MAGAZIN | KOLUMNE Überschätzt! <strong>Festival</strong>-Hype In dieser Reihe schreibt unser Kolumnist über aus seiner Sicht völlig überschätzte Dinge. Dieses Mal um den Hype der <strong>Festival</strong>-Monster, die Jugendliche Jahr für Jahr in ihren Bann ziehen. Und um die semiprofessionelle blogoistisch-facebooksche Smartphone-Presse, die gerne und schnell ihren Speed-Senf in den Online-Ketchup taucht. Ey, kommste mit aufs Southside?“ „Hmm, wann ist das?“ „In elfeinhalb Monaten.“ Ach ja. Ich weiß noch nicht einmal was ich nachher essen werde, geschweige denn, was am Wochenende geplant ist und du nervst mich mit einem <strong>Festival</strong> in einem Jahr? Warum dauert das überhaupt noch so lange, ich habe das Gefühl die sind inzwischen jedes zweite Wochenende. Rock am Ring, Rock <strong>im</strong> Park, am See, auf ’m Berg, <strong>im</strong> Hinterhof, … Und wer da alles auftritt. Ich steige da schon lange nicht mehr durch. Und die Medien offensichtlich auch nicht. Um <strong>im</strong> Falle des Print-Sterbens gewappnet zu sein, gilt die Marc Eppler studiert in Freiburg IberoCultura und inzwischen Geschichte. Konzentration der Online- Redaktion. Und die wittert bei der <strong>Festival</strong>-Bericht-Erstattung natürlich den großen Durchbruch (Wieso eigentlich, waren doch eh <strong>im</strong>mer alle dabei). Offenbar gibt es aber nur zwei Arten von Online-Redakteuren. Die, die zu jung sind, um eine Ahnung davon zu haben, oder eben die alten Hasen, die zu alt sind. Ahnung wovon? Ahnung davon, dass Christopher George Latore Wallace aka Notorious B.I.G. vor gut 16 Jahren das Business für <strong>im</strong>mer – für <strong>im</strong>mer <strong>im</strong>mer – verlassen hat. Oder wie erklärt sich die Bildunterschrift unter einem dpa-Foto vom diesjährigen Southside-<strong>Festival</strong>: „Sänger Notorious B.I.G. be<strong>im</strong> Auftritt von Macklemore“ (Focus und StZ)? Wie sagt man da heutzutage: Fail! Was mich übrigens ebenfalls annervt und verwirrt, ist die Genre-technische Konzeption einzelner <strong>Festival</strong>s: Auf Elektro-<strong>Festival</strong>s rappt der Topf, Bruno Mars stürmt die Rock-Bühnen. Ich weiß schon, alles ist flexibler geworden, die Grenzen verschw<strong>im</strong>men – aber mir wird das alles zu bunt. Apropos neuester Hype oder viel Staub um nichts: Seit einem Jahr pilgern <strong>Festival</strong>-Freaks wie Gelegenheits-Raver auf Holi-<strong>Festival</strong>s in der ganzen Bundesrepublik. Jedes noch so kleine Dorf adaptiert das ursprüngliche indische Frühlingsfest. Ebenfalls jedes Wochenende. Ich wusste gar nicht, dass so oft Vollmond ist. Jedenfalls bringen dann alle ordentlich Farbe ins Spiel – ob es das war, was Samy oder Maeckes forderten? – und freuen sich des Lebens. Ob denn auch alle schon mal von Indien gehört haben, weiß ich nicht. Aber darum geht es auch nicht. Es geht einzig und allein darum, spätestens eine Sekunde nach dem mit Spannung heruntergezählten, ult<strong>im</strong>ativen Farb-Explosions- Countdown die ersten Fotos auf Facebook zu posten. Fotos die nicht ohne Stolz verraten: „Wir sind <strong>Festival</strong>, wir sind bunt, das Leben ist schön.“ Ja genau, wascht euch mal. Fehlen nur noch Kommentare, wie: „Das wird mir alles zu bunt.“ Dabei sind <strong>Festival</strong>s an sich gar nicht so übel, sie werden nur überschätzt und overhyped. <strong>Festival</strong>s sind <strong>im</strong>perialistische Monster, die… Hä? Das wollte ich gar nicht sagen. Jedenfalls sind <strong>Festival</strong>s kein Lebensinhalt, und sollten sie das doch sein, wären Gedanken über den Lebensinhalt angebracht. Aber wer sagt euch das? Ich weiß noch, damals. Ich plante bereits <strong>im</strong> August 2006 fest damit, <strong>im</strong> Juli des Folgejahres auf ‘jedensten’ auf den HipHop Open in Stuttgart abzufeiern. Freundeskreis, Blumentopf, Jan Delay & Disco No. 1, Wu Tang Clan, Umse – Holger, die Waldfee, war das eine Ansage. Leider waren damals Smartphones noch nicht so verbreitet, sonst könnte ich euch ein Bild zeigen. • 34 | 35
Sonntag • 7. Juli 2013 verkaufsoffen | Böblingen Innenstadt von 13 bis 18 Uhr