicht zuzulassen. Die Sache sei dem Käufer schon<br />

fast im selben Maße zugeordnet wie nach dem Eintritt<br />

der Erfüllungswirkung, da er bei ihrem Untergang<br />

keine andere Sache fordern könne und trotzdem den<br />

Preis bezahlen müsse. Daher verdiene der Käufer eine<br />

„stabile“, von einem gegenläufigen Entschluss des<br />

Verkäufers unabhängige Stellung.<br />

Ist der Käufer Verbraucher, ist § 447 BGB gemäß<br />

§ 474 Abs. 2 BGB unanwendbar. Dies hat zur Folge,<br />

dass die Gegenleistungsgefahr nicht schon mit Übergabe<br />

an die Transportperson, sondern gemäß § 446<br />

BGB erst mit der Übergabe an den Käufer übergeht.<br />

AS aktuell Online: http://www.alpmann-schmidt.de 73


Oktober 2007 AS aktuell<br />

Dies ist damit der praktisch wichtigste Fall, in dem der<br />

Zeitpunkt der Konkretisierung von dem des Übergangs<br />

der Gegenleistungsgefahr abweicht und in dem sich<br />

die Frage des Rückgängigmachens der Konkretisierung<br />

stellt. Canaris vertritt die Ansicht, dass vor dem Übergang<br />

der Gegenleistungsgefahr die Konkretisierung<br />

vom Schuldner grundsätzlich rückgängig gemacht<br />

werden kann. Ausschlaggebend seien objektiv teleologische<br />

Gesichtspunkte. § 243 Abs. 2 BGB stelle unzweifelhaft<br />

eine Schutzvorschrift zugunsten des<br />

Schuldner dar. Überdies habe der Gläubiger typischerweise<br />

kein legitimes Interesse daran, das vom<br />

Schuldner zur Konkretisierung verwendete und nicht<br />

ein anderes, ebenfalls vertragskonformes Stück aus der<br />

Gattung zu erhalten.<br />

II. Verhältnis des § 275 Abs. 2 BGB zu den Regeln<br />

über die Gefahrtragung<br />

Nach Canaris wirkt sich der Übergang der Gegenleistungsgefahr<br />

auch auf die Anwendung des § 275 Abs. 2<br />

BGB aus. Auch diese Regelung betreffe die Leistungsgefahr,<br />

nämlich in dem Sinne, dass sie unterhalb der<br />

Schwelle des groben Missverhältnisses beim Schuldner,<br />

oberhalb dagegen beim Gläubiger liege. Sei nun<br />

die Gegenleistungsgefahr bereits auf den Gläubiger<br />

übergegangen, wäre es „widersinnig“, den Schuldner<br />

noch mit der Leistungsgefahr zu belasten. Konkret<br />

bedeutet dies, dass beim Verbrauchsgüterkauf mit<br />

einer Schickschuld ab dem gemäß § 447 BGB entscheidenden<br />

Zeitpunkt der Übergabe an die Transportperson<br />

auch die Gefahr eines Leistungshindernisses<br />

i.S.d. § 275 Abs. 2 BGB übergeht. Ist der Käufer<br />

dagegen kein Verbraucher, trage er und nicht der Verkäufer<br />

die Gefahr des Eintritts eines Leistungshindernisses<br />

i.S.d. § 275 Abs. 2 BGB.<br />

Ergänzung zu:<br />

AS-Skript SchuldR AT 1 (2006), S. 66 ff.<br />

Kaufrecht<br />

Beschaffungsnotwendigkeit und Ersatzlieferung<br />

beim Stück- und beim Vorratskauf<br />

Gsell JuS 2007, 97<br />

Zu den vieldiskutierten Streitfragen des neuen Schuldrechts<br />

gehört das Problem, ob bei einem Spezies- oder<br />

Vorratskauf bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache nur<br />

eine Nachbesserung oder auch eine Nachlieferung in<br />

Betracht kommt.<br />

Ausgangspunkt dieser Streitfrage ist die Situation nach<br />

altem Schuldrecht. Dies sah weder eine Nachbesserung<br />

noch eine Nachlieferung, sondern als Rechtsfolgen<br />

eines Mangels unmittelbar Wandlung (= Rücktritt)<br />

bzw. Minderung vor. Eine Nachbesserung oder Nachlieferung<br />

kam nur in Betracht, wenn eine solche vertraglich<br />

zwischen den Parteien vereinbart worden war.<br />

Es war jedoch anerkannt, dass eine Nachlieferung bei<br />

einer Speziessache von vornherein nicht in Betracht<br />

kam. Mit Einführung der von Gesetzes wegen grundsätzlich<br />

vorrangigen Nachlieferung bzw. Nachbesserung<br />

gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB ist streitig<br />

geworden, ob eine Nachlieferung jetzt auch bei einem<br />

Spezies- oder Vorratskauf möglich sein soll oder ob<br />

der Käufer – wenn eine Nachbesserung unmöglich<br />

oder unverhältnismäßig ist – ohne Fristsetzung vom<br />

Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder<br />

Schadensersatz statt der Leistung verlangen können<br />

soll. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist die Frage, ob<br />

