Rockstar schreibt Kultkrimis - Börsenblatt des deutschen Buchhandels
Rockstar schreibt Kultkrimis - Börsenblatt des deutschen Buchhandels
Rockstar schreibt Kultkrimis - Börsenblatt des deutschen Buchhandels
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HEFT 5•2011 ISSN 0178-7241<br />
Für Sie von Ihrer Buchhandlung<br />
buchjournal<br />
Weil Lesen Spaß macht<br />
Island<br />
Ein Besuch bei<br />
Krimiautor Arnaldur<br />
Indriðason<br />
Waringhams Erbe<br />
Rebecca Gablés<br />
England-Leidenschaft<br />
Autor gesucht!<br />
Gewinnen Sie so<br />
viele Bücher, wie<br />
Sie tragen können!<br />
Lust auf mehr<br />
Zwei neue Romane<br />
als Leseproben<br />
SCHWERPUNKT<br />
^ Genießen<br />
Pack’ die Stäbchen<br />
aus – die Asien-Küche<br />
ist wieder da;<br />
opulente Kochbücher<br />
im XXL-Format; ab in<br />
den Ofen – neue<br />
Backbücher<br />
<strong>Rockstar</strong> <strong>schreibt</strong> <strong>Kultkrimis</strong><br />
Gewinnspiel<br />
buchjournal.de
»Wortgewaltig und hochspannend. Ein fulminanter<br />
Erstling. Ernst und witzig, politisch und intim,<br />
brutal und raubeinig-zärtlich.«<br />
Regula Freuler, Neue Zürcher Zeitung<br />
Die DDR ist wieder da.<br />
PLAND<br />
SIMON<br />
Auf 552 Seiten.<br />
URBAN<br />
Für nur 24,95 Euro.<br />
ROMAN<br />
SCHÖFFLING & CO.<br />
Simon Urban<br />
Plan D<br />
Roman<br />
552 Seiten. Gebunden<br />
Lesebändchen<br />
€ 24,95<br />
ISBN 978-3-89561-195-7<br />
www.simonurban.de<br />
SCHÖFFLING & CO.
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser!<br />
Editorial<br />
C’EST LA VIE!<br />
ÜBER LIEBE, LÜGEN<br />
UND DIE LUST AM LEBEN.<br />
© Denis Stanisic<br />
Der 22. Juli 2011 wird den<br />
Norwegern ähnlich tief ins<br />
Gedächtnis eingebrannt sein wie der<br />
11. September 2001, sagte Jo Nesbø bei<br />
Eckart Baier, Redaktionsleiter<br />
unserem Gespräch in Oslo Anfang August.<br />
e.baier@buchjournal.de<br />
Anders Behring Breiviks Attentate im<br />
Regierungsviertel und auf Utøya kosteten<br />
77 Menschen das Leben – und werden das Land verändern, so Nesbø. Wir<br />
sprachen über den Schock <strong>des</strong> Verbrechens, aber auch über den neuen<br />
Thriller „Die Larve“ <strong>des</strong> 51-Jährigen, der in seiner Heimat nicht nur als<br />
Autor von international erfolgreichen Thrillern und Kinderbüchern,<br />
sondern auch als Rockmusiker gefeiert wird. (Seite 12)<br />
Island hat als Ehrengast einen großen Auftritt bei der Frankfurter<br />
Buchmesse 2011. Ein Gespräch mit dem Krimi schriftsteller Arnaldur<br />
Indriðason soll Sie auf das Ereignis einstimmen (Seite 54). Frankfurt<br />
ist jedoch erst der Auftakt <strong>des</strong> Literaturherbstes: Im November geht es<br />
mit dem Literaturfest München weiter – das Buchjournal ist Medienpartner.<br />
Wir stellen Ihnen Highlights <strong>des</strong> dreiwöchigen Festivals vor<br />
und haben uns mit Matthias Politycki unterhalten, der in diesem Jahr<br />
das forum:autoren als Kurator verantwortet. (ab Seite 26)<br />
Wie viele Bücher können Sie wohl eigenhändig aus einer Buchhandlung<br />
hinaustragen? Sie können es gern ausprobieren, wenn Sie bei<br />
unserem großen Gewinnspiel mitmachen und den ersten Preis<br />
abräumen. Einfach Coupon ausfüllen und bei Ihrem Buchhändler<br />
abgeben – alles Weitere lesen Sie auf Seite 6.<br />
Das Thema „Rot“ hat offenbar die Fantasie beflügelt: Mehr als 1 000<br />
Einsendungen zum Buchjournal-Schreibwettbewerb haben uns<br />
erreicht. Die Siegergeschichte lesen Sie ab Seite 62, alle übrigen<br />
prämierten Storys im Internet unter www.buchjournal.de.<br />
© plainpicture<br />
Ca. 608 Seiten mit Lesebändchen<br />
Deutsch von Nathalie Lemmens<br />
Geb. mit SU<br />
€ 22,99 [D]<br />
Eine liebenswerte und mit französischer<br />
Leichtigkeit geschriebene<br />
Geschichte über den ganz<br />
normalen Wahnsinn <strong>des</strong> Lebens<br />
und über all die Menschen, die<br />
auf dem Karussell <strong>des</strong> Lebens<br />
mitreisen, runterfallen und wieder<br />
aufsteigen.<br />
VORSICHT:<br />
HOHER SUCHTFAKTOR!<br />
Lesen Sie auf: www.cbertelsmann.de<br />
Besuchen Sie uns auf Facebook!<br />
buchjournal 5/2011<br />
3
Bücher<br />
für eine bessere Welt<br />
Ein sehr offener und ehrlicher Dialog,<br />
eine Begegnung mit sich selbst und fast<br />
schon eine Art “Therapie”. Wer sich nicht<br />
mehr vor seinen Mitmenschen, seinem<br />
Umfeld oder gar sich selbst verstecken will,<br />
wer keine Angst mehr davor haben will,<br />
hinter seiner Fassade entdeckt und<br />
erkannt zu werden, findet hier wertvolle<br />
Impulse und kann Freundschaft mit sich<br />
selbst schließen!<br />
104 Seiten, kartoniert<br />
ISBN 978-3-922028-00-0 12,50 €<br />
Inhalt<br />
Titel<br />
12 Jo Nesbø _ Der neunte Harry-Hole-Roman „Die Larve“ ist nach „Leopard“ und<br />
„Schneemann“ erneut ein Spitzen-Thriller. Eine Begegnung in der norwegischen<br />
Hauptstadt, die noch unter dem Schock <strong>des</strong> Breivik-Attentats stand<br />
Literatur / Kinder- und Jugendbuch<br />
17 Fantastisch _ Haruki Murakami und sein „1Q84“<br />
18 Lesestoff Romane _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
20 16. Jahrhundert _ Rebecca Gablés Fortführung ihrer Waringham-Saga<br />
26 Literaturfest München _ Bücherherbst: Lesen (fast) ohne Ende<br />
28 Literaturfest München _ Interview mit Kurator Matthias Politycki<br />
30 E-Books _ Alles easy beim elektronischen Lesen<br />
31 Buchjournal-Tipp _ Eugen Ruges Roman „In Zeiten <strong>des</strong> abnehmenden Lichts“<br />
32 Lebensgeschichten _ Dora Heldt über den blöden 50. Geburtstag<br />
34 Zamonien _ Walter Moers’ gefährliche Bücher<br />
36 Biografie _ Heinrich von Kleist, unser vitalster Klassiker<br />
62 Schreibwettbewerb _ Susanne Wedlichs Kurzgeschichte „Das Fleisch“<br />
90 Lesestoff Kinder- und Jugendbuch _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
Krimi und Thriller / Hörbuch<br />
38 Neue Hörbücher _ Eine Auswahl für die Ohren<br />
40 Porträt _ Eine Begegnung mit der Schauspielerin Eva Mattes<br />
44 Dunkelkammer _ Die Krimikolumne von Tobias Gohlis<br />
46 Norwegen _ Wirbel um Thomas Engers Thriller-Debüt<br />
52 Lesestoff Krimis _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
Im Gespräch<br />
54 Arnaldur Indriðason _ Mit seinen Krimis wurde er der erfolgreichste Autor<br />
Islands. Ein Gespräch in Reykjavík – über seine Bücher und seine Heimat, die<br />
Ehrengast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ist<br />
Sachbücher / Ratgeber / Kalender<br />
65 Gesellschaft _ Jeremy Rifkins Szenarien für eine andere Welt<br />
66 Politik _ Die Revolutionen in den arabischen Staaten<br />
68 Umweltschutz _ Interview mit dem Ökologen Tim Flannery<br />
70 Lesestoff Sachbücher _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
80 USA _ Reiseführer über Florida<br />
82 Venedig _ Immer wieder faszinierend: die Lagunenstadt in neuen Büchern<br />
92 Kalender _ Frische Ware für 2012<br />
Wer sich und seinen Gefühlen auf die<br />
Schliche kommen will, den wird diese<br />
humorvolle und warmherzige Erzählung<br />
dazu anregen, vieles mit anderen Augen<br />
zu sehen und zu verstehen. Jeder kann<br />
sich hier wiederfinden und lernen, sinnvoll<br />
mit allen Gefühlen umzugehen. Ein wundervolles<br />
Buch zum Aufmuntern, Vorlesen<br />
und Verschenken oder einfach um mehr<br />
über sich selbst zu erfahren.<br />
80 Seiten, kartoniert<br />
ISBN 978-3-922028-30-7 11,50 €<br />
www.lucy-koerner-verlag.de<br />
Postfach 1106 · 70701 Fellbach<br />
lucy körner verlag<br />
© Ilja C. Hendel / VISUM<br />
12<br />
© dvdwinters<br />
62<br />
4<br />
buchjournal 5/2011
© Boris Breuer<br />
Schwerpunkt Essen, Trinken & Genießen<br />
74 Asiatische Küche _ Gesund, lecker – und als Augenschmaus serviert<br />
77 Gute Backbücher _ Genuss aus dem Ofen<br />
78 Kochbücher _ XXL-Werke über Küchenarbeit<br />
Service<br />
22 Leseprobe _ Mark Weltes Roman „In die Füße atmen“<br />
48 Leseprobe _ Kate Atkinsons Thriller „Das vergessene Kind“<br />
84 BuchTipps _ Neuerscheinungen im Überblick<br />
Rubriken<br />
3 Editorial<br />
8 Leselust<br />
10 Schön & Gut<br />
16 Stratmanns Welt _ Parlare italiano?<br />
42 Mediathek<br />
88 Wir lesen<br />
89 Leselotse<br />
96 Bücherköpfe<br />
97 Ganz oder gar nicht _ David Nicholls<br />
98 Ratelust _ Das Buchjournal-Gewinnspiel<br />
Eselsohren<br />
sind bei<br />
folgendem<br />
Buch<br />
ausdrücklich<br />
erwünscht<br />
Titelbild: © Ilja C. Hendel / VISUM<br />
Machen<br />
Sie mit<br />
– und gewinnen Sie<br />
jede Menge Bücher!<br />
Mehr zum Gewinnspiel<br />
auf Seite 6<br />
Buch ISBN 978-3-7857-6050-5 | € 12,99 [D]<br />
Hörbuch ISBN 978-3-7857-4544-1 | € 14,99 [D] (UVP)<br />
© Olivier Favre<br />
54<br />
© jcarillet/ istockphoto<br />
66<br />
74<br />
© goinyk<br />
Woher weiß man, ob man mit<br />
seinem Partner ein Leben lang<br />
glücklich sein kann? Und was<br />
ist, wenn einem jemand über<br />
den Weg läuft, der viel besser<br />
zu einem passen würde?<br />
buchjournal 5/2011 5<br />
www.luebbe.de
GEWINNSPIEL<br />
Buchjournal-Leser aufgepasst: Verraten Sie uns Ihren<br />
zeitgenössischen Lieblingsautor und gewinnen Sie Bücher –<br />
und zwar so viele, wie Sie tragen können. Oder einen attraktiven<br />
BücherScheck. Die Teilnahme ist ganz einfach: Coupon ausfüllen,<br />
ausschneiden und bei Ihrem Buchhändler abgeben.<br />
Gewinnen Sie einen<br />
Riesenstapel Bücher!<br />
Schreiben Sie uns, wie Ihr Lieblingsautor heißt! Der Schriftsteller beziehungsweise die<br />
Schriftstellerin sollte in den vergangenen zehn Jahren ein Buch veröffentlicht haben. Mit<br />
ein wenig Glück gewinnen Sie einen unserer attraktiven Preise: So viele Bücher, wie Sie<br />
tragen können, oder einen BücherScheck im Wert von 200, 100 oder 50 Euro. Wir haben<br />
nur eine Bedingung: Den unten stehenden Coupon müssen Sie in der Buchhandlung abgeben,<br />
in der Sie das Buchjournal bekommen haben, oder in einer Buchhandlung, die es führt.<br />
Aus allen abgegebenen Coupons ziehen wir dann die Gewinner. Teilnehmende Buchhandlungen<br />
finden Sie unter www.buchjournal.de/buchhaendlersuche – viel Erfolg!<br />
Mein/e zeitgenössische/r Lieblingsautor/in heißt:<br />
buch journal<br />
weil<br />
Das Buchjournal bekomme ich in der Buchhandlung:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Hausnummer<br />
alle © Denis Stanisic<br />
Postleitzahl, Wohnort<br />
Abgabefrist ist der 15. November 2011<br />
Bitte informieren Sie mich künftig per E-Mail über weitere Buchjournal-Aktionen<br />
E-Mail-Adresse<br />
Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben und nur zum Zweck <strong>des</strong> Gewinnspiels erhoben.<br />
6<br />
buchjournal 5/2011
Hauptgewinn<br />
So viele Bücher, wie<br />
Sie aus Ihrer Buchhandlung<br />
eigenhändig hinaustragen<br />
können – Hilfsmittel wie Kisten,<br />
Koffer oder Taschen sind<br />
nicht erlaubt.* Der Gewinner<br />
muss die Bücher von der<br />
Kasse bis zur Ladentür<br />
tragen können.<br />
SIE IST WIEDER DA.<br />
UND SIE HAT<br />
ANGST<br />
MITGEBRACHT.<br />
2. Preis<br />
BücherScheck über 200 Euro<br />
3. Preis<br />
BücherScheck über 100 Euro<br />
4. – 6. Preis<br />
BücherScheck über 50 Euro<br />
Auch als<br />
E-Book<br />
© Jens Weber; thinkstockphoto.de<br />
€ (D) 9,99, € (A) 10,30, sFr. 14,90. (UVP)<br />
* Ausgenommen sind E-Books.<br />
Wert der Bücher insgesamt maximal 2 500 Euro.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
PS: Freue mich auf morgen, lautet die letzte Mail<br />
an Lainey Emerson. Dann verliert sich ihre Spur. Eine<br />
Ausreißerin, sagen alle. Alle, außer FBI-Agent Bob<br />
Dees, den bei seinen Ermittlungen das Grauen packt.<br />
Was, wenn ein gefährlicher Unbekannter Mädchen<br />
sammelt? Mädchen, die keiner vermisst?<br />
buchjournal 5/2011 7
Ein Mann<br />
muss tun,<br />
was ein Mann<br />
tun muss.<br />
Mit Zeitmaschine<br />
LESELUST_ISLAND<br />
Brodelnder Magmatopf<br />
Als der Vulkan Eyjafjallajökull im<br />
vergangenen Jahr Rauch und<br />
Asche spuckte und den Flugverkehr<br />
auf der nördlichen Hemisphäre<br />
lahmlegte, wurden wir<br />
daran erinnert, dass Island eine<br />
ganz besondere Insel ist: Erst vor<br />
rund 25 Millionen Jahren ist sie<br />
aus dem Meer emporgestiegen,<br />
und noch heute ist die größte<br />
Vulkan insel der Erde ein brodelnder<br />
Magmatopf, der in jedem Moment<br />
überkochen kann. Zumal<br />
die Gletscher Islands durch den<br />
Klimawandel abschmelzen und<br />
dadurch, so befürchten Geologen,<br />
die vulkanische Aktivität in den<br />
nächsten Jahren noch deutlich zunehmen<br />
könnte. Dabei formen<br />
diese Naturgewalten von Feuer,<br />
Wasser und Eis bizarre und grandiose<br />
Bilder und Landschaften,<br />
wie sie in dieser Form vielleicht<br />
nur auf der „unvollendeten Insel“ im Nordatlantik zu erleben sind und wie sie der französische<br />
Fotograf Olivier Grunewald in seinen Bildern festgehalten hat. Wir sehen feuerspeiende Berge<br />
und brodelnde Erdlöcher, gigantische Wasserfälle, kalbende Gletscher, Geysire und faszinierende<br />
Farbenspiele, die das Polarlicht bisweilen in den isländischen Himmel zaubert.<br />
bai<br />
^ „Island. Die unvollendete Insel“. National Geographic Deutschland,<br />
256 S., 45,– € (D) • 46,4o € (A) • 74,90 sFr.<br />
Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss:<br />
Er muss sich entscheiden, etwas bewegen, mal<br />
muss er standhaft sein, mal muss er flüchten.<br />
Manchmal muss er ein Risiko eingehen, manchmal<br />
muss er Ruhe bewahren. Und vor allen<br />
Dingen sollte er sich treu bleiben. Das gilt fürs<br />
Leben ebenso wie für dieses Spiel. Mit strategischem<br />
Geschick versuchen die Spieler bei<br />
Ein Mann – Ein Spiel das Leben zu meistern,<br />
sie stellen sich den Herausforderungen und<br />
ent wickeln ihre Charaktere. Doch die Zeitmaschine<br />
beschleunigt die Ereignisse und jede<br />
Chance bietet sich nur einmal. Ein spannen<strong>des</strong><br />
Strate giespiel inspiriert vom Bestseller Ein<br />
Mann – Ein Buch. Jetzt überall im Handel für<br />
34,90 Euro (UVP).<br />
Magische Bilder und Töne<br />
Island ist weit weg vom Rest Europas – und<br />
kaum besiedelt. Hier gibt es unendliche Steppen<br />
zu entdecken, auf denen nur Pferde grasen,<br />
Eislandschaften, Wasserfälle, Vulkane, das Spiel<br />
<strong>des</strong> Sonnenlichts auf dem Wasser, beeindruckende<br />
Wolkenformationen … Emil Thor fängt<br />
diese Impressionen mit großformatigen Fotos<br />
ein und vermittelt einen Eindruck von dem faszinierenden<br />
Land im Norden, von seinen Landschaften<br />
und seiner Weite. Zusätzlich zu dem<br />
zweisprachigen Bildband (Deutsch-Isländisch)<br />
gibt es eine DVD mit 215 Bildern und eine CD mit<br />
Liedern, gesungen vom isländischen Opernstar<br />
Arndis Halla. sc<br />
^ Emil Thor: „Island.<br />
Zauber der<br />
Freiheit“. Mit Musik-CD<br />
und DVD.<br />
Edel, 128 S., 29,95 €<br />
(D) • 30,80 € (A) •<br />
43,50 sFr.<br />
Blaue Lagune am Polarkreis<br />
Noch bis vor wenigen<br />
Jahren galt Island als<br />
touristischer Geheimtipp,<br />
inzwischen kommen<br />
jährlich 500000 Besucher<br />
– Tendenz steigend. Für<br />
Wanderer und Naturliebhaber<br />
gibt es wohl kein<br />
besseres Ziel als das Kleinod<br />
am Polarkreis, wie der<br />
informative und exzellent bebilderte Band „Highlights<br />
Island“ zeigt. Neben Land und Leuten präsentiert<br />
er 50 lohnende Ziele von der Bláa Lónið,<br />
der „Blauen Lagune“ mit ihrem heilsamen Wasser,<br />
im Südwesten bis zum Jökulsárgljúfur-Nationalpark,<br />
dem Grand Canyon Islands, im Norden, wo<br />
der Gletscherfluss Jökulsá á Fjöllum eine spektakuläre<br />
Landschaft geformt hat.<br />
bai<br />
^ Kerstin Langenberger, Olaf Krüger: „Highlights<br />
Island. Die 50 Ziele, die Sie gesehen haben sollten“.<br />
Bruckmann, 168 S., 24,95 € (D) • 25,70 € (A) • 37,90 sFr.<br />
8<br />
buchjournal 5/2011
Nicht erfunden: Die Orte,<br />
an denen die Sagas spielen,<br />
sind keineswegs fiktiv<br />
© Eric Middelkoop<br />
Abtauchen in die rauen, aber mitnichten gefühllosen Welten<br />
der nordischen Vorzeit: Die Isländersagas sind spannender denn<br />
je in neuen Übersetzungen zu lesen.<br />
Harte Kämpfe, List und Ironie<br />
Schwerter sausen durch die Luft, Hjarrandis<br />
Waffe trifft Helgis Zähne und sich fünf Geschichten vorgenommen hat.<br />
sen eine Kurzversion der Sagas, wobei er<br />
durchbohrt die Unterlippe. „Nie hatte ich<br />
ein schönes Gesicht“, meint Helgi, „und du<br />
hast wenig daran verbessert.“ Solche trockenen<br />
Kommentare finden sich immer<br />
wieder in den 64 Isländersagas – was die<br />
komplett neue Übersetzung der vierbändigen<br />
S. Fischer-Ausgabe überzeugend herausarbeitet.<br />
Wie einst Gustav Schwab bei den griechischen<br />
Sagen hat Spreckelsen die Inhalte<br />
übersichtlich gekürzt und leicht verständlich<br />
nacherzählt. Die gestraffte Handlung<br />
schafft Spannung, die von den plakativen<br />
Illustrationen Kat Menschiks begleitet wird<br />
– ein Einstieg in die Welt <strong>des</strong> Mittelalters. hc<br />
Flott kommen die Ge-<br />
schichten daher, die 13 Übersetzer<br />
in drei Jahren ins Deutsche übertragen<br />
Lesezeichen<br />
haben – ein editorisches<br />
Mammutprojekt, das wissenschaftlichen<br />
Maßstaben genügt<br />
und dennoch unterhaltsam zu lesen<br />
ist. Denn es menschelt allüberall<br />
in den Texten: Da wird geliebt<br />
und gestritten, gehasst und<br />
manchmal auch verziehen; Norweger<br />
und Isländer denken sich (Hinter-)Listen<br />
aus, um zum Ziel zu gelangen.<br />
Raufbolde sind der Dichtkunst<br />
ebenso zugetan wie Könige,<br />
Klaus Böldl u. a. (Hrsg.): Die Isländersagas. S. Fischer, 4 Bände<br />
plus Kommentarband, 3 384 S., Subskriptionspreis bis Februar:<br />
Frauen stacheln Männer an. Kassette 98,– € (D) • 100,80 € (A) • 129,– sFr. Auch als Einzelbände<br />
Menschliche Größe und Schwächen<br />
liegen nah beieinander. Kleine<br />
Dramen. Großes Kino.<br />
zwischen 24,95 € und 28,95 € (D) lieferbar<br />
Der Mordbrand von Örnolfsdalur und andere Isländer Sagas.<br />
Nacherzählt von Tilman Spreckelsen, illustriert von Kat Menschik.<br />
In „Der Mordbrand“ liefert Galiani, 208 S., 24,99 € (D) • 25,70 € (A) • 35,90 sFr.<br />
„FAZ“-Redakteur Tilman Spreckel-<br />
buchjournal 5/2011 9<br />
Vier der schönsten und ältesten Sagen aus<br />
dem mittelalterlichen Island erzählen von<br />
Wikingern, einsamen Streitern und mutigen<br />
Seefahrern, von Riesen und Trollen<br />
aus der Anderwelt und von geheimnisvollen<br />
Berserkern, die vor Kampfeswut<br />
in ihre Schilde beißen.<br />
»Hier können Fans von J.R.R.<br />
Tolkien und Co. das Original<br />
kennen lernen.« Die Märkische<br />
Sagas aus Island<br />
Von Wikingern, Berserkern und Trollen<br />
Hrsg. und Übers.: R. Hennig u. R. Simek<br />
596 S. · € 34,95<br />
ISBN 978-3-15-010799-7<br />
www.reclam.de<br />
Isländische Literatur bei Reclam:<br />
http://island.reclam.de<br />
Viel mehr als<br />
Klassiker in Gelb.
Schön&Gut<br />
Spielzeit<br />
TEXT: CHRISTINA BUSSE<br />
Abenteuer für Mutige<br />
© Ravensburger<br />
Es ist zum Verrücktwerden: Schatzkarte, Ring, Kobold und der winkende Geist – sie alle sind im<br />
Wirrwarr <strong>des</strong> Labyrinths zum Greifen nah. Aber Mauern und Sackgassen versperren den Weg.<br />
Doch schon wenn der nächste Spieler am Zug ist, verändert sich das Gefüge aus Barrieren und<br />
Gängen schlagartig, und mit etwas Glück ist der Zugriff auf die Schätze plötzlich frei. Das Spielprinzip<br />
von „Das verrückte Labyrinth“ ist leicht zu verstehen und fasziniert Menschen auf der<br />
ganzen Welt. Erfunden hat den Spieleklassiker für die ganze Familie vor 25 Jahren der Psychologie-Professor<br />
Max J. Kobbert. Zum Jubiläum gibt es eine Sonderauflage mit im wahrsten Sinne<br />
„bahn-brechenden“ Zusatzregeln, die magische Kräfte verleihen.<br />
^ „Das verrückte Labyrinth“ – Jubiläumsausgabe in Metallbox. 2 – 4 Mitspieler, ca. 22,99 €, ab 7<br />
www.ravensburger.de<br />
Wer ist der größte Dinoforscher aller Zeiten? Auf<br />
einer spannenden Expedition ins sagenumwobene<br />
Tal der Saurier suchen unerschrockene Entdecker<br />
nach Spuren der Urzeitriesen. Mit Hammer<br />
und Meißel klopfen sie wertvolle, versteinerte<br />
Dinoknochen aus dem Felsen. Doch<br />
aufgepasst: Zwischen den Felsblöcken verbirgt<br />
sich ein gefährlicher Dinosaurier, der darauf wartet,<br />
freigelegt zu werden! Die abenteuerliche<br />
Aufgabe ist nur mit Fingerspitzengefühl und<br />
einer großen Portion Mut zu bestehen.<br />
^ „Expedition Dino“ – Geschicklichkeitsspiel mit<br />
3-D-Aufbau. 2 – 5 Mitspieler, ca. 24,95 €, ab 4<br />
www.haba.de<br />
Wer war’s und warum?<br />
Das Böse lauert immer<br />
und überall – und jetzt<br />
ist eine geheimnisvolle<br />
Villa Schauplatz eines<br />
mysteriösen Verbrechens.<br />
Wer ist der Mörder?<br />
Rache, Habgier<br />
oder Eifersucht – welches<br />
Motiv hatte er? Wo ist<br />
der genaue Tatort und<br />
mit welcher Waffe wurde<br />
die Tat begangen?<br />
Die Mitspieler schlüpfen<br />
in die Rolle der Kripo und machen sich daran, den<br />
Fall zu lösen. Mit logischem Denken, Ausdauer<br />
und Kombinationsgabe kommt man dem Mörder<br />
Stufe für Stufe auf die Spur. Dank magnetischem<br />
Zubehör ist das Spiel auch ideal für unterwegs.<br />
^ „Mord im Mondschein“ – Mörder-Suchspiel in<br />
Metallbox. 2 Mitspieler, ca. 9,95 €, ab 8<br />
www.universitygames.de<br />
Männersache<br />
Will ich ein Kind zeugen? Oder lieber Papst werden?<br />
Oder vielleicht doch bei<strong>des</strong>? Ein Mann<br />
sollte nicht nur einige Dinge über das Leben wissen,<br />
er muss auch handeln: Er muss sich entscheiden,<br />
etwas bewegen, mal muss er ein Risiko<br />
eingehen, mal die Ruhe bewahren. Das gilt<br />
fürs Leben ebenso wie für dieses Spiel, das inspiriert<br />
ist durch den Bestseller „Ein Mann. Ein<br />
Buch“. Selbstverständlich dürfen hier auch<br />
Frauen erproben, was es heißt, das Leben als<br />
Mann zu meistern.<br />
^ „Ein Mann, ein Spiel“. 2 – 4 Mitspieler,<br />
ca. 34,90 €, ab 12; www.sz-shop.de<br />
Umsturz in der Scheibenwelt<br />
Die Fantasystadt Ankh-Morpork aus der Kultbuchreihe<br />
von Terry Pratchett versinkt im Chaos: Der<br />
Herrscher der Scheibenwelt, Lord Vetinari, ist verschwunden.<br />
Nun versuchen der Drachenkönig,<br />
der Troll Chrysopras und weitere merkwürdige<br />
Charaktere die Führung dieses unregierbaren<br />
Ortes an sich zu reißen. Mehr als 100 skurrile Charaktere<br />
und Gebäude lassen die größte Stadt auf<br />
der fantastischen Scheibenwelt, die auf dem Rücken<br />
einer riesigen Schildkröte durch das Weltall<br />
schwimmt, lebendig werden.<br />
^ „Terry Pratchett. Scheibenwelt“ – Brettspiel<br />
zur Buchreihe. 2 – 4 Mitspieler, ca. 34,99 €, ab 10<br />
www.kosmos.de<br />
10<br />
buchjournal 5/2011
Kober Verlag AG<br />
Postfach 1051<br />
CH-8640 Rapperswil<br />
www.koberverlag.com<br />
info@koberverlag.ch<br />
Das geistige Lehrwerk<br />
von Bô Yin Râ umfaßt folgende<br />
Titel:<br />
Das Buch der königlichen Kunst<br />
Das Buch vom lebendigen Gott<br />
Das Buch vom Jenseits<br />
Das Buch vom Menschen<br />
Das Buch vom Glück<br />
Der Weg zu Gott<br />
Das Buch der Liebe<br />
Das Buch <strong>des</strong> Trostes<br />
Das Buch der Gespräche<br />
Das Geheimnis<br />
Die Weisheit <strong>des</strong> Johannes<br />
Wegweiser<br />
Das Gespenst der Freiheit<br />
Der Weg meiner Schüler<br />
Das Mysterium von Golgotha<br />
Kultmagie und Mythos<br />
Der Sinn <strong>des</strong> Daseins<br />
Mehr Licht<br />
Das Hohe Ziel<br />
Auferstehung<br />
Welten<br />
Psalmen<br />
Die Ehe<br />
Das Gebet<br />
So sollt ihr beten<br />
Geist und Form<br />
Funken/Mantra Praxis<br />
Worte <strong>des</strong> Lebens<br />
Über dem Alltag<br />
Ewige Wirklichkeit<br />
Leben im Licht<br />
Briefe an einen und viele<br />
Hortus Conclusus<br />
Daran anschließende Werke:<br />
Kodizill zu meinem geistigen Lehrwerk<br />
Marginalien<br />
In eigener Sache<br />
Über die Gottlosigkeit<br />
Geistige Relationen<br />
Okkulte Rätsel<br />
Mancherlei<br />
Warum ich meinen Namen führe<br />
Über meine Schriften<br />
Aus meiner Malerwerkstatt<br />
Das Reich der Kunst<br />
Nachlese I<br />
Nachlese II<br />
… „Mit Donnerworten möchte ich<br />
euch aus dem Schlafe erwecken,<br />
um euch der lautlosen Stille <strong>des</strong><br />
ewig wachen Lebens der Wirklichkeit<br />
zuzuführen, in der allein der<br />
‚lebendige Gott‘ in euch geboren<br />
werden kann!“…<br />
Mehr Licht<br />
301 Seiten, Leinen<br />
Fr. 40.- / € 29.-<br />
ISBN 978-3-85767-036-7<br />
Inhalt:<br />
Geleitwort<br />
Denen, die <strong>des</strong> Schlafens müde wurden<br />
Die Baumeister am Dome der Menschheit<br />
Theosophie und Pseudotheosophie<br />
Von den drei Stufen<br />
Was es zu fassen gilt!<br />
Das Mysterium der künstlerischen Ausdrucksform<br />
Westöstliche Magie<br />
Das Licht <strong>des</strong> Geistes im Christentum<br />
Das Geheimnis der alten Dombauhütten<br />
Vom rechten Gottesdienst<br />
„Mehr Licht!“ – so heischte einst ein großer Dichter in der<br />
Stunde seines Abscheidens. Das gleich betitelte Buch von<br />
Bô Yin Râ läßt Licht einströmen in dunkle Seelenräume<br />
erdenmenschlicher Sehnsucht. Freilich, es muß der Leser<br />
selber sein Inneres ausräumen und frei machen, damit solches<br />
Leuchten in ihn eindringen kann. Der Band erweckt<br />
im besinnlichen Leser gleichsam melodische Urerinnerungen<br />
an Lebensgefühle <strong>des</strong> Geistmenschen, bevor er, sich<br />
selbst und seinen lebendigen Gott verkennend, in die bipolar<br />
gespaltenen und widersprüchlichen Zustände <strong>des</strong><br />
Erdendaseins flüchtete.<br />
In den den Büchern von Bô Yin Râ geht es nicht um eine neue religiöse<br />
Bewegung, es wird keine Gefolgschaft erwartet und nicht<br />
einmal ein Glaube ist gefordert. Es geht vielmehr um „… ein Erwecken<br />
der lebendigen geistigen Kräfte, die der Erdenmensch<br />
auch heute noch in sich selber finden kann …“.<br />
Mehr über den Autor mit dem fremd klingenden Namen, <strong>des</strong>sen<br />
Werk in elf Sprachen übersetzt worden ist, erfahren Sie auf<br />
unserer Website www.koberverlag.ch oder in unserem Gesamtverzeichnis,<br />
das wir Ihnen gerne zustellen.<br />
Tel. 0041 55 214 11 34 oder info@koberverlag.ch
Titel<br />
Verhinderter Fußballprofi, Rockmusiker, Ökonom, Schriftsteller: Jo Nesbø ist<br />
ein Mann mit vielen Talenten. Ein Gespräch über seinen neuen Thriller „Die Larve“,<br />
den Schmerzensmann Harry Hole und die Folgen <strong>des</strong> Massakers von Oslo.<br />
„Die Realität ist<br />
immer schlimmer“<br />
TEXT: ECKART BAIER • FOTOS: ILJA C. HENDEL / VISUM<br />
ein Gespräch mit Jo Nesbø Anfang<br />
August lässt sich nicht führen, ohne über<br />
das zu reden, was vor zweieinhalb Wochen<br />
hier in Oslo passiert ist. Am 22. Juli um<br />
15.22 Uhr detoniert eine gewaltige Autobombe<br />
im Regierungsviertel. Acht Menschen<br />
sterben, doch für den Attentäter Anders<br />
Behring Breivik ist dies nur ein Ablenkungsmanöver.<br />
Er steigt ins Auto und fährt<br />
zur nahe gelegenen Insel Utøya, wo etwa<br />
600 Jugendliche ihre Ferien verbringen.<br />
Breivik, als Polizist verkleidet, setzt mit<br />
einem Boot über und beginnt mit seinem<br />
Gewehr auf alles zu schießen, was sich bewegt.<br />
69 Menschen sterben im Kugelhagel.<br />
Breivik soll dabei gelächelt haben, heißt es.<br />
Seither ist Norwegen ein anderes Land.<br />
Die Domkirche der norwegischen Hauptstadt<br />
versinkt in einem Meer welkender<br />
Blumen und heruntergebrannter Kerzen,<br />
dazwischen Briefe, Teddybären, sogar geschmückte<br />
Fahrräder, die an die Opfer erinnern.<br />
Norwegen trauert.<br />
„Dieser Anschlag wird unsere Gesellschaft<br />
verändern, das Gefühl paradiesischer<br />
Sicherheit wird nie mehr zurückkommen“,<br />
sagt Nesbø und nimmt einen Schluck aus<br />
einer Schale Milchkaffee. Es ist spät am Vormittag,<br />
doch die Sonne scheint schon heiß<br />
in den Hof der Kaffebrenneriet-Filiale. Noch<br />
in seinem neuen, Monate vor dem Attentat<br />
entstandenen Thriller „Die Larve“ lässt er<br />
seinen aus Hongkong zurückgekehrten Ex-<br />
Polizisten Harry Hole sagen, dass Norwegen<br />
„ein kleines Märchenland“ sei und er, Hole,<br />
die letzten Jahre in der „wirklichen Welt“<br />
zugebracht habe. „Viele Norweger haben geglaubt“,<br />
meint Nesbø, „dass die schlimmen<br />
Verbrechen nur anderswo in dieser Welt<br />
passieren können.“ Dabei ist Oslo schon<br />
längst kein Ort <strong>des</strong> Friedens mehr, mit Drogen,<br />
Prostitution und Mädchenhandel werden<br />
auch hier seit Jahren Millionen verdient.<br />
Doch der Massenmord von Utøya ist<br />
nicht zu begreifen, geschweige denn zu erklären<br />
– auch nicht für jemanden, der sich<br />
von Berufs wegen mit Verbrechen befasst.<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Jo Nesbø: Die Larve. Übersetzt von Günther Frauenlob.<br />
Ullstein, 576 S., 21,99 € (D) • 22,70 € (A) • 30,90 sFr.<br />
Jo Nesbø: Die Larve. Gekürzte Fassung. Gelesen von<br />
Achim Buch. HörbucHHamburg, 24,99 € (D/ A) •<br />
36,70 sFr.<br />
»Wir haben geglaubt,<br />
dass Verbrechen<br />
nur anderswo in der<br />
Welt passieren«<br />
„Der Hass dieses Menschen macht einen<br />
fassungslos.“ Nesbø zuckt die Achseln. Zu<br />
viele Erklärungsversuche hat er in den letzten<br />
Tagen gelesen, die mitunter ebenso hilflos<br />
anmuten wie die Bemühungen, zwischen<br />
dem Massaker und den düsteren<br />
skandinavischen Krimis, die uns das Böse<br />
im Menschen zeigen, eine Parallele zu ziehen.<br />
„Die Realität ist immer schlimmer.<br />
Außerdem erzähle ich keine Verbrechen,<br />
sondern Geschichten.“ Was den Schriftsteller<br />
nicht davon abhält, sich mit dem Unfassbaren<br />
zu beschäftigen. „Natürlich interessiert<br />
mich Breiviks Psyche, seine Motive<br />
für diese Tat. Schließlich ist der kriminelle<br />
Gedanke, die gestörte Psyche eines Killers,<br />
das, womit ich mich als Autor beschäftige.“<br />
Diesen 22. Juli wird Nesbø nie wieder vergessen.<br />
„Ich war mit einem Freund beim<br />
Sportklettern in einer Halle, als wir hörten,<br />
dass im Regierungsviertel eine Bombe hochgegangen<br />
sein soll.“ Sein Freund, ein Arzt,<br />
packte sofort seine Sachen und raste in die<br />
Innenstadt, um zu helfen. Nesbø selbst fuhr<br />
nach Hause und setzte sich vor den Fernseher.<br />
„Man sah die schrecklichen Bilder der<br />
Zerstörung, und plötzlich kam die 0<br />
12<br />
buchjournal 5/2011
Coole Pose Jo Nesbø<br />
gehört zu den international<br />
erfolgreichsten Thrillerautoren<br />
Skandinaviens.<br />
Sein großes Vorbild ist das<br />
schwedische Autorenduo<br />
Sjöwall / Wahlöö<br />
buchjournal 5/2011 13
TITEL<br />
0 Nachricht, dass auf Utøya etwas<br />
Furchtbares vor sich geht.“ Die Fassungslosigkeit<br />
steht dem 51-Jährigen,<br />
der während <strong>des</strong> Gesprächs ein kräftiges<br />
Frühstück zu sich nimmt, noch<br />
ins Gesicht geschrieben. „Ich musste<br />
unwillkürlich an die Anschläge in<br />
Mumbai 2008 denken, wo ich kurz<br />
vorher war.“ Doch in Oslo töteten keine<br />
islamistischen Terroristen, sondern<br />
ein sympathisch wirkender,<br />
32-jähriger Norweger im Alleingang.<br />
„Mir kam auch unwillkürlich ein<br />
Buchtitel meines Lieblings-Krimiautors<br />
Jim Thompson in den Sinn:<br />
‚The killer inside me‘.“<br />
Nesbø hat schon viel gesehen und<br />
viel erlebt. Der Mann, der in Oslo mit<br />
seiner Frau und der elfjährigen Tochter<br />
lebt, ist ein Weltenbummler – allein<br />
2010 hat er 16 Auslandsreisen<br />
unternommen. Er spricht fließend<br />
Englisch, wirkt lässig und souverän,<br />
ohne eine Spur von Arroganz. Dabei gehört<br />
er in Norwegen durchaus zur gehobenen<br />
Promi-Riege: als Thrillerautor, als Verfasser<br />
der erfolgreichen Doktor-Proktor-Kinderbuchreihe<br />
– und als Gitarrist und Sänger der<br />
Band „Di Derre“ (dt. „die da“). Vor knapp<br />
20 Jahren gegründet, gehört die Band, angesiedelt<br />
zwischen Pop und Folk rock, zu<br />
den bekanntesten in Norwegen, wenn auch<br />
die Zahl ihrer Konzerte heute deutlich geringer<br />
ist als früher. „In den 90ern gab es<br />
Jahre mit 180 Auftritten.“ Heute stehen die<br />
reifen Rocker, darunter Jos Bruder Knut, vor<br />
allem bei vielen Sommerfestivals auf der<br />
Bühne. Jo Nesbø ist dabei nicht nur der singende<br />
Frontman, sondern auch derjenige,<br />
der die Songtexte <strong>schreibt</strong>.<br />
Noch lieber als auf der Bühne hätte das<br />
Multitalent aber als Fußballprofi reüssiert –<br />
am liebsten in England bei Tottenham Hotspurs,<br />
seinem absoluten Lieblingsclub. „Mit<br />
17 spielte ich in der ersten norwegischen Liga<br />
in Molde, zwei Jahre später war der Traum<br />
aber ausgeträumt.“ Die Kreuzbänder in beiden<br />
Knien waren gerissen. „Für mich brach<br />
eine Welt zusammen – dabei hätte ich so<br />
gern einmal im Cup-Finale gestanden.“<br />
Er lacht und schiebt sich die Sonnenbrille<br />
auf die Stirn. Dem Mann mit der drahtigen<br />
Figur, der sich heute mit Mountainbiking<br />
und Sportklettern fit hält, ist anzumerken,<br />
dass ihn die verpasste Fußballerkarriere<br />
noch heute schmerzt. Doch für den 19-jährigen<br />
Jo musste das Leben weitergehen. Er<br />
»Ich erzähle in<br />
meinen Büchern<br />
Geschichten und<br />
keine Verbrechen«<br />
holte das Abitur nach, studierte Ökonomie<br />
und verdiente als Börsenmakler viel Geld.<br />
Und er ließ sich jeden zweiten Abend auf der<br />
Bühne irgendeiner Halle oder irgendeines<br />
Clubs feiern. „Nach Börsenschluss ging es<br />
mit dem Taxi zum Flughafen, von dort zum<br />
Auftrittsort, Soundcheck, essen, spielen bis<br />
um Mitternacht. Dann am nächsten Morgen<br />
mit der ersten Maschine zurück nach Oslo.“<br />
Mit Mitte 30 war Nesbø am Ende. „Es ging<br />
einfach nicht mehr so weiter.“<br />
Nesbø nahm sich ein halbes Jahr unbezahlten<br />
Urlaub, wollte so weit wie nur möglich<br />
fort von Norwegen. „Ich buchte einen<br />
Flug nach Australien und hatte mein Laptop<br />
dabei.“ Ein Verlag hatte ihn gefragt, ob<br />
er nicht ein Buch über sein Leben mit „Di<br />
Derre“ schreiben wolle. Er wollte nicht,<br />
kam aber trotzdem mit einem Buch zurück:<br />
dem Thriller „Der Fledermausmann“. „Ich<br />
hatte das Bedürfnis, ein Buch zu schreiben,<br />
wollte aber beim ersten Versuch nicht zu<br />
viel Zeit damit verbringen.“ Ein Krimi, das<br />
ließe sich wohl hinkriegen, dachte er. Während<br />
<strong>des</strong> Flugs nach Sydney überlegte er<br />
Jo Nesbø: Seinen ersten Thriller schrieb<br />
er 1997 in Australien wie im Rausch<br />
sich einen Plot, erfand die Figur <strong>des</strong><br />
norwegischen Kommissars Harry<br />
Hole, der nach Australien fliegt, um<br />
den Mord an einer norwegischen<br />
Schauspielerin aufzuklären. „Kaum<br />
angekommen, schrieb ich wie im<br />
Rausch, nicht selten bis zu 18 Stunden<br />
täglich – das war etwas, worauf<br />
ich offenbar lange gewartet hatte.“<br />
Heute, das gibt er gern zu, lässt er<br />