eine Nachlieferung bei einem Stück- oder Vorratskauf<br />

unmöglich ist, § 275 Abs. 1 BGB. Dies wird in der<br />

Literatur verbreitet mit der Begründung angenommen,<br />

dass sich die Leistungspflicht des Verkäufers bei einem<br />

Stückkauf nur auf die verkaufte Sache beziehe und<br />

eine andere Sache daher von vornherein untauglich<br />

sei, den vertraglich geschuldeten Zustand herbeizuführen<br />

(Faust ZGS 2004, 252).<br />

Der BGH hat sich mit der herrschenden Literatur<br />

demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, dass eine<br />

Nachlieferung auch beim Stückkauf jedenfalls nicht<br />

generell ausgeschlossen sei (NJW 2006, 2839 ff. = RÜ<br />

2006, 505–511). Vielmehr soll eine solche möglich<br />

sein, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit<br />

durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt<br />

werden kann. Gsell stimmt der BGH-Entscheidung<br />

grundsätzlich zu und präzisiert, wann dies – losgelöst<br />

von dem vom BGH entschiedenen Fall des Gebrauchtwagenkaufs<br />

– der Fall ist.<br />

Gsell stimmt zunächst dem BGH darin zu, dass auch<br />

beim Stückkauf eine Nachlieferung grundsätzlich in<br />

Betracht kommt. Durch Einführung des § 439 BGB sei<br />

das Pflichtenprogramm des Verkäufers dahingehend<br />

modifiziert worden, dass eine Nachlieferung auch bei<br />

einem Spezieskauf vorzunehmen sei und deshalb nicht<br />

zur Unmöglichkeit der Nacherfüllung führe. Zur Begründung<br />

verweist sie darauf, dass es erklärter Wille<br />

des Gesetzgebers gewesen sei, die Nachlieferung auf<br />

den Stückkauf zu erstrecken. Vor allem aber zeige der<br />

systematische Zusammenhang zwischen Nachlieferung<br />

und Nachbesserung, dass eine Nachlieferung auch<br />

beim Stückkauf nicht ausgeschlossen sei. Der Käufer<br />

könne nämlich umgekehrt bei einem Gattungskauf<br />

auch dann Nachbesserung wählen, wenn der Verkäufer<br />

persönlich – z.B. mangels Werkstatt – ersichtlich<br />

nicht in der Lage sei, diese vorzunehmen. Das Leistungsinteresse<br />

des Käufers könne auch in diesem Fall<br />

anders befriedigt werden, als von den Vertragsparteien<br />

bei Abschluss des Kaufvertrages in Aussicht genommen.<br />

Dass die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages<br />

davon ausgingen, der Vertrag werde alleine durch<br />

Übergabe und Übereignung der Kaufsache erfüllt,<br />

74


AS aktuell Oktober 2007<br />

schließe eine spätere Reparatur einer Gattungssache<br />

daher ebenso wenig aus wie die Beschaffung einer<br />

fehlerfreien „Speziessache“. Gsell weist allerdings zu<br />

Recht darauf hin, dass § 439 BGB außerhalb des<br />

Verbrauchsgüterkaufs (§§ 474 ff. BGB) abbedungen<br />

werden könne. Insoweit sei ein konkludenter Ausschluss<br />

der Nachlieferung bereits anzunehmen, wenn<br />

der Verkäufer unmissverständlich deutlich mache, dass<br />

er zu einer Ersatzbeschaffung nicht bereit sei. Weiter<br />

führt Gsell an, dass auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie<br />

für eine Nachlieferung bei Speziessachen<br />

spreche, sofern diese geeignet ist, das Leistungsinteresse<br />

des Käufers zu befriedigen.<br />

Gsell kritisiert jedoch, dass nach Rechtsprechung und<br />

Literatur die Grenze einer Ersatzlieferung beim Spezieskauf<br />

danach bestimmt werden soll, ob nach dem<br />

tatsächlichen oder hypothetischen Willen der Parteien<br />

die Ersetzbarkeit der Sache durch eine gleichartige<br />

Sache anzunehmen ist. Die Vereinbarung einer<br />

Speziesschuld könne ihre Gründe auf Käufer- wie auf<br />

Verkäuferseite haben. Der Verkäufer werde ein solches<br />

Interesse insbesondere bei Einzelstücken haben,<br />

um seine Beschaffungspflicht auszuschließen, der Käufer,<br />

wenn mit dem individuellen Stück besondere Qualitätsmerkmale<br />

verbunden sind (z.B. Regal ohne Astlöcher<br />

in besonders schöner Holzfärbung). Da jedoch<br />

die bloße Beschaffungsnotwendigkeit des Verkäufers<br />

gerade keine Unmöglichkeit der Nachlieferung begründen<br />

solle, könne es auf den (gemeinsamen) Willen<br />

beider Parteien nicht entscheidend ankommen.<br />

Seine Grenze finde der Nachlieferungsanspruch aber<br />

in seiner Natur als Nacherfüllungsanspruch, der als<br />

modifizierter Primärleistungsanspruch auf Lieferung<br />

einer Sache gerichtet sei, die der vertraglichen Sollbeschaffenheit<br />

entspreche. Soweit die Parteien eine<br />

einzigartige Beschaffenheit vereinbaren, scheide ein<br />

Nachlieferungsanspruch wegen Unmöglichkeit der<br />

Lieferung einer gleichwertigen Sache aus. Ob dies der<br />

Fall sei, entscheide sich entgegen verbreiteter Auffassung<br />

jedoch nicht in erster Linie nach der Verkehrsanschauung,<br />

sondern durch Auslegung des Vertrags. Eine<br />

Ersatzlieferung habe demnach selbst bei einer vertretbaren<br />

Sache auszuscheiden, wenn die Parteien dem<br />

Stück bei Vertragsschluss individuelle Qualitätsmerkmale<br />

zugeschrieben hätten (Standard-Regal mit bestimmter<br />

Holzfärbung). Umgekehrt sei eine Nachlieferung<br />

auch bei unvertretbarem Kaufgegenstand möglich,<br />

wenn Stücke vergleichbarer Qualität vorhanden<br />

seien und eine Individualisierung bei Vertragsschluss<br />

nicht wegen besonderer Qualitätsmerkmale vorgenommen<br />

worden sei, sondern nur, weil der Verkäufer<br />

nur dieses Stück als Kaufgegenstand anbieten konnte.<br />

Komme es daher den Vertragspartnern z.B. bei Kauf<br />

eines Gebrauchtfahrzeugs via Internet ohne Besichtigung,<br />

Probefahrt oder konkrete Vertragsverhandlungen<br />

ersichtlich nicht auf individuelle Qualitätsmerkmale<br />

des Fahrzeugs an, komme eine Ersatzlieferung<br />

selbst dann in Betracht, wenn nach der Verkehrsanschauung<br />

Gebrauchtwagen eigentlich unvertretbar<br />

sind.<br />

Ob zwischen den Parteien eine individuelle Qualität<br />

als Beschaffenheit vereinbart wurde, lasse sich in der<br />

Praxis allerdings oft nur schwer ermitteln. Eindeutig<br />

sei der Fall, wenn die Parteien über bestimmte Qualitätsmerkmale<br />

konkret verhandelt hätten oder diese für<br />

den Käufer erkennbar eine wichtige Rolle spielten<br />

(z.B. weil er ein Gutachten einholt, eine Probefahrt<br />

macht). Eindeutig keine bestimmte Qualität werde<br />

vereinbart, wenn die Individualisierung nur dadurch<br />

erfolge, dass der Käufer „zufällig“ einen Massenartikel<br />

unter mehreren auswähle und kaufe (z.B. Kauf einer<br />

CD im Elektromarkt). Problematisch seien jedoch<br />

insbesondere Fälle, in denen der Käufer einseitig bestimmte<br />

Qualitätsvorstellungen habe, die dem Verkäufer<br />

aber nicht bekannt und auch nicht erkennbar waren<br />

(Käufer sucht sich das besonders gefärbte Holzregal<br />

im Möbel-Mitnahmemarkt aus vielen Regalen aus<br />

und legt es zum Bezahlen an der Kasse vor).<br />

Wenn in solchen Fällen weder die zwischen den Parteien<br />

getroffene Vereinbarung (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB)<br />

noch die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§ 434<br />

Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) Aufschluss über die Beschaffenheit<br />