das Schreiben ein wenig ruhiger angehen.<br />
Zwar diszipliniert und mit<br />
Leidenschaft – aber eben nicht mit<br />
jenem Zauber, der dem Anfang bekanntlich<br />
innewohnt. „In Australien<br />
war das Schreiben wie eine neue Liebesbeziehung:<br />
Am liebsten würde<br />
man die ganze Zeit im Bett verbringen.“<br />
Nesbø grinst und beißt ins deftige<br />
Lachsbrötchen. Seinen ersten<br />
Thriller hatte er noch unter Pseudonym abgegeben.<br />
Kein Verlag, hatte Nesbø einmal in<br />
einem Interview gesagt, sollte sich gezwungen<br />
sehen, „ein Scheißbuch von einem Popstar<br />
herauszugeben“. Das mutmaßliche<br />
„Scheißbuch“ <strong>des</strong> Unbekannten wurde angenommen<br />
und sofort ein Riesenerfolg. Angenehmer<br />
Nebeneffekt: Seinen Börsenjob<br />
konnte er gleich an den Nagel hängen.<br />
Der Erfolg seiner Thriller hat viele Gründe.<br />
So sind nur wenige Spannungsbücher<br />
derart perfide und ausgeklügelt inszeniert<br />
wie „Rotkehlchen“, „Schneemann“, „Leopard“<br />
oder „Die Larve“. „Ich denke vorher<br />
gründlich darüber nach, was ich eigentlich<br />
erzählen will. Dann mache ich einen genauen<br />
Plan und schreibe eine Zusammenfassung,<br />
die bis zu 100 Seiten dick sein<br />
kann.“ In seinen Büchern überlässt Nesbø<br />
nichts dem Zufall. Davon, wie gut die Thriller<br />
konstruiert sind, wie eng geknüpft der<br />
Plot ist, bemerkt der Leser allerdings zunächst<br />
nichts – bis sich die losen Enden der<br />
komplexen Storys finden und sich zu einem<br />
perfekten, passgenauen Finale fügen.<br />
Die hohe Qualität vieler skandinavischer<br />
Krimis hat etwas mit der Wertschätzung<br />
<strong>des</strong> Genres im Norden zu tun, meint Nesbø.<br />
„Kriminalliteratur, die anderswo Unterhaltung<br />
ist, gilt bei uns als Literatur.“ Zu verdanken<br />
sei dies nicht zuletzt dem schwedischen<br />
Autorenduo Maj Sjöwall und Per<br />
Wahlöö. „Sie haben das Niveau der Krimi-<br />
14<br />
buchjournal 5/2011
literatur enorm angehoben, ihre Bücher<br />
sind für jeden jungen Autor ein Ansporn.“<br />
Dass Nesbøs Thriller zu den härteren gehören,<br />
heißt nicht, dass beim Norweger Brutalität,<br />
Gewalt und Schockeffekte Selbstzweck<br />
wären. Alles hat hier seinen Sinn,<br />
Nesbø treibt das Thriller-Genre, bei dem es<br />
um Leben und Tod geht, konsequent auf die<br />
Spitze. Ein fester Bestandteil sind dabei die<br />
extremen Eigenschaften, die er Harry Hole<br />
mitgegeben hat. Der Mann ist in jeder Beziehung<br />
ein Grenzgänger, der nicht nur durch<br />
seine Größe von knapp zwei Metern aus dem<br />
Rahmen fällt. Gegen Autoritäten und Regeln<br />
hat er eine prinzipielle Abneigung, im Gegensatz<br />
zu Rauschmitteln aller Art und speziell<br />
dem Alkohol. Einfacher ausgedrückt<br />
und auch, wenn das Wortspiel nahe liegt:<br />
Jahrelang soff dieser Hole wie ein Loch.<br />
In „Die Larve“, dem neunten der Reihe, ist<br />
der Mann endlich clean. Keine Drogen mehr,<br />
kein Alkohol. Diese Entscheidung traf der<br />
Mittvierziger, <strong>des</strong>sen bester Freund jahrzehntelang<br />
Jim Beam hieß, aber nicht etwa,<br />
um besser auszusehen, sondern schlichtweg<br />
um zu überleben. Drei Jahre lang hatte<br />
Zur Person<br />
Der Norweger Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom,<br />
Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den<br />
renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren<br />
weltweit, außerdem <strong>schreibt</strong> er mit großem<br />
Erfolg Kinderbücher. Bereits sein Krimidebüt „Der<br />
Fledermausmann“ (1997) wurde in Norwegen als<br />
„Bester Krimi <strong>des</strong> Jahres“ ausgezeichnet, mit „Rotkehlchen“<br />
(2000) gelang ihm international der<br />
Durchbruch. Nesbø lebt mit seiner Frau und seiner<br />
elfjährigen Tochter in Oslo.<br />
Harry in Hongkong gelebt und sein Leben<br />
in geordnete Bahnen gelenkt. Nach Oslo<br />
kehrt Hole zurück, um Oleg beizustehen:<br />
Der Sohn seiner Ex-Geliebten Rakel sitzt als<br />
mutmaßlicher Mörder im Knast, doch Harry<br />
ist von <strong>des</strong>sen Unschuld überzeugt und<br />
will den wahren Täter finden. Dafür muss er<br />
tief in den Osloer Drogensumpf tauchen,<br />
denn Oleg war abhängig von einem neuen<br />
synthetischen Stoff, der die Szene paralysiert.<br />
Ein anonymer Drogen-Pate ist der<br />
mächtige Hintermann, an den Harry herankommen<br />
muss, um den Fall zu lösen. Doch<br />
der Pate hat den Ex-Polizisten seit seiner Ankunft<br />
in Oslo schon längst im Visier.<br />
Für sein neues Buch hat Jo Nesbø gut recherchiert,<br />
hat mit Dealern, Junkies und natürlich<br />
der Polizei gesprochen. „Auf alle Details<br />
meiner Recherche kann ich nicht eingehen<br />
– das wollen Sie aber auch gar nicht<br />
wissen.“ Nesbø grinst. Die neue Super-Droge<br />
mit Namen „Violin“ ist zwar seine Erfindung,<br />
doch hat er mit Pharmakologen und<br />
Drogenexperten gesprochen, um die Story<br />
absolut plausibel zu machen. Harry Hole,<br />
von seinen früheren Einsätzen bereits<br />
schwer gezeichnet, mutiert vollends zum<br />
Schmerzensmann und gibt, so viel sei verraten,<br />
auch in „Die Larve“ alles, was er hat.<br />
„14 Jahre lang bin ich nun schon mit diesem<br />
Typen zusammen und inzwischen mag<br />
ich ihn sehr“, sagt Nesbø und sucht ein wenig<br />
Schutz vor der heißen Sonne. „Früher<br />
war ich überzeugt, dass nicht viel von Harry<br />
in mir steckt. Jetzt, nach so vielen Jahren,<br />
glaube ich schon, dass wir einiges gemeinsam<br />
haben.“ Etwa cool, geradlinig und von<br />
dem überzeugt sein, was wichtig ist und<br />
was unbedingt getan werden muss. <br />
<br />
€€<br />
<br />
<br />
<br />
Joyce Carol Oates und Raymond Smith waren über ein<br />
halbes Jahrhundert ein Paar. Im Moment seines To<strong>des</strong> ist<br />
Oates nicht nur dem Schmerz <strong>des</strong> Verlustes und dem<br />
Alleinsein ausgesetzt, sondern auch der Tatsache, weiterleben<br />
zu müssen. Nie zuvor hat Oates so tiefen Einblick<br />
in ihr Innerstes gegeben. Hier tut sie es, bewegend, klug<br />
und überraschend. Wir lernen eine andere Joyce Carol<br />
Oates kennen: eine starke Frau, die am Ende sagen kann<br />
»Dies ist jetzt mein Leben«.<br />
buchjournal 5/2011 15
Stratmanns Welt<br />
Selten hapert es bei unserer Kolumnistin an der<br />
Kommunikation. In ihrem Italien-Urlaub war es so weit –<br />
zum Schaden <strong>des</strong> Ehefriedens und der Urlaubskasse.<br />
Parlare italiano?<br />
Liebe Leserin und lieber Leser!<br />
Ich habe mich wieder beruhigt. Nachdem ich Ihnen vor zwei Monaten<br />
einen überwiegend e-freien Text zugemutet habe, habe ich<br />
mir noch heftige Vorwürfe gemacht, wie man ob der Anwesenheit<br />
von Keimen so die Nerven verlieren kann, wie mir da geschehen.<br />
Ich bin daraufhin mit mir hart ins Gericht gegangen und Sie können<br />
sicher sein: Heute bekommen Sie einen störungsfrei zu lesenden<br />
Aufsatz von mir, unbehelligt von hysterischen Empfindlichkeiten,<br />
wie ich sie manchmal einfach nicht im Griff habe.<br />
Heute befassen wir uns alle mal damit, wie schön es ist, eine<br />
Sprache zu haben. Das muss ich Ihnen als den buchaffinen Protagonisten<br />
dieses Lan<strong>des</strong> nicht besonders antragen.<br />
Was ich allerdings durchaus in Ihren Fokus rücken muss, zumal<br />
wir uns in der Nach-Ferienzeit befinden, ist ein: „Obacht, wir<br />
sollten uns nicht nur unserer eigenen Lan<strong>des</strong>sprache widmen!“<br />
Diesem Appell liegt die jüngst im italienischen Ausland gemachte<br />
Erfahrung zugrunde, dass Lesen auf der ganzen Welt eine sinnstiftende<br />
Tätigkeit ist – daher ja auch die Unmengen Bücher, die man<br />
per Fleurop mit in den Urlaub nimmt –, dass es aber grob fahrlässig<br />
ist, sich bei Auslandsaufenthalten nur auf seine Englischkenntnisse<br />
zu verlassen.<br />
Sie kennen mich als diskrete Künstlerin, die ihr Privatleben<br />
streng unter Verschluss hält. Nun, für Sie will ich heute ein kleines<br />
Fensterchen öffnen, da Sie nicht meinen Fehler wiederholen sollen:<br />
Ich befinde mich also im soeben verstrichenen Sommer in Italien,<br />
<strong>des</strong> Weiteren befinde ich mich eines speziellen Urlaubstages<br />
in heftigem Streit mit meinem, mittlerweile von mir wieder sehr<br />
geschätzten, Ehegatten. Weniger geschätzt allerdings in dem Moment<br />
in Bologna, in dem er einen meiner installierten Reizpunkte<br />
trifft und ich daraufhin eine beispiellose Empörung empfinde, der<br />
ich auch nachgehe, indem ich ab diesem Zeitpunkt meinen, mittlerweile<br />
wieder sehr geschätzten, Ehegatten mit äußerster Nichtachtung<br />
strafe. Ungünstig ist es, wenn ein solcher Disput sich<br />
zeitlich trifft mit der Planung, eine mittägliche Speise in einem<br />
traditionellen kleinen italienischen, fernab der Touristen befindlichen<br />
Lokal einzunehmen.<br />
Ich sitze also mit betongleicher Fassade, in die ich zuvor den<br />
Ausdruck der To<strong>des</strong>verachtung eingegossen habe, meinem Mann<br />
am italienischen Esstisch gegenüber und alles, was ich weiß, ist,<br />
dass ich diesen Herrn bei mir am Tisch unter gar keinen Umständen<br />
noch einmal ansprechen, geschweige denn irgendetwas fragen<br />
»Sprachkenntnisse<br />
machen sich bezahlt«<br />
werde. Infolge<strong>des</strong>sen blieb die liebevoll erdachte rein italienische,<br />
weil nicht touristische Speisekarte, handgeschrieben und ohne<br />
Erwähnung von Preisen, für mich eine nicht einzunehmende Festung.<br />
Ich verstand kein Wort. Und auch wenn ich mich mittlerweile<br />
auf Improvisationsniveau immer mehr in die italienische Sprache<br />
einfummele, hätte mir ein Gespräch mit dem Kellner ohne<br />
flankierende Maßnahmen meines Mannes keinen Aufschluss über<br />
rein gar nichts gegeben.<br />
Nun, was tat ich? Natürlich eine Bestellung aufgeben. Ohne mit<br />
der Wimper zu zucken. Mit fester Stimme. Und zwar astrice.<br />
Tun Sie das nicht. Es sei denn, Sie wollen tatsächlich an einem<br />
ganz normalen Sommertag fernab je<strong>des</strong> feierlichen Anlasses,<br />
auch noch im Clinch mit dem Lebensgefährten, in saumäßiger<br />
Laune unbedingt alleine einen Hummer für 40 Euro essen.<br />
Ich danke bis hierhin für Ihre Aufmerksamkeit und möchte Ihnen<br />
zurufen: Zanken Sie sich im Ausland nur so viel, dass Sie im<br />
Falle von Verständigungsschwierigkeiten dem anderen noch eine,<br />
maximal zwei Fragen stellen können. Alles andere wird zu teuer.<br />
Ihre Cordula Stratmann<br />
^ Cordula Stratmann, geboren 1963, zählt zu den erfolgreichsten <strong>deutschen</strong> Komikerinnen.<br />
Sie ist vielfach preis gekrönt: vom Deutschen Comedypreis über die<br />
Goldene Kamera bis zum Bayerischen Fernsehpreis.<br />
„Sie da oben, er da unten“ ist ihr erster Roman.<br />
http://cordula-stratmann.de<br />
j<br />
© Boris Breuer<br />
Cordula Stratmann: Zwischen Himmel und<br />
Erde. Cordula Stratmann und Matthias Brandt sind<br />
„Sie da oben, er da unten“. Roof Music, 14,95 € (D) •<br />
15,40 € (A) • 24,50 sFr.<br />
16<br />
buchjournal 5/2011
ROMANE_FANTASTISCH<br />
Edition Nautilus<br />
Beweglich im Büchermeer!<br />
© Christian Thiel<br />
Ein Jahr lang hat Haruki Murakami seine Fans warten lassen. Nun<br />
ist Band zwei seines 1 600-Seiten-Epos „1Q84“ erschienen.<br />
Rätselhafte<br />
Parallelwelten<br />
TEXT: ULRICH BARON<br />
Zwischen Realität und Traum: Haruki Murakami<br />
Der Japaner Haruki Murakami ist der<br />
einzige Romancier, der es fertigbringt,<br />
eine gut 1 000-seitige Liebesgeschichte mit<br />
einem Cliffhanger abbrechen und seine Leser<br />
bis zur Fortsetzung warten zu lassen. Genau<br />
das hat er im ersten Band von „1Q84“<br />
getan. Dessen Heldin Aomame will sich am<br />
Schluss für ihren Jugendfreund Tengo opfern,<br />
während der gerade beschlossen hat,<br />
sie nach 20-jähriger Trennung endlich wiederzufinden.<br />
Der jetzt erschienene zweite<br />
Band lässt die Schicksale der beiden dann<br />
gleich noch weiter in der Luft hängen.<br />
Murakami rückt zunächst einen kleinen,<br />
hässlichen, aber sehr effizienten Mann ins<br />
Zentrum, der in Band eins nur eine Nebenrolle<br />
spielte: den Detektiv Ushikawa, der<br />
Tengo observiert, um Aomame zu finden. Er<br />
ist eine Art Damoklesschwert in Menschengestalt.<br />
Je näher der Augenblick scheint, in<br />
dem Tengo und Aomame sich endlich wiederfinden,<br />
<strong>des</strong>to näher rückt auch der Zeitpunkt,<br />
an dem er seinen Suchauftrag erfüllt<br />
haben wird. Ist er doch Handlanger einer obskuren<br />
Sekte, deren „Leader“ Aomame im<br />
Auftrag einer reichen alten Dame ermordet<br />
hat, welche einen Rachefeldzug gegen Männer<br />
führt, die Frauen missbrauchen.<br />
Zugleich ist Ushikawa aber auch ein<br />
Fremdenführer in diesem nunmehr auf fast<br />
1 600 Seiten angewachsenen Roman. Er recherchiert,<br />
was in <strong>des</strong>sen ersten beiden Büchern<br />
geschehen war, und wird mehr und<br />
mehr von der fantastischen Unterströmung<br />
erfasst, die diese Geschichte durchdringt.<br />
Ushikawa begegnet der Tochter <strong>des</strong> ermordeten<br />
„Leaders“, die mit Tengos Hilfe eine<br />
Art Schlüsselroman über die wirklichen<br />
Hintergründe jener Sekte veröffentlicht hat.<br />
Ihr Buch wurde gemeinhin für Fantasy gehalten,<br />
doch für Tengo und Aomame sind<br />
<strong>des</strong>sen unheimliche „Little People“ und ihr<br />
unheilvoller Einfluss auf die Menschheit zur<br />
Wirklichkeit geworden. Leben sie doch<br />
längst in jener rätselhaften Parallelwelt <strong>des</strong><br />
Jahres 1984, auf das der Romantitel wortspielerisch<br />
(das japanische „neun“ klingt<br />
wie das englische „Q“) ebenso hinweist wie<br />
auf George Orwells Roman „1984“.<br />
Zwei Monde leuchten <strong>des</strong> Abends dort am<br />
Himmel, und Aomame spürt, dass darunter<br />
für die beiden Liebenden kein Platz sein<br />
wird. Kaum haben sie einander endlich gefunden,<br />
da beginnt schon die verzweifelte<br />
Suche nach einem Notausgang. Doch wer als<br />
Gestalt oder Leser erst einmal in Murakamis<br />
Welt gelandet ist, entkommt ihr nie mehr<br />
ganz. So wird man nach der Lektüre abends<br />
immer öfter nach oben schauen, ob der<br />
Mond noch allein am Himmel steht. <br />
Lesezeichen<br />
Haruki Murakami: 1Q84. Buch 1 & 2. Übersetzt<br />
von Ursula Gräfe. DuMont, 1024 S., 32,– € (D) •<br />
32,90 € (A) • 42,90 sFr.<br />
Haruki Murakami: 1Q84. Buch 3. Übersetzt<br />
von Ursula Gräfe. DuMont, 550 S., 24,– € (D) •<br />
24,70 € (A) • 34,50 sFr.<br />
Jochen Schimmang<br />
Neue Mitte<br />
2025: Nach dem Ende<br />
der Juntaherrschaft<br />
befindet sich Deutschland<br />
im Übergangszustand.<br />
In der alten<br />
Mitte Berlins blüht<br />
eine Utopie auf ...<br />
»Dieser Autor ist der<br />
Meister einer Beiläufigkeit,<br />
hinter der sich<br />
die wahren Dramen<br />
verstecken.« FAZ<br />
Gebunden, € 19,90<br />
Matthias Wittekindt<br />
Schneeschwestern<br />
Im Wald von Fleurville<br />
wird die sechzehnjährige<br />
Geneviève tot aufgefunden.<br />
An Verdächtigen<br />
herrscht kein Mangel.<br />
»Wittekindts Erzählen<br />
erschöpft sich nicht in<br />
der filmischen Methode,<br />
sondern fängt damit<br />
erst an, als sei es eine<br />
Story von Hitchcock.«<br />
Harald Martenstein<br />
Broschiert, € 18,00<br />
Elisabeth Filhol<br />
Der Reaktor<br />
Yann ist Leiharbeiter<br />
undreistvonWerkzu<br />
Werk. Sein Job: Atomkraftwerke<br />
warten.<br />
Elisabeth Filhol gewährt<br />
in ihrem Roman einen<br />
Blick ins dunkle Herz<br />
der Atomindustrie<br />
»... ein eindringlicher<br />
Text – und ein starkes<br />
Stück Literatur.«<br />
Deutschlandradio<br />
Gebunden, € 16,00<br />
Patrick Pécherot<br />
Boulevard der Irren<br />
Im Juni 1940 in Paris<br />
einen depressiven<br />
Nervenarzt zu überwachen,<br />
ist für Nestor<br />
Burma nicht gerade<br />
ein Traumjob. Die<br />
Nazis stehen vor Paris,<br />
viele Hauptstädter<br />
fliehen aus der Stadt,<br />
und der merkwürdige<br />
Selbstmord <strong>des</strong><br />
Irrenarztes macht die<br />
Sache nicht besser ...<br />
Broschiert, € 14,90<br />
buchjournal 5/2011 17<br />
In jeder guten Buchhandlung<br />
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Lesestoff Romane<br />
Grüne Hölle<br />
Der<br />
Traum<br />
<strong>des</strong><br />
Kelten<br />
© SPrada<br />
KOLONIALE VERBRECHEN<br />
Mario<br />
Vargas<br />
Llosa<br />
Roman<br />
Suhrkamp<br />
Finsteres Kapitel<br />
der Geschichte<br />
Roman, gebunden, 432 Seiten<br />
ISBN 978-3-0369-5602-2, 22.90<br />
Ein packen<strong>des</strong>,<br />
anrühren<strong>des</strong><br />
Bild der japanischen<br />
Seele<br />
KEIN & ABER<br />
Foto: Mathias Kessler<br />
VERGANGENHEIT UND GEGENWART<br />
Die Welt im Rausch<br />
Eine Aufnahme <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Fotografen August<br />
Sander gab Richard Powers<br />
den Anstoß zu seinem<br />
1985 in den USA erschienenen<br />
Debütroman.<br />
Sie zeigt drei Bauern im<br />
Westerwald im Jahre 1914.<br />
Auf dem Weg zu einem<br />
Tanzvergnügen ahnen sie<br />
noch nicht, dass die ganze Welt schon auf dem<br />
Weg in den Krieg ist. Powers konfrontiert seinen<br />
Protagonisten mit diesem Foto und setzt damit<br />
eine Recherche in Gang, in der sich die Lebensläufe<br />
jener Bauern mit zwei Geschichten aus der<br />
Gegenwart verweben. So entsteht ein Panorama<br />
<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts, in dem Kunst und Krieg,<br />
Technik und Wissenschaft die Welt in einen furiosen<br />
Beschleunigungsrausch versetzen. Der geniale<br />
Autobauer Henry Ford tritt ebenso auf wie<br />
die gefeierte Schauspielerin Sarah Bernhardt.<br />
Manchmal hat der 1957 geborene Powers seinem<br />
Talent hier noch die Zügel schießen lassen,<br />
doch immer wieder gelingen ihm atemberaubende<br />
Szenen. So gerinnt Geschichte, gerinnt<br />
Zeit selbst zum Bild, wie auf jenem Foto, das ihn<br />
zum Erzähler machte.<br />
ub<br />
^ Richard Powers: „Drei Bauern auf dem Weg zum<br />
Tanz“. Übersetzt von Henning Ahrens. S. Fischer,<br />
464 S., 22,95 € (D) • 23,60 € (A) • 32,90 sFr.<br />
Die Grausamkeiten, die Menschen Menschen<br />
antun können, sind oft unbegreiflich. Zu den<br />
entsetzlichsten Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit gehört die Ausbeutung der<br />
Ureinwohner Afrikas und Südamerikas durch<br />
die Kolonialherren, um die Kautschukvorräte<br />
der Regenwälder plündern zu können. Nobelpreisträger<br />
Mario Vargas Llosa nimmt sich<br />
in seinem jüngsten Roman dieses finsteren<br />
Kapitels an und stellt eine historische Person<br />
in den Mittelpunkt: den britischen Diplomaten<br />
und irischen Freiheitskämpfer Roger<br />
Casement. „Der Traum <strong>des</strong> Kelten“ setzt in<br />
der To<strong>des</strong>zelle ein: Casement, wegen Spionage<br />
verurteilt, erinnert sich an seine langen<br />
Jahre im Kongo, wo er die Verbrechen akribisch<br />
recherchiert und danach öffentlich gemacht<br />
hat. Später reist er in gleicher Sache<br />
ins peruanische Amazonasgebiet, wo eine<br />
britische Company die Indios drangsaliert,<br />
versklavt und zu Tausenden ermordet. Die<br />
Schilderung dieser Verbrechen durch die Kolonialmächte,<br />
die unsagbaren Strapazen, die<br />
Casement auf sich nimmt, um die Wahrheit<br />
ans Licht zu holen, sind die Stärken <strong>des</strong> Romans.<br />
Hinter der historischen Wucht <strong>des</strong><br />
Stoffs verblassen dagegen Vargas Llosas<br />
Schilderungen der inneren Kämpfe und Tragik<br />
dieses Mannes, der zudem wegen seiner<br />
Homosexualität stigmatisiert war. bai<br />
^ Mario Vargas Llosa: „Der Traum <strong>des</strong> Kelten“.<br />
Übersetzt von Angelica Ammar. Suhrkamp,<br />
447 S., 24,90 € (D) • 25,60 € (A) • 35,50 sFr.<br />
18<br />
buchjournal 5/2011
KLEINBÜRGERIDYLLE<br />
Endstation Kleinhoek<br />
Oft sind es Zufälle, die unser Leben regieren. Marko<br />
Theunisse etwa, der Junge aus Ingendaays<br />
Erstling „Warum du mich verlassen hast“, hätte<br />
auch Professor oder Verlagsleiter werden können<br />
– das hoffte zumin<strong>des</strong>t sein Vater. Nun sitzt er im<br />
Städtchen Kleinhoek und verkauft Versicherungen<br />
für die Rheinische. Er arbeitet fleißig, ist<br />
beliebt und hat sich eingerichtet im Kleinbürgertum.<br />
Und doch bleibt er der ewige Bummelant,<br />
der nach dem Motto „Vieles ist möglich, lassen<br />
wir’s bleiben“ verfährt. Sein Liebesleben beschränkt<br />
sich darauf, mit einer verheirateten Kundin<br />
ins Bett zu gehen – was ein Kollege prompt<br />
zur Erpressung nutzt. „Die<br />
romantischen Jahre“ ist eine<br />
heiter-melancholische Lektüre<br />
über einen, der auszog,<br />
die Welt zu er obern, und nur<br />
bis Kleinhoek kam. bai<br />
^ Paul Ingendaay: „Die<br />
romantischen Jahre“. Piper,<br />
480 S., 19,99 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 28,90 sFr.<br />
IN EPISODEN<br />
Bewegung im Dasein<br />
Es geschieht eher nichts<br />
Sensationelles – es ist aber<br />
auch nicht ganz alltäglich,<br />
was Peter Henning in dem<br />
ersten Buch nach seinem<br />
großen Erfolg mit dem Familienroman<br />
„Die Ängstlichen“<br />
erzählt. Ein Paar will<br />
sich trennen, aber als die<br />
beiden in einem Fahrstuhl<br />
sind, der wegen eines Erdbebens stecken geblieben<br />
ist, finden sie wieder zusammen. Drei Männer<br />
stranden nachts an einem Bahnhof, weil nach<br />
den Erschütterungen keine Züge mehr fahren, und<br />
erzählen sich von ihrem Leben, mit dem sie nicht<br />
glücklich sind. Es sind ganz ruhige Geschichten,<br />
die Peter Henning um das Erdbeben rankt, um<br />
Menschen, in deren Leben selbst ein „Leichtes Beben“<br />
festzustellen ist, meist nichts Großes, aber es<br />
könnte etwas daraus werden. Vielleicht … Ein<br />
stiller, nachdenklich stimmender Roman. sc<br />
^ Peter Henning: „Leichtes Beben“. Aufbau,<br />
331 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 28,90 sFr.<br />
Zeit für<br />
Bestseller<br />
Alle<br />
lieben<br />
Harold!<br />
DEUTSCH-DEUTSCHE SATIRE<br />
Auferstanden aus Ruinen<br />
Die Idee <strong>des</strong> „Was wäre, wenn ...“ ist noch immer<br />
eines der reizvollsten Szenarien, die man sich in<br />
der Literatur denken kann. Auch Simon Urbans<br />
„Plan D“ spielt mit den fiktionalen Möglichkeiten<br />
der Weltgeschichte: Was also wäre, wenn die DDR<br />
gar nicht zusammengebrochen wäre? Wenn man<br />
statt<strong>des</strong>sen die Mauer geöffnet, 1,5 Millionen Bürger<br />
ausreisen und anschließend den antifaschistischen<br />
Schutzwall wieder aufgebaut hätte? Die<br />
Antwort, die der Roman für das Jahr 2011 gibt, ist<br />
nicht angenehm, aber doch recht amüsant: Egon<br />
Krenz ist noch immer Staatsratsvorsitzender; Vorsitzender<br />
<strong>des</strong> Ministerrats ist Gregor Gysi, und<br />
auch sonst haben es sich diverse bekannte Politiker<br />
in Ämtern bequem gemacht. Von Bun<strong>des</strong>kanzler<br />
Oskar Lafontaine erhoffen sich die Machthaber<br />
wirtschaftliche Hilfe – da geschieht ein<br />
Mord, der das gesamte Gebilde<br />
ins Wanken bringt und<br />
eine verschlungene Ermittlung<br />
in Gang setzt. Urbans<br />
Roman ist eine hochkomische<br />
Satire – auch auf gegenwärtige<br />
Verhältnisse. cs<br />
^ Simon Urban: „Plan D“.<br />
Schöffling, 552 S., 24,95 € (D)<br />
• 25,70 € (A) • 35,50 sFr.<br />
BERÜHRENDE LIEBESGESCHICHTE<br />
Rückkehr ins Leben<br />
Nathalie liebt François, in<br />
ihrer Beziehung findet sich<br />
die Quintessenz <strong>des</strong> Glücks,<br />
die vollkommene Harmonie.<br />
Doch dann wird François<br />
beim Joggen überfahren<br />
und stirbt. Nathalie vergräbt<br />
sich in Arbeit, lässt<br />
niemanden an sich heran,<br />
bis sie aus einer Laune heraus<br />
ihren schwedischen Kollegen Markus küsst.<br />
Einfach so, weil sie einen Moment lang plötzlich<br />
wieder spürte, wie es ist, einen Körper zu haben<br />
und erotische Gefühle. Aber in diese Laune ist noch<br />
jemand involviert, und den unscheinbaren Markus<br />
lässt der Kuss nicht kalt – im Gegenteil. Foenkinos<br />
be<strong>schreibt</strong> die Wiederentdeckung der Sinnlichkeit<br />
und die Rückkehr ins Leben nach einem Verlust mit<br />
einer Leichtigkeit, die seinen Protagonisten gleichzeitig<br />
tragische Würde und zarte Komik verleiht.<br />
Sein Roman war in Frankreich ein durchschlagender<br />
Erfolg und wird derzeit mit Audrey Tautou<br />
in der Hauptrolle verfilmt. Ein sinnliches, poetisches<br />
und erstaunlich heiteres Buch!<br />
md<br />
^ David Foenkinos: „Nathalie küsst“. Übersetzt von<br />
Christian Kolb. C. H. Beck, 239 S., 16,95 € (D) •<br />
17,50 € (A) • 25,90 sFr.<br />
Roman · 224 Seiten · € 8,99 [D]<br />
ISBN 978-3-453-43597-1<br />
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»Ein pointensattes Wunder: der<br />
absur<strong>des</strong>te Trip, die irrste Typenparade<br />
in diesem Teil der Galaxis<br />
seit Lichtjahren.« Stern<br />
Der Sensationserfolg jetzt<br />
erstmals im Taschenbuch!<br />
Auch als Hörbuch in der<br />
BRIGITTE Edition Starke Stimmen<br />
Gelesen<br />
von Benno<br />
Fürmann<br />
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ISBN 978-3-<br />
8371-0879-8<br />
buchjournal 5/2011 19
ROMANE_16. JAHRHUNDERT<br />
Eine Trilogie über die Waringhams, eine fiktive Adelsfamilie aus Kent, hatte Rebecca Gablé<br />
geplant. Doch die Fans wollten mehr, und jetzt gibt es tatsächlich einen vierten Band. Eine<br />
Begegnung mit der <strong>deutschen</strong> Autorin in London – an Schauplätzen ihres Romans.<br />
Fasziniert von englischer Geschichte<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
Rebecca Gablé am<br />
Tower in London, im<br />
Hintergrund die<br />
Tower Bridge: Auch<br />
hier an der Themse<br />
hat die Autorin für<br />
ihren neuen Roman<br />
recherchiert<br />
© Olivier Favre<br />
Sie hat schon über viele englische Könige<br />
geschrieben, „aber keinen habe<br />
ich so verachtet wie Heinrich VIII.“, sagt<br />
Rebecca Gablé. „Er war ein Egomane und<br />
ein Tyrann, verschliss sechs Ehefrauen und<br />
setzte dabei auch sein Land aufs Spiel: weil<br />
er ‚nur‘ eine Tochter mit seiner ersten Frau<br />
hatte, aber besessen davon war, einen<br />
männlichen Thronfolger zu bekommen.“<br />
Das sagt sie im Tower, wo zwei von Heinrichs<br />
Frauen auf ihre Hinrichtung warten<br />
mussten. Hier wurden aber auch andere gefangen<br />
gehalten, und hier sind heute noch<br />
neben der Streckbank weitere furchtbare<br />
Folterinstrumente zu besichtigen. Sie spielen<br />
in Rebecca Gablés neuem Roman eine<br />
Rolle: Durch sie kommt im Tower der Vater<br />
ihres Helden zu Tode.<br />
Sieben historische Romane und ein Sachbuch<br />
über das englische Mittelalter hatte<br />
Zur Person<br />
Rebecca Gablé, geboren 1964 in Mönchengladbach,<br />
schrieb zwei Krimis, bevor sie 1997 mit dem Buch<br />
„Das Lächeln der Fortuna“ ihren Durchbruch als<br />
Autorin hatte. Seitdem hat sie sechs weitere historische<br />
Romane geschrieben, die überwiegend im<br />
englischen Mittelalter spielen und alle auf der<br />
„Spiegel“-Bestsellerliste waren. Mit ihrem Mann<br />
lebt Rebecca Gablé in Mönchengladbach.<br />
sie schon geschrieben, bevor sie ihren neuen<br />
1 000-Seiten-Schmöker über die Zeit<br />
Heinrichs VIII. – „Der dunkle Thron“ – begann.<br />
Auch dieses Mal ist die schlanke, lebhafte<br />
Autorin mit den kurzen Haaren unvoreingenommen<br />
an ihre Geschichte und<br />
ihre Figuren herangegangen. Doch neutral<br />
ist sie nicht lange geblieben. Die 47-Jährige<br />
taucht stundenlang mit immer noch wachsender<br />
Begeisterung in alte Quellen ab, besucht<br />
die Schauplätze ihrer Romane und<br />
legt größten Wert darauf, sich sehr genau<br />
an die wahren Geschehnisse zu halten, in<br />
die sie ihre Geschichten einbettet. Aber sie<br />
nimmt auch leidenschaftlich Anteil an ihren<br />
Figuren.<br />
An den fiktiven ebenso wie an den historischen:<br />
Sie begleitet ihre Waringhams, eine<br />
erdachte Adelsfamilie aus Kent, auch im<br />
neuen Band mit viel Wärme; sie zeigt Heinrichs<br />
Rücksichtslosigkeit und ihre Kritik an<br />
ihm deutlich; und sie fühlt sich in seine älteste<br />
Tochter Mary ein, eine Prinzessin, die<br />
von ihrem Vater zum rechtlosen Bastard degradiert<br />
wurde – und die doch nach seinem<br />
Tod und dem frühen Tod ihres Bruders die<br />
erste Frau auf Englands Thron wurde.<br />
20<br />
buchjournal 5/2011
Besuchen Sie uns auf der<br />
Frankfurter Buchmesse!<br />
Buchjournal-Talk mit Rebecca Gablé<br />
Samstag, 15. Oktober, 11 Uhr<br />
Halle 4.0, Stand D 1339<br />
Nach dem Halt im Tower geht es zum<br />
nächsten Romanschauplatz: Hampton<br />
Court, das etwas außerhalb von London<br />
liegt. Dieses prachtvolle Anwesen hatte sich<br />
Kardinal Wolsey bauen lassen, einer von<br />
Heinrichs langjährigen Gefolgsmännern.<br />
Als der König hörte, dass Wolsey sich diesen<br />
Palast gönnte, wollte er ihn haben – und<br />
Wolsey beeilte sich, ihm Hampton Court zu<br />
schenken. Was ihm aber nichts nützte:<br />
„Heinrich ließ ihn fallen wie eine heiße Kartoffel,<br />
als es dem Kardinal nicht gelang, sich<br />
mit dem Papst über die Annullierung der<br />
ersten Ehe <strong>des</strong> Monarchen zu einigen.“<br />
Mitleid hat Rebecca Gablé nicht mit dem<br />
raffgierigen Kirchenmann. Aber fair findet<br />
sie Heinrich auch in diesem Fall nicht. „Sein<br />
Verhalten war wieder mal unmöglich“, sagt<br />
sie empört bei einem Rundgang über das<br />
riesige Anwesen, das heute ein Museum ist<br />
– und das sie begeistert. „Wenn man hier<br />
durch die Räume geht, zum Beispiel durch<br />
die Küchen, in denen zu Heinrichs Zeiten<br />
bis zu 200 Menschen arbeiteten, kann man<br />
die Vergangenheit geradezu vor sich sehen.“<br />
Übrigens auch den König selbst: Würdevoll<br />
schreitet ein Schauspieler in den Gewändern<br />
Heinrichs VIII. durch die Gemächer.<br />
Dass sie sich einmal ausgerechnet mit<br />
ihm und der englischen Renaissance befassen<br />
würde, stand lange nicht in Rebecca<br />
Gablés Sternen. Denn verliebt hatte sie sich<br />
während ihres Anglistikstudiums ins englische<br />
Mittelalter, und dem ist sie lange treu<br />
geblieben. Schuld daran, dass sie sich jetzt<br />
doch der Renaissance zugewandt hat, sind<br />
ihre Fans, mit denen die Bestsellerautorin<br />
durch Lesungen und über Facebook in Kontakt<br />
steht. Sie baten darum, dass nach drei<br />
Bänden über die Waringhams („Das Lächeln<br />
der Fortuna“, „Die Hüter der Rose“ und<br />
„Das Spiel der Könige“) nicht Schluss sein<br />
sollte mit der Adelsfamilie, anhand deren<br />
Rebecca Gablé englische Geschichte von<br />
1360 bis zum Ende der Rosenkriege 1485 hat<br />
lebendig werden lassen.<br />
Die Fans trafen auf offene Ohren – und so<br />
vertiefte sich Rebecca Gablé in die englische<br />
buchjournal 5/2011 21<br />
Renaissance und schrieb ihren „vierten<br />
Band der Waringham-Trilogie“, der im Jahr<br />
1529 einsetzt. Mehr noch: „Ich werde wohl<br />
weitermachen“, verspricht sie, „wenn auch<br />
nicht sofort. Wahrscheinlich wird nicht jeder,<br />
aber jeder zweite meiner nächsten Romane<br />
ein Waringham-Band sein.“<br />
Jetzt aber ist erst einmal „Der dunkle<br />
Thron“ zu lesen: die Geschichte um den jungen<br />
Nicholas of Waringham, der ein<br />
schweres Erbe antreten muss. Nicht nur,<br />
dass der Turm der Burganlage verfällt – das<br />
Mittelalter ist schließlich zu Ende. Vor allem<br />
wurde das Leben seiner Eltern von Heinrich<br />
VIII. zerstört, und Nick, stur wie alle Waringhams,<br />
hält Mary die Treue, der ältesten,<br />
verstoßenen Tochter <strong>des</strong> Monarchen – und<br />
der ist not amused.<br />
Der neue Band ist eine in sich geschlossene<br />
Geschichte, die man lesen kann, ohne<br />
die anderen Bücher um die Waringhams zu<br />
kennen. Und es ist wieder ein spannender<br />
Roman, in den man abtauchen kann, um<br />
die Gegenwart für ein paar Stunden zu vergessen.<br />
Oder auch, wenn man möchte, sie<br />
sich über den Umweg in die Vergangenheit<br />
vor Augen zu führen: „Es mag eine Binsenweisheit<br />
sein, aber man muss sich immer<br />
wieder klarmachen, dass damals wie heute<br />
Macht einen Menschen verändert und die<br />
meisten Menschen korrumpiert“, sagt die<br />
Autorin, die nicht nur an vergangener,<br />
sondern auch sehr an aktueller Politik interessiert<br />
ist. „Nicht zuletzt das kann man<br />
von Heinrich lernen, der mit durchaus redlichen<br />
Absichten seine Regentschaft begonnen<br />
hatte.“<br />
Und von Rebecca Gablé kann man lernen,<br />
dass auch Unterhaltungsliteratur intelligent,<br />
lehrreich und anregend sein kann. <br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Rebecca Gablé: Der dunkle Thron. Ehrenwirth, 960 S.,<br />
24,99 € (D) • 25,70 € (A) • 35,50 sFr.<br />
Rebecca Gablé: Der dunkle Thron. Gelesen von Detlef<br />
Bierstedt. Ehrenwirth, 12 CDs, 29,99 € (D/ A) • 30,30 sFr.<br />
© Rudi Linn<br />
Ein Serien -<br />
mörder im<br />
Mittelalter<br />
Hochwertige Ausstattung mit Lesebändchen. 816 Seiten<br />
Gebunden. € (D) 19,99 / € (A) 20,60 / sFr 28,90<br />
Der junge Schmied Isenhart versucht<br />
als früher »Profiler« einer<br />
unfassbaren Mordserie an jungen<br />
Frauen auf die Spur zu kommen –<br />
und zugleich dem Geheimnis<br />
seiner eigenen Existenz.<br />
Ein umwerfend spannender<br />
Roman aus einer Zeit, in der der<br />
freie Geist mit Denkverboten<br />
rang – und die uns gar nicht so<br />
fern erscheint.<br />
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Leseprobe<br />
Mark Welte:<br />
In die Füße atmen<br />
Roman<br />
© Corbis – Fotolia<br />
22<br />
buchjournal 5/2011
„Meine erste Filmrolle? Tja, ich war der ‚Penis-Schnitzer‘. Man sieht<br />
mich fünf Sekunden lang, wie ich aus einem Rettich einen Penis schnitze.<br />
Das war die ganze Rolle. Dieser extrem gesunde Rohkostpenis war<br />
der Höhepunkt meiner Karriere. Nur: Für diesen Penis hätte ich eigentlich<br />
keine Schauspielschule besuchen müssen.“<br />
Hanno K., Schauspieler<br />
Diese Dokumentation über die Otto-Falckenberg-Schauspielschule<br />
lässt alles wieder lebendig werden. Während<br />
meiner ganzen Zeit als Schauspielschüler hielt ich<br />
mich immer für etwas Besonderes. Besonders nicht in<br />
dem Sinne, dass ich mich für außerordentlich begabt hielt, ganz<br />
im Gegenteil. Ich glaube, es gibt wenige Menschen, die mehr<br />
Selbstzweifel haben als ich. Zweifler bin ich seit meiner Geburt –<br />
bilde ich mir wenigstens ein. Nach dem ersten Atemzug dachte<br />
ich höchstwahrscheinlich: „Ich komme noch mal raus. Das hätte<br />
ich besser machen können. Entschuldigung, ich war unkonzentriert.“<br />
Neben außerordentlichen Selbstzweifeln gab es da noch etwas<br />
Außergewöhnliches: Ich bestand die Schauspielprüfung wie viele<br />
andere, aber ich bestand sie, obwohl ich nie an ihr teilgenommen<br />
habe. Und wer außer mir kann das von sich sagen?<br />
Lange Zeit war ich besorgt, dass ich auffliegen<br />
könnte, aber das Leben ist Risiko. Nie<br />