verschafften, sei § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB<br />

(entsprechend) anzuwenden. Bei vertretbaren Sachen<br />

ergäbe die Verkehrsanschauung dabei, dass einer<br />

Kaufsache in der Regel keine individuelle Qualität<br />

anhafte. Wolle der Käufer in dem Regal-Beispiel daher<br />

die besondere Färbung zur Beschaffenheit erheben,<br />

müsse er dies beim Vertragsschluss deutlich machen.<br />

Andernfalls müsse er sich die Nachlieferung eines<br />

anders gefärbten Regals durchaus gefallen lassen.<br />

Anders verhalte es sich bei nicht vertretbaren Sachen.<br />

Hier gehöre die Individualität des Stücks zum spezifischen<br />

Inhalt der kaufvertraglichen Einigung. Wer<br />

eine nicht vertretbare Sache kaufe, dürfe daher auch<br />

ohne besondere Vereinbarung davon ausgehen, nur<br />

das individuelle Stück als vertragsgemäß akzeptieren<br />

zu müssen. Eine Ersatzlieferung komme in diesen<br />

Fällen nur in Betracht, wenn besondere Umstände<br />

darauf hindeuten, dass der Käufer gerade kein Interesse<br />

an dem individuellen Stück habe.<br />

Gsell formuliert damit für die Nachlieferbarkeit im<br />

Rahmen des Stückkaufs eine Vermutung dafür, dass –<br />

außerhalb konkreter vertraglicher Absprachen über<br />

eine bestimmte Individualität der Kaufsache – bei<br />

vertretbaren Sachen eine Nachlieferung grundsätzlich<br />

möglich ist und bei nicht vertretbaren Sachen<br />

ausscheidet.<br />

Ergänzung zu: AS-Skript KaufR (2006), S. 48 f.<br />

75


Oktober 2007 AS aktuell<br />

Strafrecht<br />

Vermögensdelikte<br />

Sportwettenbetrug: Täuschung und<br />

Vermögensschaden<br />

Satzger JK 9/07 § 263/80<br />

Jahn/Meyer JuS 2007, 215<br />

Radtke Jura 2007, 445<br />

Saliger/Rönnau/Kirch-Heim NStZ 2007, 361<br />

Im Fall „Hoyzer“ hat der BGH (Urt. v. 15.12.2006 –<br />

5 StR 181/06) die Verurteilung der Angeklagten wegen<br />

Betruges bzw. Beihilfe zum Betrug bestätigt. Der<br />

Haupttäter hatte Schiedsrichter und Spieler mehrerer<br />

Begegnungen der 2. Bundesliga und des DFB-Pokals<br />

bestochen und bei Wettanbietern zu festen Quoten auf<br />

den Ausgang gewettet. Bei vier von zehn Spielen hatte<br />

die Manipulation Erfolg. Der Gesamtgewinn betrug<br />

fast 2 Mio. €. Der Streit um die rechtliche Einordnung<br />

der Tat wird bereits darin deutlich, dass selbst der<br />

Sitzungsvertreter der Generalbundesanwaltschaft in<br />

seinem Schlussvortrag die Taten als „Gaunerei“, aber<br />

nicht als Betrug bewertet hatte.<br />

Das Vorliegen einer Täuschungshandlung hat der<br />

Senat mit der bei Vertragsschluss schlüssig abgegebenen<br />

Erklärung begründet, das jeweilige Spiel nicht<br />

manipuliert zu haben. Damit rückte er von einer eigenen<br />

früheren Entscheidung ab (BGHSt 16, 120, 121),<br />

wonach dies eine „willkürliche Konstruktion“ sei.<br />

Nachdem aber eine ausdrückliche Täuschung nicht<br />

festgestellt war und der künftige Ausgang des jeweiligen<br />

Spiels nicht Gegenstand einer Täuschungshandlung<br />

sein konnte, da es sich hierbei um keine Tatsache<br />

handelt, blieb nur der Rückgriff auf eine schlüssige<br />

Täuschung als Begründung, wenn man nicht eine Täuschung<br />

durch Unterlassen annehmen wollte. Diese<br />

hätte jedoch eine Garantenstellung vorausgesetzt, die<br />

sich weder aus dem alltäglichen Geschäft der Sportwette<br />

noch aus Ingerenz hätte ableiten lassen, da das<br />

Verbot der Spielmanipulation nicht dem Vermögensinteresse<br />

des Wettanbieters dient. Dass Gegenstand der<br />

Täuschung auch eine Negativtatsache, hier das Fehlen<br />

einer Manipulation, sein kann, ist unstreitig. Der<br />

schlüssige Erklärungswert einer Handlung, hier des<br />

Vertragsschlusses, hängt dagegen von den konkreten<br />

Umständen, dem jeweiligen Geschäftstyp sowie der<br />

davon abhängigen Pflichten- und Risikoverteilung ab.<br />

Da beim Wettvertrag das Fehlen einer Manipulation<br />

des Wettgegenstandes zu den Geschäftsgrundlagen<br />

gehört, war dies nach Ansicht des Senats nach dem<br />

Empfängerhorizont und dessen danach berechtigten<br />

Erwartungen auch Gegenstand der Erklärung. Diese<br />

Ansicht wird von der Literatur überwiegend geteilt.<br />

Jahn/Maier halten eine derartige Normativierung des<br />

Täuschungsbegriffs dagegen für überzogen. Zwar sei<br />

die grundsätzliche Möglichkeit konkludenter Täuschung<br />

anzuerkennen. Fraglich sei jedoch, wie viel an<br />

Erklärungsgehalt in den alltäglichen Realakt der Abgabe<br />

eines Wettscheins hineininterpretiert werden<br />

darf. Gegenstand einer Täuschung seien nach dem<br />

Gesetz nur Tatsachen, d.h. gegenwärtige oder vergangene<br />

Umstände, die dem Beweise zugänglich sind. Das<br />

Vorliegen einer Täuschung sei daher nicht normativ,<br />

sondern in faktischer Betrachtungsweise nach Maßgabe<br />

des durch die Verkehrsanschauung objektivierten<br />

Empfängerhorizonts festzustellen. Hiernach sei der<br />

Vertragsschluss richtigerweise dahin auszulegen, dass<br />

einem Alltagsgeschäft ohne personales Gepräge regelmäßig<br />

keine Erklärung über dessen Nichtmanipulation<br />

zueigen ist. Die Gegenauffassung wirke demgegenüber<br />

etwas „gekünstelt“. Die Gewinnchance bei einer Oddset-Wette<br />

sei eine zufallsabhängige Fiktion und daher<br />

kein tauglicher Gegenstand einer Täuschung. Die<br />

Annahme einer schlüssigen Erklärung löse vielmehr<br />

die Grenzen zwischen der Täuschung durch Tun und<br />

derjenigen durch das Unterlassen gebotener Aufklärung<br />

auf, die nur in den engen Grenzen von Garantenstellungen<br />

gem. § 13 tatbestandsmäßig sei.<br />

Die anderen Autoren halten die Begründung des Senats<br />

demgegenüber für eine konsequente Fortentwicklung<br />

der bisherigen Rechtsprechung. Radtke hält den<br />

faktischen Täuschungsbegriff für fragwürdig. In Wahrheit<br />

gebe es keinen Unterschied zwischen dem faktischen<br />

und dem normativen Täuschungsbegriff, wenn<br />

der faktische Begriff mit dem „durch die Verkehrsanschauung<br />

objektivierten Empfängerhorizont“ ebenfalls<br />

auf einen normativierenden Auslegungsmaßstab zurückgreife.<br />

Für den Wettvertrag sei das Zufallsmoment<br />

typisch. Durch die Manipulation des Vertragsgegenstandes<br />

werde die vertragstypische Risikoverteilung<br />

gravierend verschoben. Im Falle der Manipulation des<br />

Glücksspiels durch den Veranstalter sei stets und unwidersprochen<br />

eine schlüssige Täuschung durch diesen<br />

angenommen worden. Dies müsse folglich auch im<br />

umgekehrten Fall gelten. Die fehlende Kenntnis von<br />

Manipulationen durch Dritte sei dagegen nicht Inhalt<br />

des bei Vertragsschluss Erklärten, da dies typischerweise<br />

in die Risikosphäre des Wettanbieters falle.<br />

Saliger u.a. verweisen darauf, dass die in Wettscheinen<br />

verbrieften Gewinnchancen keine bloßen Fiktionen<br />

seien. Schließlich gebe es einen realen Wettmarkt mit<br />

realen Wettgewinnen für reale Wettanbieter und Wetter.<br />

Tatsächlich gehe es nur um die Grenzen der Normativierung<br />

des Täuschungsbegriffs. Schließlich werde<br />

bei Abschluss von Alltagsgeschäften die Leistungswilligkeit<br />

und -fähigkeit nach allgemeiner Ansicht schlüssig<br />

miterklärt. Die Abgrenzung zwischen dem straflosen<br />

Ausnutzen von Informationsvorsprüngen und der<br />

strafbaren Übervorteilung sei allerdings normativ nicht<br />

76


AS aktuell Oktober 2007<br />

danach vorzunehmen, ob das Sonderwissen des Wetters<br />

aus allgemein zugänglichen Quellen stamme (so<br />

der BGH), sondern hänge von der Art der Manipulation<br />

ab. Zu unterscheiden sei insofern zwischen wettereignisinternen<br />

und wettereignisexternen Manipulationen.<br />

Bei einer Einflussnahme auf den Wettgegenstand<br />

sei daher die Annahme einer konkludenten Täuschung<br />

bei Vertragsschluss gerechtfertigt. Die – wenn<br />

auch u.U. illegale – Beschaffung von Sonderwissen<br />

über den Wettgegenstand begründe dagegen keine<br />

Täuschung, da auch derart erlangte Informationsvorsprünge<br />

des Wetters zum allgemeinen und daher straflosen<br />

Risiko bei Wetten gehörten. Daher liege auch in<br />

den sog. Spätwetten-Fällen keine schlüssige Täuschung<br />

des Wetters vor, da es in der Verantwortung des Wettanbieters<br />

liege, die Geschäftsgrundlage seiner Wette zu<br />

organisieren.<br />

In der Begründung eines betrugsrelevanten Irrtums<br />

setzt sich der Streit um die Täuschungshandlung fort.<br />

Der BGH hat die Annahme eines Irrtums auf das Vorliegen<br />

eines sachgedanklichen Mitbewusstseins der<br />

Mitarbeiter des Wettbüros hinsichtlich der Manipulationsfreiheit<br />

des Wettgegenstandes gestützt. Für die<br />

Gegner dieser Ansicht handelt es sich dagegen lediglich<br />

um das Ausnutzen schlichter Unkenntnis, sog.<br />

ignorantia facti, die keinen Irrtum begründet.<br />

Die Vermögensverfügung liegt unstreitig in dem Abschluss<br />

des Wettvertrages, weshalb die vorliegende<br />

Konstellation ganz überwiegend als Fall des Eingehungsbetruges<br />

eingeordnet wird.<br />

Die Begründung eines Vermögensschadens wird dabei<br />

typischerweise nach den Grundsätzen der schadensgleichen<br />

Vermögengefährdung vorgenommen. So hatte<br />

auch die Vorinstanz, das LG Berlin, eine konkrete<br />

Vermögensgefährdung des Wettanbieters in Höhe des<br />

möglichen Wettgewinns angenommen. Dem hat sich<br />

der BGH – nach Ansicht der Lit. zu Recht – nicht<br />

angeschlossen. Denn eine schadensgleiche Vermögensgefährdung<br />

sei nur anzunehmen, wenn die Gefahr<br />

eines endgültigen Vermögensverlustes so groß ist, dass<br />

sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits als<br />

Vermögensminderung einzustufen ist. Da die Spielmanipulation<br />

das Wettrisiko jedoch nicht aufhebt, sondern<br />

nur verschiebt, war eine hinreichend konkrete<br />

Vermögensgefährdung noch nicht anzunehmen. Immerhin<br />

waren mehr als die Hälfte der Manipulationsversuche<br />

des Haupttäters fehlgeschlagen.<br />

Der BGH stützt den Eintritt eines Vermögensschadens<br />

vielmehr auf die neue Rechtsfigur des „Quotenschadens“.<br />

Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen<br />

dem durch den Wetter getätigten Wetteinsatz<br />

und der Höhe der ihm vom Veranstalter eingeräumten<br />

Gewinnchance. Ausgangspunkt ist die durch den Wettanbieter<br />

unter Berücksichtigung der Gewinnchance<br />

und des Einsatzes festgelegte Gewinnquote. Wird der<br />

Wettgegenstand manipuliert, so verschiebt sich die<br />

Gewinnchance zum Nachteil des Anbieters mit der<br />

Folge, dass sie mehr wert ist, als der vom Wetter getätigte<br />

Einsatz. Umgekehrt hätte der Anbieter in Kenntnis<br />

der Manipulation für den geleisteten Einsatz nur<br />

eine geringere Quote angeboten. In dieser Differenz<br />

liegt der Quotenschaden. Dass dieser wegen der nur<br />

hypothetischen Vergleichsquote nicht bezifferbar ist,<br />

hält der BGH für bedeutungslos. Die Höhe des tatsächlich<br />

ausgezahlten Betrages sei nur für die Strafzumessung<br />

von Bedeutung.<br />

Dies halten Satzger und Radtke für grundsätzlich zutreffend,<br />

bezeichnen aber den Quotenschaden nicht als<br />

Eingehungsschaden, sondern als Erfüllungsschaden, da<br />

er erst mit dem Austausch von Wetteinsatz und Wettschein<br />

zustande komme.<br />

Saliger u.a. halten den Quotenschaden dagegen für<br />

eine Fiktion. Für die Schadensfeststellung komme es<br />

grundsätzlich auf den objektiven wirtschaftlichen Wert<br />

der ausgetauschten Leistungen an. Daher sei, um einen<br />

Schaden überhaupt festzustellen, auf den hypothetischen<br />

Wert des Wettscheins abzustellen, den dieser<br />

unter Berücksichtigung der Manipulation gehabt hätte.<br />

Einen Marktpreis für Wetten auf manipulierte Spiele<br />

gebe es jedoch nicht. Außerdem sei in die vom Anbieter<br />

festgesetzte Gewinnquote immer seine Gewinnspanne<br />

eingerechnet. Die Risikoquote entspreche deshalb<br />

nicht der Gewinnquote. Die manipulationsbedingte<br />

Risikoverschiebung führe daher möglicherweise<br />

lediglich zu einer Minderung der Gewinnmarge des<br />

Anbieters. Da ein Betrugsschaden nicht darin bestehen<br />

kann, dass jemand um einen erhofften Gewinn geprellt<br />

wird, setze die Schadensfeststellung voraus, dass die<br />

manipulationsbedingte Risikoverschiebung die vom<br />

Anbieter einkalkulierte Gewinnspanne übersteigt.<br />

Schließlich könne es nicht darauf ankommen, zu welchem<br />

Preis der Anbieter bei Kenntnis der Manipulation<br />

die Wette mit der fraglichen Quote angeboten oder<br />

welche Quote er zu dem fraglichen Einsatz angeboten<br />

hätte. Denn bei Kenntnis der Manipulation wäre das<br />

Spiel aus der Wertung genommen und der Vertrag nie<br />

abgeschlossen worden. Entscheidend sei demgegenüber<br />

nur, ob die angebotene Quote auf dem Markt der<br />

Wettanbieter mehr wert sei als der geleistete Einsatz.<br />

Das sei aber nicht zwingend der Fall, da die Kalkulation<br />

der Quote nicht von dem wahrscheinlichen Spielergebnis<br />

abhängig sei, sondern von dem kalkulierten<br />

Wettverhalten der Gesamtheit der Wetter. Darauf habe<br />

die Manipulation, solange sie geheim bleibe, aber keinen<br />

Einfluss. Ein Vermögensschaden könne daher erst<br />

entstehen, wenn der Täter seine Wette gewinnt und<br />

der Anbieter den Gewinn tatsächlich auszahlt und<br />

auch nur dann, wenn sich die Manipulation in dem<br />

Spielergebnis niedergeschlagen habe.<br />

Ergänzung zu: AS-Skript StrafR BT 1 (2005), S. 128 ff.<br />

77


Oktober 2007 AS aktuell<br />

Öffentliches Recht<br />

Grundrechte<br />

Kinderrechte in der Verfassung<br />

Kirchhof ZRP 2007, 149 ff.<br />

Art. 6 GG schützt Ehe und Familie und damit auch<br />

eheliche wie nichteheliche Kinder. Gleichwohl wird<br />

zur Zeit diskutiert, ob spezielle Grundrechte für Kinder<br />

in die Verfassung aufgenommen werden sollen.<br />

Kirchhof lehnt dies ab, da jedes Kind ohnehin grundrechtsberechtigt<br />

sei und sich nicht nur auf Art. 6 GG,<br />

sondern auch auf andere Grundrechte berufen könne.<br />

Dies gelte z.B. für die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1<br />