hatte ich mehr Angst als in den ersten Wochen<br />
und Monaten auf der Schauspielschule.<br />
Ich bereue es keine Minute, dass ich mich<br />
auf dieses Abenteuer eingelassen habe, aber<br />
ich habe mich mehr als einmal auf der Toilette<br />
versteckt, weil mir dieses Gebräu aus<br />
Angst und Zweifeln zu viel wurde.<br />
»Plötzlich merkt<br />
man einfach,<br />
dass alles<br />
kompliziert wird«<br />
Ein paar Vorteile hat der Besuch einer Schauspielschule aber definitiv.<br />
Wenn ich Bekannte sehen will, mache ich einfach den Fernseher<br />
an. Die Frau aus der Joghurt-Werbung war eine Stufe über<br />
mir, der Kommissar, der sich im „Tatort“ über die Leiche beugt,<br />
war in meiner Klasse, und die Leiche kenne ich auch. Persönlich.<br />
Schon auf der Schule war sie eine sehr überzeugende Leiche, ihr<br />
lagen bewegungsarme Rollen. Wie ich höre, kann sie gut davon<br />
leben, tot zu sein. Wer die Otto-Falckenberg-Schule kennt, denkt<br />
an Stars wie Joachim Król, Mario Adorf oder Franka Potente. Aber<br />
die meisten, die diese Schule besucht haben, sind so unbekannt<br />
wie ich. Wer kennt schon Jan Diamant? Niemand. Ich darf das sagen,<br />
denn ich bin Jan Diamant.<br />
Während ich mir die Dokumentation ansehe, grübele ich: Wie<br />
konnte jemand wie ich überhaupt auf die Idee kommen, Schauspieler<br />
zu werden? So schüchtern wie ich war, damals. Aber wie jeder<br />
andere Schüchterne wartete auch ich auf einen kleinen Schubs.<br />
Denn in jedem Schüchternen steckt ein Mutiger, der befreit werden<br />
will, und dazu braucht es den Schubs. In meinem Fall schubste Lina<br />
Hentig. Ich glaube, es war der Moment, als sie ihre Hand auf mein<br />
Bein legte. Da wusste ich: Mein Beruf ist Schauspieler.<br />
Kein Mensch sagt sich: „Okay, jetzt ist es aber mal Zeit für meine<br />
Pubertät.“ Plötzlich merkt man einfach, dass alles kompliziert wird.<br />
Ich merkte es in der achten Klasse, und Lina Hentig war der Grund.<br />
Warum ich mich ausgerechnet in die Schönste der Klasse verlieben<br />
musste, war mir selbst unklar. Sie war blond. Mehr konnte ich<br />
kaum sagen, da ich mich nie traute, sie länger als eine Zehntelsekunde<br />
anzuschauen, und das auch nur aus den Augenwinkeln. Sie<br />
hatte ein Kinn wie mit einem Lineal gezogen, was auf mich aristokratisch<br />
und selbstbewusst wirkte. Sie lachte viel, hatte auch allen<br />
Grund dazu, wenn ich in der Nähe war, und roch betörend gut. Auf<br />
dem Weg in die Klasse atmete ich sie manchmal ein, ohne sie anzuschauen.<br />
Das war gut, weil ungefährlich.<br />
* * *<br />
Was meine Chancen bei Lina schmälerte,<br />
war die Sache mit dem Sicherheitsabstand.<br />
Wenn ich mich während der Pause auf dieselbe<br />
Betonbank setzte wie sie, hielt ich<br />
min<strong>des</strong>tens sechs Meter Abstand, was ich<br />
höflich von mir fand, das Gespräch aber erschwerte.<br />
Ich überlegte wochenlang, ob ich<br />
den Abstand nicht verringern könnte, jeden Tag ein Stück, um sie<br />
langsam an mich zu gewöhnen, bis ich eines Nachts schweißgebadet<br />
aufwachte, weil ich geträumt hatte, dass ich direkt neben Lina<br />
gesessen hatte. Es blieb bei dem Traum.<br />
Ich fand, dass ein Gespräch sich zufällig entwickeln müsste, ohne<br />
Zwang. Wobei mir klar war, dass meine Maßnahmen für ein zwangloses<br />
Gespräch – Abstand und Schweigen – höchstwahrscheinlich<br />
der Hauptgrund waren, dass es nie zu einem solchen kam. Über<br />
dieses Paradox grübelte ich, bis die achte Klasse vorbei war.<br />
Zu dieser Zeit hatte mein Bruder Henrik bereits ein Foto seiner<br />
ersten Freundin an der Wand hängen. Als Gitarrist einer Band war<br />
er automatisch interessant. Zwar probte die Band nie und trat<br />
auch nie auf, war aber Legitimation genug, einen Gitarrenkoffer<br />
mit Guns-N’-Roses-Aufkleber und ein Stirnband zu tragen.<br />
Henrik und ich sind Zwillinge. Wir würden uns sehr ähnlich sehen,<br />
wenn wir uns gleich kleiden würden, was wir aber nie tun.<br />
Weil wir ansonsten eher Gegensätze sind. Wir sind nicht ein-<br />
0<br />
buchjournal 5/2011 23
LESEPROBE<br />
0 mal am selben Tag geboren. Er kam kurz vor zwölf, ich fünf<br />
Minuten danach. Er hat sich also damals schon vorgedrängelt.<br />
Henrik war auch nicht auf meiner Schule – unsere Psychologen-<br />
Eltern meinten, wir brauchten eigenen Raum zur Entwicklung –,<br />
und so konnte ich seine Eroberungsstrategien nicht live beobachten.<br />
Als Trost redete ich mir ein, seine Freundin sei nur ein Foto,<br />
das er gefunden hatte.<br />
Als Schüler, der sich weder auffällig kleiden noch profane Dinge<br />
wie „Hi“ sagen will, hat man wenige Möglichkeiten, sich zu präsentieren.<br />
Mein Bruder dagegen wechselte ständig Verkleidung<br />
und Freundin. Er verwandelte sich von einem Rocker in einen Skater<br />
und heftete das Foto seiner neuen Freundin an die Wand. Da er<br />
nie Skateboard fuhr, fand ich ihn unglaubwürdig. Das führte zu<br />
einem gemeinsamen Skateboard-Nachmittag, bei dem ich mir<br />
das Bein brach – wofür ich Henrik bis heute<br />
dankbar bin. Das Gipsbein funktionierte.<br />
»Ein Raum voller<br />
Menschen und<br />
trotzdem war ich<br />
vollkommen allein«<br />
Zum ersten Mal bemerkte Lina, dass ich<br />
existierte. Aus irgendeinem Grund fand sie<br />
es lustig, auf meinem Gipsbein zu unterschreiben:<br />
„Lina!“<br />
Das Beste war das Ausrufezeichen. Ich war<br />
mir sicher, dass es genau das war: ein Zeichen.<br />
Sie hätte einen Punkt machen können,<br />
aber sie hatte ein Ausrufezeichen gemacht. Es war wie ein Augenzwinkern.<br />
Am liebsten hätte ich das Gipsbein in mein Tagebuch<br />
geklebt. Mein erster Liebesbrief. Leider blieb das der einzige Kontakt<br />
zwischen uns beiden. Ich überlegte kurz, ob ich mir noch einmal<br />
ein Bein brechen sollte, aber da war die neunte Klasse auch<br />
schon vorbei. Die Zeit vergeht ja wie im Flug, wenn man unnütz in<br />
der Ecke rumsteht.<br />
Mittlerweile brachte Henrik seine dritte Freundin, Melanie, mit<br />
nach Hause, und Melanie war leider kein Foto. Henrik war jetzt<br />
Surfer – sogar mit einem Surfbrett, das an der Wand lehnte, was<br />
unfassbar lächerlich war. Während laute Musik aus seinem Zimmer<br />
dröhnte, wuchs in mir der Wunsch, die Tür aufzureißen und<br />
Melanie anzuschreien: „Wo glaubst du denn, dass er surft, verdammt<br />
noch mal? Im Spaßbad?“<br />
Ich war wütend auf Frauen, die auf so dämliche Tricks hereinfielen.<br />
Solche Frauen waren fast frauenverachtend, weil sie ihr Rudel<br />
so diskreditierten. Henrik war sich einfach für nichts zu schade.<br />
Die Felle, die mein Vater im Winter auf den Autositzen hatte, zerschnitt<br />
er und schneiderte sich daraus eine Weste. Mein Vater war<br />
wütend, ich fassungslos. Henrik trug unsere Autositze und fand<br />
tatsächlich eine Frau, die ihn dafür auch noch bewunderte. Anscheinend<br />
war es ein Naturgesetz: Wer nicht allein sein will, muss<br />
sich zum Affen machen. Ich gab auf. Wahrscheinlich wäre ich<br />
Mönch geworden oder so etwas, aber dann kam der Roboter.<br />
Ich erfuhr, dass Lina in die Theater-AG ging. Ohne sie wäre ich<br />
nie auf die Idee gekommen, dort mitzumachen. Es gab Schüler,<br />
die Kulissen malten, andere kümmerten sich um das Licht. So etwas<br />
in der Art wollte ich auch machen, um unauffällig in ihrer<br />
Nähe zu sein. Da bot mir mein Deutschlehrer eine Rolle an.<br />
Ich lehnte zuerst ab, aber die Rolle, die er mir anbot, war der<br />
Roboter. Man würde mich nicht sehen, denn ich sollte einen Computermonitor<br />
über dem Kopf tragen. Also sagte ich zu. Mit einem<br />
Pappmonitor auf dem Kopf war ich lächerlich, was ja, meiner eigenen<br />
Theorie zufolge, meine Chancen bei Lina beträchtlich steigerte,<br />
da ich mich zum Affen machte.<br />
Sollte sich Lina tatsächlich in mich verlieben, weil ich so ein<br />
toller Roboter war, würde sie mich sicher bitten, den Monitor, solange<br />
wir zusammen waren, aufzubehalten: „So habe ich dich lieben<br />
gelernt.“ Ich gebe zu, ich war mittlerweile ein bisschen verbittert.<br />
Während der Aufführung hörte ich meinen eigenen Atem in<br />
dem engen Pappgehäuse: „Sch-Chäää“, während mich vierhundert<br />
Menschen, die ich nicht sehen konnte, anstarrten. Ich dachte:<br />
Was hast du getan, du Idiot? Ein Raum voller Menschen, und<br />
trotzdem war ich vollkommen allein! Nur ich und mein Atem.<br />
Sch-Chäää! Und dann hörte ich das Lachen!<br />
So stelle ich mir die Wirkung von Psychopharmaka<br />
vor.<br />
Meine Panik verwandelte sich in eine Welle<br />
aus Leichtigkeit, Freude und – Macht.<br />
Peinlich, aber ja, es fühlte sich an wie Macht.<br />
Macht ist, vierhundert Menschen zum Lachen<br />
zu bringen.<br />
Ich hatte eigentlich nur drei Lacher an<br />
dem Abend, und einen davon verdankte ich<br />
einer unfreiwilligen Slapstick-Einlage, weil ich wegen meiner<br />
schlechten Sicht vor eine Wand knallte. Meine Szene war zu Ende,<br />
ich hörte noch Kichern im Publikum, als ich hinter die Bühne<br />
kam. Da setzte sich Lina neben mich und nahm mir den Monitor<br />
von den Schultern. Sie lächelte und dann legte sie ihre Hand auf<br />
mein Bein und sagte: „Ich wusste gar nicht, dass du so lustig sein<br />
kannst. Du warst gut. Richtig gut.“ Das war der Moment.<br />
Wenn du auf eine Bühne steigst, geschehen manchmal Wunder.<br />
Linas Hand auf meinem Bein war eines. Und mir war klar: Ich will<br />
Schauspieler werden. Diese Hand hätte mich von allem überzeugen<br />
können. Hätte sie gesagt: „Etwas Kaufmännisches liegt dir“,<br />
säße ich heute in einer Versicherung. Hätte sie gesagt: „Du musst<br />
unbedingt etwas draußen machen“, wäre ich Gärtner geworden.<br />
Oder obdachlos.<br />
Mark Welte: In die Füße atmen. Roman.<br />
Kiepenheuer & Witsch, 288 S., 14,99 € (D) •<br />
15,50 € (A) • 21,90 sFr.<br />
24<br />
buchjournal 5/2011
LESEPROBE DAS PORTRÄT<br />
Abenteuer Schauspielschule: Nach<br />
Drehbüchern fürs Fernsehen hat<br />
Mark Welte mit „In die Füße atmen“<br />
seinen ersten Roman geschrieben.<br />
„Keine Chance<br />
ohne Neurosen“<br />
Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem Roman?<br />
Mark Welte: Die Idee hatte ich schon vor<br />
Jahren, und das hängt mit dem Titel zusammen.<br />
In den ersten Tagen auf der Schauspielschule,<br />
wenn man Sachen zu hören<br />
bekam wie: „Denk an die Decke!“, „Spür<br />
dein inneres Lächeln“ oder eben auch „Atmet<br />
in die Füße“, dann war das erst mal seltsam,<br />
und von Anfang an dachte ich, dass<br />
das ein guter Titel wäre: „In die Füße atmen.“<br />
Ein paar von uns haben sich am Anfang<br />
drüber lustig gemacht, aber irgendwann<br />
merkt man auch, dass einem das ein<br />
oder andere Bild tatsächlich etwas helfen<br />
kann, wenn man auf der Bühne steht.<br />
Können wir uns eine Schauspielschule so vorstellen<br />
wie im Buch?<br />
Man kann sich eine Schauspielschule so<br />
vorstellen wie im Buch, sollte aber vielleicht<br />
nicht vergessen, dass ich als Autor übertreiben<br />
darf, verzerren und weglassen. Die<br />
meis te Zeit verbringt auch ein Schauspielschüler<br />
mit warten, ärgern und in der Kantine<br />
rumsitzen. Vielleicht liegt es auch an mir,<br />
und für meine Mitschüler war die Schauspielschule<br />
ein einziger Rausch, voller Drogen<br />
und Sex. Manchmal hatte ich das Gefühl,<br />
die Schauspielschulpartys wurden genau<br />
ab dem Punkt interessant, an dem ich<br />
nach Hause gegangen bin. So gesehen ist<br />
das Buch meine Rache – endlich fragen mal<br />
die anderen: „Ist das auch wirklich wahr?“<br />
Lässt sich die Schauspielschule ohne Neurosen<br />
überstehen?<br />
Natürlich nicht. Ohne Neurosen wird<br />
man gar nicht erst aufgenommen. In der Regel<br />
nehmen sie je<strong>des</strong> Jahr einen Hypochonder<br />
auf, zwei Hysterikerinnen sowie ein bis<br />
zwei Profilneurotiker. Nein, Quatsch. Tatsächlich<br />
ist es ganz hilfreich, wenn man in<br />
sich selber ruht, solche Leute gab es auch an<br />
der Schauspielschule, nur braucht man das<br />
nicht zu erzählen.<br />
Was geben Sie jungen Menschen, die Schauspieler<br />
werden wollen, mit auf den Weg?<br />
Schwer zu sagen, weil der Beruf so unterschiedlich<br />
aussehen kann. Ich habe vor und<br />
nach der Schauspielschule eher Kabarett gemacht,<br />
was ein ganz anderes Arbeiten ist,<br />
als fest an einem Theater engagiert zu sein.<br />
Wenn man mit einem Kabarett-Trio durch<br />
Kneipen in der Eifel tingelt und die Gage<br />
Zur Person<br />
Mark Welte wurde 1970 in Aachen geboren<br />
und besuchte nach dem Abitur die Otto-Falckenberg-Schule.<br />
Er arbeitet als Drehbuchautor<br />
(unter anderem für die Anke-Engelke-Show<br />
„Ladykracher“), Schauspieler und Kabarettist.<br />
Welte lebt heute in Köln. „In die Füße atmen“<br />
ist sein erster Roman.<br />
Mark Welte: „Ich bin nicht der Typ, der anderen<br />
Ratschläge mit auf den Weg geben kann“<br />
nach Abzug <strong>des</strong> Benzingel<strong>des</strong> durch drei<br />
teilt und gerade mal 30 Euro verdient hat,<br />
heißt die Frage nicht mehr: „Hab ich Talent?“,<br />
sondern: „Ich hab Hunger, also – wie<br />
lange kann man von 30 Euro leben?«. Nein,<br />
ich bin eher nicht der Typ, der anderen Ratschläge<br />
mit auf den Weg geben kann.<br />
„In die Füße atmen“ ist Ihr erster Roman, davor<br />
haben Sie bereits Drehbücher geschrieben –<br />
was war beim Schreiben anders für Sie?<br />
Wenn ich für eine Comedysendung schreibe,<br />
gebe ich meinen Text ab und ein halbes<br />
Jahr später schalte ich den Fernseher ein und<br />
staune: Das ist also daraus geworden. Ein<br />
Buch zu schreiben ist nicht nur persönlicher,<br />
thematisch gesehen, sondern auch von der<br />
Arbeitsweise her. Bei jedem Arbeitsschritt,<br />
jeder Besprechung, den meisten Korrekturen<br />
war ich beteiligt, und diese Arbeitsweise<br />
war für mich neu und angenehm.<br />
Mit welcher Ihrer Figuren können Sie sich am<br />
ehesten identifizieren?<br />
Da die Figuren alle etwas neurotisch sind,<br />
natürlich mit keiner. Oder mit allen. Ich<br />
will da jetzt keine bevorzugen, da sonst<br />
wieder Neid aufkommt. Ich habe jedenfalls<br />
weder einen Zwillingsbruder, wie die<br />
Hauptfigur, noch bin ich durch Täuschung<br />
auf die Schauspielschule gekommen. <br />
© Bettina Fürst-Fastré<br />
buchjournal 5/2011 25
LITERATURFEST MÜNCHEN<br />
Im November dreht sich in der Bayern-Metropole alles um Bücher, Autoren und Literatur. Mit<br />
den Säulen forum:autoren, Münchner Bücherschau und dem Programm im Literaturhaus<br />
München soll das Fest zum großen Herbstereignis werden – mit dem Buchjournal als Partner.<br />
Literatur<br />
auf allen<br />
Kanälen<br />
TEXT: ECKART BAIER<br />
D<br />
ie heimliche Hauptstadt schwingt<br />
sich auf, nun auch noch Deutschlands<br />
Literaturzentrum zu werden – zumin<strong>des</strong>t<br />
im Spätherbst. Das Literaturfest München,<br />
2010 zum ersten Mal in dieser Form gestartet,<br />
gewinnt schon bei seiner zweiten Auflage<br />
derart an Format, dass die Veranstaltung<br />
im November viel mehr sein wird als ein regionales<br />
Ereignis. Neben dem Radiosender<br />
Bayern 2 ist in diesem Jahr auch erstmals das<br />
Buchjournal als Medienpartner mit im Boot.<br />
Drei große Programmsäulen prägen das<br />
Literaturfest München:<br />
1. forum:autoren<br />
Das in diesem Jahr von Schriftsteller Matthias<br />
Politycki verantwortete Forum wird, da<br />
ist sich der Kurator sicher, weit über die<br />
Münchner Region hinaus wirken: „Das Medieninteresse<br />
im Vorfeld zeigt mir, dass die<br />
Strahlkraft <strong>des</strong> Literaturfests bei Weitem<br />
nicht nur das Münchner Publikum erreichen<br />
wird.“ (Siehe Interview Seite 28.)<br />
Nachdem Ilija Trojanow im Vorjahr unter<br />
dem Motto lokal:global den Schwerpunkt<br />
auf internationale Literatur gelegt hatte,<br />
geht es Politycki um nichts weniger als eine<br />
Standortbestimmung der deutschsprachigen<br />
Gegenwartsliteratur, „eine Erkundung<br />
<strong>des</strong>sen, was wirklich wichtig ist, was<br />
Stil hat, Haltung, Relevanz“, so der Kurator.<br />
50 Autorinnen und Autoren hat er dazu<br />
eingeladen – unter anderen Katja Lange-<br />
Müller, Felicitas Hoppe, Burkhard Spinnen,<br />
Josef Winkler und Tanja Dückers –,<br />
Vorfreude auf das Fest (oben, von links):<br />
Münchens Kulturreferent Hans-Georg<br />
Küppers, Börsenvereins-Lan<strong>des</strong>vorsitzender<br />
Wolf Dieter Eggert und Literaturhaus-Chef<br />
Reinhard Wittmann<br />
die aus ihren Büchern lesen und bei Diskussionen<br />
Rede und Antwort stehen.<br />
Dabei will das forum:autoren das Gegenteil<br />
von „Eventisierung“ sein, meint Politycki:<br />
„Wir schielen nicht nach Quote, locken<br />
also weder mit Bestseller-Lesungen noch<br />
mit schrägen Locations, sondern konzentrieren<br />
uns auf fast schon altmodische Weise<br />
auf Literatur an angestammten Orten<br />
und auf die Stimmen der Autoren selbst.“<br />
Etwa bei der „Samstagnachmittagserklärung“<br />
am 12. November: Ab 15 Uhr debattieren<br />
im Literaturhaus acht Autoren in vier<br />
Runden über vier Fragen an die deutsche Literatur,<br />
so zum Beispiel Dagmar Leupold<br />
und Martin Mosebach über das Thema<br />
„Made in Germany – ein Auslaufmodell?“.<br />
Unter dem Motto „Backstage“ sind die<br />
Autoren zu Gast an Münchner Schulen, und<br />
bei der Diskussionsreihe „Klartext“ an der<br />
Münchner Universität stellen sie sich auf der<br />
Grundlage von Fünfminutenstatements<br />
Fragen wie: Wo steht die Literatur? Welche<br />
Themen treibt sie um? Und wohin bewegt<br />
sie sich? Last but not least wird beim<br />
forum:autoren auch gefeiert – etwa beim<br />
„Literaturfestfest“ in der Muffathalle (Samstag,<br />
12. November, 20 Uhr) oder beim abendlichen<br />
„Salon der lebenden Schriftsteller“.<br />
2. Münchner Bücherschau<br />
Die Schau im Kulturzentrum Gasteig hat<br />
große Tradition: Am 10. November öffnet<br />
sie zum 52. Mal ihre Türen und wird das Publikum<br />
in Scharen anlocken. Mehr als<br />
160 000 Besucher werden wohl auch in diesem<br />
Jahr wieder durch die wohl renommierteste<br />
Buchausstellung Deutschlands<br />
© Börsenverein <strong>des</strong> Deutschen <strong>Buchhandels</strong> – Lan<strong>des</strong>verband Bayern e.V.<br />
© Volker Derlath<br />
26<br />
buchjournal 5/2011
schlendern, in die rund 20 000 ausgestellten<br />
Bücher hineinschmökern, eine der mehr als<br />
50 Lesungen besuchen und Autoren hautnah<br />
erleben. Unter vielen anderen sind zu<br />
Gast: Wolf Biermann, Helke Sander, Heinz<br />
Rudolf Kunze, Gaby Hauptmann und Paul<br />
Maar. Und das Ganze auch noch kostenlos<br />
und für jedermann fast rund um die Uhr zugänglich:<br />
Die Bücherschau hat ihre Pforten<br />
von 8 bis 23.00 Uhr geöffnet.<br />
Die Stiftung Buchkunst präsentiert in einer<br />
Ausstellung „Die schönsten <strong>deutschen</strong><br />
Bücher 2010“, und das vielfältige Kinderund<br />
Jugendprogramm wird wieder Tausende<br />
Nachwuchsleser sowie Schulklassen in<br />
den Gasteig locken. Alle Infos zur Bücherschau<br />
finden sich unter www.muenchnerbuecherschau.de<br />
und auf den Sonderseiten<br />
im Buchjournal-Extra Kids & Teens, das<br />
viele Buchhandlungen bereithalten.<br />
3. Literaturhaus München<br />
Das Herz <strong>des</strong> Literaturfests schlägt – wie<br />
könnte es anders sein – im Literaturhaus am<br />
Salvatorplatz. Neben den Veranstaltungen<br />
beim forum:autoren werden hier etwa der<br />
Roman cier Eugen Ruge und der Historiker<br />
Ian Kershaw ihre hochgelobten Novitäten<br />
vorstellen (am Mittwoch, 23. November, beziehungsweise<br />
am Donnerstag, 24. Novem-<br />
Info<br />
Das Literaturfest München (10. bis 27. November)<br />
wird veranstaltet vom Börsenverein <strong>des</strong><br />
Deutschen <strong>Buchhandels</strong> – Lan<strong>des</strong>verband Bayern<br />
und dem Literaturhaus München in Zusammenarbeit<br />
mit dem Kulturreferat der Lan<strong>des</strong>hauptstadt<br />
München. Informationen im Internet<br />
unter www.literaturfest-muenchen.de,<br />
unter www.muen chner-buecherschau.de<br />
sowie auf www.buchjournal.de/literaturfest.<br />
Außerdem empfehlen wir das Weblog<br />
zum forum:autoren auf www.fabmuc.de.<br />
ber, jeweils um 20 Uhr). Bereits einen Tag<br />
zuvor, am Dienstag, 22. November, präsentiert<br />
das Literaturhaus den Gewinner <strong>des</strong><br />
Deutschen Buchpreises dem Publikum, der<br />
bei Redaktionsschluss noch nicht feststand.<br />
Ein weiteres Highlight im Literaturhaus<br />
ist der Markt unabhängiger Verlage am 26.<br />
und 27. November: Unter dem Motto „Andere<br />
Bücher braucht das Land“ zeigen<br />
30 unabhängige Verlage aus Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz ihre Neuerscheinungen<br />
und stehen für Gespräche<br />
zur Verfügung. Podiumsdiskussionen,<br />
Kinder-Illustrations-Workshops sowie<br />
eine Party der unabhängigen Verlage am<br />
Samstag abend begleiten den Markt.<br />
Neben den drei Programmsäulen wird im<br />
Rahmen <strong>des</strong> Literaturfests München außerdem<br />
am 14. November der traditionsreiche<br />
Geschwister-Scholl-Preis vergeben. Ausgezeichnet<br />
werden Autoren, die besondere Zivilcourage<br />
bewiesen haben, wie in der Vergangenheit<br />
beispielsweise Joachim Gauck,<br />
Roberto Saviano oder Anna Politkovskaja.<br />
Das Feld für ein spannen<strong>des</strong> Literaturfest ist<br />
also bereitet – nun muss das Publikum die<br />
Einladung nur noch annehmen. <br />
Die Entdeckung der Pole<br />
in neuem Licht.<br />
© Reinhold Messner<br />
© Reinhold Messner<br />
Mit Einfühlungsvermögen und<br />
glänzend rekonstruiert<br />
beleuchtet Reinhold Messner<br />
eines der größten Abenteuer der<br />
Menschheitsgeschichte.<br />
buchjournal 5/2011 27<br />
300 Seiten. Gebunden. € 19.99 (D)/€ 20.60 (A)/sFr. 28.90 (UVP)<br />
mehr erleben
LITERATURFEST MÜNCHEN_INTERVIEW<br />
Für Kurator und Schriftsteller Matthias Politycki soll das forum:autoren<br />
eine Standortbestimmung deutschsprachiger Literatur liefern.<br />
„Wir wollen Impulse setzen“<br />
INTERVIEW: ECKART BAIER<br />
Was kann das Publikum vom diesjährigen<br />
forum:autoren erwarten?<br />
Matthias Politycki: Noch in den 1990er<br />
Jahren galt deutsche Literatur im Ausland<br />
oft als provinziell und langweilig. Das hat<br />
sich gewandelt, die Literatur hat sich geöffnet<br />
für neue Themen, neue Stillagen,<br />
ein ganz neues Selbstverständnis. Unser<br />
Ziel ist es, diesen Reichtum vorzustellen,<br />
eine die Saison überdauernde Standortbestimmung<br />
deutschsprachiger Literatur<br />
vorzunehmen.<br />
War dieser Fokus eine Vorgabe der Veranstalter<br />
an Sie als Kurator im Jahr 2011?<br />
Im Gegenteil, es war der meine, etwas<br />
anderes hätte ich nicht machen wollen.<br />
2012 wird das forum:autoren ja wieder einen<br />
ganz anderen Schwerpunkt haben. Auf<br />
diese Weise bekommt das Publikum je<strong>des</strong><br />
Jahr ein anderes Literaturfest – Subjektivität<br />
ist hier also Programm.<br />
Nach welchen Kriterien haben Sie die 50 eingeladenen<br />
Autorinnen und Autoren ausgesucht?<br />
Ein Schriftsteller ist mehr als die Summe<br />
seiner Bücher, er arbeitet an einem Werk,<br />
hat einen Standpunkt, eine unverwechselbare<br />
Stimme – im Lauf der Jahre bekommt<br />
man ganz gut mit, wer einer ist. Bei Jens<br />
Sparschuh oder Burkhard Spinnen beispielsweise<br />
musste ich nicht lange nachdenken:<br />
Wenn es um eine Standortbestimmung<br />
geht, gehören sie unbedingt dazu –<br />
auch wenn sie in diesem Jahr gar kein<br />
neues Buch veröffentlicht haben.<br />
© picture-alliance / dpa<br />
Matthias Polityckis Herz schlägt für die Lyrik<br />
In München wird aber nicht nur gelesen, sondern<br />
auch diskutiert. Kommt Ihnen in den Medien<br />
und in der Öffentlichkeit die Auseinandersetzung<br />
über Literatur denn zu kurz?<br />
Das Klima dieser Auseinandersetzung<br />
hat sich seit den 1980er Jahren sehr verändert.<br />
Wir möchten mit den Debattenformaten<br />
im forum:autoren frische Impulse<br />
setzen, wünschen uns substanzielle Anregungen<br />
auch über den Tag hinaus. Aus diesem<br />
Grund sind unsere Autoren auch nicht<br />
nur für eine einzige Veranstaltung vor Ort,<br />
sondern in der Regel für drei Tage. Auf dass<br />
genug Raum ist für Gespräche – die öffentlich<br />
geführten wie diejenigen, die sich daran<br />
hoffentlich anschließen.<br />
Diskutiert, aber auch gefeiert wird später am<br />
Tag dann im „Salon der lebenden Schriftsteller“<br />
– geöffnet für jedermann?<br />
Selbstverständlich, der Salon ist ja Teil<br />
<strong>des</strong> Programms, sogar ein besonders wichtiger.<br />
Er findet jeden Werktag ab 22 Uhr im<br />
Lesezeichen<br />
Matthias Politycki: London<br />
für Helden. The Ale Trail.<br />
Hoffmann und Campe,<br />
96 S., 18,– € (D) •<br />
18,50 € (A) • 28,90 sFr.<br />
Zur Person<br />
Matthias Politycki, 1955 geboren, lebt in Hamburg<br />
und München. Der „größte lebende Sprachkulinariker<br />
unter den <strong>deutschen</strong> Dichtern“ („Die Welt“)<br />
hat seit 1987 Essays, Romane, Erzählungen und<br />
Gedichtbände publiziert. Sein jüngstes Buch<br />
„London für Helden“ entstand nach einem längeren<br />
Aufenthalt in der britischen Hauptstadt.<br />
Literaturhaus statt und wird reihum von<br />
einem Münchner Verlag ausgerichtet. Wer<br />
tagsüber eine spannende Veranstaltung erlebt<br />
hat, will sich darüber doch unterhalten!<br />
Was wird Ihr persönliches Highlight sein?<br />
Da ich als Schriftsteller selber von der Lyrik<br />
her komme, habe ich mich auch als Veranstalter<br />
besonders darum bemüht: um Lyriker<br />
nämlich, die uns mit ihren Gedichten<br />
nicht nur vor intellektuelle Rätsel stellen,<br />
sondern uns mitreißen und begeistern. Am<br />
Samstag, 12. November, werden in der Muffathalle<br />
sechs der besten Lyrikperformer<br />
Deutschlands zu erleben sein. Einen Tag<br />
später treten in der Lyriklounge im Club<br />
Ampere zehn ganz unterschiedliche Lyriker<br />
auf, von F.W. Bernstein bis Ulla Hahn.<br />
Seit Ende 2010 arbeiten Sie und Ihr Team am<br />
Programm – kommt da die eigene schriftstellerische<br />
Arbeit nicht viel zu kurz?<br />
Definitiv! Und ohne das Team wäre es nie<br />
zu schaffen gewesen; stellen Sie sich allein<br />
vor, was dafür alles gelesen und diskutiert<br />
werden musste! Und dann will man ja mit<br />
jedem der Eingeladenen ausführlich gesprochen<br />
haben, möchte, dass er sich in unserem<br />
Programm und später am Veranstaltungsort,<br />
im Hotel, in der Stadt wohlfühlt – da gibt<br />
es jede Menge zu bedenken, zu telefonieren,<br />
zu korrespondieren, zu konferieren. Fürs eigene<br />
Schreiben bleibt da keine Kraft. <br />
www.literaturfest-muenchen.de<br />
28<br />
buchjournal 5/2011
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Schlank und schick<br />
Mehrere Tausend Bücher auf einem Gerät? Die E-Reader von PocketBook machen<br />
es möglich. Beispielsweise die multifunktionalen Geräten der Pro 600- und Pro 900-Serie.<br />
PocketBook Pro 603<br />
Der kompakte elektronische<br />
Allesleser mit<br />
Touchscreen, E-Ink-Technik<br />
und eingebautem WLAN für<br />
schnellen Internetzugang<br />
PocketBook Pro 903<br />
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Modul und einem fast 10 Zoll großen<br />
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grafische Programme ins rechte Licht.<br />
PocketBook Pro 902<br />
Das großformatige Basismodell der Pro<br />
900-Serie bietet alles, was man für das<br />
Lesen von Büchern und das Betrachten<br />
von Texten und Grafiken braucht<br />
PocketBook, der Hersteller mit dem breitesten Sortiment<br />
an multifunktionalen E-Book-Readern, verfolgt<br />
seit Jahren das Ziel, ein ideales elektronisches Lesegerät<br />
zu entwickeln, das alle Kundenwünsche an mobiles,<br />
papierloses Lesen erfüllt. Mit den Readern der Pro<br />
600- und Pro 900-Serie kommt PocketBook diesem Plan schon<br />
sehr nahe. Das PocketBook Pro 603 wiegt beispielsweise gerade<br />
einmal 280 Gramm – so schwer wie ein mittleres Taschenbuch<br />
– und trotzdem kann der Leser eine ganze Bibliothek mit sich<br />
führen: Dank eines integrierten Speichers von 2 GB können bis zu<br />
3 000 Bücher geladen werden. Und mit Hilfe einer zusätzlichen<br />
MicroSD-Karte lässt sich die Kapazität sogar<br />
bis auf 32 GB erweitern. Die Verwendung der<br />
stromsparenden E-Ink-Technologie ermöglicht<br />
komfortables, augenschonen<strong>des</strong> Lesen, denn im Vergleich<br />
zur gewöhnlichen LCD-Technik bei Monitoren flimmern E-Ink-<br />
Displays nicht, weshalb die Augen nicht ermüden. Der Leser kann<br />
die E-Reader von PocketBook ständig benutzen, ohne sich Sorgen<br />
um seine Augen machen zu müssen – und das bei enorm langer<br />
Laufzeit: Ist der Akku vollständig aufgeladen, lassen sich rund 20<br />
Bücher lesen, das heißt bei einer Lesedauer von 2 Stunden pro<br />
Tag kann man etwa einen Monat lang lesen ohne Aufladen. Die<br />
PocketBook-Reader bieten jedoch noch viele weitere Pluspunkte:<br />
Mit der integrierten WLAN-Schnittstelle und einer Browser-Software<br />
kann der Leser bei einem verfügbaren Internetzugang mit<br />
seinem Gerät jederzeit ins Internet. Darüber hinaus verfügen<br />
die PocketBook-Reader, die 20 Dateiformate unterstützen, über<br />
attraktive Zusatzfunktionen wie Taschenrechner, Spiele, Vorlesefunktionen<br />
und Notizfunktionen. Und nicht zu vergessen der<br />
eingebaute Musik-Player: Während <strong>des</strong> Lesens lässt sich per Kopfhörer<br />
oder über die eingebauten Lautsprecher Musik hören. Bei<br />
all diesen Finessen, die die PocketBookReader bieten, stellen sie<br />
dennoch keinerlei technische Anforderungen<br />
an den normalen Leser: Die Geräte sind sofort<br />
einsatzbereit, alle benötigten Funktionen<br />
und die erforderliche Software sind bereits integriert. Und: Jeder<br />
Reader kommt mit bis zu 1 000 vorinstallierten Büchern und mit<br />
bis zu 44 Wörterbüchern in den Handel.<br />
Mehr Informationen zu sämtlichen Produkten von PocketBook<br />
und zu den Bestellmöglichkeiten finden Sie im Internet unter<br />
www.pocketbook.de<br />
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buchjournal 5/2011 29
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Das Geschäft mit den digitalen Büchern kommt in Schwung. Zehntausende Titel sind zu<br />
haben, die E-Reader werden schicker und billiger und die Technik ist kinderleicht zu bedienen.<br />
Tausend Bücher in der Tasche<br />
TEXT: ECKART BAIER<br />
Und da sage jemand, E-Reader sind<br />
nur etwas für die Jungen: Im November<br />
vergangenen Jahres überraschte Ruth<br />
Klüger den ein oder anderen Zeitungsleser<br />
mit einem flammenden Plädoyer in<br />
Sachen Elektronik. In einem Beitrag für<br />
die „Neue Zürcher Zeitung“ hatte sich die<br />
Schriftstellerin, die am 30. Oktober ihren<br />
80. Geburtstag feiert, als „begeisterte E-<br />
Book-Konvertitin“ geoutet.<br />
Klüger, die, wie sie sagt, „seit ihrem<br />
sechsten Jahr auf Papier gedruckte Schrift<br />
wie eine Droge zu sich nimmt“, mag nicht<br />
mehr lassen vom elektronischen Lesegerät,<br />
das so viel wiegt wie ein mittelgroßes<br />
Taschenbuch, aber Tausende Bücher enthält<br />
und mit einer Akkuladung tagelang<br />
zur Verfügung steht. Doch nicht nur Senioren<br />
wissen die flimmerfreie E-Ink-Technik<br />
zu schätzen, die die Augen weniger<br />
ermüden lässt als ein normales Buch, zumal<br />
sich die Schriftgröße <strong>des</strong> Readers auf<br />
die individuellen Bedürfnisse <strong>des</strong> Lesers<br />
einstellen lässt. Mit der in vielen Geräten<br />
integrierten WLAN-Schnittstelle kann der<br />
Nutzer mit seinem Gerät sogar ins Internet<br />
– und nette Zusatzfunktionen wie Taschenrechner,<br />
Spiele und MP3-Player sind meist<br />
ebenfalls integriert.<br />
Zwar sind E-Book-Leser in Deutschland<br />
immer noch in der Minderheit – der<br />
Marktanteil <strong>des</strong> Geschäfts mit elektronischen<br />
Büchern betrug 2010 gerade einmal<br />
0,5 Prozent –, doch dürfte sich dies in<br />
den nächsten Jahren deutlich wandeln.<br />
Nicht nur, weil immer mehr erstklassige,<br />
schicke und inzwischen auch preisgünstige<br />
Geräte zu haben sind, sondern weil die<br />
Verlage auch für den nötigen Lesestoff sorgen.<br />
Egal, ob Charlotte Roches „Feuchtgebiete“,<br />
Jussi Adler-Olsens Thriller „Erlösung“,<br />
Ilija Trojanows Roman „EisTau“<br />
oder Sachbücher und Biografien aller Art<br />
– die Bestseller sind in den meisten Fällen<br />
auch digital zu haben, und zwar in der Regel<br />
billiger – gleichwohl preisgebunden –<br />
als die gedruckte Ausgabe.<br />
Wer die eleganten, meist silbrig glänzenden<br />
Lese-Knechte gern einmal ausprobieren<br />
will, sich insgeheim aber scheut,<br />
sich nach Computer, Internet und Handy<br />
in einem neuen Technik- und Dateiformat-<br />
Wirrwarr zu verheddern, dem sei gesagt:<br />
Der Gebrauch von E-Readern ist denkbar<br />
einfach. Die benötigte Software ist installiert<br />
und für den Download <strong>des</strong> begehrten<br />
Lesestoffs stehen im Internet zahlreiche<br />
Adressen zur Verfügung.<br />
Für die zwingend notwendige Anmeldung<br />
bei der Buchhandlung im Netz oder<br />
einer anderen Downloadstation braucht<br />
man zwar ein paar Minuten, doch dann<br />
läuft das Herunterladen eines Titels – eine<br />
schnelle Internetverbindung vorausgesetzt<br />
– wie geschmiert: In Sekundenschnelle landet<br />
das E-Book auf dem heimischen PC<br />
und wird von dort in den gewaltigen Datenspeicher<br />
<strong>des</strong> angeschlossenen Readers<br />
übertragen: Mit einer Datenkapazität von<br />
zwei Gigabyte, über die die meisten Reader<br />
verfügen, lassen sich mehr als 1 000 Bücher<br />
© Jean Gill<br />
Das ideale<br />
Gerät für<br />
unterwegs:<br />
E-Reader sind<br />
leicht und<br />
speichern<br />
Hunderte Titel<br />
laden. Und natürlich lässt sich das Buch<br />
mittels <strong>des</strong> kostenlosen Programms Adobe<br />
Digital Edition, das man braucht, auch direkt<br />
am PC lesen. Für das Schmökern mit<br />
dem E-Reader ist das EPUB-Format besonders<br />
geeignet, weil es sich dynamisch an<br />
die unterschiedlichen Bildschirm- und<br />
Schriftgrößen anpasst.<br />
Als E-Book-Kunde können Sie sich entweder<br />
im Internetshop Ihres Buchhändlers<br />
anmelden und dort ein elektronisches<br />
Buch kaufen und herunterladen. Oder sie<br />
klicken sich auf die E-Book-Plattform libreka!,<br />
die mit zahlreichen Partnerbuchhandlungen<br />
kooperiert und rund 80 000<br />
Titel bereithält. Natürlich setzen auch die<br />
großen Onlinehändler wie Weltbild oder<br />
buecher.de auf die virtuelle Ware und haben<br />
nicht selten sogar eigene E-Reader im<br />
Angebot. Wer beim Internetshop Amazon<br />
kaufen will, sollte wissen, dass das Amazon-eigene<br />
Lesegerät Kindle kein EPUB-<br />
Format kennt und der Nutzer damit ausschließlich<br />
auf Titel aus dem Amazon-<br />
Shop angewiesen ist.<br />
<br />
30<br />