GG) ebenso wie für die Religionsfreiheit (Art. 4 GG)<br />

und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1<br />

GG). Spezielle Kindergrundrechte könnten hier den<br />

Eindruck erwecken, als ob diese Bereiche bislang nicht<br />

gewährleistet seien. Der Einwand könnte allenfalls<br />

dadurch entkräftet werden, wenn ein neuer Gesamtkatalog<br />

der Kindergrundrechte in die Verfassung aufgenommen<br />

würde.<br />

Eine andere Frage sei die nach der Grundrechtsmündigkeit,<br />

also ab welchem Alter Kinder ihre grundrechtlichen<br />

Freiheiten selbst und ohne die Hilfe der Eltern<br />

oder anderer Sorgeberechtigter vor Gericht durchsetzen<br />

könnten. Diese Frage würde sich aber in gleicher<br />

Weise stellen, wenn besondere Kindergrundrechte in<br />

die Verfassung aufgenommen würden.<br />

Kirchhof verweist im Übrigen darauf, dass das Kindeswohl<br />

durch die Aufnahme spezieller Kindergrundrechte<br />

eher geschwächt würde. Verfassungssystematisch<br />

sei die Förderung der Entwicklung des Kindes in<br />

Art. 6 GG verortet. Der zentrale Ort für die Entwicklung<br />

sei aber die Familie und könne von dieser nicht<br />

getrennt werden.<br />

Schließlich sei zu erwägen, ob es nicht auch eines<br />

speziellen Grundrechtsschutzes für Senioren bedürfe.<br />

Nach Art. 1 Abs. 1 GG sei die Würde des Menschen<br />

unantastbar, unabhängig davon, ob er alt oder jung,<br />

krank oder gesund ist. Dementsprechend erfassen die<br />

Jedermann-Rechte unter den Grundrechten jeden<br />

Menschen. Dieser umfassende Schutz dürfe nicht<br />

durch spezielle Kindergrundrechte relativiert werden.<br />

Weitergehend wird teilweise vorgeschlagen, nicht nur<br />

Kindergrundrechte in die Verfassung aufzunehmen,<br />

sondern Kindern bestimmte Rechte gegenüber den<br />

Eltern mit Verfassungsrang einzuräumen. Dieser Vorschlag<br />

verfälscht nach Auffassung Kirchhofs das bestehende<br />

verfassungsrechtliche Grundrechtssystem.<br />

Grundrechte schützen den Berechtigten gegenüber<br />

dem Staat (Art. 1 Abs. 3 GG). Zwischen Privaten entfalten<br />

sie lediglich eine mittelbare Wirkung bei Auslegung<br />

des einfachen Rechts. Zwar regele Art. 6 Abs. 2<br />

GG das Recht und die Pflicht der Eltern, die Kinder zu<br />

pflegen und zu erziehen, betreffe also eine privatrechtliche<br />

Rechtsbeziehung. Verfassungsrechtlich werde<br />

eine Grundrechtskollision aber durch die inhaltliche<br />

Bestimmung des Elternrechts gelöst, nicht jedoch<br />

durch eine unmittelbare Kollision der Grundrechte der<br />

Eltern und der Kinder. Art. 6 Abs. 2 GG beinhalte ein<br />

sachgerechtes Konzept für den Schutz der Kinder.<br />

Danach dürfen die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern<br />

nur in Ausnahmefällen verrechtlicht<br />

werden. Der Staat dürfe nur im Rahmen seines Wächteramtes<br />

nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG eingreifen. Einklagbare<br />

Grundrechte der Kinder gegenüber den Eltern<br />

würden eine Distanz zwischen Eltern und Kindern<br />

schaffen und der Familie und damit den Kindern<br />

schaden.<br />

Ergänzung zu: AS-Skript Grundrechte (2006), S. 165 ff.<br />

Verwaltungsprozessrecht<br />

Die Neujustierung der Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

Schenke JuS 2007, 697 ff.<br />

Erledigt sich der angefochtene Verwaltungsakt nach<br />

Klageerhebung (z.B. durch Zeitablauf, Wegfall des<br />

Regelungsobjektes oder anderweitige Aufhebung, vgl.<br />

§ 43 Abs. 2 VwVfG), so wird die Anfechtungsklage<br />

nach überwiegend vertretener Auffassung unstatthaft,<br />

da ein erledigter Verwaltungsakt nicht mehr aufgehoben<br />

werden kann. Nach a.A. fehlt das Rechtsschutzbedürfnis,<br />

da der Kläger nicht mehr beschwert ist. Jedenfalls<br />

ist die Anfechtungsklage nach Erledigung unzulässig.<br />

In diesem Fall eröffnet § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO dem<br />

Kläger die Möglichkeit, vom Anfechtungsantrag auf<br />

die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten<br />

Verwaltungsakts überzugehen, sofern er ein berechtigtes<br />

Interesse an dieser Feststellung hat.<br />

Aufgrund seiner systematischen Stellung im 10. Abschnitt<br />

der VwGO über Urteile (was begrifflich ein<br />

Klageverfahren voraussetzt) erfasst § 113 Abs. 1 S. 4<br />

VwGO unmittelbar nur den Fall der Erledigung einer<br />

Anfechtungsklage nach Klageerhebung. Da die Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

hier nur die Anfechtungsklage<br />

fortführt, entsprechen die Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

der Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

denen der Anfechtungsklage. Erforderlich ist also in<br />

jedem Fall eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2<br />

VwGO, die vorherige erfolglose Durchführung des<br />

78


AS aktuell Oktober 2007<br />

Widerspruchsverfahrens (§§ 68 ff. VwGO, vorbehaltlich<br />

einer Ausnahme nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO)<br />

sowie die Einhaltung der Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO)<br />

und die Wahl des richtigen Beklagten (§ 78 VwGO).<br />

Daneben fordert § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als spezielle<br />

Sachurteilsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

das sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein<br />

Fortsetzungsfeststellungsinteresse wird üblicherweise<br />

bejaht bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsbedürfnis,<br />

schwerwiegender Grundrechtsbeeinträchtigung,<br />

insbes. bei sich kurzfristig erledigenden Verwaltungsakten<br />

im Polizeirecht und aus dem Gesichtspunkt der<br />

Präjudizität zur Vorbereitung eines Schadensersatzoder<br />

Entschädigungsprozesses vor dem Zivilgericht.<br />

Unstreitig findet § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analoge<br />