buchjournal 5/2011
„In Zeiten <strong>des</strong> abnehmenden<br />
Lichts“ ist eine fabelhaft erzählte<br />
Familiengeschichte, meint<br />
Redakteur Eckart Baier. Der<br />
Debütroman <strong>des</strong> 56-jährigen<br />
Eugen Ruge ist ein Ereignis.<br />
BUCHJOURNAL-TIPP<br />
e-Lesen mit<br />
MIRA<br />
im Oktober!<br />
Die Geschichte<br />
einer Familie<br />
ANTOINETTE VAN HEUGTEN<br />
Mutterliebst<br />
e.Pub ISBN: 978-3-86278-094-5<br />
7,49 € [D], 352 Seiten<br />
ab 01.05.2012: 8,99 € [D]<br />
Thriller<br />
© Denis Stanisic<br />
^ Darum geht es: Eugen Ruge erzählt die Geschichte einer<br />
<strong>deutschen</strong> Familie in der DDR über vier Generationen. Dreh- und<br />
Angelpunkt ist der 1. Oktober 1989, Wilhelms 90. Geburtstag. Dieser<br />
Tag wird aus den Perspektiven verschiedener Personen gleich<br />
mehrfach erzählt. Und von hier aus blendet Ruge vor und zurück,<br />
etwa ins Jahr 1952, als Wilhelm, ein strammer Kommunist,<br />
und seine Frau Charlotte aus dem mexikanischen<br />
Exil nach Deutschland zurückkehren. Und in Mexiko findet<br />
am 11. September 2001 die Geschichte auch ihr Ende:<br />
Hier erfährt der krebskranke Enkel Alexander, der sich die<br />
Ersparnisse seines dementen Vaters geschnappt hat, von<br />
den Terroranschlägen auf das World Trade Center.<br />
Eckart Baier ^ Das ist das Besondere: knapp im Stil, tiefgründig,<br />
virtuos aufgebaut und unterhaltsam – ein Roman von der<br />
Art, wie man ihn sonst nur von US-Autoren kennt. Mit sprachlicher<br />
Finesse verleiht Ruge jeder Figur ihre eigene, individuelle<br />
Stimme – und lässt tief blicken in das sozialistische Lebensgefühl.<br />
Man kann nur staunen, dass diese fabelhaft geschriebene<br />
Familiengeschichte das Debüt eines 56-jährigen Autors ist.<br />
^ Wer ist der Autor? Beinahe hätte Eugen Ruge, geboren in Soswa<br />
(Ural), für den Roman sein Ferienhaus auf Rügen verkaufen<br />
müssen. Drei Jahre investierte er in seinen Erstling – dann rettete<br />
ihn der Verlagsvertrag mit Rowohlt aus der Klemme. Der studierte<br />
Mathematiker schrieb 20 Jahre als Autor für Theater und Fernsehen<br />
und verarbeitete in seinem inzwischen bereits preisgekrönten<br />
Buch viel von der eigenen Familiengeschichte. <br />
ERICA SPINDLER<br />
Spiel mit dem Tod<br />
e.Pub ISBN: 978-3-86278-096-9<br />
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SUZANNE BROCKMANN<br />
Operation Heartbreaker 10:<br />
Taylor - Ein Mann, ein Wort<br />
e.Pub ISBN: 978-3-86278-100-3<br />
6,49 € [D], 304 Seiten<br />
ab 01.05.2012: 7,99 € [D]<br />
Romance<br />
SUSAN MALLERY<br />
Supermom schlägt zurück<br />
e.Pub ISBN: 978-3-86278-098-3<br />
7,49 € [D], 352 Seiten<br />
ab 01.05.2012: 8,99 € [D]<br />
Romance<br />
JENNIFER ARMINTROUT<br />
Herrscherin <strong>des</strong> Lichts<br />
e.Pub ISBN: 978-3-86278-104-1<br />
7,49 € [D], 352 Seiten<br />
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Lichts“. Rowohlt,<br />
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Eugen Ruge: „In Zeiten <strong>des</strong><br />
abnehmenden Lichts“.<br />
Gelesen von Ulrich Noethen.<br />
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buchjournal 5/2011 31<br />
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»Eine sehr<br />
wahre und<br />
bewegende<br />
Geschichte.«<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
ROMANE_LEBENSGESCHICHTEN<br />
Sie nimmt Figuren und Motive aus ihrem Leben, präsentiert sie mit<br />
Humor – und mit großem Erfolg. Jetzt ist ein neuer Roman erschienen,<br />
aus gegebenem Anlass: Dora Heldt wird 50. Ein Besuch in Hamburg.<br />
© picture–alliance / dpa<br />
Dora Heldt:<br />
norddeutsch,<br />
humorvoll – und<br />
immer noch sehr<br />
geerdet<br />
Wellness mit Seeblick<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
280 Seiten · ISBN 978-3-7844-3268-7<br />
s (D) 19,99 · CHF 29,90 (UVP)<br />
»Mit den Kindern stirbt auch die Hoffnung<br />
nicht«, sagt Betsy Sternberg, als sie 1948<br />
wieder in ihre alte Wohnung in der<br />
Rothschildallee zieht. Die Bombenschäden<br />
sind behoben, der Kirschbaum im Hinterhof<br />
ist noch da, die Vögel zwitschern –<br />
doch für die Mitglieder der Familie Sternberg,<br />
die den Holocaust überlebt haben,<br />
gibt es kein Zurück in das alte Leben.<br />
Zukunft, Heimat, Sicherheit sind für sie<br />
Worte ohne Bedeutung. Da geschieht ein<br />
für diese Zeit nicht alltägliches Wunder …<br />
LangenMüller<br />
www.langen-mueller-verlag.de<br />
Schon die Stimme klingt frisch und<br />
nach einer Brise Norddeutschland, als<br />
Dora Heldt in ihre helle, großzügige Wohnung<br />
bittet: Sie ist auf Sylt aufgewachsen<br />
und deutlich und gern von ihrer Heimatgegend<br />
geprägt. „Ich mag die Mentalität hier<br />
oben im Norden, die frische Luft, den<br />
Wind, die Weite, das Wasser“, sagt sie. Und<br />
hier in Norddeutschland, auf Sylt, Norderney<br />
oder wo auch immer sonst, aber unbedingt<br />
mit Seeblick, spielen ihre Romane.<br />
Nur in einem ist sie so gar nicht norddeutsch:<br />
Dora Heldt ist eine Schnell- und<br />
Vielsprecherin.<br />
Bücher haben für sie – oder für Bärbel<br />
Schmidt, wie sie eigentlich heißt – schon<br />
immer eine große Rolle gespielt. Dass sie<br />
aber einmal schreiben würde, hat sie sich<br />
lange nicht vorstellen können. Sie arbeitete<br />
als Buchhändlerin, und seit 1992 ist sie als<br />
Verlagsvertreterin tätig. Solange sie mit ihrem<br />
Mann in Cuxhaven lebte, ging das gut.<br />
Sie war zweimal im Jahr für mehrere Monate<br />
für ihre Verlage unterwegs. In den<br />
Zwischenzeiten arbeitete sie dienstags und<br />
donnerstags in einer Buchhandlung und<br />
spielte Handball.<br />
Zur Person<br />
Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, ist gelernte<br />
Buchhändlerin und seit 1992 als Verlagsvertreterin<br />
unterwegs. Mit ihren unterhaltsamen Romanen<br />
hat sie sämtliche Bestsellerlisten erobert. „Urlaub<br />
mit Papa“ und „Tante Inge haut ab“ wurden<br />
für das ZDF verfilmt. Dora Heldt lebt in Hamburg.<br />
Doch vor etwa zehn Jahren, als sie um die<br />
40 war, wurde alles anders. Ihr Mann teilte<br />
ihr mit, dass er sie verlassen wollte – wegen<br />
ihrer besten Freundin. „Ich habe nicht lange<br />
diskutiert und bin nach Hamburg gezogen.“<br />
Hier kannte sie niemanden, beim<br />
Handball mit einer neuen Mannschaft zog<br />
sie sich einen Achillessehnenanriss zu, mit<br />
dem Sport war also erst mal Schluss, und es<br />
gab keine Buchhandlung, in der sie zweimal<br />
in der Woche arbeiten konnte. „Mein<br />
Leben war mit einem Mal zwischen den<br />
Verlagsreisen unstrukturiert und schon ein<br />
bisschen düster.“<br />
Dann aber traf sie den Literaturagenten<br />
Joachim Jessen. „Er schlug mir vor, einen<br />
32<br />
buchjournal 5/2011
Besuchen Sie uns auf der<br />
Frankfurter Buchmesse<br />
Buchjournal-Talk mit Dora Heldt<br />
Donnerstag, 13. Oktober, 13 Uhr<br />
Forum Hörbuch & Literatur, Halle 4.1<br />
Unterhaltungsroman für Frauen zu<br />
schreiben. Nicht wie Hera Lind für<br />
die jüngeren, sondern für meine Altersgruppe.<br />
Und er meinte: Warum nicht über<br />
das, was du gerade hinter dir hast – eine<br />
Scheidung?“<br />
Bärbel Schmidt legte los, mit einem klaren<br />
Plan: „Ich wollte mein Leben strukturieren.<br />
Ich wollte Spaß haben. Und ich wollte<br />
ein unterhaltsames Buch schreiben, wie ich<br />
es während meiner Trennungsgeschichte<br />
selbst gern gelesen hätte“, erzählt sie.<br />
So entstand „Ausgeliebt“, ihr erster Roman,<br />
den sie unter dem Namen Dora<br />
Heldt, dem Namen ihrer Großmutter, anbot<br />
und den vier große Verlage haben<br />
wollten. „Zum Glück war dtv dabei“, der<br />
Verlag, für den sie als Vertreterin arbeitete.<br />
Es folgte „Unzertrennlich“ und dann schon<br />
„Urlaub mit Papa“ sowie „Tante Inge haut<br />
ab“. Keine Romane mehr über eigene Erfahrungen,<br />
aber Geschichten mit Momenten<br />
und Figuren aus ihrem Leben: Die<br />
Geschwister, Papa, Tante Inge, sie alle gibt<br />
es tatsächlich und sie nehmen es gelassen<br />
hin, dass sie in den Romanen vorkommen.<br />
Dora Heldt hat mit ihnen großen Erfolg:<br />
Alle ihre Bücher sind auf den Bestsellerlisten,<br />
zwei sind verfilmt. „Aber mein Leben<br />
hat sich dadurch nicht verändert“, sagt sie.<br />
„Oder nur in einem Punkt: Ich habe jetzt viel<br />
mehr Arbeit.“ Ein wenig hat Bärbel Schmidt<br />
zwar ihre Verlagsvertretung eingeschränkt.<br />
Aber immer noch ist sie zweimal im Jahr<br />
unterwegs und <strong>schreibt</strong> in den Monaten dazwischen.<br />
„Ich brauche die Reisen, sonst<br />
würde ich mich ganz einigeln“, sagt sie bei<br />
Kaffee und selbst gebackenem Kuchen.<br />
Gibt es sonst wirklich keine Veränderungen<br />
– immerhin ist sie eine der erfolgreichsten<br />
<strong>deutschen</strong> Autorinnen geworden?<br />
„Nee, es ist ja aber auch nicht viel<br />
passiert. Ich habe doch nur ein paar Bücher<br />
geschrieben.“ Dass man auch großen Erfolg<br />
nicht hochkochen muss, scheint in die<br />
nord<strong>deutschen</strong> Gene eingeschrieben zu<br />
sein – und Familie und Freunde wachen darüber,<br />
dass das so bleibt.<br />
buchjournal 5/2011 33<br />
In den letzten zwei Jahren war Dora Heldt<br />
wieder sehr diszipliniert, hat Bücher verkauft<br />
und zwischendurch ein eigenes geschrieben:<br />
„Bei Hitze ist es wenigstens nicht<br />
kalt“. Wieder eine fiktive, unterhaltsame<br />
Geschichte und wieder eine mit Momenten<br />
aus dem eigenen Leben. Dieses Mal geht es<br />
um das Älterwerden und den 50. Geburtstag,<br />
der bei der Autorin im November ansteht.<br />
„Es ist der erste, der wirklich seltsam<br />
ist. 50 – das waren immer die Großmütter,<br />
auf jeden Fall immer die anderen. Ich fühle<br />
mich überhaupt nicht wie 50, aber ich bin es<br />
nun mal und mein Körper auch.“<br />
So schrieb sie eine Geschichte über ihre<br />
neue Heldin Doris, die den 50. Geburtstag<br />
als Demütigung empfindet, über beste<br />
Freundinnen, übergriffige Mütter und verloren<br />
gegangene Lebensträume. Statt großer<br />
Fete wünscht sich Doris ein Wochenende<br />
in einem Wellnesshotel mit ihren beiden<br />
ältesten Freundinnen, natürlich in<br />
einer nord<strong>deutschen</strong> Küstengegend – und<br />
zwischen Sauna, Friseur und Strandyoga<br />
kommt frische Luft in die Gedanken.<br />
Dora Heldt selbst hatte geplant, ihren<br />
Geburtstag ganz groß zu feiern. „Aber nur,<br />
wenn ich nach dem Schreiben <strong>des</strong> Romans,<br />
nach der intensiven Beschäftigung mit der<br />
50 noch Lust dazu haben würde.“ Und –<br />
wie sieht es nun aus? Alles ist gut gegangen:<br />
„Es wird eine richtig große Feier. Die<br />
Einladungskarten sind schon verschickt.“<br />
Schreiben ist für Bärbel Schmidt alias Dora<br />
Heldt keine Therapie. Aber ein gutes Mittel,<br />
um Abstand zu bekommen von allem,<br />
was eher schwierig ist. Und vor allem: um<br />
Spaß zu haben und Spaß zu machen. <br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Dora Heldt: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt.<br />
dtv, 340 S., 14,90 € (D) • 15,40 € (A) • 21,90 sFr.<br />
Dora Heldt: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt.<br />
Gelesen von der Autorin. Jumbo, 1 CD, 14,99 € (D/ A) •<br />
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Bücher,<br />
die unter die<br />
Haut gehen...<br />
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ROMANE_ZAMONIEN<br />
Die zamonische Stadt Buchhaim, gemeinhin auch als „Stadt der Träumenden Bücher“ bekannt, ist im neuen Roman von Walter<br />
Moers erneut das skurrile Pflaster für allerlei Abenteuer <strong>des</strong> Großschriftstellers Hildegunst von Mythenmetz. Sein Werk wird von<br />
Moers seit Jahren mit großem Erfolg aus dem Zamonischen übersetzt und illustriert. Im neuen Roman „Das Labyrinth der Träumenden<br />
Bücher“ finden sich diese Illustrationen. Sie zeigen, wie gefährlich Bücher – insbesondere für Leseratten – sein können!<br />
Lesen ist<br />
gefährlich!<br />
Das Skorpionbuch<br />
Der Name ist Programm: klein und giftig.<br />
Und je kleiner, <strong>des</strong>to giftiger.<br />
Sechs<br />
gefährliche Bücher<br />
aus dem<br />
Buchhaimer Labyrinth<br />
Leidener<br />
Männchen auf<br />
Tentakelbuch<br />
Tentakelbücher sind besonders<br />
gefährlich, wenn sie von Leidener<br />
Männlein gelenkt werden.<br />
Gefräßiges<br />
Buch<br />
Das<br />
Tentakelbuch<br />
Sieht so harmlos aus. Zieht vor<br />
allem Vielleser fest an sich und<br />
lässt nicht mehr los.<br />
Das<br />
Stachelbuch<br />
Liegt gern im Dunkeln vor dem<br />
Bett. Vorsicht beim Aufstehen!<br />
Lesezeichen<br />
Lauert gut getarnt in unaufgeräumten<br />
Bücherregalen.<br />
Man hüte sich vor dem<br />
Lesebändchen!<br />
j<br />
Das Bluttrinkerbuch<br />
Trinkt, wie der Name schon sagt, gern Blut.<br />
Manchmal bis zu sieben Liter. Am liebsten von<br />
Leseratten.<br />
Walter Moers: Das Labyrinth der Träumenden Bücher.<br />
Knaus, 600 S., 24,99 € (D) • 25,70 € (A) • 38,90 sFr.<br />
Walter Moers: Das Labyrinth der Träumenden Bücher.<br />
Der Hörverlag, 12 CDs, 39,99 € (D/ A) • 55,90 sFr.<br />
34<br />
buchjournal 5/2011
Vertrauen wächst<br />
aus gutem Grund<br />
Förderung nachhaltiger<br />
Waldwirtschaft<br />
www.pefc.de<br />
www.haba.de<br />
„ Kinder sind das Beste, was wir haben.<br />
Natur ist das Wertvollste, was wir ihnen<br />
schenken können: mit natürlichem<br />
Spielzeug aus heimischen Hölzern.“<br />
Erfinder für Kinder
BIOGRAFIE<br />
Er ist unser vitalster Klassiker<br />
und doch steckt sein hyperaktives<br />
Leben voller Rätsel:<br />
Biografen entschlüsseln das<br />
Leben <strong>des</strong> sprachgewaltigen<br />
Dichters Heinrich von Kleist.<br />
Ein<br />
Leben als<br />
Labyrinth<br />
TEXT: WOLFGANG SCHNEIDER<br />
A<br />
ufsatz, den sichern Weg <strong>des</strong> Glücks zu<br />
finden, und ungestört, auch unter<br />
den größten Drangsalen <strong>des</strong> Lebens, ihn zu<br />
genießen!“ lautet der zuversichtliche Titel<br />
einer frühen Schrift Heinrich von Kleists.<br />
Weil er das Gesuchte nicht fand und zu der<br />
Überzeugung kam, dass ihm auf Erden nicht<br />
zu helfen sei, erschoss er sich und die Freundin<br />
Henriette Vogel am Kleinen Wannsee.<br />
Kleist ist unser vitalster Klassiker, gerade<br />
weil er kein „Klassiker“ war. Zu Lebzeiten<br />
verkannt, wurde er zum Idol der Moderne<br />
– seine katastrophischen Novellen waren<br />
das Gegenmodell zu den gemächlichen Bildungsromanen<br />
<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts, seine<br />
martialische „Penthesilea“ die Alternative<br />
zur humanen „Iphigenie“ Goethes. Daran<br />
hat sich seitdem nichts geändert. Über keinen<br />
anderen Autor der Schwellenzeit um<br />
1800 werden heute mehr Biografien geschrieben.<br />
Erst vor vier Jahren erschienen<br />
umfangreiche Lebensdarstellungen von<br />
Gerhard Schulz und Jens Bisky („Kleist“,<br />
Rowohlt Berlin); jetzt kommen anspruchsvolle<br />
Biografien hinzu.<br />
Dabei war Kleists Leben so kurz wie die<br />
Überlieferung spärlich: Was man über ihn<br />
sicher wissen kann, weiß man seit Langem.<br />
Die ergiebigste Quelle sind seine brieflichen<br />
Selbstauskünfte; Briefe an ihn sind<br />
kaum erhalten. Kleist wechselte Orte wie<br />
das Hemd und verzichtete darauf, sein Le-<br />
© ullstein bild – Lieberenz<br />
ben zu archivieren. Am besten dokumentiert<br />
sind seine letzten Stunden: Über die<br />
ungeheuer gute Laune der beiden Sterbelus<br />
tigen, die sich trotz Novemberkühle einen<br />
Tisch ans Seeufer stellen ließen und<br />
dort ihren finalen Kaffee tranken, nachdem<br />
sie während der Nacht einen Stapel aufgekratzter<br />
Abschiedsbriefe verfasst hatten,<br />
weiß man dank der polizeilichen Aussageprotokolle<br />
genau Bescheid.<br />
Ansonsten ist Kleists hyperaktives Leben<br />
(1777 – 1811) voller Rätsel: frühe Kriegserfahrungen,<br />
der plötzliche Abschied von der<br />
aussichtsreichen Offizierslaufbahn, kuriose<br />
Lebenspläne, die Hinwendung zur<br />
Wissenschaft, immer neue Aufbrüche und<br />
Reisen. Dieses Leben ist ein Labyrinth,<br />
durch das immer neue Bücher den roten<br />
Faden zu ziehen versuchen.<br />
Kleist schrieb nicht autobiografisch.<br />
Eine gute Biografie muss sich trotzdem mit<br />
den eruptiv herausgeschleuderten Dramen<br />
und Novellen beschäftigen, die schließlich<br />
der Grund aller Kleist-Faszination sind,<br />
ohne dass jedoch die Werke aus dem Leben<br />
»Kleists Leben<br />
war so kurz wie<br />
die Überlieferung<br />
spärlich«<br />
„Helft Freunde, helft! Ich bin verrückt“:<br />
Szenenfoto aus Kleists „Prinz Friedrich von<br />
Homburg“ am Deutschen Theater Berlin, 2009<br />
zu erklären wären oder das Leben aus den<br />
Werken. Ein Balanceakt, der Günter Blamberger<br />
am überzeugendsten gelingt. Seit 15<br />
Jahren Präsident der Kleist-Gesellschaft,<br />
kennt sich der Germanist unübertrefflich<br />
aus in der Kleist-Welt. Seine Biografie<br />
schildert Kleist als unermüdlichen Projektemacher<br />
und existenziellen Experimentator;<br />
sie vermittelt soli<strong>des</strong>te Kenntnisse<br />
und ist zugleich geprägt von einer<br />
nahezu Kleist’schen Widerspruchslust.<br />
Etablierte Meinungen werden immer wieder<br />
als Vorurteile vorgeführt. Wo sich ein<br />
Konsens gebildet hat, etwa über Kleists<br />
vermeintlich lieblose und oberlehrerhafte<br />
Behandlung der Verlobten Wilhelmine von<br />
Zenge, geht er dazwischen. Blambergers<br />
brillante Werk-Analysen bieten viele Deutungspointen.<br />
Gute Kleist-Vorkenntnisse<br />
sind allerdings erforderlich.<br />
Zu Kleist hinführen kann eher Peter<br />
Michalziks Biografie. Ihr Duktus ist erzählerischer,<br />
anschaulicher, nicht so akademisch,<br />
auch wenn der Verfasser viel Detailwissen<br />
beizusteuern hat – weniger hinsichtlich<br />
der literarischen Finessen und<br />
ihrer literaturwissenschaftlichen Hintergründe<br />
als in Fragen <strong>des</strong> preußischen Militärs,<br />
das Kleists soldatischen Habitus<br />
prägte. Krieg, Kampf und exzessive Gewalt<br />
bestimmen die meisten seiner Werke, das<br />
kommt nicht von ungefähr. Michalzik rekonstruiert<br />
die frühen Garnisons- und<br />
36<br />
buchjournal 5/2011
Kriegserfahrungen Kleists, indem er historische<br />
Quellen und Berichte anderer Soldaten<br />
heranzieht: So könnte es gewesen sein.<br />
Noch mehr versucht die italienische Germanistin<br />
Anna Maria Carpi aus der Quellennot<br />
eine Erzähltugend zu machen. Sie<br />
dialogisiert die Briefe und vorhandenen<br />
Zeugnisse, inszeniert Stimmen und Sehnsüchte<br />
und <strong>schreibt</strong> so den Roman <strong>des</strong><br />
Kleist-Lebens, konsequent im erlebnisunmittelbaren<br />
Präsens.<br />
Ganz oben sollte jedoch die Lektüre von<br />
Kleists Werken stehen. Bestens geeignet<br />
dafür ist die neue Münchner Ausgabe<br />
sämtlicher Werke und Briefe, erschienen<br />
im Hanser Verlag. Sie basiert auf Stroemfelds<br />
historisch-kritischer Ausgabe von Peter<br />
Staengle – und von Roland Reuß, <strong>des</strong>sen<br />
Kleist-Essays nun ebenfalls bei Stroemfeld<br />
in dem Band „Im Freien?“ erschienen sind.<br />
Ein populäres Vergnügen sind die Anekdoten,<br />
die Kleist in den „Berliner Abendblättern“<br />
publizierte. Sie simulieren das<br />
mündliche Erzählen und eignen sich <strong>des</strong>halb<br />
wunderbar fürs Hörbuch. Otto Sander<br />
liest eine Auswahl von Anekdoten, Briefen<br />
Lesezeichen<br />
KLEIST<br />
Insel<br />
Ein<br />
Leben<br />
von<br />
Anna<br />
Maria<br />
Carpi<br />
wartsliteratur guttut. Kleists Werke richten<br />
sich gegen die „gegenwärtigste aller<br />
Todsünden“: die „Coolness, die Trägheit<br />
<strong>des</strong> Herzens und <strong>des</strong> Kopfes“, so Blamberger.<br />
Gerade in dieser Unzeitgemäßheit besteht<br />
ihre Aktualität.<br />
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25,60 € (A) • 35,50 sFr.<br />
3. Peter Michalzik: Kleist. Dichter, Krieger, Seelensucher. Propyläen, 576 S., 24,99 € (D) • 25,70 € (A) • 34,90 sFr.<br />
4. Gerhard Schulz: Kleist. C. H. Beck, 608 S., 18,– € (D) • 18,50 € (A) • 27,90 sFr.<br />
5. Heinrich von Kleist: Novellen. Gelesen von Rolf Boysen. Der Hörverlag, 14 CDs, 49,99 € (D/ A) • 75,50 sFr.<br />
6. Heinrich von Kleist: Weg <strong>des</strong> Glücks. Gelesen von Otto Sander. Audiobuch Verlag, 2 CDs, 19,95 € (D) •<br />
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und Aufsätzen mit knarrig-knurrigem Offizierston.<br />
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Regelbuch, das „der<br />
große Munsell“ vor<br />
vielen Jahren geschrieben<br />
hat: „Eine<br />
krumme Haltung wird<br />
unter keinen Umständen<br />
toleriert.“ Oder: „Mit überhöhter Geschwindigkeit<br />
rückwärts Einrad fahren ist verboten.“<br />
Fast alle Bewohner richten sich nach den Regeln,<br />
die auch bestimmen, wer über wem steht.<br />
Nicht Einkommen, Bildung oder Aussehen bestimmen<br />
den Stand, sondern ganz allein die<br />
Fähigkeit, Farben erkennen zu können. Die<br />
„Grauen“ sind farbenblind, über ihnen stehen<br />
die „Roten“, „Gelben“ und „Blauen“. Jasper<br />
Fforde, britischer Autor mit walisischen Wurzeln,<br />
hat diese irrwitzige Gegenwelt geschaffen,<br />
in der er eine farbenprächtige Liebesgeschichte<br />
zwischen Eddie, einem „Roten“, und<br />
Jane, einer „Grauen“, entwickelt. Oliver Rohrbeck<br />
liest das mit jugendlicher Frische und passenderweise<br />
ohne jede Exaltiertheit. Ganz wunderbar<br />
ist die Erfahrung nach dem Hören: Man<br />
nimmt Farben anders wahr.<br />
rma<br />
^ Jasper Fforde: „Grau. Ein Eddie-Russett-Roman“.<br />
Gelesen von Oliver Rohrbeck. Eichborn, 8 CDs,<br />
24,95 € (D) • 25,20 € (A) • 36,90 sFr.<br />
In seinem wunderbaren Buch „Eine kurze<br />
Geschichte von fast allem“ hat uns der Wissenschaftsautor<br />
Bill Bryson auf eine unterhaltsame<br />
Reise durch Raum und Zeit mitgenommen.<br />
In seinem neuen Werk führt die<br />
Reise nicht ganz so weit: Bryson zeigt uns<br />
die verschiedenen Zimmer seines Hauses.<br />
Es geht durch Küche, Schlafzimmer, Ankleideraum,<br />
Keller und Dachboden. Dabei stößt<br />
er auf die Geschichte <strong>des</strong> Essens, Schlafens,<br />
Sexes und der Hygiene und macht auch vor<br />
Wanzen und Skorbut nicht Halt – und erstaunlicherweise<br />
ist das wieder eine weite,<br />
kuriose und sehr abenteuerliche Reise.<br />
Denn Bryson nimmt uns mit ins Mittelalter,<br />
in die Römerzeit und ins England <strong>des</strong><br />
19. Jahrhunderts. Sein besonderes Augenmerk<br />
gilt Kleinigkeiten wie Seilen, Kühlschränken<br />
und Mausefallen. Mit echter Forscherbegeisterung<br />
erklärt er, warum die<br />
Dinge so sind, wie sie sind. Schön, dass die<br />
deutsche Hörbuchfassung von Rufus Beck<br />
gesprochen wird. Der kann wunderbar staunen,<br />
und sein Sprachduktus ist immer ganz<br />
fern jeder pädagogischen Bemühtheit. Es<br />
ist geradezu ein Heimspiel.<br />
rma<br />
^ Bill Bryson: „Eine kurze Geschichte der alltäglichen<br />
Dinge“. Übersetzt von Sigrid Ruschmeier.<br />
Gelesen von Rufus Beck. Der Hörverlag, 6 CDs,<br />
24,99 € (D / A) • 36,90 sFr.<br />
Ehrliche Lautsprecher<br />
38<br />
buchjournal 5/2011
DER ETWAS ANDERE GEBURTSTAG<br />
Alter Schwede!<br />
Der Held eines Schelmenromans muss kein<br />
Jüngling sein. Bei Jonas Jonasson ist er 100 Jahre<br />
alt. Ausgerechnet an diesem runden Geburtstag<br />
entschließt sich Allan Karlsson auszusteigen<br />
– erst mal aus dem Fenster seines Zimmers<br />
im Altenheim. Am Busbahnhof gerät er in<br />
den Besitz eines Koffers, der sehr viel Geld enthält.<br />
Allan findet ein paar neue Freunde, erledigt<br />
ein paar Kriminelle. Und irgendwann ist er<br />
mit einem 70-Jährigen, einer schönen Frau,<br />
einem Mann, der so gut wie alles studiert hat,<br />
und einem Elefanten in einem Bus unterwegs.<br />
Jonas Jonassons kurioser Roman, in dem auch<br />
noch Franco, Stalin, Kim Il-sung, Mao Tse-tung<br />
sowie mehrere amerikanische Präsidenten und<br />
Albert Einstein auftreten, war in Schweden ein<br />
großer Erfolg. Die deutsche Fassung liest Otto<br />
Sander. Seine sonore Stimme strahlt Ruhe und<br />
Sicherheit aus – und das ist genau das, was man<br />
für diesen wunderbar verrückten Roman<br />
braucht.<br />
rma<br />
^ Jonas Jonasson:<br />
„Der Hundertjährige,<br />
der aus dem Fenster<br />
stieg …“. Gelesen von<br />
Otto Sander. Der Hörverlag,<br />
6 CDs, 19,99 €<br />
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ERNEUT ENTDECKT<br />
Widerstand gegen die Nazis<br />
Der erstaunlichste Bestseller <strong>des</strong> Jahres ist „Jeder<br />
stirbt für sich allein“, Hans Falladas Widerstandsgeschichte<br />
aus dem Zweiten Weltkrieg.<br />
Seitdem die Übersetzung in England und den<br />
Vereinigten Staaten eine enorme Durchschlagskraft<br />
entwickelte, blickt man auch hierzulande<br />
mit anderen Augen auf Fallada, der lange mit<br />
dem Ruf als bloßer Unterhaltungsautor zu<br />
kämpfen hatte. Der Roman wird gelesen von<br />
Ulrich Noethen, der seit der Komplettdarbietung<br />
von „Krieg und Frieden“ zum Sonderbeauftragten<br />
für historisch bedeutsame Epik wurde:<br />
maskulines Timbre und eine Lakonie, die durch<br />
minimale Modulationen zugleich ein großes<br />
Ausdrucksspektrum entwickelt.<br />
wos<br />
^ Hans Fallada:<br />
„Jeder stirbt für sich<br />
allein“. Gelesen von<br />
Ulrich Noethen.<br />
Osterwoldaudio,<br />
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buchjournal 5/2011 39<br />
DER AUTOR ALS VORLESER<br />
Wogende Satzmelodien<br />
Viele Autoren betrachten<br />
das Vorlesen als<br />
Pflichtübung. Martin<br />
Walser dagegen ist mit<br />
seinen Büchern immer<br />
gern auf Tournee gegangen.<br />
Stummes Lesen<br />
hat er einmal als „Singen mit geschlossenem<br />
Mund“ bezeichnet. Walser schmeckt seine Werke<br />
mündlich ab, und sein libidinöses Verhältnis zur<br />
Sprache macht sich geltend in den Hörbuchfassungen,<br />
die er regelmäßig selbst einliest. Lust der<br />
Formulierung, Geschmack der Worte, Hochgefühl<br />
durch Ausdruck – das alles überträgt sich auch bei<br />
„Muttersohn“, seinem neuen Roman in fünf Romanen,<br />
einer innig weitschweifigen Erkundung<br />
von Glaube, Liebe, Hoffnung im Wirkungskreis <strong>des</strong><br />
messianischen Krankenpflegers Anton Percy<br />
Schlugen. Da wogen die Satzmelodien, da rollt<br />
das „r“ bedeutungsvoll, da wird das Alterswerk zur<br />
freundlichen Predigt. „Ich sprech’ so gern in dein<br />
Ohr“, sagt Percy. Sagt Walser – zum Hörer. wos<br />
^ Martin Walser: „Muttersohn“. Gelesen vom<br />
Autor. Argon, 8 CDs, 29,95 € (D) • 30,80 € (A) •<br />
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GESCHICHTE EINER GEFANGENSCHAFT<br />
Innensicht<br />
Raum ist eine Art<br />
Kumpel. Raum ist immer<br />
da. Jack kennt<br />
nichts anderes, denn<br />
der Junge ist in Gefangenschaft<br />
aufgewachsen.<br />
Seine Mutter<br />
wurde entführt<br />
und Old Nick, der abends kommt, das Essen<br />
bringt und die Mutter schlägt, hat sie eingekerkert<br />
– in diesem knapp vier mal vier Meter<br />
großen Raum mit Fernsehgerät, Küchentisch,<br />
Schrank, Bett und Zimmerpflanze. An seinem<br />
fünften Geburtstag aber muss Jack erkennen,<br />
dass es da draußen noch eine andere Welt gibt.<br />
Inspiriert von den Fällen Kampusch und Fritzl<br />
be<strong>schreibt</strong> Emma Donoghue ein Leben in der<br />
Zelle aus der Perspektive eines Fünfjährigen.<br />
Matthias Brandt liest das mit einer gewissen<br />
Nachdenklichkeit und Trauer in der Stimme. Er<br />
lässt sich sehr ein auf diese atemberaubende<br />
Geschichte. Und das macht man beim Hören<br />
auch.<br />
rma<br />
^ Emma Donoghue: „Raum“. Übersetzt von Armin<br />
Gontermann. Gelesen von Matthias Brandt. Osterwoldaudio,<br />
5 CDs, 19,99 € (D / A) • 30,50 sFr.<br />
4<br />
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HÖRBUCH_PORTRÄT<br />
Theaterskandale, Filmpreise, Kommissarin im „Tatort“: Eva Mattes gehört zu den Großen ihres Fachs<br />
– auch als Hörbuchsprecherin. In einem packenden Erinnerungsbuch erzählt sie nun von ihrem Leben.<br />
Audienz bei der „stillen Königin“<br />
TEXT: ECKART BAIER<br />
Wie wär’s denn mal, die Diva zu geben,<br />
Frau Mattes? Die 56-Jährige<br />
macht große Augen und schaut, als hätte<br />
man ihr einen unanständigen Antrag gemacht.<br />
„Nein, so was hat mich nie interessiert.<br />
Ich wollte immer nur arbeiten.“ Deshalb,<br />
meint sie und nippt an einem Glas<br />
Mineralwasser, sei ihr der Ruhm auch nie<br />
zu Kopf gestiegen.<br />
Nicht, als sie mit 16 Jahren in Michael<br />
Verhoevens Antikriegsfilm „o.k.“ für den<br />
größten Skandal in der Geschichte der Berliner<br />
Filmfestspiele sorgte, und auch nicht<br />
zwei Jahre später, als ihr Ivan Nagel, der Intendant<br />
<strong>des</strong> Hamburger Schauspielhauses,<br />
jede Rolle geben wollte. „Etwas Großartigeres<br />
kann einem in dem Alter gar nicht<br />
passieren.“ Auch sonst ist viel passiert in<br />
ihrem Leben, so viel, dass sie immer wieder<br />
von Verlagen bekniet wurde, ihre Erlebnisse<br />
und Begegnungen doch aufzuschreiben.<br />
„Das habe ich immer abgelehnt.“<br />
Während eines Türkei-Urlaubs vor sechs<br />
Jahren begann sie jedoch, Tagebuch zu<br />
schreiben. „Das erste Mal in meinem Leben<br />
– und es hat mir großen Spaß gemacht.“<br />
Zwei Jahre später machte Ullstein-Verlegerin<br />
Siv Bublitz dann einen neuen Vorstoß in<br />
Sachen Buchprojekt. Nach kurzer Bedenkzeit<br />
sagte Mattes zu. Mitte September sind<br />
nun ihre Erinnerungen unter dem Titel<br />
„Wir können nicht alle wie Berta sein“ erschienen<br />
– Eva Mattes’ Lieblingszitat aus<br />
Ibsens „Wild ente“.<br />
Es versteht sich von selbst, dass Eva<br />
Mattes, die Sprechkünstlerin, die von der<br />
„FAZ“ als „die stille Königin unter den<br />
<strong>deutschen</strong> Vorleserinnen“ bezeichnet wurde,<br />
ihre Erinnerungen für die Hörbuch-<br />
Fassung selbst liest. Dafür sitzt sie nun in<br />
den Räumen eines Tonstudios in Berlin. Es<br />
ist spät am Nachmittag und nach einer<br />
Stunde Pause soll es weitergehen. Sie, die<br />
Temperamentvolle, die auf der Bühne wie<br />
ein Kraftwerk wirken kann, sitzt gelassen<br />
und entspannt da, sichtlich zufrieden mit<br />
dem, was sie auf mehr als 400 Seiten zu Papier<br />
gebracht hat. Und zu früh, nein, zu<br />
früh kämen ihre Erinnerungen auch nicht.<br />
„Schließlich stehe ich schon seit fast 45<br />
Jahren auf der Bühne“, sagt sie, lacht und<br />
schüttelt fast ungläubig den Kopf. „Ich<br />
wollte nie etwas anderes werden als Schauspielerin,<br />
das war irgendwie ganz tief in<br />
mir drin.“ Was auch in der Familie liegt: Ihr<br />
Vater Willy Mattes war Filmkomponist,<br />
ihre Mutter Margit Symo stand mit Größen<br />
wie Heinrich George und Emil Jannings auf<br />
der Bühne und vor der Kamera.<br />
Die Mutter war es auch, die Eva 1967 als<br />
Zwölfjährige zu ihrer ersten Rolle in Curt<br />
Goetz’ Stück „Dr. med. Hiob Prätorius“ ans<br />
Münchner Theater brachte. Die wenigsten<br />
der heute 40- bis 50-Jährigen wissen allerdings,<br />
dass Eva Mattes sie durch ihre ge-<br />
© Suse Walczak / laif<br />
Atem holen:<br />
Ruhepausen gönnt sich<br />
die viel beschäftigte<br />
Eva Mattes selten<br />
40 buchjournal 5/2011
© picture–alliance / dpa<br />
Zur Person<br />
Eva Mattes, geboren 1954, hat seit 1966 in etwa 200 Kino- und Fernsehfilmen und in<br />
Theaterinszenierungen gespielt und wurde mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen<br />
geehrt. Ihre beiden Kinder Hanna und Josef sind ebenfalls Schau spieler.<br />
Eva Mattes lebt mit dem österreich ischen Künstler Wolfgang Georgsdorf in Berlin.<br />
EMPFEHLENSWERTE<br />
CD-NEUHEITEN<br />
BEI SONY CLASSICAL<br />
samte Kindheit begleitet hat: In 250 Folgen<br />
der US-Fernsehserie „Lassie“ lieh sie Timmy<br />
seine deutsche Stimme. Und sie synchronisierte<br />
Inger Nilsson als Pippi Langstrumpf<br />
in der 21-teiligen Fernsehserie.<br />
Noch heute muss Eva Mattes grinsen,<br />
wenn sie die Filme zu sehen bekommt. „Ich<br />
erkenne meine Stimme sofort am Sprachfehler<br />
wieder.“ Ihr rechter Mundwinkel<br />
zuckte damals bei jedem „Sch“-Laut deutlich<br />
– und un überhörbar – nach rechts. Das<br />
Handicap, das durch Sprachtraining später<br />
verschwand, hinderte das Naturtalent, das<br />
nie eine Schauspielschule besucht hatte, jedoch<br />
nicht an einer steilen Karriere. Regisseure<br />
wie Michael Verhoeven, Peter Zadek,<br />
Werner Herzog oder Rainer Werner Fassbinder<br />
schätzten ihre Art <strong>des</strong> unmittelbaren<br />
Spiels, den Reiz ihres breiten, exotisch anmutenden<br />
Gesichts. „Ich war der richtige<br />
Typ zur richtigen Zeit“, meint sie lapidar.<br />
Mit 16 erhielt Eva Mattes für ihre Rollen<br />
in „o.k.“ und „Matthias Kneißl“ den Bun<strong>des</strong>filmpreis<br />
in Gold, mit 17 spielte sie in<br />
Fassbinders skandalumwitterter Verfilmung<br />
<strong>des</strong> Kroetz-Stücks „Wildwechsel“ die<br />
Hauptrolle. Die 70er und 80er Jahre waren<br />
Eva Mattes’ wild bewegte Zeiten. Sie scheute<br />
keine Herausforderung, ging schwierigen,<br />
provozierenden Rollen nie aus dem<br />
Weg. „Deshalb bin ich ja Schauspielerin geworden,<br />
um gefordert zu sein und an meine<br />
Grenzen oder darüber hinaus zu gehen.“<br />
Einer, an dem sie sich rieb, den sie bewunderte,<br />
mit dem sie kämpfte und der ihr<br />
Grenzen aufzeigte, war Peter Zadek. Ihm<br />
habe sie, <strong>schreibt</strong> sie in ihrem Buch, unglaublich<br />
viel zu verdanken. Viele ihrer gemeinsamen<br />
Arbeiten – etwa der „Othello“<br />
von 1976 – gingen in die Theatergeschichte<br />
ein. Ein anderer, der tiefe Spuren hinterlassen<br />
hat, ist Werner Herzog. Ihn liebte sie,<br />
er ist der Vater ihrer heute 30 Jahre alten<br />
Tochter Hanna. Und in seiner „Woyzeck“-<br />
Verfilmung spielte sie die Rolle der Marie,<br />
für die sie 1979 in Cannes die Goldene Palme<br />
als Beste Nebendarstellerin erhielt. Um<br />
ihre Karriere musste Eva Mattes nie kämpfen<br />
– sie konnte sich ihre Rollen stets aussuchen.<br />
„Bequem gemacht habe ich es mir<br />
<strong>des</strong>wegen nicht.“<br />
Auch nicht als Klara Blum, die Kommissarin<br />
vom Bodensee, die burschikos und<br />
verletzlich Verbrecher jagt, doch an das<br />
Gute im Menschen glaubt. „Als damals das<br />
Angebot für den ‚Tatort‘ kam, musste ich<br />
schon überlegen. Man landet schnell in einer<br />
Schublade.“ Doch Freunde und Kollegen,<br />
die sie fragte, rieten ihr zu. „Ich habe<br />
es bis heute nicht bereut.“ Ans Aufhören<br />
denkt sie noch nicht. „Nicht, solange ich<br />
noch Lust an der Rolle habe und es die<br />
Drehbücher hergeben“, sagt sie und blickt<br />
auf die Uhr. Es ist Zeit, weiterzulesen an ihren<br />
Erinnerungen. Die Zeit drängt.<br />
Die Rastlose eilt von Termin zu Termin,<br />
nächste Woche Auftritte mit ihrem Lyrikund<br />
Chanson-Projekt „Und über uns der<br />
Himmel“, dann der nächste Film, das<br />
nächste Theaterstück, das nächste Hörbuch.<br />
„Es ist ein kreativer Motor in mir<br />
drin, der mich auf die Bühne treibt“, sagt<br />
Eva Mattes. Seit 45 Jahren steht sie vor<br />
dem Publikum, sie sucht die Herausforderung,<br />
den Applaus, die Befriedigung nach<br />
einem gelungenen Auftritt. Und doch<br />
plagt sie immer noch Lampenfieber. „Nur<br />
wenn das da ist, kann ich auch mein Bestes<br />
geben.“<br />
<br />
Lesezeichen<br />
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Eva Mattes: „Wir können nicht alle wie Berta sein“.<br />
Ullstein, 320 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 27,90 sFr.<br />
Eva Mattes: „Wir können nicht alle wie Berta sein“.<br />
Gelesen von der Autorin. HörbucHHamburg,<br />
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Limitierte<br />
Deluxe-<br />
Edition<br />
VITTORIO GRIGOLO ARRIVEDERCI<br />
Die MET, die Mailänder Scala, das Royal<br />
Opera House London, wo immer der<br />
italienische Tenor auftritt, jubeln Presse<br />
und Publikum. Auf seiner neuen CD beweist<br />
er seine Sonderklasse – mit Arien und<br />
italienischen Evergreens.<br />
MARTIN STADTFELD<br />
BACH: KLAVIERKONZERTE<br />
Martin Stadtfeld ist Deutschlands<br />
erfolgreichster junger Pianist. Zusammen<br />
mit den Münchner Philharmonikern spielt<br />
er beschwingte Klavierkonzerte von Bach.<br />
SOL GABETTA IL PROGETTO VIVALDI 2<br />
„Wenn sie spielt, geht die Sonne auf“:<br />
Star-Cellistin Sol Gabetta präsentiert mit<br />
ihrem Barockensemble wunderschöne<br />
Cello-Konzerte von Antonio Vivaldi.<br />
buchjournal 5/2011 41<br />
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Pianokünste<br />
Für den Pianisten<br />
Lang Lang ist Franz<br />
Liszt sein „Klavierheld“<br />
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Supertechniker aus<br />
China. (Sony<br />
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Dirigent Sylvain<br />
Cambreling vereint,<br />
was selten zusammen<br />
zu hören ist:<br />
Janáceks „Sinfonietta“<br />
und Dvoráks musikantische<br />
Symphonie<br />
„Aus der<br />
neuen Welt“. (Glor)<br />
FÜR ANFÄNGER<br />
Klassik light<br />
Sie können bei den<br />
Klassik-Ohrwürmern<br />
mitsummen,<br />
wissen aber nie, wer<br />
diese komponiert<br />
hat? Dann greifen<br />
Sie zu bei der dritten<br />
Folge dieser Reihe.<br />
(RCA Red Seal)<br />
FILM UND BUCH: „ZWEI AN EINEM TAG“<br />
Geschichte der verpassten Chancen<br />
Die Geschichte von Emma und Dexter hat schon als Roman<br />
süchtig gemacht. David Nicholls’ „Zwei an einem Tag“ ist<br />
komisch und ergreifend, unterhaltsam und melancholisch.<br />
Eine Geschichte, die unter die Haut geht, weil sie von den<br />
ungenutzten Möglichkeiten und verpassten Chancen <strong>des</strong><br />
Lebens erzählt und jeder Leser sich irgendwo darin wiederfindet.<br />
Die Verfilmung <strong>des</strong> Buchs haben die Fans herbeigesehnt<br />
und Anfang November ist es nun so weit. Die Story<br />
funktioniert auch auf der Leinwand. Anne Hathaway gibt<br />
das zunächst brillentragende, schüchterne Mauerblümchen<br />
Emma, Jim Sturgess den gut aussehenden Womanizer Dexter,<br />
dem die Herzen nur so zufliegen. Das eigentlich unmögliche<br />
Duo läuft sich am 15. Juli 1988 bei der Examensfeier<br />
an der Uni das erste Mal über den Weg. Die beiden<br />
DVD-TIPPS<br />
Brutale Welt<br />
Die 16-jährige Ree lebt mit ihrer psychisch<br />
kranken Mutter und ihren beiden<br />
jüngeren Geschwistern in den kargen<br />
Gebirgswäldern <strong>des</strong> südlichen Missouri.<br />
Ihr Vater, ein Drogendealer, ist<br />
untergetaucht, um einem Prozess zu<br />
entgehen, doch sollte er sich nicht binnen<br />
einer Woche stellen, wird das Haus<br />
gepfändet. Ree macht sich auf die<br />
Suche. „Winter’s Bone“ nach dem<br />
Roman von Daniel Woodrell ist ein<br />
wunderbarer, vielfach preisgekrönter<br />
Film, der eine archaische,<br />
brutale Welt<br />
schildert, in der allein<br />
Ree um Liebe,<br />
Würde und Gerechtigkeit<br />
kämpft.<br />
(Ascot Elite)<br />
Ganz nah und doch kein Paar: Emma und Dexter in „Zwei an einem Tag“<br />
Oper als großes Kino<br />
Wald und Hörnerklang,<br />
Freikugeln<br />
und ein Pakt mit<br />
dem Teufel – Carl<br />
Maria von Webers<br />
„Freischütz“ gilt<br />
als Inbegriff der romantischen<br />
Oper. Düster und fantastisch<br />
geht es zu und doch volkstümlich<br />
und voll prallem Leben – die Oper ist<br />
der ideale Stoff für einen opulenten<br />
Film. Regisseur Jens Neubert hat sich<br />
darangewagt und bekam für seine<br />
Kinoversion 2010 rauschenden Beifall.<br />
Das London Symphony Orchestra und<br />
großartige Solisten wie Franz Grundheber,<br />
Juliane Banse und Olaf Bär sorgen<br />
für einen Musikgenuss der Extraklasse.<br />
(Constantin Film)<br />
verbringen eine Nacht miteinander – allerdings nur mit guten<br />
Gesprächen und dem Gefühl, dass sie sich, trotz aller<br />
Gegensätzlichkeiten, sympathisch sind. Noch ahnen sie<br />
nicht, dass sie sich nie wieder aus den Augen verlieren<br />
werden, mehr noch: Wie ein unsichtbarer Magnet ziehen<br />
sich die beiden an – ohne zueinanderzufinden. Der geniale<br />
Kniff der Story: Der Film verfolgt wie das Buch den Lebensweg<br />
der beiden Protagonisten in den nächsten 20 Jahren,<br />
und zwar stets exakt am 15. Juli.<br />
bai<br />
^ „Zwei an einem Tag“. Filmstart: 3. November<br />
David Nicholls: „Zwei an einem Tag“. Übersetzt von Simone<br />
Jakob. Kein & Aber, 832 S., 16,90 € (D) • 17,4o € (A) •<br />
24,90 sFr., als Taschenbuchausgabe bei Heyne, 544 S.,<br />
9,99 € (D) • 10,3o € (A) • 16,90 sFr.<br />
Liebschaften in Paris<br />
© 2011 Universal Pictures<br />
Die meisten werden Choderlos de<br />
Laclos’ Briefroman „Gefährliche Liebschaften“<br />
durch die Oscar-prämierte<br />
Verfilmung mit Michelle Pfeiffer und<br />
John Malkovich aus dem Jahr 1988<br />
kennen. Dabei wurde die Vorlage, die<br />
beim Erscheinen 1782 einen Skandal in<br />
Frankreich auslöste, schon knapp 30<br />
Jahre zuvor für die Leinwand adaptiert.<br />
Regisseur Roger Vadim verlegte die<br />
Handlung ins Paris der 50er Jahre mit<br />
seinen eleganten Partys und Nachtclubs.<br />
In den Hauptrollen<br />
zu sehen sind<br />
Jeanne Moreau und<br />
Gérard Philippe, der<br />
noch im selben Jahr<br />
an Krebs starb.<br />
(Concorde Video)<br />
42<br />
buchjournal 5/2011
CD-TIPPS<br />
BERLIN<br />
Sound der<br />
Hauptstadt<br />
Wie klingt Berlin?<br />
Vielleicht so, wie es<br />
Sänger Michael<br />
Schiefel und seine<br />
Band Jazz Indeed auf<br />
ihrer CD „Ostkreuz“<br />
interpretieren: originell,<br />
schräg, witzig<br />
und melancholisch<br />
zugleich. (AJazz)<br />
BLUES<br />
Rotwein-Musik<br />
Ursula Mauder rührt<br />
auf ihrer CD „The<br />
Love Diaries“ bekannten<br />
Songs Jazz,<br />
Pop und Blues unter.<br />
Das Ergebnis ist die<br />
perfekte Musik für<br />
einen Abend bei<br />
Buch und Rotwein.<br />
(Kunstmann)<br />
JAZZ<br />
Baldauf solo<br />
Seit Jahren spielt er<br />
in Stefan Raabs<br />
Hausband die Trompete.<br />
Auf seiner ersten<br />
Solo-CD zeigt<br />
Rüdiger Baldauf, was<br />
für ein exzellenter<br />
Jazzmusiker in ihm<br />
steckt. (Mons)<br />
© Edel Media<br />
DVD-TIPPS<br />
Filmkunst aus Frankreich<br />
Es waren die Brüder Lumière, die den Bildern das Laufen beibrachten, und<br />
vielleicht sind sie auch der Grund für die Begeisterung der Franzosen für<br />
diese Kunstform. Jedenfalls haben französische Regisseure<br />
gewiss mehr filmische Meisterwerke geschaffen<br />
als andere – zehn Beweise dafür sind in der Box „Französisches<br />
Kino“ enthalten. Zu sehen sind unter anderen:<br />
Jean Vigos „Atalante“ (1934), Louis Malles „Fahrstuhl<br />
zum Schafott“ (1958) und Jean-Pierre Melvilles<br />
Thriller „Vier im roten Kreis“ (1970). (Arthaus)<br />
Bardem in Bestform<br />
Es ist eine verzweifelte Geschichte, die hier erzählt wird: Der Ganove Uxbal<br />
schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben und tut alles, nur um<br />
seinen beiden Kindern als Alleinerziehender ein gutes<br />
Leben zu ermöglichen. Viel Zeit bleibt ihm nicht: Uxbal<br />
ist sterbenskrank, kann die Kinder aber nicht ihrer psychisch<br />
kranken Mutter überlassen. Selten liegen Brutalität<br />
und Zärtlichkeit so nah beieinander wie bei „Biutiful“.<br />
Ein erbarmungsloser, ergreifender Film mit einem<br />
großartigen Javier Bardem in der Hauptrolle. (Prokino)<br />
Broders Deutschlandtour<br />
Für die einen ist er der geniale Provokateur, für die anderen Deutschlands<br />
größte Nervensäge. Der Publizist Hendrik Broder, der stets mit Lust wider<br />
den Stachel löckt, hat sich für seine fünfteilige Fernsehserie<br />
„Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“<br />
gemeinsam mit Hamed Abdel-Samad in ein Auto<br />
gesetzt, um die Republik zu erkunden. Sie treffen auf<br />
integrierte Türken, NPD-Nazis, Stasi-Rentner und Vegetarier.<br />
Das fürs Fernsehen produzierte Satire-Roadmovie<br />
ist nun auf DVD zu besichtigen. (good!movies)<br />
Schwedenhappen vom Feinsten<br />
Justizirrtümer passieren, doch zum ersten Mal wurde fürs Fernsehen daraus<br />
eine ganze Krimistaffel gestrickt. In „Verdict Revised – Unschuldig<br />
verurteilt“ rollt ein Team von vier Jura-Studenten Verfahren neu auf, bei<br />
denen verurteilte Täter standhaft ihre Unschuld beteuern. Angeführt werden<br />
sie vom zynisch-versoffenen Professor Haglund – gespielt von Mikael<br />
Persbrandt, den TV-Zuschauer in der Rolle <strong>des</strong> Gunnar Larsson aus der<br />
Kommissar-Beck-Reihe kennen. Schwedenhappen vom Feinsten. (Edel)<br />
Actionreich: Die mehrteilige TV-Thrillerstaffel<br />
„Verdict revised“ gibt’s nun auch auf DVD<br />
DIE BESTEN<br />
GUTEN<br />
KLASSIK-CDs<br />
Ausgewählt und<br />
präsentiert vom<br />
Die neue<br />
KulturSPIEGEL-Edition<br />
enthält 30 herausragende und<br />
preisgekrönte Klassik-CDs.<br />
Mit Glenn Gould, Vladimir<br />
Horowitz, Evgeny Kissin<br />
Hilary Hahn, Murray Perahia,<br />
Simone Kermes, Thomas<br />
Hengelbrock, Arcadi Volodos,<br />
Christian Gerhaher, Martha<br />
Argerich, Sol Gabetta u.v.w.<br />
2 Boxen mit jeweils<br />
15 CDs plus Bonus-CD<br />
im edlen Schuber<br />
Auch als Einzel-CDs<br />
erhältlich<br />
buchjournal 5/2011 43<br />
Alle 30 CDs im Überblick unter<br />
www.sonymusicclassical.de
DUNKELKAMMER_DIE KRIMIKOLUMNE<br />
Regionalkrimi geht auch anders: Der Autor und Kabarettist Jörg Maurer<br />
führt in seinen Alpenkrimis Menschen, Orte und Landschaft subversiv und<br />
mit hintersinnigem Witz vor.<br />
Fels-Safe und<br />
Jodlersammlung<br />
TEXT: TOBIAS GOHLIS<br />
Tobias Gohlis<br />
© Marco Grundt<br />
Regionalkrimi ist blöd. Zu den<br />
Wesensbeschränktheiten dieser<br />
Spießerabteilung germani schen<br />
Krimischaffens gehört die Unbedarftheit,<br />
mit der Orte, Zeiten und<br />
lokale Bräuche eins zu eins als wahr<br />
und gegeben behandelt werden.<br />
Dazu passt auch eine brunftige<br />
G’spaßigkeit, die als Wiedererkennungseffekt<br />
touristen- und quotenkonform<br />
eingesetzt wird. Doppelte<br />
Erniedrigung – der als Deppen vorgeführten<br />
Region-Bewohner und<br />
<strong>des</strong> lesenden Publikums.<br />
Dass es mit Ort, Landschaft und Zum Schießen: Berge können wunderbare Tatorte sein<br />
Witz anders geht, wissen wir aus<br />
den Romanen eines Alfred Komarek,<br />
einer Uta-Maria Heim oder aus Andrea Maria Schenkels<br />
„Tann öd“. Dass das zudem noch sehr komisch, verspielt und hintersinnig<br />
gehen kann, liest man in den „Alpenkrimis“ von Jörg<br />
Maurer, deren dritter Band kürzlich erschienen ist.<br />
Auf den liebevoll mit der Laubsäge gestalteten Covern bedeuten<br />
Schnitzwerk, Bergviecher und Einschusslöcher: „Zum Schießen“.<br />
Auf Gämsen zum Beispiel, wie sie auf dem Buchdeckel von „Niedertracht“<br />
schießbudenmäßig vorüberziehen. Womit wir dort wären,<br />
wo die Weisheit der Kriminalpsychologie den Serienkiller<br />
freudianisch am Schlafittchen packt: bei der prägenden Urszene.<br />
Die hat der Putzi, ein 31-jähriger, stämmiger Ureinwohner, kurz<br />
nach seinem zehnten Geburtstag erlebt. Beim Wandern mit dem<br />
Vater hat Putzi eine junge Gams entdeckt, die sich verstiegen hatte<br />
und von ihrem Felsvorsprung nicht mehr wegkam. Seitdem erforscht<br />
Putzi experimentell existenzielle Grenzsituationen:<br />
„Springen oder Bleiben“ lautet die Wahl, vor die er die Trottel<br />
stellt, die auf seine vorgetäuschten Schwächeanfälle gutmenschelnd<br />
hereingefallen sind.<br />
© panthermedia / Randolf Berold<br />
seine im Schatten <strong>des</strong> höchsten<br />
<strong>deutschen</strong> Berges ausgetüftelten<br />
Mordsstückchen auch „Alpenkrimi“.<br />
Dessen Kriterien erfüllt sein<br />
drittes, „Niedertracht“, voll und<br />
ganz. Ein Mann, ein Subgenre. Das<br />
Maurer mit Fels-Safes, entomologischen<br />
Mafia-Ortungssystemen,<br />
Jodlersammlungen und diversen<br />
Abseiltricks clever füllt. Durch all<br />
die witzigen Einfälle, Spöttereien<br />
und Karikaturen hindurch schimmert<br />
das prekäre, enteignete, Authentisch-Sein-Müssende<br />
der Touristenzone<br />
Garmisch-Partenkirchen<br />
(im Text: „der Kurort“) so<br />
durch, dass einem mittenmang<br />
das Lachen vergeht. Maurer: „Der Berg ist einer der wunderbarsten<br />
Tatorte, die es gibt.“<br />
Eine Freundin, die als Kind das Jennerweinlied gesungen hat,<br />
hat mich auf Maurers Kleinode aufmerksam gemacht. Danke! Jener<br />
Jennerwein verstarb 1877 als Rebell im Berg. Sein Nachfahr<br />
Hubertus Jennerwein ist bei Maurer Kommissar. Wenn der überhaupt<br />
etwas repräsentiert, dann „dieses grundsätzlich Anarchistische<br />
<strong>des</strong> Bajuwaren.“<br />
<br />
^ Tobias Gohlis ist Sprecher der KrimiZeit-Bestenliste<br />
(www.arte.tv/krimiwelt).<br />
j<br />
Man sieht: Maurer nimmt den Berggast als solchen ernst. Überhaupt<br />
durchweht seine Romane ein Hauch jener ebenso brachialen<br />
wie nahe am Desaster gebauten Wut, die für einen kritischen<br />
Heimatroman spätestens seit den 1980er Jahren unverzichtbar<br />
ist. Wer nicht <strong>schreibt</strong>, als wolle er das ganze Gebirge<br />
plattmachen, kriegt keine Saisonkarte auf der Seilbahn. Das<br />
weiß der Komödiant und Kabarettist Maurer. Deshalb heißen<br />
Jörg Maurer: Niedertracht. Alpenkrimi. Fischer Taschenbuch, 384 S.,<br />
8,99 € (D) • 9,30 € (A) • 13,50 sFr.<br />
Jörg Maurer: Niedertracht. Alpenkrimi. Gelesen vom Autor. Argon, 1 CD,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 29,90 sFr.<br />
44<br />
buchjournal 5/2011
€ 21,99 (D) / € 22,70 (A) / sFr 30,90<br />
576 Seiten / 978-3-550-08873-5<br />
Du siehst ihn nicht.<br />
Er jagt Dich.<br />
Unerbittlich.<br />
KRIMI_NORWEGEN<br />
Vier Romane hat Thomas Enger geschrieben, die kein Verlag haben<br />
wollte. Sein fünfter aber wurde ein internationaler Erfolg. Ein Besuch<br />
in Oslo – auf den Spuren seines neuen Serienhelden Henning Juul.<br />
© Geli Goldmann<br />
Thomas Enger: „Ich habe gehofft,<br />
immer besser zu werden“<br />
Happy End für<br />
einen Hartnäckigen<br />
Der neue Thriller<br />
vom Spiegel-<br />
Bestsellerautor<br />
Leseprobe: Jetzt abscannen<br />
und reinlesen!<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
Hier fängt es an“, erklärt Thomas Enger:<br />
auf einem nur sechs Quadratmeter<br />
großen Balkon im zweiten Stock eines<br />
Wohnhauses in Oslo. Auf diesen Balkon<br />
flüchtet sich der Journalist Henning Juul<br />
mit seinem Sohn, als die Wohnung hinter<br />
ihm lichterloh brennt. Die beiden klettern<br />
auf das Geländer. Der kleine Jonas rutscht<br />
ab, fällt und stirbt. Sein Vater überlebt den<br />
Absprung – mit schweren Brand- und anderen<br />
Verletzungen und seelisch tief versehrt.<br />
„Es ist unser Balkon“, sagt Thomas Enger.<br />
„Ich habe meinem Helden die Wohnung<br />
gegeben, in der ich mit meiner Familie<br />
lebe. Nur ist sie – nach dem Tod seines<br />
Sohnes – in einem nicht so guten Zustand.“<br />
Henning wechselt zwar jeden Abend die<br />
Batterien der Feuermelder aus, kümmert<br />
sich aber nicht um den Rest. Ganz anders<br />
bei Engers: Die 80 Quadratmeter große<br />
Wohnung im angesagten, ruhigen Osloer<br />
Stadtviertel Grünerløkka, in dem der Autor<br />
mit seiner Frau, dem zehnjährigen Sohn<br />
und der fünfjährigen Tochter lebt, ist aufgeräumt<br />
und wirkt sehr gemütlich.<br />
In der kleinen Küche präsentiert Thomas<br />
Enger dann fast andächtig einen alten<br />
Holztisch, an dem er sich die ersten Notizen<br />
für seine Krimiserie gemacht hat. „Und<br />
jetzt habe ich das Gefühl, ein Märchen zu<br />
erleben“, sagt der schlanke, kommunikative<br />
37-Jährige mit der strengen Brille, der<br />
fast über Nacht vom arbeitslosen Journalisten<br />
ohne Perspektive zum gefeierten Debütstar<br />
wurde. Und der – Marketing funktioniert<br />
ja am besten gleich mit den ganz<br />
großen Namen – mit Stieg Larsson und Jo<br />
Nesbø verglichen wird.<br />
Dabei hat es lange nicht nach einem Erfolg<br />
ausgesehen. Vier Krimis hat Thomas<br />
www.nesbo.de<br />
46<br />
buchjournal 5/2011
Zur Person<br />
Thomas Enger, 1973 in Oslo geboren, wuchs in<br />
Jessheim auf. Er studierte Publizistik, Sport und<br />
Geschichte und arbeitete nach dem Studium in<br />
einer Online-Redaktion. Nebenbei schrieb er seine<br />
ersten Romane und war an verschiedenen Musical-Produktionen<br />
beteiligt. „Sterblich“ ist sein<br />
erster veröffentlichter Thriller. Er lebt zusammen<br />
mit seiner Frau und zwei Kindern in Oslo.<br />
Enger schon geschrieben, für die sich kaum<br />
jemand interessiert hat. Aber er hat nie aufgegeben.<br />
„Ich habe einfach weitergemacht<br />
und gehofft, immer besser zu werden.“<br />
Seinen ersten Krimi hat er mit 21 verfasst,<br />
den vierten vor ein paar Jahren, neben seiner<br />
Tätigkeit als Redakteur bei einer Online-<br />
Zeitschrift. „Dieser vierte war noch nicht<br />
gut, aber gut genug dafür, dass ein Verlag<br />
mich ermutigte, an ihm zu arbeiten. Und so<br />
habe ich 2008 meinen Job gekündigt und<br />
vom Arbeitslosengeld gelebt. Ich stand<br />
schon sehr unter Druck“, erinnert sich Thomas<br />
Enger. „Und als ich dann versuchte,<br />
wieder einen neuen Job zu finden, hatte ich,<br />
mitten in der Finanzkrise, keinen Erfolg.“<br />
Aber Druck deprimiert ihn nicht, sondern<br />
setzt Energie frei. So hatte er genau in<br />
der Zeit, als es besonders schwer war, die<br />
Idee zu seinem Serienhelden Henning Juul<br />
– und dann ging alles ganz schnell. Im Juni<br />
2009 schickte er seinem Verlag eine Mail mit<br />
seiner Idee zu der Krimiserie und bekam am<br />
nächsten Tag eine ermutigende Antwort.<br />
Im November war das Manuskript fertig. Im<br />
Februar 2010 erschien der erste Band in Norwegen.<br />
Und schon wenige Monate später<br />
waren die Rechte in 15 Länder verkauft. „Die<br />
Filmrechte sind es ebenfalls, und zwar für<br />
alle sechs geplanten Bände – obwohl gerade<br />
erst das zweite Buch fertig ist.“<br />
Dass er spannend schreiben kann, hat<br />
Thomas Enger in „Sterblich“ unter Beweis<br />
gestellt – dem ersten Band seiner Serie um<br />
Henning Juul, der gerade in deutscher Übersetzung<br />
bei Blanvalet erschienen ist. Henning<br />
kehrt in diesem Band zwei Jahre nach<br />
dem Brand in seine Redaktion zurück und<br />
muss gleich über einen Mord berichten:<br />
Eine Filmstudentin wurde im Boden eingegraben<br />
und zu Tode gesteinigt. Das erinnert<br />
in manchem Detail an einen Ehrenmord mit<br />
muslimischem Hintergrund. Aber Henning<br />
ermittelt, was wirklich dahintersteckt.<br />
buchjournal 5/2011 47<br />
Diesen Fall kann der Reporter lösen. Aber<br />
Thomas Enger beendet „Sterblich“ mit<br />
einem offenen Punkt, der zum roten Faden<br />
der Serie werden wird: Henning wird klar,<br />
dass der Brand in seiner Wohnung kein Unglück<br />
war, sondern jemand nachgeholfen<br />
hat. Und er macht sich auf die Suche nach<br />
dem Brandstifter, der seinen Sohn getötet<br />
und sein Leben zerstört hat.<br />
Der Autor hat seinem Helden viel von<br />
sich gegeben: seine Wohnung, die Redaktion,<br />
in der er fast zehn Jahre gearbeitet hat,<br />
sein Stadtviertel Grünerløkka. Aber Henning<br />
ist nicht gleich Thomas. „Er ist als<br />
Journalist viel smarter, als ich es war. Ich<br />
habe Texte bearbeitet, während er meine<br />
Träume leben und Reporter sein kann.“ Privat<br />
dagegen ist Thomas besser dran. Seinen<br />
beiden Kindern geht es gut, und seine langjährige<br />
Beziehung ist nicht wie die von Henning<br />
zerbrochen. Im Gegenteil, jetzt, da er<br />
so erfolgreich ist, hat er seine Lebensgefährtin<br />
geheiratet und zur Hochzeit gleich noch<br />
seine zweite Begabung ins Spiel gebracht:<br />
„Ich habe für meine Frau ein Lied komponiert.“<br />
Während er erzählt, dreht er die ganze<br />
Zeit am Ehering, als ob er das alles immer<br />
noch nicht glauben kann.<br />
Diese rundherum schöne Geschichte<br />
klingt tatsächlich nach einem Märchen –<br />
und für Krimis nach zu viel Idylle. Es ist<br />
also gut, dass der Autor den Plot der gesamten<br />
sechsteiligen Serie in dunkleren<br />
Zeiten entworfen hat. Und auch wenn der<br />
Vergleich mit Stieg Larsson und Jo Nesbø<br />
zu hoch gegriffen ist: Thomas Enger ist<br />
eine interessante neue Krimistimme aus<br />
Skandinavien.<br />
<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Thomas Enger: Sterblich. Ein Henning-Juul-Roman.<br />
Übersetzt von Günther Frauenlob und Maike Dörries.<br />
Blanvalet, 416 S., 14,99 € (D) • 15,50 € (A) • 24,90 sFr.<br />
Thomas Enger: Sterblich. Gelesen von Matthias Brandt.<br />
Random House Audio, 6 CDs, 19,99 € (D/ A) • 32,90 sFr.<br />
Foto: Jerry Bauer<br />
Ü.: Conny Lösch<br />
st 4300. 340 S. € 14,95 (D)<br />
Auch als erhältlich<br />
»Don Winslows<br />
bestes Buch.«<br />
Janet Evanovich<br />
Wenn dein Feind dich in die<br />
Enge treibt. Dir den Boden<br />
unter den Füßen wegzieht.<br />
Wenn er dir nimmt, was<br />
du liebst. Dann bleibt kein<br />
Spielraum für Verhandlungen.<br />
Dann kommt die<br />
Zeit <strong>des</strong> Zorns.<br />
suhrkamp taschenbuch<br />
www.suhrkamp.de
Leseprobe<br />
Kate Atkinson:<br />
Das vergessene Kind<br />
Roman<br />
Tracy Waterhouse kam aus Thornton’s und stopfte sich die<br />
Vorräte in die große hässliche Schultertasche, deren Riemen<br />
wie ein Patronengurt quer über ihre mächtige Brust<br />
verlief. Wiener Trüffel, ihr Mittwochsvergnügen. Echt erbärmlich.<br />
Andere Leute gingen abends ins Kino, in ein Restaurant,<br />
in Kneipen und Clubs, besuchten Freunde, hatten Sex, aber Tracy<br />
freute sich darauf, es sich auf ihrem Sofa bequem zu machen,<br />
Britain’s Got Talent zu sehen und eine Tüte Wiener Trüffel von<br />
Thornton’s zu essen.<br />
Als Tracy noch bei der Polizei war, hatten ihre Kollegen – Männer<br />
und Frauen –, angenommen, dass sie eine Lesbe war. Jetzt war<br />
sie über fünfzig, aber als sie bei der West Yorkshire Police angefangen<br />
hatte, musste man wie ein Kerl sein, um anerkannt zu werden.<br />
Und kaum hatte man sich als hartgesottenes Weibsbild etabliert,<br />
war es leider schwierig, die weiche, flauschige Frau herauszulassen,<br />
die man in sich versteckte. Und warum sollte man das überhaupt<br />
wollen?<br />
Tracy war mit einer so dicken Haut in Pension gegangen, dass in<br />
ihr kaum mehr Platz war. Prostitution, Sexualverbrechen, Menschenhandel<br />
– die Schattenseite von Drogen- und Schwerverbrechen<br />
–, sie hatte alles und mehr gesehen. Zeugin <strong>des</strong> schlimmsten<br />
menschlichen Verhaltens zu werden war ein ziemlich sicherer<br />
Weg, alles Weiche und Flauschige auszumerzen.<br />
© Floortje<br />
Sie war schon als einfache Fußsoldatin dabei gewesen, als Peter<br />
Sutcliffe noch sein Unwesen in den Straßen von West Yorkshire<br />
trieb. Sie erinnerte sich an die Angst, sie hatte selbst Angst gehabt.<br />
Damals hatte es noch keine Computer gegeben, und die<br />
schiere Menge <strong>des</strong> Papierkrams hätte fast ausgereicht, um die Ermittlungen<br />
lahmzulegen. „Es gab eine Zeit ohne Computer?“,<br />
sagte einer ihrer jüngeren, unverschämteren Kollegen. „Wow,<br />
Steinzeit.“<br />
Er hatte recht, sie stammte aus einer anderen Ära. Sie hätte früher<br />
in Pension gehen sollen. Sie war geblieben, weil sie nicht<br />
wusste, wie sie die langen, leeren Tage als Rentnerin füllen sollte.<br />
Schlafen, essen, beschützen und das Ganze von vorn, das war das<br />
Leben, das sie kannte. Alle waren auf die dreißig Jahre fixiert,<br />
hörten auf, suchten sich einen Job und genossen die Pension. Jeder,<br />
der länger blieb, war ein Dummkopf.<br />
Tracy wäre es lieber gewesen, sie wäre im Dienst tot umgefallen,<br />
aber sie wusste, dass es Zeit war zu gehen. Sie war Kriminalkommissarin<br />
gewesen, jetzt war sie eine „Polizeipensionärin“. Das<br />
klang nach Dickens, als sollte sie in einem Arbeitshaus in einer<br />
48<br />
buchjournal 5/2011
Die Ex-Polizistin Tracy Waterhouse hat in ihrem Leben schon vieles gesehen<br />
und vieles erlebt. Doch dann kommt der Tag, an dem sie ein Kind kauft.<br />
Zwar handelt es sich dabei eigentlich um eine Rettungsaktion, dennoch ist<br />
das Ganze keineswegs legal, und Tracy ist von Stund an auf der Flucht.<br />
Ecke sitzen, ein schmutziges Schultertuch umgeschlungen. Sie<br />
hatte daran gedacht, als Freiwillige bei einer Organisation zu arbeiten,<br />
die nach Katastrophen und Kriegen aufräumte. Schließlich<br />
hatte sie das ihr ganzes Leben lang getan, doch letztlich entschied<br />
sie sich für den Job im Merrion Center.<br />
Als sie den Job der Sicherheitschefin <strong>des</strong> Centers übernahm,<br />
dachte Tracy: „Neuanfang“, und veränderte noch so einiges andere.<br />
Sie zog nicht nur um, sondern waxte sich auch den Damenbart,<br />
ließ ihr Haar länger wachsen und zu einer weicheren Frisur gestalten,<br />
kaufte Blusen mit Schleifen und Perlmuttknöpfen und Schuhe<br />
mit leichtem Absatz, die sie zu dem obligatorischen schwarzen<br />
Kostüm trug. Selbstverständlich funktionierte es nicht.<br />
Die Welt fuhr in einem Einkaufswagen zur Hölle. Die ganze<br />
Bandbreite menschlichen Lebens fand sich hier. Großbritannien<br />
– die Hauptstadt <strong>des</strong> Ladendiebstahls in Europa, mehr als zwei<br />
Milliarden Pfund Verlust je<strong>des</strong> Jahr aufgrund von „Einzelhandelseinbußen“,<br />
ein lächerlicher Ausdruck für lupenreinen Diebstahl.<br />
Die Summe verdoppelte sich, wenn man die<br />
Menge Zeug dazuzählte, die das Personal<br />
»Was für Chancen<br />
hatte dieses<br />
Kind mit Kelly<br />
als Mutter?«<br />
klaute. Unglaublich.<br />
Man überlege nur, wie viele hungernde<br />
Kinder man mit diesem fehlenden Geld ernähren<br />
und ausbilden könnte. Aber andererseits<br />
war es kein Geld, nicht wahr, kein<br />
echtes Geld. So etwas wie echtes Geld gab es<br />
nicht mehr, Geld war ein Akt kollektiver<br />
Fantasie. Wenn wir alle in die Hände klatschen<br />
und daran glauben … Von den fünftausend Pfund in ihrer<br />
Tasche hätte das Finanzamt natürlich auch nichts, aber jeder Bürger<br />
hatte das Recht auf bescheidenen Steuerbetrug, es war kein<br />
Verbrechen. Es gab Verbrechen und Verbrechen. Tracy hatte eine<br />
Menge der anderen Art gesehen, alle Ps – Pädophilie, Prostitution,<br />
Pornografie. Menschenhandel. Kaufen und Verkaufen, nichts anderes<br />
taten die Menschen. Man konnte Frauen kaufen, man konnte<br />
Kinder kaufen, man konnte alles kaufen. Die westliche Zivilisation<br />
hatte lange Glück gehabt, aber jetzt hatte sie ihre Existenz nahezu<br />
ausverkauft. Alle Kulturen hatten ein eingebautes Verfallsdatum,<br />
nicht wahr? Nichts hielt ewig. Außer vielleicht Diamanten, wenn<br />
das Lied stimmte. Und Kakerlaken wahrscheinlich.<br />
Irgendwo weinte ein Kind – das gehörte zur Geräuschkulisse aller<br />
Einkaufszentren der Welt. Es war ein Schreien, das die Schale<br />
noch immer durchdringen konnte wie eine rotglühende Nadel.<br />
Das schreiende Kind kam näher und lenkte sie ab. Sie hörte es, sah<br />
es aber nicht. Sein Elend war erschreckend. Es machte sie wütend.<br />
Dinge, die sie bedauerte, davon gab es einige. Ziemlich viele sogar.<br />
Sie wünschte, sie hätte jemanden gefunden, der sie schätzte,<br />
wünschte, sie hätte Kinder und gelernt, sich besser anzuziehen.<br />
Sie wünschte, sie wäre auf der Schule geblieben und hätte studiert.<br />
Medizin, Geografie, Kunstgeschichte. Das Übliche. Sie war<br />
wie alle anderen, sie wollte jemanden lieben. Noch besser wäre,<br />
wenn sie wiedergeliebt würde. Sie spielte mit dem Gedanken, sich<br />
eine Katze zuzulegen. Aber eigentlich mochte sie Katzen nicht.<br />
Das konnte ein Problem werden. Sie mochte Hunde – vernünftige,<br />
schlaue Hunde, nicht die dummen kleinen Schoßhunde, die in<br />
eine Handtasche passten. Ein guter großer Deutscher Schäferhund<br />
vielleicht, der beste Freund einer Frau. Besser als jede Alarmanlage.<br />
Ah, ja – Kelly Cross. Kelly Cross war der Grund für das schreiende<br />
Kind. Kein Wunder. Prostituierte, Junkie, Diebin, Abschaum.<br />
Ein Gerippe. Tracy kannte sie. Alle kannten sie. Kelly hatte mehrere<br />
Kinder, die meisten waren in Pflege, und<br />
das waren die, die Glück gehabt hatten, was<br />
einiges hieß. Sie stürmte durch den Hauptgang<br />
<strong>des</strong> Merrion Centre, eine besessene<br />
Frau, und sie versprühte Zorn, als würde sie<br />
mit Messern werfen. Es war erstaunlich, wie<br />
viel Kraft sie ausstrahlte, obwohl sie klein<br />
und mager war. Sie trug ein ärmelloses Unterhemd,<br />
das ein paar asoziale blaue Flecken<br />
und eine Reihe von Gefängnistätowierungen<br />
frei ließ. Auf einem Unterarm ein ungeschickt gezeichnetes<br />
Herz, von einem Pfeil durchbohrt und mit den Initialen „K“<br />
und „S“. Tracy fragte sich, wer der bedauernswerte „S“ war. Kelly<br />
telefonierte und machte jemanden lauthals zur Sau. Sie hatte<br />
höchstwahrscheinlich etwas geklaut. Die Chance, dass diese Frau<br />
einen Laden mit einer gültigen Quittung verließ, war gleich null.<br />
Sie zerrte das Kind an der Hand, zog es hinter sich her, weil es<br />
unmöglich mit ihren wütenden Schritten mithalten konnte. Kaum<br />
hatte man gehen gelernt, sollte man laufen wie ein Erwachsener.<br />
Hin und wieder riss Kelly das Kind vom Boden hoch, so dass das<br />
Kind für einen Moment zu fliegen schien. Plärrend. Ununterbrochen.<br />
Eine rotglühende Nadel durch die Schale. Durch das Trommelfell.<br />
Ins Gehirn.<br />
Kelly Cross teilte die Menschenmenge wie ein unheiliger Moses.<br />
Viele Leute waren erkennbar entsetzt, aber keiner hatte den<br />
0<br />
buchjournal 5/2011 49
LESEPROBE<br />
»Sie rührte sich nicht,<br />
bis sich eine kleine,<br />
warme, klebrige Hand<br />
in ihre schob«<br />
0 Mut, es mit einer Berserkerin wie Kelly aufzunehmen. Man<br />
konnte es niemandem verübeln.<br />
Kelly blieb so abrupt stehen, dass das Kind weiterlief, als hinge<br />
es an einem Gummiband. Kelly schlug es so fest auf den Rücken,<br />
dass es wie auf einer Schaukel in die Luft flog, und begann dann<br />
wortlos weiterzurennen. Tracy hörte eine überraschend laute<br />
weibliche Mittelklassestimme sagen: „Jemand sollte etwas unternehmen.“<br />
Zu spät. Kelly war bereits an Morrisons vorbei- und auf die<br />
Woodhouse Lane hinausgestürmt. Tracy folgte ihr galoppierend,<br />
um sie einzuholen, ihre Lungen kurz vor dem Kollabieren, als sie<br />
an einer Bushaltestelle mit ihr gleichzog. „Kelly“, keuchte sie.<br />
Kelly wirbelte herum und knurrte: „Was willst du, verdammte<br />
Scheiße?“ Ein schwaches Flackern <strong>des</strong> Wiedererkennens auf ihrem<br />
giftigen Gesicht, als sie Tracy anstarrte. Tracy sah, wie sich<br />
die Rädchen drehten, bis sie bei dem Wort „Bulle“ einrasteten. Kelly<br />
wurde noch wütender, falls das möglich war.<br />
Aus der Nähe sah sie besonders schlecht aus – farbloses Haar,<br />
graue Leichenhaut, blutunterlaufene Vampiraugen und die Unberechenbarkeit<br />
<strong>des</strong> Junkies. Tracy wäre am liebsten zurückgewichen,<br />
aber sie blieb stehen. Das Kind, tränenüberströmt und<br />
schmutzig, hatte aufgehört zu weinen und starrte Tracy mit offenem<br />
Mund an, wodurch es stumpfsinnig wirkte, aber Tracy<br />
tippte auf Polypen. Der grüne Wurm Rotz, der aus seiner Nase<br />
kroch, machte es auch nicht anziehender. Drei Jahre? Vier? Tracy<br />
wusste nicht, wie man das Alter eines Kin<strong>des</strong> bestimmte. Vielleicht<br />
wie bei einem Pferd anhand der Zähne. Kinder waren klein.<br />
Manche waren größer als andere. Mehr wollte sie in dieses Ratespiel<br />
nicht investieren.<br />
Das Kind war in mehrere Schattierungen Rosa gekleidet und<br />
trug zusätzlich einen kleinen rosa Rucksack, der auf seinem Rücken<br />
klebte wie eine Miesmuschel, so dass der Gesamteindruck<br />
eines deformierten Marshmallows entstand. Jemand – bestimmt<br />
nicht Kelly – hatte versucht, das strähnige Haar <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu<br />
flechten. Das Rosa und die Zöpfe signalisierten das Geschlecht <strong>des</strong><br />
Kin<strong>des</strong>, das anhand seiner speckigen androgynen Züge nicht sofort<br />
erkennbar war.<br />
Sie war ein kleines pummeliges Kind, aber in ihren Augen funkelte<br />
etwas. Vielleicht das Leben. Es hatte Risse, war aber nicht<br />
zerbrochen. Noch nicht. Was für Chancen hatte dieses Kind mit<br />
Kelly als Mutter? Realistischerweise? Kelly hielt es noch immer an<br />
der Hand, in einem Griff wie ein Schraubstock, als wollte das Kind<br />
in die Luft fliegen.<br />
Ein Bus näherte sich, blinkte, bremste.<br />
Irgendetwas in Tracy gab nach. Ein kleines Schleusentor, das<br />
eine Flut der Verzweiflung und Enttäuschung freiließ, während sie<br />
die leere, aber bereits besudelte Leinwand der Zukunft dieses Kin-<br />
<strong>des</strong> ins Auge fasste. Tracy wusste nicht, wie es geschah. Im einen<br />
Augenblick stand sie an der Bushaltestelle in der Woodhouse Lane<br />
und schaute sich das menschliche Wrack namens Kelly Cross an,<br />
und im nächsten Moment sagte sie zu ihr: „Wie viel?“<br />
„Wie viel was?“<br />
„Wie viel für das Kind?“, sagte Tracy, schob eine Hand in ihre<br />
Handtasche und griff nach einem Umschlag mit Janeks Geld. Sie<br />
öffnete ihn und hielt ihn Kelly vor die Nase. „Das sind dreitausend.<br />
Du kannst sie haben, wenn du mir das Kind gibst.“ Den<br />
zweiten Umschlag mit weiteren zweitausend Pfund ließ sie in der<br />
Tasche für den Fall, dass sie ihr Angebot erhöhen müsste. Das war<br />
jedoch nicht nötig, denn Kelly war plötzlich höchst aufmerksam.<br />
Ihr Gehirn schien sich für einen Augenblick von ihr unabhängig<br />
zu machen, sie blickte rasch von einer Seite zur anderen, und<br />
dann schoss ihre Hand mit unerwarteter Schnelligkeit vor und<br />
griff nach dem Umschlag. Im gleichen Augenblick ließ sie die<br />
Hand <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> los. Dann lachte sie mit unverhohlener Schadenfreude,<br />
während der Bus in ihrem Rücken hielt. „Vielen Dank“,<br />
sagte sie, als sie einstieg.<br />