Anwendung, wenn sich ein Verpflichtungsbegehren<br />

nach Klageerhebung erledigt. In diesen Fällen ist es<br />

zwar theoretisch denkbar, den (erledigten) Anspruch<br />

auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts zum Gegenstand<br />

einer allgemeinen Feststellungsklage gem. § 43<br />

Abs. 1 VwGO zu machen. Schenke weist jedoch zu<br />

Recht darauf hin, dass dann der „Gleichklang“ mit der<br />

Anfechtungsklage im Fall der Erledigung aufgegeben<br />

würde, da bei einer Feststellungsklage auf Vorverfahren<br />

und Klagefrist verzichtet wird, die jedenfalls bei<br />

unmittelbarer Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4<br />

VwGO, also bei Erledigung nach Klageerhebung, unstreitig<br />

Sachurteilsvoraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

sind.<br />

Bei erledigten Leistungs- und Feststellungsklagen wird<br />

dagegen eine analoge Anwendung des § 113 Abs. 1<br />

S. 4 VwGO überwiegend abgelehnt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

sei verwaltungsaktsbezogen. Für die<br />

verschiedentlich befürwortete analoge Anwendung<br />

bestehe kein Bedürfnis, da der Betroffene in diesen<br />

Fällen die allgemeine Feststellungsklage nach § 43<br />

Abs. 1 VwGO auf Bestehen oder Nichtbestehen eines<br />

vergangenen Rechtsverhältnisses erheben kann.<br />

Neuerdings heftig umstritten ist die analoge Anwendung<br />

des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei vorprozessualer<br />

Erledigung. Während die bislang h.M. bei Erledigung<br />

nach Klageerhebung von der Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

ausgeht, wird im Anschluss an<br />

ein obiter dictum in einer Entscheidung des BVerwG<br />

aus dem Jahre 1999 (BVerwGE 109, 203, 208 f.) in der<br />

Lit. vermehrt die allgemeine Feststellungsklage angenommen.<br />

Streitgegenstand sei hierbei die damalige<br />

Berechtigung der Verwaltung zum Erlass des erledigten<br />

Verwaltungsaktes. Dagegen wird eingewandt, dass<br />

durch den Verwaltungsakt zwar ein Rechtsverhältnis<br />

begründet oder verändert werde, der Verwaltungsakt<br />

selbst sei jedoch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis<br />

i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO. Die Berechtigung der<br />

Behörde zum Erlass des Verwaltungsaktes betreffe<br />

zwar ein dem Verwaltungsakt vorgelagertes gesetzliches<br />

Rechtsverhältnis. Solange der Verwaltungsakt<br />

aber Bestand habe, konkretisiere er und nicht die<br />

gesetzliche Regelung verbindlich die Rechtslage. Auf<br />

das dem Verwaltungsakt vorgelagerte Rechtsverhältnis<br />

dürfe erst zurückgegriffen werden, wenn der Verwaltungsakt<br />

unwirksam oder aufgehoben worden ist. Die<br />

Gegenansicht räumt ein, dass der Verwaltungsakt<br />

selbst zwar kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis<br />

ist. Durch die Erledigung werde der Verwaltungsakt<br />

kraft Gesetzes unwirksam (§ 43 Abs. 2 VwVfG), sodass<br />

die Konkretisierung durch den Verwaltungsakt entfalle<br />

und auf das vorgelagerte Rechtsverhältnis zurückgegriffen<br />

werden könne.<br />

Die Rechtsprechung lässt das obiter dictum in der o.g.<br />

Entscheidung des BVerwG zumeist unerörtert und<br />

geht ohne nähere Begründung von einer analogen<br />

Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch bei<br />

Erledigung vor Klageerhebung aus, schlägt jedoch<br />

einen Mittelweg ein. So wird für die Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

bei vorprozessualer Erledigung überwiegend<br />

weder eine Klagefrist noch ein Vorverfahren<br />

gefordert.<br />

Schenke meint, dass diese Konstruktion nicht überzeugen<br />

könne und den Zusammenhang zwischen der<br />

Statthaftigkeit der Klageart und den daran anknüpfenden<br />

Sachurteilsvoraussetzungen verkenne. Es sei inkonsequent,<br />

bei vorprozessualer Erledigung von § 113<br />

Abs. 1 S. 4 VwGO auszugehen, die Sachurteilsvoraussetzungen<br />

dann aber denen der allgemeinen Feststellungsklage<br />

nach § 43 Abs. 1 VwGO anzugleichen. Der<br />

neueren Lit. sei entgegenzuhalten, dass danach dem<br />

letztlich zufälligen Zeitpunkt der Erledigung entscheidende<br />

Bedeutung für die statthafte Klageart zukomme.<br />

Vielmehr sei bei erledigten Verwaltungsakten einheitlich<br />

von einer Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4<br />

VwGO auszugehen. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

entsprächen auch bei Erledigung vor Klageerhebung<br />

stets denen der Anfechtungsklage. Insbesondere<br />

sei die Fortsetzungsfeststellungsklage entgegen der<br />

Ansicht des BVerwG analog § 74 VwGO auch bei<br />

vorprozessualer Erledigung fristgebunden. Zwar könne<br />

ein erledigter Verwaltungsakt nicht mehr bestandskräftig<br />

werden; gleichwohl zwinge die Fristbindung den<br />

Kläger zu einer zeitnahen Klageerhebung. Da bei vorprozessual<br />

erledigten Verwaltungsakten die Rechtsbehelfsbelehrung<br />

aber in aller Regel keinen Hinweis auf<br />

die Fortsetzungsfeststellungsklage enthalte, betrage die<br />

Klagefrist gem. §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr.<br />

Ebenso könne nicht auf das Vorverfahren verzichtet<br />

werden. Entgegen der h.M. sei ein Fortsetzungsfeststellungswiderspruch<br />

grds. statthaft und könne zu einer<br />

verbindlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des<br />

Verwaltungsaktes führen. Dass die Verwaltung zu<br />

derartigen Feststellungen befugt sei, werde durch § 44<br />

Abs. 5 VwVfG bestätigt.<br />

79


Oktober 2007 AS aktuell<br />

Den einzigen Unterschied zwischen der Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