Während Kelly nach Kleingeld suchte, fragte Tracy laut: „Wie<br />
heißt sie? Wie heißt deine Tochter, Kelly?“ Kelly nahm die Fahrkarte<br />
aus dem Automaten und sagte: „Courtney.“<br />
„Courtney?“ Ein typischer Proll-Name – Chantelle, Shannon,<br />
Tiffany. Courtney.<br />
Kelly wandte sich um, die Fahrkarte in der Hand. „Ja“, sagte sie.<br />
„Courtney.“ Dann blickte sie Tracy verwirrt an, als wäre sie ein<br />
Polo-Mint ohne Verpackung. Sie setzte an, etwas zu sagen: „Aber<br />
sie ist nicht –“, doch die Bustüren wurden geschlossen. Der Bus<br />
fuhr los. Tracy schaute ihm nach. Stumpfsinnig. Plötzlich verspürte<br />
sie einen Stich Angst. Sie hatte gerade ein Kind gekauft. Sie<br />
rührte sich nicht, bis sich eine kleine, warme, klebrige Hand in<br />
ihre schob.<br />
Kate Atkinson: Das vergessene Kind.<br />
Übersetzt von Anette Grube. Droemer Knaur,<br />
464 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
50<br />
buchjournal 5/2011
Kate Atkinson, 1951 geboren, studierte Literaturgeschichte in Dundee<br />
und lebt heute in Edinburgh. Neben ihrer Arbeit in der Sozialbetreuung und als<br />
Teilzeitlehrerin begann sie zu schreiben. 1996 erhielt sie für ihren Roman<br />
Familienalbum den angesehenen Whitbread First Novel Award. Es folgten die<br />
Romane Ein Sommernachtsspiel und Die Ebene der schrägen Gefühle.<br />
In Die vierte Schwester taucht erstmals Jackson Brodie auf,<br />
der »sensible Schnüffler, der in kritischen Situationen dann<br />
doch brutal zuschlagen kann« (Süddeutsche Zeitung,<br />
Peter Münder).<br />
© John Foley/Opale<br />
Ein Wiedersehen mit Brodie gibt es in Liebesdienste,<br />
Lebenslügen und nun auch in Das vergessene Kind.<br />
In England und den USA ist Kate Atkinson mit ihren<br />
Romanen regelmäßig ganz oben auf den Bestsellerlisten<br />
zu finden.<br />
10 FRAGEN AN KATE ATKINSON<br />
1. Wie würden Sie sich selbst in drei Worten beschreiben?<br />
KA: »Gut. Schlecht. Durchschnittlich.«<br />
2. Was macht Ihnen schlechte Laune, was macht Ihnen Freude?<br />
KA: »Sonne macht mich froh. Und bei schlechten Manieren bekomme ich schlechte Laune.«<br />
3. Sind Sie eher der Kaffee- oder der Tee-Mensch?<br />
KA: »Bei<strong>des</strong> gleichermaßen.«<br />
4. Woher kommen eigentlich die Inspirationen zu Ihren Büchern?<br />
KA: »Wenn ich das wüsste!«<br />
5. Könnten Sie sich auch einen anderen Beruf vorstellen, als Schriftstellerin?<br />
KA: »Ich arbeite schon sehr lange als Vollzeit-Autorin. Aber wenn ich das nicht wäre, würde ich gerne als<br />
Kuratorin für Schmuck im Victoria & Albert-Museum in London arbeiten.«<br />
6. Haben Sie einen Lieblingsautor? Wer ist es und weshalb?<br />
KA: »Jane Austen. Weil sie perfekt ist.«<br />
7. Welches Buch haben Sie selbst zuletzt gelesen?<br />
KA: »There But For The von meiner Freundin Ali Smith.«<br />
8. Und welches Buch sollte jeder einmal gelesen haben?<br />
KA: »Troubles von J. G. Farrell.«<br />
9. Welche Person – aus Roman, Film oder dem öffentlichen Leben – würden Sie gerne mal treffen?<br />
Und was würden Sie zu ihm/ihr sagen?<br />
KA: »Niemanden. Damit ich nicht enttäuscht werden kann.«<br />
10. Wenn Sie die berühmten drei Wünsche frei hätten, wie sähen die aus?<br />
KA: »Ach, diese drei Wünsche – schwierig! 1. Gesundheit und ein langes Leben für meine Kinder,<br />
2. Bessere Manieren (was hoffentlich zum Weltfrieden führen würde, so dass ich mir diesen alten Hut<br />
nicht wünschen muss!), 3. Einen wirklich tollen Hund.«
Er trägt die Macht der<br />
Engel in sich, doch<br />
die Dunkelheit wartet<br />
schon auf ihn …<br />
Lesestoff Krimis<br />
Spurensuche<br />
am Kap<br />
Gesa Schwartz<br />
Die Chroniken der Schattenwelt<br />
Band 1: Nephilim<br />
608 Seiten<br />
€ 12,99 (D) · € 13,40 (A)* · sFr* 20,50<br />
ISBN 978-3-8025-8457-2<br />
Noch mehr spannende Fantasy<br />
von Gesa Schwartz unter<br />
www.egmont-lyx.de<br />
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© Nico Smit<br />
ÖSTERREICH<br />
Immer der Nase nach<br />
Tu felix Austria – jedenfalls,<br />
was Esprit und Originalität<br />
von Krimiautoren anbelangt.<br />
Auf skurrile Mordgeschichten<br />
abonnierte Männer<br />
wie Wolf Haas, Thomas<br />
Raab, Steffen Slupetzky und<br />
Heinrich Steinfest sind andernorts<br />
kaum vorstellbar.<br />
Der letztgenannte Schlawiner,<br />
ein qualitativ beständiger Vielschreiber, wartet<br />
heuer mit der Fortsetzung eines Erfolgstitels<br />
auf: Der an Launigkeiten und Anspielungen reiche<br />
Roman „Die Haischwimmerin“ schließt stimmig an<br />
„Die feine Nase der Lilli Steinbeck“ aus dem Jahr<br />
2007 an. Die mit einem beachtlichen Riechorgan<br />
angetane Polizistin mit naturgemäß schier überbordendem<br />
Spürsinn, muss sich diesmal mit einer<br />
verflossen gewähnten Liebe, einer im Untergrund<br />
angesiedelten Gegenwelt, einer wunderlichen<br />
Lärche und anderen sibirischen Lebensformen beschäftigen.<br />
Man ahnt: Das alles ist skurriler, als es<br />
die Hochkulturpolizei erlauben dürfte. Zugleich ist<br />
es so konsequent absurd, dass der Spaßgewinn<br />
<strong>des</strong> Lesers jeden ihm entgangenen Erkenntnisgewinn<br />
locker überbietet.<br />
wer<br />
^ Heinrich Steinfest: „Die Haischwimmerin“. Piper,<br />
352 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 28,90 sFr.<br />
SÜDAFRIKA<br />
Im Herz<br />
der Finsternis<br />
Der Südafrikaner Deon Meyer gehört neben<br />
Roger Smith seit einigen Jahren zur ersten<br />
Garde der Kriminalschriftsteller seines<br />
Lan<strong>des</strong>. Er versteht sich nicht nur virtuos auf<br />
die Fertigung steiler Spannungskurven, die<br />
dem Leser emotionale Achterbahnfahrten zumuten,<br />
sondern es gelingt ihm überdies in<br />
pädagogisch wertvoller Manier, auch Lesern<br />
ohne großes Vorwissen über Südafrika die<br />
vorwiegend abenteuerlichen Szenarien seiner<br />
Thriller nahezubringen. „Rote Spur“,<br />
Meyers jüngster Streich, zeigt das Land am<br />
Kap einmal mehr als ein verderbtes Herz der<br />
Finsternis, in dem Terror und Gewalt, Korruption<br />
und Amtsanmaßung, Schmuggel und<br />
Drogenhandel gedeihen. Aus diesem auf den<br />
ersten Blick recht unübersichtlichen Delinquenz-Cocktail<br />
macht der Autor eine erfreulich<br />
stringente Story, die ihren Ausgangspunkt<br />
in einem Gerücht hat, das eine verheerende<br />
Eigendynamik entwickelt: Angeblich<br />
planen Islamisten in Südafrika ein Attentat.<br />
Das Gerede ruft den Geheimdienst und Hysteriker<br />
auf den Plan, Krisennutznießer und<br />
Trittbrettfahrer. Deon Meyer schöpft aus dieser<br />
panischen Gemengelage viel Spannung,<br />
ja sogar eine gute Prise Poesie.<br />
wer<br />
^ Deon Meyer: „Rote Spur“. Übersetzt von<br />
Stefanie Schäfer. Rütten & Loening, 625 S.,<br />
19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 28,90 sFr.<br />
52<br />
buchjournal 5/2011
SADISMUS IN DEN 60ER JAHREN<br />
Damals im Kinderheim<br />
Nachts in Köln wird ein Mann erschossen, der<br />
schon seit Jahren in Griechenland lebt. Er ist nur für<br />
ein paar Stunden zurückgekommen, um sein seit<br />
20 Jahren leer stehen<strong>des</strong> Elternhaus zu verkaufen.<br />
Damals, als seine Eltern und seine Schwes ter ermordet<br />
wurden, war er selbst ein Verdächtiger.<br />
Nun wird der toughen Ermittlerin Judith Krieger<br />
klar, dass es jemandem darum ging, die ganze Familie<br />
auszulöschen – und zwar <strong>des</strong>halb, weil die<br />
Eltern Unrecht getan hatten. Die Spuren führen zurück<br />
in die 60er Jahre, in ein Kinderheim, in dem,<br />
wie in vielen anderen Institutionen dieser Art und<br />
dieser Zeit, Kinder misshandelt und gebrochen<br />
wurden. Die Stärke <strong>des</strong> Romans ist, dass er sich<br />
engagiert mit diesem Thema auseinandersetzt,<br />
ohne dem Sadismus voyeuristisch<br />
nachzugehen. Dass er<br />
vehement für die Opfer Partei<br />
ergreift. Und dabei immer<br />
noch ein spannender Krimi<br />
ist.<br />
sc<br />
^ Gisa Klönne: „Nichts als<br />
Erlösung“. Ullstein, 352 S.,<br />
19,99 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
27,90 sFr.<br />
AUS DER GERICHTSMEDIZIN<br />
Tod im Kühlraum<br />
Kay Scarpetta dürfte bei<br />
ihrem Sezierpensum bald<br />
eine Therapie brauchen,<br />
um nicht an den unter die<br />
Haut gehenden Recherchen<br />
zu zerbrechen. Mit so<br />
viel Gewalt kriegen es serielle<br />
Häscher selten zu tun<br />
– selbst in Miami, wo sich<br />
Scarpetta-Erfinderin Patricia<br />
Cornwell nach Jahren als Polizeireporterin und<br />
Gerichtsmedizinerin niedergelassen hat. Seit dem<br />
Auftaktband (1990) ist der Pathologin viel Roman-<br />
Konkurrenz zugewachsen, doch behauptet sich<br />
das Original wiederholt gegen Genre-Trittbrettfahrer.<br />
So im jüngsten Fall, der nicht nur Forensikern<br />
an die Nieren gehen dürfte. Denn jener<br />
Mann, der da mit ominösen Blutungen eingeliefert<br />
worden ist, starb womöglich erst im Kühlraum.<br />
Von Kunstfehlern an vermeintlichen Leichen<br />
erzählt Cornwell so fesselnd wie über Versuche,<br />
Killer unter Kollegen zu ermitteln. wer<br />
^ Patricia Cornwell: „Bastard“. Übersetzt von Karin<br />
Dufner. Hoffmann und Campe, 512 S., 24,99 € (D) •<br />
25,70 € (A) • 39,90 sFr.<br />
Das Alte Rom<br />
zur Zeit Caesars<br />
Hans Dieter Stöver<br />
VERSCHWÖRUNGSTHRILLER<br />
Geheime Strippenzieher<br />
Dominique Strauss-Kahn wurde angeklagt – und<br />
gleich stand die Frage im Raum, ob er wirklich<br />
eine Hotelangestellte genötigt hat oder ob er in<br />
eine Falle gelockt wurde. Oder womöglich bei<strong>des</strong>.<br />
Was auch immer geschehen ist – viele gehen davon<br />
aus, dass im Hintergrund von Wirtschaft und<br />
Politik tatsächlich mehr oder weniger geheime<br />
Hintermänner die Fäden ziehen. Diese Ahnungen<br />
nimmt Sam Bourne in seinem neuen Thriller auf.<br />
Seine Geschichte von einem der US-amerikanischen<br />
Präsidenten läuft auf eine Männergruppe<br />
hinaus, die bestimmte Politiker ohne deren Wissen<br />
fördert und für sie buchstäblich über Leichen<br />
geht. Die ihre Favoriten dann aber auch massiv<br />
unter Druck setzt, wenn sie politisch etwas<br />
durchsetzen wollen, was<br />
den Hintermännern nicht<br />
passt. Das ist nicht nur<br />
spannend, sondern auch<br />
beklemmend dicht an der<br />
vermuteten Realität. sc<br />
^ Sam Bourne: „Der Gewählte“.<br />
Übersetzt von Rainer<br />
Schmidt. Scherz, 464 S., 14,95<br />
€ (D) • 15,40 € (A) • 21,90 sFr.<br />
ABSOLUT FILMREIF<br />
Blutige Liebesbriefe<br />
Von Los Angeles nach<br />
Cannes: Der taumelnde<br />
Detektiv David Spandau<br />
erlebt beim berühmten<br />
Filmfestival mit der noch<br />
berühmteren Oscar-Preisträgerin<br />
Anna Mayhew allerhand.<br />
Er soll sie beschützen,<br />
denn sie bekommt<br />
blutige Liebesbriefe. In<br />
Südfrankreich sieht er braun gebrannte Männer<br />
und „Frauen oben ohne“. Daniel Depp, Halbbruder<br />
von Johnny Depp, richtet in „Nächte in Babylon“<br />
einen sehr amerikanischen und ironischklischeehaften<br />
Blick auf den größten Umschlagplatz<br />
für Filme. Dabei brilliert der Drehbuchautor<br />
vor allem mit Dialogen und Gemeinheiten. Ob es<br />
um das „Verfallsdatum von Titten und Ärschen“<br />
geht, um Schrott und billige Kameras oder um<br />
die Grenze zwischen Illusion und Realität: Depp<br />
lässt es in seinen Dialogen schön böse krachen.<br />
Absolut filmreif.<br />
pms<br />
^ Daniel Depp: „Nächte in Babylon“. Übersetzt von<br />
Regina Rawlinson. Carl’s Books, 352 S., 14,99 € (D) •<br />
15,50 € (A) • 24,90 sFr.<br />
Jetzt lieferbar Band 4<br />
Zwei Romane in einem Band<br />
ISBN 978-3-939625-28-5<br />
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Mord auf der Via Appia / Die Frau <strong>des</strong> Senators<br />
ISBN 978-3-939625-07-0<br />
Band 2<br />
Ich fordere Gerechtigkeit / Skandal um Nausikaa<br />
ISBN 978-3-939625-10-0<br />
Band 3<br />
Alexander und die Gladiatoren / Attentat in Pompeii<br />
ISBN 978-3-939625-27-8<br />
buchjournal 5/2011 53<br />
BOCOLA<br />
verlag<br />
www.bocola.com
Im Gespräch<br />
Mit seinen Krimis wurde Arnaldur Indriðason zum erfolgreichsten Autor<br />
Islands. Ein Gespräch in Reykjavík: über seine Bücher – und seine Heimat,<br />
die in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse ist.<br />
„Weit weg vom Rest der Welt“<br />
INTERVIEW: SABINE SCHMIDT • FOTOS: OLIVIER FAVRE<br />
Einsame Natur<br />
Arnaldur Indriðason<br />
mag Island – mit seinen<br />
weiten Landschaften,<br />
der Stille und der<br />
klaren Luft<br />
54<br />
buchjournal 5/2011
die Wolken, die noch am Tag zuvor<br />
dunkel und drohend über Island hingen,<br />
sind aufgerissen. Der Himmel ist blau über<br />
der Insel, die weit weg von Europa mitten<br />
im Atlantik liegt. Die Luft ist sauber hier,<br />
klar, und es ist kalt. Während man in<br />
Deutschland an diesem Spätsommertag<br />
selbst im T-Shirt ins Schwitzen kommt,<br />
genießt der Isländer bei kühlen zwölf Grad<br />
jeden Sonnenstrahl, draußen natürlich,<br />
auch gern im T-Shirt, und ist froh, dass die<br />
Touristen ihre Regencapes wieder einpacken<br />
können.<br />
Ihnen soll es hier gut gehen, sind sie<br />
doch auch nach dem Finanzcrash von 2008,<br />
den die sogenannten Expansionswikinger<br />
mit verursacht haben und von dem Island<br />
sich bis heute nicht erholt hat, eine der<br />
wichtigen Einnahmequellen geblieben.<br />
Eine beeindruckende zudem, insbesondere<br />
die deutsche Variante: Die Urlauber sind<br />
schon am Flughafen so perfekt ausgerüstet,<br />
als ob sie direkt zum Nordpol wollen.<br />
Einige Isländer halten mit. Selbst in Reykjavík<br />
sind etliche Jeeps oder noch größere<br />
Vehikel unterwegs, mit denen man jede<br />
Wildnis durchqueren und vermutlich auch<br />
einen Schneesturm überstehen kann. Und<br />
geländegängige Kleidung trägt der Isländer<br />
selbst in der Stadt, außerhalb sowieso.<br />
Auch Arnaldur Indriðason – oder Arnaldur,<br />
wie man hier sagt –, Islands erfolgreichster<br />
Autor, zieht sich praktisch an, wenn er in<br />
der Natur unterwegs ist, wie bei einer Tour<br />
zu isländischen Seen, bei der ihn unser Fotograf<br />
begleitet hat.<br />
Heute aber ist er städtisch gekleidet:<br />
schwarzes Hemd, schwarze Hose, schwarzer<br />
Mantel, so erscheint er im Hotel Holt,<br />
einem der gediegeneren, ruhigen Hotels in<br />
Reykjavík, das er sich als Treffpunkt für<br />
unser Gespräch gewünscht hat. Er ist hier,<br />
um über seine Bücher zu sprechen. Und<br />
über seine literaturbegeisterte Heimat, die<br />
in diesem Jahr Gastland der Frankfurter<br />
Buchmesse ist: ein Land mit etwas über<br />
300 000 Einwohnern, in dem, statistisch<br />
gesehen, jeder vierte ein Buch <strong>schreibt</strong>,<br />
sehr viel gelesen wird und dementsprechend<br />
1 500 Novitäten im Jahr erscheinen.<br />
Arnaldur ist nicht nur der erfolgreichste<br />
Autor seines Lan<strong>des</strong>, sondern wohl auch<br />
der einzige, der von seinen Büchern leben<br />
kann. Er <strong>schreibt</strong> seit 20 Jahren, die meisten<br />
seiner 14 Krimis und Thriller waren<br />
Bestseller in Island und werden in 30 Sprachen<br />
übersetzt. Er drängt sich nicht in die<br />
Zur Person<br />
Arnaldur Indriðason, geboren 1961 in Reykjavík, ist der<br />
Sohn <strong>des</strong> Schriftstellers Indriði G. Porsteinsson. Er graduierte<br />
1996 in Geschichte an der Universität Islands<br />
und war zeitweilig Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung<br />
„Morgunbladid“. Seinen Durchbruch als Autor<br />
hatte Arnaldur Indriðason mit „Nordermoor“, dem<br />
dritten Roman aus seiner Krimireihe, für den er den<br />
Skandinavischen Krimipreis Glasnyckel erhielt. Er ist<br />
verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Reykjavík.<br />
Rolle eines wichtigen Repräsentanten der<br />
isländischen Literaturszene, akzeptiert sie<br />
aber und füllt sie souverän aus.<br />
Der 50-Jährige mit dem feinen, trockenen<br />
Humor ist freundlich, aber – dabei<br />
ganz Isländer – sehr zurückhaltend. Das<br />
Gegenstück zu einer Plaudertasche, allerdings<br />
ohne dass man ihm je<strong>des</strong> Wort aus<br />
der Nase ziehen muss: Er spricht gern über<br />
seine Krimis und über sein Land, dem er<br />
sich sehr verbunden fühlt.<br />
Island verzeichnet nur etwa drei bis vier Morde<br />
im Jahr, ist also nicht gerade eine Hochburg <strong>des</strong><br />
Verbrechens. Warum siedeln Sie Ihre Krimis<br />
dennoch hier an?<br />
Arnaldur Indriðason: Ich bin hier aufgewachsen,<br />
ich lebe hier und ich versuche<br />
das, was ich in Reykjavík und in Island erfahre,<br />
in meine Bücher einfließen zu lassen.<br />
Das macht sie gerade auch für meine<br />
»Die meisten Morde<br />
passieren im Suff<br />
und sind nicht<br />
gerade raffiniert«<br />
Landsleute interessant, und das ist mir<br />
sehr wichtig. Dabei ist es für mich egal, wie<br />
viele Morde es in Island gibt und welche.<br />
Tatsächlich passieren sie meist im Suff,<br />
sind nicht geplant und alles andere als raffinierte<br />
Verbrechen.<br />
Was ist für Sie als Krimistoff interessant?<br />
Das, was Menschen anderen antun, was<br />
es an psychischer und physischer Gewalt<br />
gibt. Die gibt es hier in Island ebenso wie<br />
überall, nur dass sie in unserer isländischen<br />
Realität meist nicht mit Mord endet.<br />
In meinen Romanen geht es mir weniger<br />
um das Verbrechen als um die Umgebung,<br />
um die Zusammenhänge, um die<br />
Auswirkungen, die eine Tat auf Partner,<br />
auf die Familie, auf Freunde hat.<br />
Könnten Ihre Krimis also letztlich überall in<br />
der westlichen Welt spielen?<br />
Nein. Es sind isländische Krimis, weil ich<br />
in ihnen Themen und Motive aufgreife, die<br />
für uns wichtig sind. Ich schreibe nicht<br />
über tolle Wasserfälle, die gibt es selbstverständlich,<br />
aber sie sind für mich nicht 0<br />
buchjournal 5/2011<br />
55
IM GESPRÄCH<br />
0 als Thema interessant, sondern ich<br />
schreibe beispielsweise über die langen,<br />
dunklen Winter. Über das Unberechenbare<br />
– das Wetter hier kann sehr schnell umschlagen,<br />
und vor allem im Winter gehen<br />
immer wieder Menschen in Unwettern verloren.<br />
Oder auch über die gesellschaftlichen<br />
Veränderungen. Island war lange ein<br />
armes Fischer- und Bauernland, das vom<br />
Rest der Welt abgeschnitten war. Jetzt gibt<br />
es Flugzeuge, das Fernsehen, das Internet.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich Island<br />
sehr verändert, aber viele Menschen –<br />
wie auch mein Kommissar Erlendur – haben<br />
es nicht verkraftet, dass sie von dem<br />
Land, wo sie aufgewachsen sind, in die<br />
neue Welt nach Reykjavík verpflanzt wurden.<br />
Und natürlich auch: Das Land ist reich<br />
geworden und dann kam es 2008 infolge<br />
der Finanzkrise zum Crash.<br />
Bevor Sie angefangen haben zu schreiben, gab es<br />
kaum Krimis in Island – sie galten als Unterhaltungsliteratur,<br />
und die war nicht wirklich angesehen<br />
und kam aus dem Ausland. Gab es dennoch<br />
Krimiautoren, die Sie beeinflusst haben?<br />
Es gab zwar kaum isländische Krimiliteratur,<br />
aber einige Autoren wurden ins Isländische<br />
übersetzt. Das schwedische Paar<br />
Sjöwall / Wahlöö zum Beispiel: Ihr Sozialrealismus<br />
hat mich sehr beeinflusst. Oder<br />
Ed McBain, der einer meiner Lieblingsautoren<br />
ist. Und andere, die realistisch<br />
schreiben und Wert auf Personengestaltung<br />
legen. Für mich sind die Figuren das<br />
Wichtigste in einem Roman: Wenn man<br />
nicht mit ihnen mitfühlen kann, muss ihre<br />
Geschichte gar nicht erst erzählt werden.<br />
Werden, obwohl nur wenige Menschen Isländisch<br />
sprechen, viele Bücher übersetzt?<br />
Es ist immer schwierig gewesen, bei uns<br />
Bücher zu verlegen – Übersetzungen ebenso<br />
wie isländische Texte, eben weil der<br />
Markt sehr klein ist. Dennoch werden vergleichsweise<br />
viele Werke ins Isländische<br />
übersetzt. Wir sind auch heute noch eine<br />
Literaturnation, Bücher spielen für uns<br />
eine wichtige Rolle.<br />
Inzwischen gibt es einige isländische Krimi-autoren.<br />
Liegt das an Ihnen?<br />
Ganz so wichtig bin ich wohl nicht. Man<br />
könnte aber vielleicht sagen, dass ich das<br />
Eis gebrochen habe, nicht nur in Island,<br />
sondern auch im Ausland. Ich war ja der<br />
erste, <strong>des</strong>sen Krimis aus dem Isländischen<br />
in andere Sprachen übersetzt wurden.<br />
Damit ist für Sie aber auch Konkurrenz entstanden.<br />
Stört Sie das?<br />
Nein, im Gegenteil: Je mehr Krimiautoren<br />
es gibt, <strong>des</strong>to besser ist es. Ich finde<br />
es schön, dass diese Literatursparte zum<br />
Leben erwacht ist und heute auch Anerkennung<br />
findet. Das sieht man nicht zuletzt<br />
an den Verkaufszahlen: Krimis sind<br />
heute sehr populär in Island.<br />
In deutscher Übersetzung ist jetzt von Ihnen<br />
„Abgründe“ erschienen, ein Krimi mit sehr unterschiedlichen<br />
Themen: Es geht um Swingerclubs<br />
und Erpressung, um sexuellen Missbrauch<br />
an einem Jungen und um Expansionswikinger.<br />
Warum waren Ihnen diese Themen<br />
wichtig?<br />
Swingerclubs sind ein Thema, das man<br />
gut nutzen kann, um eine Erpressung zu<br />
begründen: Wer sich auf das einlässt, was<br />
in Island „Schnitzelclub“ genannt wird,<br />
macht sich moralisch angreifbar. Das<br />
Thema Vergewaltigung beschäftigt mich<br />
schon lange. Ich habe mich mit Gewalt gegen<br />
Frauen befasst, und jetzt ging es mir<br />
um Gewalt gegen Kinder: ein besonders<br />
widerwärtiges Verbrechen, das das Leben<br />
eines Menschen sehr stark beeinträchti-<br />
»Wir sind eine<br />
Literaturnation,<br />
Bücher spielen<br />
eine wichtige Rolle«<br />
Arnaldur Indriðason: „Island hat sich nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg sehr verändert“<br />
gen oder sogar zerstören kann. Und das Thema<br />
Finanzen ist bei uns zurzeit nicht zu umgehen.<br />
„Abgründe“ ist in Island 2009 erschienen,<br />
ein Jahr nach dem Finanzcrash. Es<br />
spielt im Jahr 2005, und das Expandieren-,<br />
das Geldhabenwollen war damals schon in<br />
vollem Gange, die Gier war deutlich zu spüren,<br />
und es war mir wichtig, etwas von diesem<br />
Zeitgeist einzubeziehen.<br />
Ihr Hauptermittler ist Kommissar Erlendur. In<br />
Ihrem letzten Buch „Frevelopfer“ aber stand<br />
seine Kollegin Elínborg im Mittelpunkt. Und<br />
jetzt ist Erlendur ganz in seiner alten Heimat,<br />
in den Ostfjorden, abgetaucht, und sein Kollege<br />
Sigurður Óli ermittelt. Warum er?<br />
Ab und zu muss ich mich von Erlendur<br />
erholen und wende mich dann seinen Mitarbeitern<br />
zu. Sigurður Óli ist schon vielen<br />
Leuten auf die Nerven gegangen mit seinen<br />
simplen Ideen, seinem Fimmel für Amerika,<br />
mit Frauen kann er nicht umgehen, und<br />
er ist der krasse Gegensatz zu Erlendur, insbesondere<br />
weil er kein Mitgefühl für andere<br />
zeigen kann. Aber das lernt er in diesem<br />
Buch: Er wird menschlicher, und diese Entwicklung<br />
hat mich interessiert.<br />
Dennoch scheint Ihnen Erlendur am nächsten<br />
zu stehen. Haben Sie ihn vermisst?<br />
Ja – obwohl er eben auch sehr anstrengend<br />
ist. Er ist so depressiv und so alleinstehend<br />
und einsam, sein ganzes Privatleben<br />
ist ein Desaster. Aber er ist ein hervorragender<br />
Ermittler, und mit seiner Fähigkeit,<br />
sich in andere hineinzuversetzen, ist er mir<br />
56<br />
buchjournal 5/2011
doch sehr nah. Im nächsten Buch wird er<br />
auch wieder im Mittelpunkt stehen.<br />
Erlendur liest immer wieder in einem Buch, das<br />
von Isländern erzählt, die in Unwettern verloren<br />
gingen. Gibt es dieses Buch tatsächlich?<br />
Ja, ich habe es selbst und lese immer wieder<br />
darin. Erlendurs traumatisches Kindheitserlebnis<br />
– er ist mit seinem Vater und<br />
seinem Bruder in einen Schneesturm geraten,<br />
sein Bruder ging verloren und auch seine<br />
Leiche wurde nie gefunden – kommt in<br />
diesem Buch nicht vor. Aber es könnte vorkommen:<br />
Es geht genau um solche Geschichten.<br />
Haben Sie wie Erlendur auch einen Menschen<br />
in einem Unwetter verloren?<br />
Nein, aber das passiert hier immer wieder,<br />
und es ist uns allen sehr präsent.<br />
Nicht nur das Wetter spielt in Ihrer Heimat<br />
eine wichtige Rolle, sondern auch die Literatur.<br />
Wie kommt das?<br />
Das ist schwierig zu sagen. Es war schon<br />
immer so, vielleicht liegt es ja in den Genen<br />
… Isländern geht es seit jeher darum,<br />
ihre Geschichte zu bewahren und Bescheid<br />
zu wissen, wie alles angefangen hat, <strong>des</strong>halb<br />
haben sie die alten Geschichten aufgeschrieben.<br />
Es gab auch jahrhundertelang nicht<br />
viel anderes, um sich zu zerstreuen. Bis ins<br />
20. Jahrhundert hatten wir etwas, was<br />
„Hauslektüre“ hieß. Da kamen abends nach<br />
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getaner Arbeit alle zusammen, jemand erzählte<br />
Geschichten oder las etwas vor, und<br />
die anderen hörten zu. Das war eine der<br />
ganz wenigen Unterhaltungsmöglichkeiten,<br />
der Zeitvertreib per se in Island: Geschichten<br />
erzählen, lesen, zuhören. Wahrscheinlich<br />
hat uns das geprägt.<br />
Und wie ist es mit den Elfen und Trollen –<br />
stehen Isländer ihnen tatsächlich nahe?<br />
Oh – was für ein Thema! Elfen und Trolle<br />
sind ein Teil der Volkssagen, ein Teil der Literatur,<br />
und es macht Spaß, die Geschichten<br />
über sie zu lesen. Aber nein: Island ist nicht<br />
das Land der Elfen und Trolle. Das nimmt<br />
heute niemand ernst außer ein paar Leuten,<br />
die mit diesen Geschichten Geld verdienen<br />
wollen und die es geschafft haben, den Touristen<br />
irgendwelche Flöhe ins Ohr zu setzen.<br />
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Susanne Wedlich:<br />
Das Fleisch<br />
Axt und Knochensäge waren geschärft,<br />
auch die Klingen der<br />
Messer bereits ein letztes Mal<br />
geschliffen, als sie plötzlich<br />
vor ihm stand. „Dein Mordwerkzeug liegt<br />
ja schon parat“, sagte die Bäuerin mit<br />
einem schmalen Lächeln. So selten verirrte<br />
sie sich sonst in den Stall, dass er gar nichts<br />
zu sagen wusste, nur seinen Blick auf ihre<br />
hellen Augen zwang, deren Farbe er auch<br />
nach all den Jahren nicht beim Namen hätte<br />
nennen können. „Nimm die Braune“,<br />
sagte sie wie beiläufig und strich sich beide<br />
Hände an der Kittelschürze ab. „Die bringt<br />
nichts.“<br />
Auch jetzt brachte er kein Wort heraus<br />
und hätte der Bäuerin doch sagen müssen,<br />
dass die Braune mit ihren vier Jahren sehr<br />
wohl noch Kälber bringen könnte. Er hätte<br />
ihr auch sagen können, wie er die Braune<br />
geholt hatte, damals, als sie quersteckte in<br />
der Mutter, die vor Schmerz schrie wie ein<br />
Weib und ihm später unter den Händen<br />
verreckte. Das Kalb aber hatte er retten<br />
können damals. „So, wie ich dich“, hatte<br />
ihm die Bäuerin erwidert, als er seine und<br />
der Braunen Geschichte einmal zu oft er-<br />
© dvdwinters<br />
„Die Braune wäre ihm auch dieses Mal von selbst auf den Hof gefolgt“<br />
62<br />
buchjournal 5/2011
www.aufbau-verlag.de<br />
Die Braune folgte ihm wie ein Hund, seit er sie<br />
vor vier Jahren aus dem Bauch der Kuh gezogen hatte,<br />
die bei der Geburt verreckte. Nun muss er das Tier<br />
schlachten. „Die bringt nichts“, hatte die Bäuerin ihm<br />
gesagt. Lesen Sie die siegreiche Kurzgeschichte<br />
unseres diesjährigen Schreibwettbewerbs.<br />
zählte. „Außer mir hat dich damals doch<br />
keiner haben wollen.“<br />
Daran hat er sich seitdem abgearbeitet<br />
wie kein anderer. Nur einmal hatte er der<br />
Bäuerin Nein gesagt, weil ein Knecht schuften<br />
und dennoch sein eigener Mensch sein<br />
muss. Mit Haut und Haaren und Fleisch<br />
der Bäuerin gehörte aber die Braune, deren<br />
dunkle Augen ihm jetzt von der Weide entgegenblickten.<br />
Seine Schritte erkannte die<br />
Braune immer schon von Weitem, auch<br />
wenn er wie jetzt Fuß mühsam vor Fuß setzen<br />
musste. Das Gatter hatte er noch nicht<br />
erreicht, da rieb sie schon mit tanzenden<br />
Ohren den Kopf mit der blonden Stirnlocke<br />
daran, die Augen hinter weißen Wimpern<br />
vor Genuss nach hinten gerollt.<br />
Ihr weiches Maul an seine Schulter gedrückt,<br />
ließ sie sich von ihm abführen. Den<br />
langen Weg zurück vorbei an den Bäumen,<br />
die der Herbst langsam ausbluten ließ. Den<br />
Arm hätte er nicht so eng um ihren Hals<br />
schlingen, die Hand nicht so tief in das<br />
warme Fell vergraben müssen. Die Braune<br />
wäre ihm auch dieses Mal von selbst auf<br />
den Hof gefolgt. „Wie ein Hund“, hatte die<br />
Bäuerin einmal gesagt. „Wenn wir Glück<br />
haben, wirft sie uns irgendwann vielleicht<br />
wenigstens Welpen.“<br />
Noch immer wölbte sich der klare Himmel<br />
über dem Hof. Doch kalt war es geworden.<br />
Stoßweise stand ihm der Atem vor<br />
dem Gesicht, als er weit ausholte mit der<br />
Axt. Stumpf zwischen die Augen getroffen,<br />
taumelte die Braune, doch erst der<br />
zweite Schlag ließ ihre Beine unter dem<br />
schweren Leib einknicken, der langsam<br />
dann zur Seite sank. Die Augen erneut<br />
nach hinten gerollt, blicklos dieses Mal.<br />
Die Zunge bläulich und verdreht aus dem<br />
Maul gehängt, als müsse sie mit der Spitze<br />
vom harten Pflaster kosten.<br />
Schnell drückte er den Kopf der Braunen<br />
nach hinten, bis die Sehnen in seinem Arm<br />
buchjournal 5/2011 63<br />
»Seine Schritte<br />
erkannte die<br />
Braune immer<br />
schon von Weitem«<br />
spannten wie auch in ihrem Hals, wo er mit<br />
der anderen Hand das Stichmesser an die<br />
pulsende Ader setzte und tief bis fast zum<br />
Knochen schnitt. Unter dem sanften Maul<br />
nun ein zweiter tiefroter Schlund, aus dem<br />
Blut sich heiß ergoss. Als wolle die Seele<br />
sich lösen, stieg ein feiner Dampf auf in der<br />
klaren Luft, geleitet von seinem Atem, der<br />
wie das Blut nun schneller und schneller<br />
pumpte. Erst als der rote Strom als schmales<br />
Rinnsal verendete, gab er sanft ihren<br />
Kopf frei.<br />
Nur langsam kam er auf die Beine, musste<br />
sich stützen auf den massigen Leib der<br />
Braunen in ihrem Blut, das sich noch immer<br />
neue Flussbetten suchte und dabei die<br />
unebenen Pflastersteine wie Inseln umspülte.<br />
Auf seiner Schürze aber, das sah er<br />
jetzt, trug er ein Mal, ein tiefroter Fleck<br />
starrte ihm entgegen wie ein Auge, <strong>des</strong>sen<br />
unerbittlichem Blick er sich lange nicht<br />
entziehen konnte. Kaum konnte er aber die<br />
Augen heben, sah er sich von der Bäuerin<br />
angestarrt. Nur ein helles Auge aber war es,<br />
das ihn nun weit geöffnet und lidlos verfolgte,<br />
wohin er seinen Blick auch wenden<br />
mochte.<br />
In einem dunklen Schneegestöber hatte<br />
er sich einmal gewähnt, als nach langen<br />
Stunden Arbeit in gleißend hellem Sonnenlicht<br />
dunkle Flecken um sein Gesicht<br />
tanzten. Ein Nachbild sei das und müsse<br />
von selbst wieder vergehen, hatte ihm der<br />
Doktor damals erklärt und – angetan 0<br />
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London 1529: Der vierzehnjährige<br />
Nick of Waringham lebt als Internatsschüler<br />
im Haus <strong>des</strong> berühmten<br />
Humanisten Sir Thomas More. Als<br />
Nicks Vater in Verdacht gerät, ein<br />
Lutheraner und Häretiker zu sein,<br />
muss Nick nach Waringham zurückkehren.<br />
Kurz darauf wird der Earl of<br />
Waringham wegen <strong>des</strong> Verdachts auf<br />
Ketzerei verhaftet, und Nick findet<br />
heraus, dass sein Vater Opfer einer<br />
politischen Intrige geworden ist …<br />
0 von seinem Interesse an diesen Dingen<br />
– ihm sogar einen Artikel dazu in<br />
einem dicken Buch gezeigt. So, wie er die<br />
Ausführungen verstanden hatte, konnte<br />
das Auge eine Farbe, von der es genug gesehen<br />
hatte, wie zum Ausgleich ins Gegenteil<br />
verkehren.<br />
Und nun verstand er auch, dass er nun<br />
endlich den hellen Augen der Bäuerin einen<br />
Namen geben konnte, der weder blau<br />
noch grün war, sondern irgendwie bei<strong>des</strong><br />
zusammen und auch wieder nicht. Zyan<br />
hieß die Farbe, an der sich seine Augen nun<br />
abkühlen mussten, da sie sich am Rot <strong>des</strong><br />
Blutes überfressen hatten. Zyan war der<br />
Blick, der sich giftig in sein Hirn brannte<br />
und selbst noch den Weg hinter die geschlossenen<br />
Lider fand. Zyan aber war<br />
auch das Auge, das sich von der weiß getünchten<br />
Stallwand abhob und sich nicht<br />
einmal von seinem verzweifelten Blick gen<br />
Himmel abschütteln ließ.<br />
Es setzte sich fest auf dem blassen Eingewei<strong>des</strong>ack,<br />
bevor sich dieser mit einem<br />
Schmatzen aus der Bauchhöhle <strong>des</strong> Kadavers<br />
erbrach. Nicht einmal die Masse der Innereien<br />
konnte das helle Auge für immer unter<br />
sich begraben, kroch es doch im nächs ten<br />
Moment schon über das tiefrote Fleisch zurück<br />
in die klaffende Wunde, um als zyanfarbene<br />
Iris unter seinem Blick langsam über<br />
das silbrigzarte Häutchen im nun weit offenen<br />
Leib der Braunen zu wandern.<br />
Wie bei einem unerbittlichen Versteckspiel<br />
blinzelte es immer wieder auf zwischen<br />
den fahlen Falten der Haut, die das<br />
tote Tier nur mehr lose wie ein Mantel umhüllte.<br />
Seine vor Schweiß nassen Hände<br />
konnten die Knochensäge kaum halten, die<br />
sich knackend und knirschend entlang der<br />
Wirbelsäule durch den schweren Körper<br />
der Braunen fraß. Von Wirbel zu Wirbel<br />
hüpfend, war das helle Auge den metallenen<br />
Zähnen immer einen Schritt voraus.<br />
Zur Person<br />
Rosarote Prinzessinnen? Wie langweilig. Ich wollte schon als Kind lieber<br />
vielseitig leben – und professionelle Bücherleserin werden. Weil passende<br />
Job angebote auf sich warten ließen, kam dann doch Plan B zum Tragen: das<br />
Schreiben. Schon während meines Studiums der Biologie und Politikwissenschaften<br />
stieg ich als freie Autorin in den Wissenschaftsjournalismus ein. Nach<br />
gut zehn Jahren dicht an der Forschung – von der Archäologie bis zur Zellbiologie<br />
– ist „Das Fleisch“ mein erster Ausflug in die Fiktion. Derzeit arbeite ich an einem<br />
Buch, einer Forscherbiografie. (www.susanne-wedlich.com)<br />
»Als wolle die Seele<br />
sich lösen, stieg ein<br />
feiner Dampf auf in<br />
der klaren Luft«<br />
Vom Kopf der Braunen hatte er die Haut gezogen,<br />
doch auch aus den leeren Augenhöhlen<br />
dieser Maske traf ihn ein starrer<br />
Blick in Zyan.<br />
Da packte er fest den Schädel, auch blutig<br />
schmiegte sich das Maul noch in seine<br />
Hand, während die andere fast am blanken<br />
Knochen abgeglitten wäre, hätte sie nicht<br />
eines der weichen Ohren zu fassen bekommen.<br />
Ganz nah vor das Gesicht hielt er den<br />
Schädel, bis sich ihm das dunkle Auge in<br />
seiner grenzenlosen Tiefe offenbarte. In<br />
die se Schwärze zwang sein Blick das helle<br />
Auge, in dem sich ein kaltes Grün und ein<br />
noch kälteres Blau vereinten, um es noch<br />
einmal hell erstrahlen und sich dann verlieren<br />
zu sehen.<br />
Dunkel war es schon, und unversehens<br />
strich ihm auf dem Weg zum Haus ein<br />
warmer Wind ins Gesicht. Die Braune war<br />
ihm nur mehr Haut und Fleisch, aus dem er<br />
mit spitzem Ausbeiner sorgsam die Knochen<br />
geschält hatte. Axt und Säge waren<br />
schon wieder geschärft, auch die Klingen<br />
der Messer bereits ein letztes Mal geschliffen.<br />
So selten verirrte er sich in die gute<br />
Stube, dass er zunächst gar nichts zu sagen<br />
wusste, nur seinen Blick in die Augen der<br />
Bäuerin zwang. Ihr Blick aber glitt ab und<br />
blieb hängen an seinen blutigen Händen<br />
und dem kleinen Fleisch darin. Trächtig<br />
war die Braune gewesen. „Ich geh’ jetzt“,<br />
sagte er und schloss, ohne erst die Hände<br />
abzuwischen, die Tür hinter sich. <br />
Susanne Wedlich<br />
© privat<br />
www.luebbe.de<br />
64<br />
buchjournal 5/2011
SACHBUCH_GESELLSCHAFT<br />
Viel mehr Nachdenken und viel mehr Nachhaltigkeit: Jeremy Rifkin<br />
fordert ein Umdenken in Sachen Energie und Wirtschaft.<br />
Veränderungen beginnen<br />
auf lokaler Ebene<br />
TEXT: HOLGER EHLING<br />
Mit Leichtigkeit<br />
zu den wirklich<br />
wichtigen Dingen<br />
im Leben!<br />
Klimawandel, Finanzkrise, Atomkatastrophe<br />
in Japan – die Welt im Jahr<br />
2011 ist ungemütlich geworden. W. B.<br />
Yeats beschwor nach dem Ende <strong>des</strong> Ersten<br />
Weltkriegs in seinem Gedicht „The Second<br />
Coming“ das Gefühl der Beklommenheit,<br />
das sich breitmachte: „Zerfall<br />
ringsum, das Zentrum hält nicht stand /<br />
Die Anarchie ist losgelassen in die Welt“<br />
– das passt auch für unsere Zeiten.<br />
Wer hätte noch vor einem Jahr daran gedacht,<br />
dass die Bun<strong>des</strong>regierung sich den<br />
Atomausstieg auf die Fahne schreiben<br />
würde? Wer hätte es für möglich gehalten,<br />
dass Deutsche-Bank-Chef Josef<br />
Ackermann die Finanzmärkte dazu aufruft,<br />
sich ihrer dienenden Funktion für<br />
die Gesellschaft zu erinnern?<br />
Jeremy Rifkin, US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler,<br />
gehört zu jenen,<br />
die eben solche Besinnung der politisch<br />
und wirtschaftlich Verantwortlichen seit<br />
vielen Jahren einfordern. Allerdings belässt<br />
er es nicht bei hehren Forderungen,<br />
sondern er zeigt konkrete Möglichkeiten<br />
auf, wie eine zukünftige Gesellschaft gestaltet<br />
werden kann.<br />
In seinem neuen Buch „Die dritte industrielle<br />
Revolution“ setzt er sich mit den Strategien<br />
für eine Welt jenseits der Abhängigkeiten<br />
von Öl und Atom auseinander. Dabei<br />
sieht er bereits jetzt die Ansätze für einen<br />
Übergang zu neuem Wirtschaften: Von der<br />
Förderung regenerativer Energien bis zu<br />
neuen Umgangsformen im betrieblichen<br />
Alltag sind heute schon wichtige Entwicklungen<br />
im Gange – auch wenn sie noch keine<br />
Selbstverständlichkeiten <strong>des</strong> politischen<br />
und wirtschaftlichen Bewusstseins geworden<br />
sind.<br />
Rifkin zeigt an vielen Beispielen, wie der<br />
Umbau der Gesellschaft funktionieren<br />
Fukushima im März: Die Katastrophe führte zu<br />
einem Kurswechsel der Bun<strong>des</strong>regierung<br />
kann. Immer wieder beginnt die Veränderung<br />
nicht auf der großen Ebene der Nationen,<br />
sondern auf lokaler und regionaler<br />
Ebene. Nur dort kann es gelingen, die Menschen<br />
anzusprechen und zu überzeugen,<br />
nur dort lassen sich die Effekte veränderten<br />
Handelns im Alltag positiv erleben.<br />
Mehr als ein Dutzend Bücher hat Rifkin<br />
zum Thema <strong>des</strong> notwendigen Wandels bereits<br />
geschrieben, er berät Wirtschaft und<br />
Politik – und auch „Die dritte industrielle<br />
Revolution“ ist Pflichtlektüre für alle, die<br />
es ernst meinen mit der Gestaltung einer<br />
lebenswerten Zukunft.<br />
<br />
Lesezeichen<br />
Jeremy Rifkin: Die dritte<br />
industrielle Revolution.<br />
Die Zukunft der Wirtschaft nach<br />
dem Atomzeitalter. Übersetzt<br />
von Bernhard Schmid. Campus,<br />
304 S., 24,99 € (D) •<br />
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Kennen Sie Ihre Ziele, Wünsche,<br />
âTräume? Wirklich! Erreichen Sie Ihre<br />
persönlichen Gipfel! Steve Kroeger<br />
nimmt Sie mit auf eine spannende<br />
Reise zu mehr Klarheit, Einfachheit<br />
und Leichtigkeit.<br />
Das 7 Summits Projekt ist der<br />
âSelbstversuch <strong>des</strong> Autors, in sieben<br />
Jahren die sieben jeweils höchsten<br />
Gipfel aller Kontinente zu besteigen,<br />
und gleichzeitig eine Metapher für<br />
die Suche nach persönlichen Herausforderungen<br />
und Zielen.<br />
Mit zahlreichen, atemberaubenden<br />
âFotos von den Dächern der Welt!<br />
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buchjournal 5/2011 65<br />
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Griechenland<br />
am Abgrund<br />
Matthew Lynn be<strong>schreibt</strong> unterhaltsam<br />
und packend, wie sich Griechenland nach<br />
seinem Beitritt zum Euroraum 2001 „auf<br />
Pump“ Wohlstand erwirtschaftete und wie<br />
diese Blase plötzlich platzte. Er zeigt, welche<br />
Auswirkungen dies nicht nur auf die griechische<br />
Wirtschaft sondern auf die gesamte<br />
Volkswirtschaft im Euro-Raum und vielleicht<br />
auf das gesamte globale Finanzsystem hatte<br />
und hat. Bei der Rettung Griechenlands<br />
und <strong>des</strong> Euros wurde nicht nur die „Bailout-<br />
Klausel“, nach der kein Land für ein anderes<br />
haften solle, missachtet und ein Rettungspaket<br />
in einer Höhe von 110 Milliarden Euro<br />
geschnürt. Auch die Prinzipien der Europäischen<br />
Zentralbank (EZB) wurden bewusst<br />
missachtet. Der Autor be<strong>schreibt</strong>, wie<br />
Deutschland maßgeblich an der Rettung mitwirkte<br />
und mit einem Beitrag in Höhe von<br />
23,4 Milliarden Euro nun den größten Anteil<br />
am Rettungspaket für Griechenland trägt,<br />
dem ein noch größeres Paket zur Rettung <strong>des</strong><br />
Euro in Höhe von 750 Milliarden Euro folgte.<br />
Matthew Lynn wirft aber auch einen Blick<br />
auf die Situation der anderen PIIGS-Staaten<br />
(Portugal, Italien, Irland und Spanien).<br />
SACHBUCH_POLITIK<br />
Demonstrationen, Aufstände und verjagte Diktatoren: In vielen<br />
arabischen Staaten ist nichts mehr, wie es war. Neue Bücher<br />
analysieren die Lage und dokumentieren die Veränderungen.<br />
Aufbruch zur Freiheit<br />
TEXT: CHRISTOPH SCHRÖDER<br />
GRIECHENLAND, DER EURO UND<br />
DIE STAATSSCHULDENKRISE<br />
Matthew Lynn<br />
Pleite<br />
Griechenland, der Euro und<br />
die Staatsschuldenkrise<br />
Wiley, 2011. 348 Seiten. Gebunden.<br />
19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 32,90 sFr.<br />
ISBN: 978-3-527-50604-0<br />
© jcarillet / istockphoto<br />
Noch immer ist die arabische Welt,<br />
wenn es sie als homogenes Gebilde<br />
denn überhaupt gibt, für den Westen ein<br />
weitgehend unbekanntes Terrain. Sie ist<br />
besetzt mit Projektionen und Fantasien,<br />
aber auch mit Klischees und Vorurteilen.<br />
Wo Islamkritik anfängt und wo Islamophobie<br />
beginnt – das lässt sich seit den Anschlägen<br />
vom 11. September vor zehn Jahren<br />
kaum noch genau sagen.<br />
Als Ende 2010 die ersten Wellen der arabischen<br />
Revolution ins Rollen kamen, zunächst<br />
in Tunesien, dann in Ägypten, reagierte<br />
der Westen mit einer Mischung aus<br />
Hoffnung und Skepsis: Hoffnung darauf,<br />
dass die aufkeimende Demokratiebewegung<br />
zu einer Stärkung der politisch gemäßigten<br />
Kräfte führen könnte; Skepsis<br />
darüber, ob nicht radikale Kräfte ihre<br />
Chance nutzen und in das nun entstehende<br />
politische Machtvakuum hineinstoßen<br />
werden.<br />
Hoffnung auf eine bessere Zukunft: Mädchen<br />
bei einer Demonstration in Ägypten<br />
Es ist kein Zufall und durchaus passend,<br />
dass der diesjährige Friedenspreisträger<br />
<strong>des</strong> Deutschen <strong>Buchhandels</strong> aus der arabischen<br />
Welt kommt: Der Algerier Boualem<br />
Sansal gehört zu den wenigen kritischen<br />
Intellektuellen, die ihrem Land<br />
noch nicht den Rücken gekehrt haben. In<br />
seinem bereits 2006 im Original erschienenen<br />
Brief „Postlagernd: Algier“ an seine<br />
Landsleute rechnet er mit den dortigen<br />
Machthabern ab und analysiert zugleich<br />
treffend die politische Lage in Algerien.<br />
Ebenso hautnah an den gegenwärtigen<br />
Umbrüchen ist Karim El-Gawhary: Der<br />
Sohn einer <strong>deutschen</strong> Mutter und eines<br />
ägyptischen Vaters leitet das Nahostbüro<br />
<strong>des</strong> ORF in Kairo. El-Gawhary hat über<br />
sämtliche Nachrichtenkanäle vom Aufstand<br />
in Ägypten berichtet; nun legt er sein<br />
66<br />
buchjournal 5/2011
„Tagebuch der arabischen Revolution“<br />
(Kremayr & Scheriau) in Buchform vor. Es<br />
nimmt die Leser noch einmal mit nach Tunis,<br />
Kairo und Libyen, führt ihnen die unruhigen<br />
Monate plastisch vor Augen.<br />
Auch die Journalistin Kristina Bergmann<br />
hat für „Tausendundeine Revolution“<br />
ein Kaleidoskop von Eindrücken gesammelt.<br />
Bergmann, „NZZ“-Korrespondentin<br />
für den Nahen Osten, hat in<br />
Ägypten Stimmen aus den unterschiedlichsten<br />
gesellschaftlichen Gruppen und<br />
Schichten zusammengetragen: Junge und<br />
Alte, Männer und Frauen, Christen und<br />
Muslime bekommen eine authentische<br />
Stimme. Kommunikationsexpertin Judith<br />
Hornok, die für Unternehmen Cross-<br />
Culture-Seminare gibt, um die arabische<br />
Welt besser verstehen zu lernen, hat den<br />
Fokus auf die neue Generation der Frauen<br />
in den Arabischen Emiraten gelegt. In vielen<br />
Gesprächen mit ihnen arbeitet Hornok<br />
in „Moderne arabische Frauen“ (Molden)<br />
heraus, wie sie denken, wie ihre Karrieren<br />
verlaufen, welche Veränderungsprozesse<br />
im Gang sind.<br />
Einen weniger unmittelbaren, distanzierteren<br />
Blick auf die Ereignisse in Nordafrika<br />
wirft der Sammelband „Die arabische<br />
Revolution“ (Ch. Links), in dem<br />
Politologen, Historiker und Journalisten<br />
jeweils kapitelweise eines der Länder der<br />
arabischen Welt behandeln. Detailliert<br />
werden die zahlreichen Verflechtungen<br />
dargestellt, die das Themenfeld so komplex<br />
werden lassen: Religiöse, wirtschaftliche<br />
und territoriale Ansprüche bilden<br />
eine schwer trennbare Einheit. Trotzdem<br />
erscheint je<strong>des</strong> Land als Sonderfall, sei es<br />
Syrien, Marokko oder Saudi-Arabien.<br />
Sehr gründlich analysiert der Nahost-<br />
Experte Michael Lüders, lange Jahre<br />
Korres pondent der „Zeit“, in „Tage <strong>des</strong><br />
Zorns“ die Ursprünge und Auslöser für die<br />
zornigen Ausbrüche gegen die diktatorischen<br />
Regime. Lüders führt ebendiese<br />
auf politische Fehlkalkulationen in der<br />
westlichen Welt zurück.<br />
Nun, nachdem der Aufstand ausgebrochen<br />
ist, muss auch der Westen eine Haltung<br />
finden, eine politische, aber auch eine<br />
geistige. Hamed Abdel-Samad, Mitarbeiter<br />
der UNESCO und Mitglied der <strong>deutschen</strong><br />
Islamkonferenz, stellt in seinem neuen<br />
Buch die provozierende Frage „Krieg oder<br />
Frieden?“ und macht deutlich, dass die<br />
Antwort auf diese Frage auch außerhalb<br />
der arabischen Welt liegt. Entscheidend<br />
sei, wie der Westen sich gegenüber den zu<br />
erwartenden Flüchtlingsströmen verhalte<br />
und welche Rolle er im Kampf der <strong>des</strong>tabilisierten<br />
Systeme spielen wolle.<br />
Für einen Dialog zwischen Christen und<br />
Muslimen schließlich plädiert Wolf Ahmed<br />
Aries, Mitbegründer der Gesellschaft Muslimischer<br />
Sozial- und Geisteswissenschaftler,<br />
als Deutscher im christlichen Glauben<br />
aufgewachsen und seit Jahren Muslim, in<br />
seinem Buch „Der christlich-islamische Dialog.<br />
Chancen und Grenzen“ (Tectum). Barrieren<br />
abbauen, so lautet die Grundforderung.<br />
Und das gilt für den Westen wie auch<br />
für die arabische Welt.<br />
<br />
Unsere<br />
Buchempfehlungen<br />
Reiner Bischoff<br />
Fehlerhaftes Geld – kaputte Welt<br />
ISBN: 978-3-86279-031-9<br />
105 Seiten<br />
Kann man mit dem heutigen<br />
Zustand der Welt zufrieden<br />
sein? Wohl kaum. Ganz anders<br />
aber sähe die Welt aus –<br />
gäbe es den Zins nicht mehr.<br />
Otto Hegnauer<br />
Alma Zombie<br />
ISBN: 978-3-86279-033-3<br />
247 Seiten<br />
Am 12. Januar 2010 wurde<br />
Haïti zur Bühne der Welt,<br />
Trauerbühne für eine der<br />
größten Tragödien der<br />
Menschheitsgeschichte.<br />
Lesezeichen<br />
1. Boualem Sansal: Postlagernd: Algier. Zorniger und hoffnungsvoller Brief an meine Landsleute.<br />
Übersetzt von Ulrich Zieger u.a. Merlin, 84 S., 9,90 € (D) • 10,20 € (A) • 14,90 sFr.<br />
2. Kristina Bergmann: Tausendundeine Revolution. Die arabische Welt im Umbruch.<br />
Lenos, 150 S., 14,90 € (D/ A) • 22,50 sFr.<br />
3. Michael Lüders: Tage <strong>des</strong> Zorns. Die arabische Revolution verändert die Welt. C. H. Beck,<br />
207 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
4. Hamed Abdel-Samad: Krieg oder Frieden. Die arabische Revolution und die Zukunft <strong>des</strong> Westens.<br />
Droemer Knaur, 240 S., 18,– € (D) • 18,50 € (A) • 29,90 sFr.<br />
buchjournal 5/2011 67<br />
Paul A. Truttmann<br />
Die Macht der Beziehung<br />
ISBN: 978-3-86683-721-8<br />
144 Seiten<br />
Mut heißt nicht, keine Gefahr<br />
zu kennen, sondern sich seiner<br />
Angst bewusst zu sein – und<br />
den Weg trotzdem zu gehen.<br />
Walter Horvath<br />
Dracula<br />
ISBN: 978-3-86683-904-5<br />
272 Seiten<br />
Dieses Kochbuch ist ein<br />
ungewöhnliches Buch. Begeben<br />
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SACHBUCH_UMWELTSCHUTZ<br />
Ein Gespräch mit dem australischen Biologen und Umweltschützer Tim Flannery<br />
über Optimismus, globales Handeln, Evolution und die Politik nach Fukushima.<br />
„Alles dreht<br />
sich um<br />
Synergie“<br />
INTERVIEW: ALEXANDER KLUY<br />
Zur Person<br />
Tim Flannery, geboren 1957, ist Biologe und Paläontologe<br />
und lehrt an der Macquarie University in<br />
Sydney. Bei Expeditionen in den frühen 1980er Jahren<br />
entdeckte er 29 neue Känguru-Arten. 2007<br />
wurde er als Autor <strong>des</strong> internationalen Bestsellers<br />
„Wir Wettermacher“ zum „Australian of the Year“<br />
gewählt. Seit Februar 2011 ist Flannery Vorsitzender<br />
der australischen „Climate Commission“.<br />
Wieso gaben Sie der englischen Ausgabe Ihres<br />
Buchs den Untertitel „An Argument for Hope“,<br />
ein Plädoyer für Hoffnung?<br />
Tim Flannery: Ich habe das Buch gleich<br />
nach der Klimakonferenz in Kopenhagen<br />
2009 begonnen. Damals war ich ziemlich<br />
deprimiert und dachte: Welche Hoffnung<br />
haben wir noch? Um das zu beantworten,<br />
bin ich bis zu den Grundlagen unserer Beziehung<br />
zur Erde zurückgegangen. Es ist verblüffend,<br />
dass wir ganz offensichtlich gierig<br />
und selbstbezogen sind – was uns aber nicht<br />
als globale Intelligenz disqualifiziert!<br />
Sie haben noch Hoffnung, dass wir den Planeten<br />
Erde nicht endgültig zerstören?<br />
Ja, ich denke, es gibt noch Hoffnung. Die<br />
größte Überraschung für mich beim Schreiben<br />
<strong>des</strong> Buchs war: Mir wurde klar, dass<br />
Menschen einen Superorganismus bilden.<br />
Das ließ mich über die Fundamente einer<br />
neuen Form sozialen Lebens nachdenken,<br />
die auf Arbeitsteilung basiert. Wenn man<br />
einmal die Fähigkeit zur Arbeitsteilung<br />
entwickelt hat, folgt alles andere. Wir sind<br />
alle Spezialisten.<br />
Ist die „Entwertung der Zukunft“, wie Sie es<br />
nennen, ein Erziehungsproblem?<br />
Die These von der Entwertung der Zukunft<br />
hat enorme Bedeutung. Was wir brauchen,<br />
sind besser ausgebildete Gesellschaften<br />
mit einer gewissen wirtschaftlichen<br />
Sicherheit. Wenn Menschen das<br />
nicht haben, wird Nachhaltigkeit irrelevant.<br />
Sie verbrauchen das, was sie heute benötigen,<br />
auch wenn es ihre Zukunft kostet.<br />
Tim Flannery: „Wir müssen uns in<br />
grundlegender Art und Weise ändern“<br />
Das verlangt aber von uns ein grundsätzliches<br />
Umdenken.<br />
Richtig, wir müssen uns wohl recht fundamental<br />
ändern. Analogien finde ich immer<br />
nützlich. Und eine Analogie zu<br />
menschlichem Verhalten ist etwa, dass<br />
auch die Natur dazu tendiert, sich auf verschiedenen<br />
Ebenen selber neu zu erfinden<br />
– die globale Evolution wiederholt den Evolutionsprozess<br />
einzelner Organismen.<br />
Wieso ist dabei Kooperation, nicht Konkurrenz<br />
für Sie der zentrale Faktor?<br />
Wenn wir zurückschauen und selbst die<br />
ganz junge Erde untersuchen, gab es, so<br />
weit wir das sagen können, schon beim Ursprung<br />
<strong>des</strong> Lebens Ökosysteme, die miteinander<br />
kooperierten. Wir sehen natürlich<br />
Lesezeichen<br />
Tim Flannery: Auf Gedeih und<br />
Verderb. Die Erde und wir:<br />
Geschichte und Zukunft einer<br />
besonderen Beziehung.<br />
S. Fischer, 368 S., 22,95 € (D) •<br />
23,60 € (A) • 32,90 sFr.<br />
© Filippo Cirri<br />
einzelne Arten, aber wir sehen auch und<br />
vor allem Gemeinschaften. Die miteinander<br />
kooperieren und miteinander leben.<br />
Wenn dies seit dreieinhalb Milliarden Jahren<br />
ein Wesenszug von Leben ist, dann sagt<br />
das etwas über Evolution. Es geht nicht um<br />
das Überleben der Stärksten. Alles dreht<br />
sich um Synergie.<br />
Ein US-Journalist meinte, für eine radikale<br />
Kursänderung brauche es eine Revolution ...<br />
Wandel an sich belastet das Grundmuster<br />
<strong>des</strong> Superorganismus. Bis zu einem gewissen<br />
Grad ist das gefährlich. Nachdem ich<br />
mein Buch abgeschlossen hatte, setzte der<br />
„Arabische Frühling“ ein. Ich habe diesen<br />
Wandel mit ganz anderen Augen gesehen,<br />
weil ich in meinem Buch schreibe, dass Demokratie<br />
das dominante Muster dieses<br />
Jahrhunderts wird – und dann sah ich die<br />
vom Internet getragenen Revolutionen im<br />
arabischen Raum.<br />
Für die deutsche Ausgabe haben Sie eigens ein<br />
Kapitel über Fukushima geschrieben. Indirekt<br />
also über das Ende der Atomkraft in Deutschland?<br />
Die Herausforderung, vor der Deutschland<br />
steht, ist einmalig. Die Menschen<br />
müssen verstehen, dass es ein heroisches<br />
Experiment ist, das sehr sorgfältig durchdacht<br />
und vermutlich jahrzehntelang begleitet<br />
werden muss. Deutschland ist da<br />
wirklich Avantgarde. Eine solche Aufgabe<br />
kann man auch als Chance begreifen. In<br />
meinen Augen ist es eine interessante und<br />
aufregende Herausforderung. <br />
68<br />
buchjournal 5/2011
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Lesestoff Sachbücher<br />
ARNO SCHMIDT<br />
Eine Jugend in Hamburg<br />
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Legenden<br />
der Leinwand<br />
STERBEKULTUR<br />
Des Menschen letzter Weg<br />
„Ich habe keine Angst vor<br />
dem Tod“, zitiert Fritz Roth<br />
anfangs Woody Allen, „ich<br />
möchte nur nicht dabei<br />
sein, wenn’s passiert.“ Angesichts<br />
der heutigen Mobilität<br />
stehen Allens Chancen<br />
gar nicht so schlecht,<br />
könnte man die Ironie<br />
dieses Spruchs noch auf<br />
die Spitze treiben. Familiengräber, an denen<br />
man die Lebensgeschichte vieler Generationen<br />
ablesen kann, werden immer seltener. Familiäre,<br />
lokale, konfessionelle, berufliche Bindungen lockern<br />
sich und lösen sich auf. Viele Menschen<br />
wissen, dass bestenfalls ein Gärtner sich um ihr<br />
Grab wird kümmern können. Der 1949 geborene<br />
Fritz Roth versteht sich als Pionier einer neuen<br />
Sterbekultur, die nicht mehr die traditionellen<br />
Rituale und Bestattungsvorschriften, sondern<br />
den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Einen<br />
Menschen, der frei darüber entscheiden will, wo<br />
und wie man ihn zur letzten Ruhe bettet. Der Tod<br />
nämlich, so Roth am Schluss seiner ungemein<br />
lebendigen Tour d’Horizon, sei vor allem auch ein<br />
Individualisierer: „Im Tod trennt sich die Rolle,<br />
die Menschen in der Gesellschaft einnehmen,<br />
von dem unverwechselbaren, einzigartigen<br />
Menschen, der seinen eigenen Weg geht.“ Roths<br />
Buch liefert dazu wichtige Beispiele und Orientierungshilfen.<br />
ub<br />
^ Fritz Roth: „Das letzte Hemd ist bunt.<br />
Die neue Freiheit in der Sterbekultur“. Campus,<br />
189 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 28,90 sFr.<br />
DIETRICH & RIEFENSTAHL<br />
Leben<br />
und Mythos<br />
Zwei deutsche Frauen, zwei Mythen ihrer<br />
selbst, überlebensgroß: Das sind Marlene<br />
Dietrich und Leni Riefenstahl. Beide waren<br />
Berlinerinnen, die eine in Schöneberg, die<br />
andere im Wedding geboren. Größer als ihr<br />
eigenes, das 20. Jahrhundert, größer als<br />
ihre eigenen Leben waren sie – die Dietrich<br />
starb 1992 im Alter von 90 Jahren, Riefenstahl<br />
elf Jahre später 101-jährig. Die beiden<br />
so unterschiedlichen Diven führt Karin Wieland<br />
nun in einer fulminant ausgreifenden<br />
Doppelbiografie zusammen. Die Berliner<br />
Kulturwissenschaftlerin erzählt detailreich<br />
von ihnen, die mit eisernem Willen und oft<br />
erschreckender und ihre engste Umwelt<br />
missachtender Disziplin den Erfolg suchten.<br />
Und ihn oft brachial erzwangen, mit ihrem<br />
Körper, mit großem Talent, noch größerem<br />
Ehrgeiz und Riefenstahl mit unverstelltem<br />
Opportunismus gegenüber den nationalsozialistischen<br />
Machthabern. Anhand beider<br />
langer Leben, Verschleierungen und Lügen<br />
und unter Auswertung von Nachlassmaterialien<br />
wird das 20. Jahrhundert als Jahrhundert<br />
dieser Frauen erhellend und erfrischend<br />
anders geschildert.<br />
ky<br />
^ Karin Wieland: „Dietrich & Riefenstahl.<br />
Der Traum von der neuen Frau“. Hanser, 632 S.,<br />
27,90 € (D) • 28,70 € (A) • 37,90 sFr.<br />
„Wenn Du das Hamburg<br />
Deiner Jahre 1912 – 28 wiedersehen<br />
willst,“ empfahl<br />
Arno Schmidt seiner Mutter<br />
1968, „dann setz Dich in<br />
Deinen bequemsten Stuhl;<br />
schließe die Augen; und<br />
concentriere Dich recht<br />
fest auf jene Tage.“ Hamburg-Hamm,<br />
in dem er<br />
1914 geboren worden war und bis 1928 lebte, war<br />
im Zweiten Weltkrieg ausradiert worden. Und was<br />
die Bomben der Alliierten überstanden hatte, das<br />
hatte der Wiederaufbau unkenntlich gemacht. Zu<br />
Schmidts Jugenderinnerungen gesellen sich in<br />
dem von Joachim Kersten kundig kommentierten<br />
Band Zeugnisse seiner Mutter, seiner Schwester<br />
Luzie und seiner ehemaligen Klassenkameraden.<br />
Das liefert Einblicke in Schmidts prägende Jugenderfahrungen.<br />
Und es lässt eine Welt auferstehen,<br />
die bei seiner Geburt noch ein Neubauviertel war<br />
und zu Lebzeiten schon Geschichte wurde. ub<br />
^ Joachim Kersten (Hrsg.): „Arno Schmidt in Hamburg“.<br />
Hoffmann und Campe, 208 S., 22,99 € (D) •<br />
23,60 € (A) • 36,90 sFr.<br />
FRAGEN UND ANTWORTEN<br />
Geschichten aus der Natur<br />
Warum lieben wir Biber?<br />
Warum gibt es unterschiedliche<br />
Hautfarben? Und: Wie<br />
sähe eine Welt ohne Menschen<br />
aus? Kinderfragen –<br />
auf die die meisten Erwachsenen<br />
keine Antwort<br />
wüssten. Der Ökologe Josef<br />
H. Reichholf ist Spezialist<br />
darin, scheinbar banale Fragen,<br />
hinter denen aber häufig komplexe Probleme<br />
lauern, verständlich und amüsant zu erklären. Dabei<br />
ist seine Herangehensweise oft recht pragmatisch:<br />
Religion dient vor allem der Stabilität einer<br />
Gesellschaft, genetisch veränderte Nutzpflanzen<br />
sind so alt wie der Ackerbau und die Zukunft <strong>des</strong><br />
Menschen ist nicht besonders rosig: „Keine Art von<br />
höheren Lebewesen ist bisher dem Aussterben<br />
entgangen“, <strong>schreibt</strong> er. Mitteleuropa wäre in wenigen<br />
Jahrzehnten von Wald bedeckt, Städte würden<br />
verfallen und das Leben auf der Erde würde<br />
anders aussehen – aber nicht schlechter, so Reichholf.<br />
„Denn die Natur wertet nicht.“<br />
bai<br />
^ Josef H. Reichholf: „Naturgeschichte(n)“. Knaus,<br />
320 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,90 sFr.<br />
70<br />
buchjournal 5/2011
ISLAND I<br />
Land der heißen Quellen<br />
Falls Sie eine Island-Reise planen, dürfen Sie den<br />
Besuch in einem Schwimmbad auf keinen Fall<br />
versäumen. „Nur wenige Dörfer haben eine Dorfkneipe,<br />
ein Schwimmbad gibt es überall“, <strong>schreibt</strong><br />
der in Berlin lebende Autor Kristof Magnusson.<br />
Das Baden in heißen Quellen pflegen die Isländer<br />
seit Urzeiten, entsprechend stolz sind sie auf diese<br />
kulturelle Errungenschaft. Man planscht dabei<br />
fast ausschließlich im Freien, und je schlechter<br />
das Wetter ist, umso mehr Spaß macht es. Doch<br />
Vorsicht: Der Besuch in einem Bad ist wahrscheinlich<br />
genauer geregelt als das isländische<br />
Bankenwesen. Es macht Spaß, Magnussons humorvolle<br />
Betrachtungen über dieses besondere<br />
Land im Norden zu lesen,<br />
das viel mehr zu bieten hat<br />
als nur Vulkane, Gletscher<br />
und eine sehr spezielle<br />
Sprache.<br />
bai<br />
^ Kristof Magnusson:<br />
„Gebrauchsanweisung für<br />
Island“. Piper, 194 S.,<br />
14,95 € (D) • 15,40 € (A) •<br />
21,90 sFr.<br />
ISLAND II<br />
„Weltweit am besten!“<br />
Wer Island verstehen will,<br />
braucht nicht gleich ein<br />
paar Jahre Fremdsprachenunterricht.<br />
Eine gute Einführung<br />
in dieses ganz und<br />
gar ungewöhnliche Land<br />
sollte es aber schon sein.<br />
Sehr zu empfehlen ist dafür<br />
Marie Krügers vorbildliches<br />
Länderporträt: Geografie,<br />
Sprache, Politik und Kultur – kaum ein Aspekt,<br />
den die Autorin nicht beleuchtet. Wir lesen, dass<br />
die Isländer auf ihr Land über alle Maßen stolz<br />
sind („Ísland – best íheimi!“ – „Island – weltweit<br />
am besten!“), sie üppige Kuchen schätzen. Und<br />
dass erstaunlich viele Isländer – aber auch Touristen!<br />
– eines unnatürlichen To<strong>des</strong> sterben.<br />
Schuld sind allerdings nicht Mord und Totschlag –<br />
die Isländer sind ein überaus friedfertiges Volk –,<br />
sondern die Launen der Natur in Form von<br />
Schneestürmen, Erdrutschen, Lawinen und Gletscherspalten.<br />
bai<br />
^ Marie Krüger: „Island. Ein Länderporträt“.<br />
Ch. Links, 200 S., 16,9o € (D) • 17,40 € (A) • 24,90 sFr.<br />
POMPEJI<br />
Antike Welt im Bimsstein<br />
Als der Vesuv am 24. August <strong>des</strong> Jahres ’79 eine<br />
glühend heiße Wolke ausspuckte, die bald die<br />
Form einer Schirmakazie annahm, war das Schicksal<br />
Pompejis besiegelt. Gebäude und zurückgebliebene<br />
Bewohner wurden vom Ascheregen in eine<br />
dreidimensionale Momentaufnahme <strong>des</strong> Alltags<br />
einer römischen Stadt gebannt. Wie die Mücke im<br />
Bernstein wurde Pompeji zur Welt im Bimsstein.<br />
Wohlerhalten war es seit dem 18. Jahrhundert eine<br />
Fundgrube für Archäologen. Die jäh ihrer Existenz<br />
entrissenen Pompejaner hatten nicht darüber entscheiden<br />
können, was sie von sich überliefern<br />
wollten und was nicht. Mary Beards faszinieren<strong>des</strong><br />
Buch liefert so eine enzyklopädische unzensierte<br />
Rekonstruktion ihres Lebens, zu dem neben Tempeln<br />
auch Bordelle und neben<br />
kunstvollen Mosaiken<br />
auch obszöne Wandsprüche<br />
gehörten.<br />
ub<br />
^ Mary Beard: „Pompeji.<br />
Das Leben in einer römischen<br />
Stadt“. Reclam, 480 S.,<br />
29,95 € (D) • 30,80 € (A) •<br />
42,50 sFr.<br />
Jetzt im Buchhandel!<br />
»Fußball ist ein einfacher Sport,<br />
jeder versteht die Regeln,<br />
und wer mehr Tore macht,<br />
hat gewonnen.<br />
Aber dann wird es<br />
auch schon kompliziert.«<br />
Philipp Lahm<br />
272 Seiten mit Bildteil,<br />
Euro 19,90<br />
ISBN 978-3-88897-729-9<br />
buchjournal 5/2011 71<br />
verlag antje<br />
kunstmann<br />
www.kunstmann.de
Bücher für Entdecker<br />
Wieder ein neuer Coldàn<br />
Coldàn: Ein totes Kind und doppelte Schatten<br />
ISBN 978-3-8448-7280-4, PB, 448 Seiten, € 24,95<br />
Timos Leben gerät aus den Fugen.<br />
Seine kleine Tochter wurde ermordet,<br />
kurze Zeit später seine peruanische<br />
Frau. Die Polizei verdächtigt Timo,<br />
doch der Unternehmer ist selbst in<br />
Gefahr: Er wird von einem Unbekannten<br />
verfolgt. Ein fulminanter<br />
Thriller um Perversion, Heimtücke und<br />
Verrat (herausgegeben von Vito von<br />
Eichborn in der Edition BoD).<br />
Kampf ums Überleben<br />
Günther E.R. Glass:<br />
Gefangen im Morast der Vergangenheit<br />
ISBN 978-3-8423-1469-6, PB, 244 Seiten, € 17,80<br />
Ein Segeltörn nach Boston entwickelt<br />
sich zum erbarmungslosen Kampf<br />
gegen die Mafia. Dabei wollte Willi,<br />
der dort ein Unternehmen führt, den<br />
mitreisenden jungen Axel nicht in<br />
Gefahr bringen. Im Gegenteil: Er hält<br />
es für möglich, dass Axel sein Sohn<br />
ist. Ein rasanter Thriller über Liebe<br />
und Gewalt.<br />
Europa im Jahr 2024<br />
Henrik Denard: Die Nacht der Präsidenten<br />
ISBN 978-3-8423-4403-7, PB, 404 Seiten, € 24,90<br />
Zwei mächtige Organisationen beauftragen<br />
den Söldner Carl Nanninga,<br />
ein Kreuzfahrtschiff zu kapern. Dort tagen<br />
Staats- und Regierungschefs und<br />
einflussreiche Unternehmenslenker,<br />
um die beschlossene Gründung der<br />
Vereinigten Staaten von Europa vorzubereiten.<br />
Das soll Nanninga um jeden<br />
Preis verhindern. Ein mörderischer<br />
Wettlauf gegen die Zeit beginnt.<br />
Biographien<br />
Herbert Cor<strong>des</strong>: Berühmte Menschen<br />
ISBN 978-3-8311-4982-7, PB, 184 Seiten, € 15,90<br />
Sie weilen nicht mehr unter uns, sind<br />
aber alle auf die eine oder andere<br />
Weise interessant, bedeutsam oder<br />
bemerkenswert. In dieser Sammlung<br />
finden Sie Kurzbiographien von Alzheimer<br />
bis Zappa, von Brummel bis Palme<br />
und von Diderot und Lady Diana bis<br />
Orwell. Eine Fundgrube wissenswerter<br />
Einzelheiten. www.ClemensTerrell.de<br />
Auf dem Drahtseil<br />
Herrmann Rath: Kopfsalat<br />
ISBN 978-3-8391-7778-5, HC, 128 Seiten, € 19,90<br />
Der Tod ist nicht nur ständiger Begleiter<br />
potentieller Selbstmörder. Auch im<br />
scheinbar ganz normalen Leben führen<br />
wirre Gedanken, Obsessionen und<br />
Fehleinschätzungen zu bisweilen fatalen<br />
Folgen. Der Wahn wartet nur darauf,<br />
sich unser aller zu bemächtigen. Nicht<br />
jeden trifft es. Aber es könnte.<br />
Befreit leben<br />
Günther Dohmen: Aufgespießte Tabus<br />
ISBN 978-3-8423-9823-8, PB, 296 Seiten, € 17,50<br />
5 Tabu-Themen werden kritisch<br />
diskutiert: die Schule als Unterrichtsanstalt,<br />
die neue Sexualmoral, die<br />
Vergangenheits“bewältigung“, der<br />
Wachstumsglaube und die Angst<br />
vorm Sterben. Das Buch ist ein<br />
aufklärerisches Plädoyer für offenere<br />
Zukunftsperspektiven.<br />
Geschichte aufbereitet<br />
René Dick: Alliierte Kriegsverbrechen<br />
ISBN 978-3-8423-6783-8, PB, 520 Seiten, € 39,90<br />
In einer historischen Bestandsaufnahme<br />
muss alles auf den Tisch, nicht nur das<br />
Bild vom bösen Deutschen. Auch die<br />
Siegermächte verfolgten ideologische<br />
Interessen! Immerhin: 5 Millionen Männer,<br />
Frauen und Kinder starben in der<br />
„Obhut“ der Alliierten. Zahlen, Daten,<br />
Fakten: ungeschminkt und wahr.<br />
Wie wir leben sollen<br />
Alfred Kleine: Weisungen der Schöpfung<br />
in medialen Mitteilungen<br />
ISBN 978-3-8423-9675-3, PB, 152 Seiten, € 11,90<br />
Vom Anbeginn der Zeit erhält die<br />
Menschheit „mediale Mitteilungen“<br />
der Schöpfung, die sie auf den Zweck<br />
<strong>des</strong> Lebens hinweisen. Wir Menschen –<br />
„duale Wesen“ aus Körper und<br />
unsterblicher Seele – sind für uns selbst<br />
verantwortlich. Dieses Buch be<strong>schreibt</strong><br />
Aussagen von 15 Medien der letzten<br />
Jahrhunderte.
Bücher für Entdecker<br />
Geist überlebt Materie<br />
Walter van Laack: Wer stirbt, ist nicht tot!<br />
ISBN 978-3-9366-2412-0, PB, 272 Seiten, € 24,80<br />
ISBN 978-3-9366-2413-7, HC, 272 Seiten, € 35,00<br />
Der Autor, Facharzt und Hochschulprofessor<br />
wagt eine wohlbegründete,<br />
alternative Sichtweise auf die Welt.<br />
Dabei verknüpft er wissenschaftliche<br />
Ergebnisse mit religiösen Anschauungen<br />
und kommt zu einem erstaunlichen<br />
Schluss: Jeder Einzelne stirbt nur<br />
körperlich. Unser Ich lebt unverändert<br />
weiter.<br />
Die Welt aus einem Guss<br />
Walter van Laack: Mit Logik die Welt begreifen<br />
ISBN 978-3-9366-2404-5, PB, 380 Seiten, € 29,80<br />
ISBN 987-3-9366-2407-6, HC, 380 Seiten, € 39,80<br />
Hier geht es um die großen Fragen:<br />
Gibt es Gott oder sind Leben und<br />
Geist nur Zufallsprodukte von<br />
Materie? Der Autor führt Naturwissenschaften<br />
und Religionen nahtlos<br />
zusammen und blickt über die verschiedensten<br />
fachlichen Teller ränder.<br />
Ein faszinieren<strong>des</strong> Buch, das zum<br />
Verstehen dieser Welt beiträgt.<br />
Gott und die Welt<br />
Alneg Christazaal: Geheimnisse zu Wort und Zahl<br />
in der Heiligen Schrift und der Welt<br />
ISBN 978-3-8448-8477-7, PB, 100 Seiten, € 14,00<br />
Ein lesenswertes Buch zeichnet sich<br />
dadurch aus, dass es stark polarisiert<br />
und doch positiv auf das reale Leben<br />
wirkt. Warum heißt alles, wie es heißt?<br />
Sind die Zahlen, wie sie sind? Finden<br />
Sie Antworten darauf und auf viele<br />
weitere Fragen in diesem Buch, um<br />
Gott und die Welt zu verstehen.<br />
China ist anders<br />
Bernhard Weßling: Hier bin ich Lao Wei<br />
ISBN 978-3-8423-0480-2, PB, 228 Seiten, € 49,00<br />
Als seine Firma in China nur Fehlschläge<br />
erleidet, geht Weßling trotz<br />
aller Vorurteile selbst hin. Er verwirft<br />
alle Ratschläge, sucht den eigenen<br />
Weg, taucht tief in China ein, löst viele<br />
Probleme. Humorvoll be<strong>schreibt</strong> er<br />
seine Erlebnisse, u. a. mit 140 Fotos.<br />
Ein Buch über China wie kein anderes.<br />
Rund und abgefahren<br />
Richard Deiss: Kommt Zeit, kommt Rad<br />
ISBN 978-3-8370-0273-7, PB, 160 Seiten, € 9,90<br />
Was hat das erste Laufrad mit einem<br />
Vulkanausbruch in Indonesien zu tun?<br />
Wieso gibt es Radler-Bier? Und was<br />
haben wohl Münster und Ubatuba<br />
gemeinsam? Amüsante Fakten und<br />
interessante Anekdoten zur Entwicklung<br />
von Fahrradtechnik und Fahrradverkehr.<br />
Für alle, die auf Fahrräder(n) abfahren.<br />
Twitter-Lyrik 3<br />
Books on Demand, Literaturcafe.de (Hrsg.):<br />
Twitter-Lyrik 3<br />
ISBN 978-3-8448-6187-7, PB, 104 Seiten, € 9,80<br />
Keines der Gedichte in diesem Buch<br />
ist länger als 140 Zeichen, denn die<br />
Werke wurden über den Kurznachrichtendienst<br />
Twitter verschickt.<br />
Der Band enthält alle Beiträge <strong>des</strong><br />
3. Twitter-Lyrik-Wettbewerbs von<br />
literaturcafe.de und BoD und ist den<br />
Erdbebenopfern von Japan gewidmet.<br />
„Wie mein Buch das LICHT der Welt erblickt? –<br />
Mit einem KLICK!“<br />
Ob Krimi, biographische Erinnerungen, Reiseberichte oder Fotobuch: Mit BoD haben<br />
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zu haben: im Buchhandel und in Onlineshops.<br />
MEIN BUCH, MEIN ERFOLG.