bei Erledigung vor und nach Klageerhebung<br />

sieht Schenke mit der h.Rspr. beim Fortsetzungsfeststellungsinteresse<br />

aus dem Gesichtspunkt der<br />

Präjudizität. Bei Erledigung vor Klageerhebung brauche<br />

keine Vorarbeit für den Zivilprozess geleistet werden,<br />

da sich der Kläger sofort an das zuständige Zivilgericht<br />

wenden könne, das dann die öffentlichrechtlichen<br />

Vorfragen ohnehin prüfen muss. Hier<br />

würde die vorherige Anrufung des Verwaltungsgerichts<br />

zu einer unökonomischen Prozessvermehrung führen.<br />

Ergänzung zu: AS-Skript VwGO (2006), S. 105 ff.<br />

Polizei- und Ordnungsrecht<br />

Prozessuale Folgen der Inanspruchnahme<br />

des Zustandsstörers ohne verfassungsrechtlich<br />

gebotene Haftungsbegrenzung<br />

Drosdowski NVwZ 2007, 789 ff.<br />

Die Vorschriften über die ordnungsrechtliche Zustandshaftung<br />

sind als Konkretisierung von Inhalt und<br />

Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)<br />

grds. verfassungsgemäß. Allerdings wird die Belastung<br />

des Eigentümers mit den Kosten der Zustandshaftung,<br />

insbes. bei der Sanierung von Altlasten, nach der Rspr.<br />

des BVerfG durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

begrenzt (BVerfGE 102, 1 ff.). Ein „Anhaltspunkt“<br />

für die Haftungsobergrenze könne der Verkehrswert<br />

des Grundstücks nach der Sanierung sein.<br />

Werde dieser Wert überschritten, entfalle in der Regel<br />

das Interesse des Eigentümers an einem künftigen<br />

Gebrauch des Grundstücks. Eine Belastung kann insbes.<br />

auch dann unzumutbar sein, wenn die Gefahr, die<br />

von einem Grundstück ausgeht, aus Naturereignissen,<br />

aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder<br />

von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrührt. Andererseits<br />

kann eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert<br />

z.B. eines sanierten Grundstücks übersteigt,<br />

dann zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko<br />

der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen<br />

hat. Aber auch dann, wenn der Eigentümer in fahrlässiger<br />

Weise die Augen vor Risikoumständen verschlossen<br />

hat, kann dies dazu führen, dass eine Kostenbelastung<br />

über die Höhe des Verkehrswerts hinaus zumutbar<br />

sein kann. Dem Eigentümer sei es aber auch dann<br />

nicht zumutbar, unbegrenzt für die Sanierung einzustehen,<br />

d.h. auch mit Vermögen, das in keinem rechtlichen<br />

oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem<br />

sanierungsbedürftigen Grundstück steht. Dagegen könne<br />

es zumutbar sein, Vermögen zur Sanierung einzusetzen,<br />

das zusammen mit dem sanierungsbedürftigen<br />

Grundstück eine funktionale Einheit bildet.<br />

Erweist sich die unbegrenzte Inanspruchnahme des<br />

Eigentümers als unverhältnismäßig, führt dies nach der<br />

Rspr. der Verwaltungsgerichte gem. § 113 Abs. 1 S. 1<br />

VwGO zur Aufhebung des die Zustandshaftung konkretisierenden<br />

Verwaltungsaktes in vollem Umfang.<br />

Die Verwaltung müsse vor Erlass der Verfügung prüfen,<br />

wo die Grenze der Zumutbarkeit im Einzelnen<br />

verläuft. Eine Teilaufhebung wird deshalb abgelehnt,<br />

weil die verfassungsrechtlich gebotene Kostenbegrenzung<br />

eine wesentliche Bestimmung des Gesamtinhalts<br />

des Verwaltungsakt darstelle. Im Kern gehe es dem<br />

Kläger um eine Verpflichtung der Behörde zur Ergänzung<br />

des Verwaltungsakts um eine Nebenbestimmung<br />

zur Haftungsbegrenzung. Wegen Unteilbarkeit der<br />

Handlungspflicht und der Kostenpflicht könne die<br />

Verfügung daher nicht teilweise angefochten oder<br />

aufgehoben werden.<br />

Drosdowski hält diese Rspr. für verfehlt, insbes. führe<br />

sie in der behördlichen Praxis zu unverhältnismäßigen<br />

Erschwernissen bei der effektiven Inanspruchnahme<br />

von Zustandsstörern. Nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO<br />

werde der Verwaltungsakt nur aufgehoben, „soweit“ er<br />

rechtswidrig sei. Die Vorschrift beschränke damit die<br />

Aufhebung auf das nach dem Rechtsschutzziel Gebotene.<br />

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Teilaufhebung<br />

sei, dass der Verwaltungsakt teilbar ist und die<br />

Rechtswidrigkeit nur einen abtrennbaren Teil der Regelung<br />

betrifft. Eine Teilaufhebung sei nur dann ausgeschlossen,<br />

wenn ein untrennbarer innerer Zusammenhang<br />

zwischen dem aufzuhebenden Teil und den übrigen<br />

Teilen des Verwaltungsakts bestehe. Auch dürfe<br />

der Verwaltungsakt durch die Teilaufhebung keine<br />

andere Bedeutung erlangen und kein aliud darstellen.<br />

Entgegen der Rspr. stehe der die Handlungspflicht des<br />

Zustandsstörers anordnende Teil der Verfügung aber<br />

nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang<br />

mit der Regelung der Kostentragung. Nach der Rspr.<br />

des BVerfG sei es zulässig, die Sanierungsverfügung<br />

mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung<br />

über die Kostentragung zu verbinden. Daher könne ein<br />

die Zustandshaftung konkretisierender Verwaltungsakt<br />

auch ohne Regelung der Kostenfrage selbstständig<br />

bestehen. Aufgrund der Teilbarkeit könne der Adressat<br />

daher nicht die Aufhebung der Anordnung seiner<br />

Handlungspflicht beanspruchen. Die Aufhebung müsse<br />

sich vielmehr auf den Teil beschränken, der die Kostentragung<br />

regelt und der allein die Rechtsverletzung<br />

des Adressaten beinhalte.<br />

Ergänzung zu: AS-Skript POR (2005), S. 56 ff.;<br />

AS-Skript POR NRW (2006), S. 200 ff.<br />

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