Schwerpunkt Essen, Trinken & Genießen<br />
Sie ist frisch, lecker und besonders: die asiatische Küche. In neuen Büchern<br />
wird sie nicht nur appetitlich serviert, sondern sie lädt auch in ihre jeweiligen<br />
Heimatländer ein – mit Geschichten, Erinnerungen und Fotos der Autoren.<br />
Erst in den Lesesessel –<br />
dann ab in die Küche!<br />
TEXT: CONSTANZE KLEIS<br />
viel knackfrisches Gemüse, duftende<br />
Kräuter, aromatische Früchte, kaum Fett,<br />
eher wenig Fleisch, viel Fisch und dazu<br />
Reis – asiatisch geht immer. Nicht nur,<br />
weil die Küchen Japans, Thailands oder<br />
Koreas von vorbildlicher diätischer Bewusstheit<br />
geprägt und ernährungsphysiologisch<br />
ausgeklügelt sind, ohne dem Esser<br />
den dabei sonst oft fälligen Verzicht<br />
auf Geschmack und Genuss zuzumuten.<br />
In ihnen lebt auch diese schöne Schlaraffia-Idee:<br />
von allem etwas, und das gleichzeitig<br />
auf den Tisch. Kein Wunder, wenn<br />
sich Kochbücher, die diesem Schüsselchentraum<br />
huldigen, ungebrochener Beliebtheit<br />
erfreuen und diese wunderbar<br />
vielfältige Küche immer wieder aufs Neue<br />
entdeckt wird.<br />
Dass dabei immer noch erstaunliche<br />
Varianten und Zusatzfeatures möglich<br />
sind, zeigen gleich zwei Bücher aus dem<br />
Hädecke Verlag: „Thai Street Food“ und<br />
der aktuelle Nachfolger „Vietnam Street<br />
Food“. Autor Tom Vandenberghe hat dafür<br />
die Epizentren <strong>des</strong> Authentischen, die<br />
Straßenküchen der beiden Länder, bereist,<br />
wunderbare Originalrezepte gesammelt,<br />
sie – auch fotografisch – höchst appetitlich<br />
präsentiert und sehr verständlich beschrieben.<br />
So sind die Kochbücher auch<br />
kulinarischer Kulturführer und Reisetagebuch<br />
mit einer enormen atmosphärischen<br />
Dichte – hier wird man quasi vom Küchentisch<br />
aus auf Reisen geschickt.<br />
In der Buchhandlung könnten diese<br />
Bände also möglicherweise sowohl in der<br />
Koch- als auch in der Reiseabteilung zu<br />
finden sein. Ähnlich dürfte es auch bei<br />
dem Buch „Der Duft meiner Heimat. Die<br />
wunderbaren Rezepte meiner chinesischen<br />
Familie“ sein. Autorin Li Hong,<br />
die nach Hamburg kam, um dort Malerei<br />
und Illustration zu studieren, hat es wie<br />
ein kulinarisches Bilderbuch, einen Reiseführer<br />
zurück in ihre ganz persönliche<br />
Ess- und Familiengeschichte, gestaltet,<br />
mit vielen kleinen Familienfotos und fast<br />
träumerischen Illustrationen. Rezepte wie<br />
„gedämpfte Zuckerschoten mit Hackfüllung“<br />
oder „Doppelt gegarter Schweine-<br />
bauch“ sind auch von Hobbyköchen und<br />
ohne das Equipment einer Sterneküche<br />
locker zu bewältigen und dennoch alles<br />
andere als simpel. Küche oder Lesesessel?<br />
Am besten bei<strong>des</strong>!<br />
Davon, wie Heimatgefühle immer auch<br />
am Herd entstehen und Familiengeschichte<br />
beim Kochen, erzählen die drei gebürtigen<br />
Koreanerinnen Sunkyoung Jung,<br />
Yun-Ah Kim und Minbok Kou im „Korea-<br />
Kochbuch“. Sie beschreiben die Gerichte,<br />
die ihr Leben begleiten: wie etwa Soegalbijjim<br />
– geschmorte Rinderrippchen, die<br />
in Korea gern bei festlichen Anlässen serviert<br />
werden. Das von Tina Kraus hübsch<br />
durchillustrierte Buch ist sehr privat, sehr<br />
anrührend und bietet so einen ungewöhnlichen<br />
Blickwinkel auf einen in unseren<br />
Breitengraden noch weitgehend unerforschten<br />
Ess-Kosmos.<br />
Es ist ein Kosmos, in dem Kim Sohyi<br />
quasi das Zepter hält. Die gebürtige Südkoreanerin<br />
lernte bei ihrer Mutter, Besitzerin<br />
eines Gourmetrestaurants, kochen.<br />
Sie studierte dann Mode in Wien, arbeitete<br />
einige Jahre als Mode<strong>des</strong>ignerin, ehe sie<br />
zu ihrer eigentlichen Berufung zurückkehrte:<br />
dem Kochen. Seit 2011 betreibt die<br />
Sterneköchin das „Kim kocht“ in Wien<br />
und hat jetzt ihr zweites Kochbuch<br />
»Hier lebt die schöne<br />
Schlaraffia-Idee:<br />
von allem etwas<br />
auf den Tisch« 0<br />
74 buchjournal ••/2009 5/2011
Verführung Sei<br />
es mit oder ohne<br />
Stäbchen – Gerichte<br />
aus Japan, Vietnam<br />
oder Korea bieten ganz<br />
besondere Genüsse<br />
© ionse quisim<br />
© Trinette Reed / Blend Images / Corbis<br />
buchjournal 5/2011 75
SCHWERPUNKT ESSEN, TRINKEN & GENIESSEN<br />
0 veröffentlicht: „Kim kocht – neu“<br />
Auch bei der Übersetzung aus dem Französischen<br />
(Brandstätter). Es ist eine beeindruckende<br />
Fusion aus raffinierter Schlichtheit und<br />
überbordendem Einfallsreichtum. Schon<br />
die hinreißenden Fotos von „Jakobsmuscheln<br />
mit Beeren- und Orangen-Ingwersauce“<br />
oder „Hamachi-Carpaccio“ sorgen<br />
für vermehrten Speichelfluss (Fotograf:<br />
Thomas Schauer).<br />
Geboten wird etwa bei „Rehkitz-Sashimi“<br />
oder bei „Violetten Schupfnudeln mit<br />
Lemongras-Thunfisch-Sugo“ ein Crossover<br />
aus dem besten zweier großer Kochnationen.<br />
Sie habe, sagt Kim Sohyi, ein<br />
wenig die Schärfe aus ihren Rezepten genommen<br />
vermisst man etwas: mehr Sorg-<br />
falt. Wen interessiert es hierzulande, dass<br />
bestimmte Zutaten „in Frankreich praktisch<br />
nicht angeboten“ werden? Dazu hat<br />
der Inhalt ein deutlich schöneres Cover<br />
verdient als bloß eine klare Suppe, in der<br />
eine Garnele, einiges Gemüse und etwas<br />
herumschwimmen, das aussieht wie ein<br />
Stück Zellstoff (bei dem es sich – wie man<br />
auf Seite 124 erfährt – jedoch um ein Stück<br />
Reiskuchen handelt).<br />
Ähnlich lieblos wird auch Mridula Baljekar<br />
behandelt. Trotz ihrer beachtlichen<br />
Referenzen – in England ist die in Assam<br />
– „Koreaner essen gerne sehr<br />
geborene Kochbuchautorin sozusagen<br />
scharf !“ –, aber die schöne Tradition der<br />
vielfältigen Aromen, der frischen Kräuter,<br />
der taufrischen Zutaten und der kleinen<br />
Beilagen aufgegriffen. „Ich versuche, koreanische<br />
Tapas in verschiedenen Gängen<br />
zu präsentieren.“ Ihr persönliches Lieblingsrezept?<br />
Ganz einfach: „Warmer Reis<br />
mit frischem Gimtschi-Salat“.<br />
Auch fürs Auge ein Genuss: Die asiatische<br />
Küche will nicht nur dem Gaumen schmeicheln<br />
im Besonderen. Die dazugehörigen Rezepte<br />
werden jeweils von schönen Fotos<br />
und vom „Tipp meiner Mutter“ aufgewertet.<br />
ein Synonym für „Schätze der indischen<br />
Küche“, so der Titel ihres Kochbuchs –<br />
hat sich der Verlag jegliche Personalie gespart.<br />
Dabei hat die Autorin schon mal<br />
für Jerry Hall gekocht und eine Gartenparty<br />
in No. 10 Downing Street mit ausgerichtet.<br />
Natürlich merkt man den Rezepten, die<br />
Leider erfährt man an keiner Stelle, zum Teil auch fotografisch Schritt für<br />
wer Kaori Endo eigentlich ist, dazu muss Schritt durch den Entstehungsprozess von<br />
man erst das Internet bemühen: Sie lebt Methi Chaman (Indischer Käse mit Bockshornklee<br />
in Frankreich, arbeitet dort als Food-<br />
und Spinat) oder Masor Tenga<br />
Autorin und betreibt seit vorigem Jahr in (Fisch in scharfer Tomatensoße) leiten,<br />
Paris ein kleines Restaurant namens auch so ein austrainiertes Können und viel<br />
Nanashi. Wo man auch die Bento-Box erhält,<br />
Herzblut an. Aber irgendwie fehlt die letzte<br />
über die sie in ihrem Kochbuch Würze – sozusagen das menschelnde Ele-<br />
<strong>schreibt</strong>: sorgsam mit lauter kleinen ment. Schließlich weiß man nun, wie viel<br />
Köstlichkeiten aus der japanischen Küche besser es schmecken kann, wenn das Kochbuch<br />
gefüllte Lunchdosen.<br />
persönlich wird.<br />
<br />
Auch die Liebe zu einem Land führt als<br />
Erstes durch seine Küche und somit durch<br />
den Magen. Man kann sich im wahrsten<br />
Sinne <strong>des</strong> Wortes viel Zuneigung über ein<br />
Land einverleiben. Und einiges an Wissen.<br />
Besonders, wenn man sich ihrer kulinarischen<br />
Seele mit so viel Kennerschaft, so<br />
viel Hingabe, so versiert und opulent bebildert<br />
nähert wie Prisca Ruegg, Phassaporn<br />
Mangkongthanachoke und Michael<br />
Wissing in ihrer „Thaiküche“.<br />
Auch dies Kochbuch hat Reiseführerqualitäten<br />
für die gehobenen Entdecker-<br />
Ansprüche. Es würdigt den Reichtum der<br />
thailändischen Küche mit Geschichten<br />
auch rund um die typischen Produkte, zu<br />
ihrer Herkunft, ihrer Bedeutung und ihrer<br />
Verwendung – mit ausführlichem Verarbeitungs-Know-how<br />
und einer atemberaubenden<br />
Vielzahl an authentischen Rezepten,<br />
unter denen selbst Thailandkenner<br />
sicher noch Neuland entdecken<br />
werden. Kurz: Es tut, was ein Kochbuch,<br />
so es zu den besten zählen soll, unbedingt<br />
tun sollte – die Herdanziehungskräfte befeuern.<br />
In dieser Kochbuch-Königsdisziplin<br />
könnte auch „Echt japanisch kochen“ von<br />
Kaorie Endo (Christian Verlag) beheimatet<br />
sein. Immerhin verbindet auch sie<br />
zauberhafte kleine Anekdoten aus ihrer<br />
Kindheit mit den Ess-Traditionen in Japan<br />
im Allgemeinen und in ihrer Familie<br />
Lesezeichen<br />
© goinyk<br />
1. Sunkyoung Jung, Yun-Ah Kim, Minbok Kou, Tina Kraus (Ill.): Das Korea-Kochbuch. Jacoby & Stuart, 160 S.,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 28,50 sFr.<br />
2. Li Hong: Der Duft meiner Heimat. Die wunderbaren Rezepte meiner chinesischen Familie. Gerstenberg, 144 S.,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 28,90 sFr.<br />
3. Mridula Baljekar: Schätze der Indischen Küche. Neuer Umschau Buchverlag, 160 S., 19,90 € (D) • 20,50 € (A) •<br />
28,50 sFr.<br />
4. Prisca Ruegg, Michael Wissing: Thaiküche. Gräfe und Unzer, 360 S., 29,99 € (D) • 30,90 € (A) • 40,90 sFr.<br />
5. Tom Vandenberghe: Vietnam Street Food. Kulinarische Reiseskizzen aus Hanoi und Vietnam. W. Hädecke,<br />
208 S., 18,– € (D) • 18,50 € (A) • 27,90 sFr.<br />
76<br />
buchjournal 5/2011
Mühe geben reicht nicht: Gute Backbücher sind ebenso inspirierend<br />
wie instruktiv. Eine Auslese für Neulinge und angehende Profis.<br />
<br />
<br />
© wavebreakmedia<br />
So kriegen Sie’s gebacken<br />
TEXT: ANDREA RINNERT<br />
Backvergnügen für alle: Beim Plätzchenbacken<br />
können schon die Kleinsten helfen<br />
Etwas gebacken kriegen, das ist immer<br />
noch Frauensache – zumin<strong>des</strong>t wenn<br />
Öfen im Spiel sind. Véronique Witzigmann<br />
definiert in „Mein Backbuch“ (Südwest) den<br />
Umgang mit Kuchenteig recht unverhohlen<br />
als weibliche Bestimmung: „Fürsorge, Gemütlichkeit,<br />
Liebe, Zuneigung“ – all dies<br />
werde „auf sinnlichste und lieblichste Weise“<br />
ausgedrückt. Eine Passage, wie sie in<br />
einem Erziehungsratgeber <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts<br />
nicht eben herausstäche. Ins selbe patriarchale<br />
Horn bläst der sommerliche Band<br />
„Backen wie auf dem Land“ (Dort-Hagenhausen-Verlag)<br />
mit dem Terminus Faule-<br />
Weiber-Kuchen: ohne Selbstgepflücktes aus<br />
dem Garten, bloß mit Mandarinen aus der<br />
Dose! Und bei der „Heimwehküche Backen“<br />
wurde tatsächlich nur den Großmüttern der<br />
Republik ein Geheimwissen über Rosinenschnecken<br />
& Co. zugetraut.<br />
Doch glücklicherweise ist diese Arbeitsteilung<br />
nicht unangefochten: In Dresden<br />
haben sich für „Kunstgenuss“ (Gebr. Mai)<br />
24 komödienaffine Schauspieler – darunter<br />
13 Männer! – bei der vergnüglichen Zubereitung<br />
von Marzipanrosen, Schokoladenpfannkuchen<br />
und ähnlichen Leckereien<br />
sogar fotografieren lassen. Und auch im<br />
Westen Deutschlands tut sich was Subversives,<br />
wie einer seriösen Quelle zu entnehmen<br />
ist: Im 80. Jahr seines Bestehens zeigt<br />
Dr. Oetkers „Backen macht Freude“ ab und<br />
an mal Männerhände beim Verstreichen,<br />
Rühren und Fetten. Vorboten einer überfälligen<br />
Ära wahrer Gleichberechtigung? Bereits<br />
heute, ja gleich nachher machbar ist<br />
hingegen der leichte Buttermilch-Knusperkuchen<br />
aus „Sehr gut backen“. Alle, denen<br />
er auf Anhieb gemundet hat, sind vermutlich<br />
reif für die 75 Ideen aus Elisabeth<br />
Fischers fett- und zuckerarmem Werk<br />
„Schlank backen“ (Kneipp-Verlag).<br />
Als ungeplanter Nebeneffekt könnte sich<br />
ein Gewichtsverlust bei den „Cakepops“<br />
(Hädecke) einstellen: Clare O’Connells Minikuchen<br />
am Stiel sehen – gestaltet als Kakteen,<br />
Pinguine oder Geishas –, so drollig aus,<br />
dass sie zu vertilgen frevelhaft wäre.<br />
Für neue Ideen braucht man neben Kreativität<br />
auch Mut – den Muriel Frank bewies,<br />
als sie ihre nicht eben aufgeschlossenen<br />
Brüder zu Testessern ihrer klebereiweißfreien<br />
Ofen-Experimente erkor. Die Erfolge<br />
bündelnd, beweist der Ratgeber „Backen<br />
ohne Gluten“ zudem: Manchmal muss man<br />
Männer zwingen, Frauen können verdammt<br />
hartnäckig sein und Backbücher sind eine<br />
verblüffend unterhaltsame Lektüre. <br />
Lesezeichen<br />
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buchjournal 5/2011 77<br />
1. Birgit Hamm, Linn Schmidt: Heimwehküche<br />
Backen. Dorling Kindersley, 200 S., 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 28,50 sFr.<br />
2. Vera Kaftan-Namyslowski, Dorothee Soehlke-Lennert:<br />
Sehr gut backen. Stiftung Warentest, 216 S.,<br />
19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 33,60 sFr.<br />
3. Muriel Frank: Backen ohne Gluten. Trias,<br />
128 S., 12,99 € (D) • 13,40 € (A) • 18,20 sFr.<br />
Maria Hofmann / Helmut Lydtin<br />
Bayerisches Kochbuch<br />
56. Auflage<br />
Birken-Verlag. 940 Seiten. Gebunden.<br />
€ 25,– € (D) • 25,70 € (A) • 45,50 sFr.<br />
ISBN: 978-3-920105-04-8
silvercon<br />
SCHWERPUNKT ESSEN, TRINKEN & GENIESSEN<br />
Kochbücher der Schwergewichtsklasse: Die neuen Werke<br />
huldigen nicht nur der Vielfalt von kulinarischen Möglichkeiten, sie<br />
sind auch ein Statement gegen die Banalisierung <strong>des</strong> Handwerks.<br />
Ein Hoch auf XXL-Helfer<br />
TEXT: CONSTANZE KLEIS<br />
Wechseln Sie die Spur<br />
ins dauerhafte Glück.<br />
Lesen Sie dieses Buch und erfahren<br />
Sie wie Sie selbst dauerhaft glücklich<br />
werden, bleiben und glücklich machen<br />
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Lassen Sie sich auf das wahre Glück ein.<br />
Probieren Sie es selbst. Ihr Glück sollte<br />
diesen Versuch wert sein!<br />
Sevinç Neumann<br />
Alles total easy und entspannt aus dem<br />
Handgelenk geschüttelt – das war<br />
jahrelang das Mantra, mit dem uns vor<br />
allem Fernsehköche Kochen als einen großen<br />
Kindergeburtstag präsentierten. Als<br />
bloß ein weiteres Segment <strong>des</strong> großen Do -<br />
it-yourself-Marktes, irgendwo zwischen<br />
handgestrickten Pulswärmern und Ikea-<br />
Küchen in Selbstmontage angesiedelt. Spätestens<br />
beim Einkauf und am heimischen<br />
Herd jedoch ahnte man es: Kochen, das<br />
richtige, ist immer noch ein Handwerk,<br />
wenn nicht gar eine Kunst, die mehr Wissen<br />
und Erfahrung erfordert, als man sich<br />
mal eben am Freitagabend aneignen kann.<br />
Umso löblicher, dass nun gleich mehrere<br />
Novitäten diese These mit Grundsatzwerken<br />
stützen, die dem Kochen seine Würde<br />
zurückgeben – und so gewichtig sind, dass<br />
man beinahe schon von der „Bibelisierung“<br />
<strong>des</strong> Kochbuchmarktes sprechen möchte.<br />
Als Mutter dieses Trends könnte man getrost<br />
das Buch „Der Silberlöffel“ mit seinen<br />
1 464 Seiten und über 2 000 Rezepten aus<br />
der italienischen Küche bezeichnen, das<br />
nun komplett überarbeitet und modernisiert<br />
mit über 400 neuen<br />
Food-Fotografien auf den<br />
Markt kommt. Es wurde<br />
1950 erstmals als „Il Cucchiaio<br />
d’argento“ in Italien<br />
gesichtet und gilt seitdem<br />
als untrüglicher Nachweis<br />
höherer Koch-Ambitionen.<br />
Natürlich fragt man sich angesichts dieser<br />
beeindruckenden Umfänglichkeit, ob sich<br />
mit ihm nicht alle weiteren Bücher einfach<br />
erübrigen? Nein – es braucht schon mehr,<br />
um die unendlichen Weiten und die herrlichen<br />
Möglichkeiten <strong>des</strong> kulinarischen<br />
Kosmos gebührend zu würdigen: ganz<br />
vorn „Food. Die ganze Welt der Lebensmittel“<br />
mit seinen 368 Seiten, dem Hardcover-XXL-Format,<br />
dem Schmuckschuber,<br />
den Lesebändchen, den über 4 000 Fotos<br />
und mehr als 6 000 Stichwörtern. Es<br />
© Marta Drapiewska<br />
silvercon<br />
Mehr über mich erfahren Sie<br />
auf meiner Autorenseite:<br />
www. sevinc-neumann.de<br />
Sevinç Neumann | Spurwechsel ins Glück<br />
224 S. geb. | ISBN: 978-3-981-44360-8 | € 14,95 [D]<br />
www.silvercon-verlag.de<br />
In höhere kulinarische<br />
Sphären dringt<br />
man nur mit exakten<br />
Wegweisern vor<br />
78<br />
buchjournal 5/2011
Kreativ-Edition<br />
Lesezeichen<br />
1. Das große Buch der Teigwaren. Gräfe und Unzer, 320 S., 69,90 € (D) • 71,90 € (A) • 95,– sFr.<br />
2. Das große Buch der Lebensmittel. Auswählen – aufbewahren – zubereiten – haltbar machen – genießen.<br />
Dorling Kindersley, 544 S., 49,95 € (D) • 51,40 € (A) • 66,90 sFr.<br />
3. Sven Elverfeld: Elverfeld. Das Kochbuch. Collection Rolf Heyne, 496 S., 75,– € (D) • 77,10 € (A) • 99,– sFr.<br />
4. Food. Die ganze Welt der Lebensmittel. Teubner, 368 S., 99,90 € (D) • 102,70 € (A) • 135,– sFr.<br />
5. Der Silberlöffel. Phaidon / Edel Germany, 1464 S., 39,95 € (D) • 41,10 € (A) • 56,90 sFr.<br />
huldigt der überwältigenden Vielfalt der<br />
kulinarischen Möglichkeiten in allen Bereichen<br />
mit umwerfender Opulenz, wunderschönen<br />
Bildern und einer detailverliebten<br />
Akribie, zu der sich nur leidenschaftliche<br />
Fans emporschwingen.<br />
Das gilt so ähnlich auch für „Das große<br />
Buch der Teigwaren“ mit über 700 Fotos. Neben<br />
Infos zu Qualität, Herkunft, Geschmack,<br />
Verwendung und Geschichten rund um den<br />
Nudelkult werden hier die köstlichsten<br />
Rezepte aus aller Welt präsentiert: geradlinig,<br />
schnörkellos, zum Niederknien und<br />
entlang der klassischen Menüfolge Vorspeise,<br />
Hauptgericht, Dessert; Abstecher ins<br />
teigverwandte Knödelfach inklusive.<br />
Auch Dorling Kindersley präsentiert mit<br />
seinem „Großen Buch der Lebensmittel“<br />
ein Statement wider die Banalisierung<br />
eines großen<br />
Handwerks und würdigt es<br />
mit einer Fülle an Produktbeschreibungen,<br />
an Informationen<br />
zur Zubereitung,<br />
zum Konservieren<br />
und mit 200 Rezepten. Sollte unbedingt<br />
auf die Liste jener Dinge,<br />
die man auf eine einsame Insel mitnehmen<br />
würde. Auch wenn es dort vermutlich<br />
weder Pondhopper (Ziegenkäse aus Oregon,<br />
USA) noch die 13 Milchsorten gibt, die<br />
das Buch aufzählt. Dafür hätte man Zeit, all<br />
das Köstliche, Wissenswerte, das so bildhaft<br />
und mit viel Kennerschaft Beschriebene,<br />
einmal gründlich zu lesen.<br />
Sofern es keine Maximalgrenze für Gepäck<br />
gibt, müsste zwingend noch „Elverfeld.<br />
Das Kochbuch“ mit. Einfach nur so<br />
zum Gucken. Es wirkt so futuristisch und<br />
abgehoben wie ein Raumschiff (und beinahe<br />
so schwer), mit dem man Sven Elverfeld,<br />
den Ausnahmekoch und Chef <strong>des</strong><br />
„Aqua“ in Wolfsburg, durch die unendlichen<br />
Weiten seines Gourmet-Kosmos begleiten<br />
kann. Einer, der mit immerhin drei<br />
Guide-Michelin-Sternen und 19 Punkten<br />
im „Gault Millau“ ziemlich erleuchtet ist.<br />
Beinah überirdische Kreationen, die in<br />
Layout, Typo, Grafik und Inhalt eine überzeugende<br />
Entsprechung finden. Deshalb ist<br />
dies eigentlich auch kein Kochbuch, es ist<br />
eine Erscheinung – und auch eine Zumutung<br />
in Rezepten, die so unglaublich aufwendig<br />
sind und, ja, auch so elitär, dass man<br />
sie zugleich als Anleitung für „Wie demütige<br />
ich einen Hobbykoch“ missverstehen<br />
könnte. Aber offenbar geht es hier ohnehin<br />
nicht um Nachahmung, sondern eher um<br />
Eindrucksmanagement und um etwas sehr<br />
Schützenswertes: die Rettung der Idee, dass<br />
es Kochsphären gibt, für die man mehr im<br />
Gepäck haben sollte als eine Folge von „Lanz<br />
kocht“. Oder wie es Jürgen Welte, der<br />
Verlags leiter der Rolf Heyne Collection, formuliert:<br />
„Nicht jeder, der Essen zubereiten<br />
kann, ist Koch im Sinn unserer Autoren und<br />
Publikationen.“<br />
Schlussendlich darf es also ruhig ein<br />
bisschen mehr sein. Ja, auch an Snobismus,<br />
an Selbstbewusstsein – und an Herausforderungen.<br />
Besonders am Herd. Und<br />
sei es nur die, einen ordentlichen Platz für<br />
all die Kochbuchpreziosen zu finden: möglichst<br />
unerreichbar für irgendwelche Fettspritzer.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
buchjournal 5/2011 79<br />
€€
REISE_USA<br />
Weihnachten bei mildem Klima unter Palmen? Wir empfehlen Florida, das viel mehr bietet als<br />
nur Luxushotels für Senioren. Kunst und Kultur, Bilderbuchstrände und viel Natur beispielsweise.<br />
Chill-out<br />
im Rentnerparadies<br />
TEXT: SABINE SCHWIETERT<br />
Fahren Sie nach Naples, wenn Sie es gediegen<br />
mögen. Da gibt es traumhafte<br />
Strände, Wahnsinnsvillen und reizend gealterte<br />
Menschen. Wie doch ein wenig<br />
Kleingeld über die Gebrechen im letzten<br />
Lebensabschnitt hinweghelfen kann! Geschmackvoll<br />
flamingofarben umhüllte Damen,<br />
die passenden Herren im staubfarbenen<br />
Anzug mit Hut – das ist erhebend<br />
anzuschauen. Auch wenn man die 60 noch<br />
nicht überschritten hat. Und in der Umsetzung<br />
vielleicht gar nicht so teuer. Nur Mut<br />
also, auch in Bremen, Bottrop und Bielefeld.<br />
So viel zum Klischee Rentnerparadies.<br />
Jeder weiß ja längst, dass der Urlaubsstaat<br />
Florida mehr zu bieten hat. Miami zum Beispiel.<br />
Hier kann man bequem eine ganze<br />
Woche verbringen, Beachlife erleben, shoppen,<br />
essen und feiern. Und Kunst ist auch<br />
noch drin. Wie wäre es zum Beispiel mit Art<br />
déco am Ocean Drive in Miami Beach? Zauberhaft.<br />
Architekturstudenten aus aller<br />
Welt pilgern dorthin. Wir bedauern noch<br />
heute, keine geführte Tour wahrgenommen<br />
zu haben. Dafür habe ich George Clooney<br />
gesehen, ziemlich sicher jedenfalls, in einer<br />
Boutique in der Flagler Street. Zugelächelt<br />
hat er mir auch, aber da gehen die Meinungen<br />
auseinander. Egal.<br />
Wer Kinder dabeihat, kommt um einen<br />
Besuch im Miami Seaquarium nicht herum<br />
– die Lieblingsdisziplin der dortigen Killerwale<br />
ist Zuschauernassspritzen.<br />
Atlantik oder Golf von Mexiko – Bilderbuchstrände<br />
mit warmem Meerwasser finden<br />
Sie in Florida überall. Gleich nebenan<br />
von Miami etwa liegt Fort Lauderdale, das<br />
Venedig von Amerika. Hier durchziehen<br />
natürliche und künstliche Wasserwege<br />
(450 Kilometer!) die ganze Stadt. Gönnen<br />
Sie sich hier ein Wassertaxi.<br />
Sicher nicht entgehen lassen sollte man<br />
sich die Inselkette Keys ganz im Süden: 200<br />
Korallen inseln mit einer Gesamtlänge von<br />
über 290 Kilometern.<br />
Buchjournal-Leser wollen bestimmt<br />
auch das Hemingway-Haus in Key West<br />
nicht verpassen. Sein Haus wurde gerade<br />
erst zur „Literary Landmark“, einem Ort<br />
Lesezeichen<br />
Sehenswürdigkeit<br />
der Florida Keys:<br />
die alte Bahnbrücke<br />
am Bahia Honda State<br />
Park<br />
mit großer Bedeutung für die amerikanische<br />
Literaturgeschichte.<br />
Zum Schluss eine Warnung in Sachen<br />
Evergla<strong>des</strong>. Hier gilt es die richtige Tour zu<br />
erwischen, eine mit viel Natur und wenig<br />
Nepp. Wir hatten bei unserer Reise kein<br />
Glück: Viel Lärm im Boot, ein Guide, der<br />
ganz offensichtlich nur aufs Trinkgeld aus<br />
war. Die zwei, drei Alligatoren, die es zu sehen<br />
gab, konnten für diese Touristenabzocke<br />
kaum entschädigen. Wohl dem, der<br />
hier einen guten Reiseführer hat. <br />
1. Florida. Dorling Kindersley, 416 S., 20,95 € (D) • 21,60 € (A) • 35,90 sFr.<br />
2. Hans R. Grundmann: Florida von Key West bis New Orleans. Reise Know-How, 440 S., 19,90 € (D) •<br />
20,50 € (A) • 28,90 sFr.<br />
3. Michael Iwanowski: 101 Florida. Geheimtipps & Top-Ziele. Iwanowski, 256 S., 12,– € (D) • 12,40 € (A) • 20,90 sFr.<br />
4. Axel Pinck: Reise-Handbuch Florida. DuMont, 416 S., 22,99 € (D) • 23,70 € (A) • 39,50 sFr.<br />
© ideeone<br />
80<br />
buchjournal 5/2011
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REISE_VENEDIG<br />
Der Zauber der Lagunenstadt ist trotz <strong>des</strong> Touristenrummels<br />
ungebrochen – Venedig sonnt sich im Glanz der Vergangenheit.<br />
Melancholie und Musik<br />
TEXT: ECKART BAIER<br />
Romane, Erzählungen,<br />
Biografien, Gedichte, Sach-,<br />
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Für die einen ist sie die „Serenissima“,<br />
die Allerdurchlauchteste, die Perle der<br />
Adria oder, wie die Wahl-Venezianerin<br />
Donna Leon sagt, schlicht: die schönste<br />
Stadt der Welt. Für die anderen ist Venedig<br />
eine Art Disneyland der Renaissance, das<br />
Besuchern mit schlechtem Essen, überteuertem<br />
Eintritt und billigem Venezia-<br />
Ramsch das Geld aus der Tasche zieht.<br />
Auch wenn an letztgenannter These einiges<br />
dran ist, kann sich wohl kein Reisender,<br />
der Venedig das erste Mal betritt, dem<br />
Zauber entziehen: eine Stadt ohne Autos, in<br />
der 150 Kanäle als Straßen dienen, auf denen<br />
man sich per Boot oder Gondel fortbewegt,<br />
und Tausende von Straßen und Gässchen,<br />
die sich ausschließlich zu Fuß durchqueren<br />
lassen.<br />
Doch trotz der 20 Millionen Touristen, die<br />
Venedig je<strong>des</strong> Jahr heimsuchen, gibt es noch<br />
die stillen Plätze, Gassen und Kirchen, die<br />
eine Ahnung heraufbeschwören, wie die<br />
Stadt vor 300 Jahren ausgesehen haben mag.<br />
Noch besser gelingt dies allerdings nach der<br />
Venedig und seine Gondeln: Heute kreuzen hier<br />
400 Boote – früher waren es 10000<br />
Lektüre der uneingeschränkt empfehlenswerten<br />
Venedig-Biografie von Peter Ackroyd.<br />
Mit leichter Hand entführt er den Leser in<br />
die Vergangenheit, als in Venedig noch die<br />
Dogen regierten, als die Straße, die Markusplatz<br />
und Rialto verband, von 276 Läden aller<br />
Art gesäumt war und als nicht wie heute<br />
etwa 400, sondern 10 000 Gondeln in der Lagune<br />
und auf den Kanälen unterwegs waren.<br />
Die Berufskleidung der Gondolieri – Strohhut,<br />
Ringelhemd, Halstuch – wurde übrigens<br />
erst in den 1920er Jahren Standard.<br />
Gesungen haben die berühmtesten Söhne<br />
der Stadt freilich schon immer, denn in Venedig<br />
ist alles Musik. Permanent läuten die<br />
Glocken einer der mehr als 100 Kirchen,<br />
dringen von irgendwoher Koloraturen einer<br />
Sängerin ans Ohr, probt ein Orchester<br />
in der Ferne für das abendliche Konzert.<br />
„Die Stadt erzeugt unentwegt Töne, Hall,<br />
Rhythmus, Geräusche, Musik, Echos“,<br />
82<br />
buchjournal 5/2011<br />
© Peter Zelei
<strong>schreibt</strong> Elke Heidenreich in ihrem Buch<br />
„Die schöne Stille“, „aber immer auf der<br />
Basis von Stille durch Abwesenheit von<br />
Autos, Verkehr, auf der Basis leise gurgelnden<br />
Wassers an alten Mauern.“<br />
Bedeutende Musiker aus aller Welt<br />
lockte die Musikalität Venedigs seit jeher<br />
an – und das Geld der Fürsten, die in ihren<br />
Palästen und zu ihren Festen akustische<br />
Untermalung wünschten. Monteverdi und<br />
Vivaldi schufen hier ihre Meisterwerke,<br />
Schütz und Händel, Verdi, Liszt und Strawinsky<br />
fanden hier Inspiration. 1858 reiste<br />
Richard Wagner nach Venedig, um hier,<br />
voller leidenschaftlicher Gefühle für Mathilde<br />
Wesendonck, den zweiten Akt seiner<br />
Oper „Tristan und Isolde“ zu vollenden.<br />
Und in Venedig, im Palazzo Vendramin,<br />
starb Wagner 25 Jahre später.<br />
Überhaupt ist der Tod – nicht nur in Thomas<br />
Manns berühmter Novelle – ein stets<br />
wiederkehren<strong>des</strong> Thema, wenn von Venedig<br />
die Rede ist. Cocteau nannte Venedig<br />
eine kranke, fiebernde Stadt – der Gestank<br />
faulenden Wassers im Sommer muss früher<br />
fürchterlich gewesen sein.<br />
Nicht selten brachen Krankheiten aus,<br />
und im 19. Jahrhundert, so lesen wir bei Peter<br />
Ackroyd, warnten in Venedig wohnende<br />
Engländer ihre Landsleute davor, sich allzu<br />
lange aufzuhalten, um nicht von der krankhaften<br />
Niedergeschlagenheit angesteckt zu<br />
werden. Vielleicht ist es tatsächlich die Anwesenheit<br />
der Wassers, die melancholisch<br />
stimmt, wie Ackroyd vermutet. „In Venedig<br />
ist man auf Moll gestimmt“, bestätigt Elke<br />
Heidenreich. „Hier ist immer Endzeit, Totenmasken,<br />
nach uns die Sintflut.“ Dass in<br />
Venedig die Melancholie regiert, unterstreichen<br />
die wunderbaren Schwarz-Weiß-Fotografien,<br />
die Rainer Groothuis und Christoph<br />
Lohfert für ihr Buch versammelt haben.<br />
Enge Gassen, Licht und Schatten, Brücken,<br />
Pflaster, brüchiges Gemäuer, eine Frau mit<br />
Regenschirm und Einkaufstasche: Die Fotos<br />
blicken hinter die Kulissen einer Stadt, die<br />
sich gern hinter – meist billigen – Masken<br />
versteckt. Venedig ist wie eine Schauspielerin,<br />
die nur noch vom Glanz der Vergangenheit<br />
lebt. Ihre Tage sind gezählt, die großen<br />
Zeiten liegen lange zurück.<br />
Davon berichtet Roger Crowley in seinem<br />
Buch „Venedig erobert die Welt“. Er be<strong>schreibt</strong>,<br />
wie die Stadt „aus Marschland<br />
herausgestampft“ wurde und sich durch<br />
ihre besondere geografische Lage über die<br />
Jahrhunderte zur wirtschaftlichen und<br />
politischen Großmacht emporschwang.<br />
Enorm faktenreich schildert Crowley diesen<br />
langen Aufstieg bis zur Blüte der Dogen-Republik<br />
und zu dem beginnenden<br />
Niedergang im 15. Jahrhundert, als die Osmanen,<br />
aber auch andere Großmächte,<br />
Vene dig den Rang streitig machten.<br />
Heute droht Venedig zu versinken. Unter<br />
dem gewaltigen Gewicht der Bauwerke sinkt<br />
die Stadt je<strong>des</strong> Jahr um einige Millimeter<br />
ein. Viele Erdgeschosse sind schon nicht<br />
mehr bewohnbar. Doch für Touristen und<br />
Kunstliebhaber wird Venedig noch für Jahrzehnte<br />
ein Anziehungspunkt bleiben – als<br />
weltgrößtes Freilichtmuseum und als Ort,<br />
den es so kein zweites Mal mehr gibt. <br />
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Island – sagenhaft und<br />
ursprünglich wild.<br />
Island<br />
Die unvollendete Insel<br />
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160 Fotos, 27 × 34 cm,<br />
€ 45,– (D)<br />
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1. Peter Ackroyd: Venedig. Die Biographie. Übersetzt von Michael Müller. Knaus, 592 S., 39,99 € (D) •<br />
41,20 € (A) • 53,90 sFr.<br />
2. Roger Crowley: Venedig erobert die Welt. Die Dogen-Republik zwischen Macht und Intrige. Theiss, 356 S.,<br />
24,95 € (D) • 25,70 € (A) • 39,90 sFr.<br />
3. Rainer Groothuis, Christoph Lohfert: Venedig. Edel, 144 S., 36,– € (D) • 37,10 € (A) • 56,90 sFr.<br />
4. Elke Heidenreich: Die schöne Stille. Venedig, Stadt der Musik. Corso, 128 S., 19,90 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
buchjournal 5/2011 83
BuchTipps<br />
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Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Was Kindern wirklich schmeckt!<br />
„Mag ich nicht!“ –<br />
„Schmeckt nicht!“ –<br />
Eltern, die nach den<br />
Rezepten in diesem<br />
Buch kochen, werden<br />
so etwas in Zukunft<br />
nicht mehr hören.<br />
In fünf Kapiteln –<br />
Suppen, Fisch, Fleisch,<br />
Gemüse und Lieblingsgerichte<br />
– werden 50 Rezepte vorgestellt, die<br />
einfach zubereitet werden können.<br />
Karolina Sparring hat lange getestet, wie<br />
man die Speisen zubereiten muss, damit sie<br />
Kindern schmecken. Nun essen und lieben<br />
sie sogar Bulgur, vegetarisches Curry und<br />
Kokos-Couscous. Aber natürlich hat auch<br />
weniger Ausgefallenes wie Lachs, Pizza und<br />
Lasagne seinen Platz. Und bei allen Gerichten<br />
gilt: „Hhm, lecker!“<br />
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Karolina Sparring / Karin Alfredsson: Hhm, lecker!<br />
Rezepte, die Kindern wirklich schmecken. Jan Thorbecke<br />
Verlag, 192 S., zahlreiche Fotos, 17,90 € (D)<br />
• 18,40 € (A) • 25,90 sFr., ISBN 978-3-7995-0883-4<br />
Heimweh nach Omas Küche<br />
Bei all der Vielfalt<br />
heute sind es oft<br />
gerade die einfachen<br />
Gerichte, die unser<br />
Herz höher schlagen<br />
lassen – die Gerichte,<br />
die wir mit unserer<br />
Kindheit verbinden:<br />
Großmutters Sonntagssuppe,<br />
der Festtagsbraten,<br />
wie nur Mutter ihn machen<br />
konnte, oder der unvergleichliche Kaiserschmarrn<br />
mit selbst gemachtem Apfelmus.<br />
Für jeden sind es andere Gerichte, doch<br />
jeder Bissen, den wir von ihnen zu uns<br />
nehmen, bringt ein Stück Kindheit zurück:<br />
den einzigartigen Duft von Omas Kuchen,<br />
die Momente puren Glücks, die man als<br />
Kind besonders intensiv empfindet.<br />
Dieses Buch erweckt ihn erneut zum Leben:<br />
den Geschmack der Kindheit.<br />
<br />
Magda Drostel: Der Geschmack der Kindheit.<br />
Die besten Rezepte von früher. Jan Thorbecke<br />
Verlag, 112 S., zahlreiche Fotos, 19,90 € (D) •<br />
20,50 € (A) • 28,50 sFr., ISBN 978-3-7995-0709-7<br />
Unterschätze nie die<br />
Dunkle Salsa der Macht …<br />
… im ersten offiziellen<br />
Kochbuch<br />
aus einer weit, weit<br />
entfernten Galaxis!<br />
Hier finden sich<br />
leckere Rezepte,<br />
denen sowohl<br />
Jedi- als auch Sith-<br />
Anhänger nicht<br />
widerstehen können:<br />
Spacige Getränke wie Yoda Soda oder<br />
Sith Schorle, deliziöse Hauptgerichte von<br />
Tatooine und Naboo, verführerische<br />
Süßigkeiten à la Prinzessin Leia Schnecken,<br />
Wookiee Cookies oder Wampa Schnee!<br />
Das Star Wars-Kochbuch bietet feinste<br />
Speisen zu jedem Anlass und zum eins<br />
werden mit der Macht. Das ideale Geschenk<br />
für gestandene Jedi-Ritter und junge Padawane,<br />
für kleine, große oder auch neue Fans<br />
mit Geschmack!<br />
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Robin Davis, Frankie Frankeny (Fotos), Wesley<br />
Martin: Das STAR WARS Kochbuch. Wookiee Cookies<br />
und andere galaktische Rezepte. Panini, 120 S.,<br />
16,95 € (D) • 17,50 € (A), ISBN 978-3-8332-2330-3<br />
Die kleine Seenadel<br />
kommt in die Schule<br />
„Diese Geschichte<br />
ist wunderschön!<br />
Mit Wortspiel,<br />
Witz, Spannung<br />
und kleinen Gesten<br />
der Achtsamkeit<br />
führt die Autorin<br />
mit Fingerspitzengefühl<br />
durch den<br />
Schulalltag und vermittelt ganz nebenbei<br />
soziale Kompetenz. Sehr empfehlenswert!“<br />
(P. Lonscher, Erziehungswissenschaftlerin<br />
und Spieltherapeutin).<br />
Eine kleine Seenadel aus Nord- und Ostsee<br />
ist die Heldin aus der erfolgreichen Kinderbuchserie.<br />
Garantierter Lesespaß für kleine<br />
Landratten, Küstenkinder und solche, die<br />
es gerne wären. Dieses Buch gehört in jeden<br />
Strandkorb und ist ideal für die Schultüte.<br />
Royal Flash – Flashman<br />
in Deutschland<br />
Durch Lola Montez<br />
lernt Harry Flashman<br />
Bismarck kennen.<br />
Der lockt ihn<br />
nach Deutschland<br />
und benutzt ihn<br />
für eine politische<br />
Intrige, bei der er<br />
einen Prinzen bei<br />
j<br />
der Heirat (und in<br />
der Hochzeitsnacht) vertreten soll. Ohne<br />
Flashman wäre Schleswig-Holstein heute<br />
eine dänische Provinz! Doch er muss fliehen<br />
und wird durch deutsche Länder und die<br />
Wirren der 1848er Revolution in München<br />
getrieben. „Bei diesem Roman handelt es<br />
sich um eine vergnügliche, handfeste Lektüre,<br />
eine amüsante literarische Mystifikation<br />
und einen satirischen Blick auf die Kehrseite<br />
<strong>des</strong> Heldentums.“ (Der Tagesspiegel).<br />
Patrick O’Brian:<br />
Kurs auf Spaniens Küste<br />
Jack Aubrey, Seemann<br />
und Offizier<br />
und Dr. Stephen<br />
Maturin, der Zweifler<br />
und Kritiker mit<br />
sozialem Gewissen,<br />
lernen sich kennen<br />
und es entwickelt<br />
sich trotz aller<br />
j<br />
Gegensätzlichkeit<br />
Achtung und schließlich Freundschaft. Jack<br />
erhält die Brigg Sophie, einen Zweimaster,<br />
und kreuzt mit Stephen als Schiffsarzt<br />
durch das Mittelmeer. Gewürzt ist dieser<br />
maritime Roman mit feinem britischen<br />
Humor. „Die besten historischen Romane,<br />
die jemals geschrieben wurden.“ (New York<br />
Times). „Der Herr der Meere – O’Brian<br />
bringt das Kunststück fertig, alle Vorgänger<br />
in seinem Genre zu überstrahlen.“ (Die Welt).<br />
<br />
Nicole Bernard / Nane Friedel (Illustrationen):<br />
Die kleine Seenadel. „Kleinfi schschule Ahoi“.<br />
fi schlandverlag, 24 S., 24 farb. Illustrationen,<br />
9,90 € (D), www.die-kleine-seenadel.de<br />
<br />
George MacDonald Fraser: Royal Flash – Flashman<br />
in Deutschland. Gelesen von Stefan Wilkening.<br />
Kuebler Hoerbuch, 10 Std., 24,80 € (D/A) • 29,90 sFr.<br />
– mp3-Ausgabe: 19,80 € (D/A) • 22,95 sFr. (alle UVP)<br />
<br />
Patrick O’Brian: Kurs auf Spaniens Küste.<br />
Gelesen von Johannes Steck. Kuebler Hoerbuch,<br />
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19,80 € (D/A) • 22,95 sFr. (alle UVP)<br />
84<br />
buchjournal 5/2011
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eingelöst werden und ist nicht mit anderen Rabattaktionen kombinierbar. ** Architekturzeitschrift DETAIL, April 2011, 50 Jahre DETAIL, Konstruieren<br />
heute und morgen *** Architectural Digest, Oktober 2009, Best of Germany, 100 deutsche Glanzlichter <strong>des</strong> Stils<br />
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FRANKFURT/M. MBH<br />
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Thema (Klasse A), Das Licht (Klasse B)<br />
und Das Währende (Klasse C).<br />
Ausgewählte Gedichte erscheinen im Standardwerk<br />
deutschsprachiger Lyrik, der Frankfurter<br />
Bibliothek.<br />
Einsen<strong>des</strong>chluß: 1. Oktober 2012. Sie können ein<br />
Gedicht über das Internet oder per Post einreichen. Das<br />
eingesandte Gedicht darf 20 Zeilen nicht überschreiten;<br />
es muss maschinenschriftlich und mit Rückporto (3x EUR<br />
0,55) eingereicht werden (dem Autor entstehen außer dem Porto<br />
keine Kosten). Bitte geben Sie bei Ihrer Einsendung Ihr Geburtsjahr<br />
an. Dieses wird ggf. mitveröffentlicht. Es darf<br />
nur ein einziges Gedicht eingereicht werden.<br />
Redaktion der Frankfurter Bibliothek<br />
Brentano-Gesellschaft Frankfurt/M. mbH<br />
Großer Hirschgraben 15, D-60311 Frankfurt/M.<br />
Tel. 069-13377-177, Fax-175, www.brentano-gesellschaft.de<br />
Der True-Crime-Klassiker<br />
<strong>des</strong> Autors von „The Wire“<br />
Tatort Baltimore:<br />
In der Stadt an der<br />
Ostküste der USA<br />
geschehen innerhalb<br />
eines Jahres 234 Morde<br />
– an zwei von drei<br />
Tagen wird ein Bürger<br />
erstochen, erschossen<br />
oder erschlagen. Im<br />
Zentrum dieses Hurrikans<br />
<strong>des</strong> Verbrechens<br />
steht das Morddezernat unter der Leitung<br />
von Lieutenant Gary D’Addario, eine kleine<br />
Bruderschaft, konfrontiert mit dem amerikanischen<br />
Albtraum.<br />
David Simon schuf die legendäre Fernsehserie<br />
„The Wire“. Der langjährige Polizeireporter<br />
der Baltimore Sun war der erste<br />
Reporter in Amerika, der unbegrenzten<br />
Zugang zum Morddezernat erhielt – er<br />
folgte ein Jahr lang den Ermittlern.<br />
<br />
<br />
David Simon: Homicide. Ein Jahr auf mörderischen<br />
Straßen. Verlag Antje Kunstmann, 832 S.,<br />
24,90 € (D) • 25,50 € (A), ISBN 978-3-88897-723-7<br />
Das Vermächtnis eines großen<br />
Europäers<br />
Das Denken Otto von<br />
Habsburgs besitzt<br />
eine hohe Aktualität.<br />
Es erschließt, warum<br />
unsere Gesellschaft<br />
eine Vision, Werte<br />
und das Engagement<br />
der Bürgerinnen und<br />
Bürger zum Überleben<br />
braucht.<br />
Eine besondere Rolle<br />
spielen Otto von Habsburgs<br />
Überlegungen zur Bedeutung der<br />
Geschichte, seine Gedanken über das Wesen<br />
der Demokratie, einen klugen, freiheitlichen<br />
Staatsaufbau, aber auch über unser Verhältnis<br />
zu Gott und den damit verbundenen<br />
Auftrag im Leben der Gesellschaft und<br />
<strong>des</strong> Einzelnen.<br />
Otto von Habsburg: Mut zur Pflicht. Warum wir<br />
mehr Verantwortung tragen müssen. Patmos Verlag,<br />
198 S., 19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 28,50 sFr.,<br />
ISBN 978-3-8436-0044-6<br />
Ein Zigeunerleben<br />
Ein unerwartetes<br />
Vermächtnis wirft<br />
das Leben <strong>des</strong> ledigen<br />
Chirurgen aus Lyon<br />
aus seiner gewohnten<br />
Bahn. Gerade vierzig<br />
Jahre alt wird er zum<br />
Besitzer eines Trailer-<br />
Camps, mit einer sehr<br />
bunten Mischung von<br />
Bewohnern. Das nahe<br />
Dorf nennt sie die Ausgestoßenen. Er läßt<br />
das Leben dieser Menschen zu seiner zukünftigen<br />
Aufgabe werden. Sein Leben wird dadurch<br />
zum Abenteuer. Er manövriert sich<br />
geschickt durch jegliche Situation. Auch in<br />
Sachen Liebe lässt er wenig aus und trifft auf<br />
die Frau seines Lebens. Als Colbert sich eine<br />
längere Auszeit mit einem Wohnmobil<br />
nimmt, ist er schon mittendrin in seiner<br />
ganz großen Reise…<br />
<br />
<br />
86<br />
Michael Voss: Die Geliebte <strong>des</strong> Dr. Colbert.<br />
BoD, Norderstedt, 236 S., 16,90 € (D), ISBN 978-3-<br />
8448-5847-1, www.mallorca-autoren.com<br />
Schwacher Mann liebt starke Frau:<br />
Geht das gut?<br />
Wie schwach wünscht<br />
sich die moderne Frau<br />
ihren Mann wirklich?<br />
Wie stark sollte die<br />
moderne Frau nach<br />
den Vorstellungen<br />
<strong>des</strong> modernen Mannes<br />
sein? Dieses Buch<br />
gibt ein Bild emotional<br />
gelebter Wirklichkeit,<br />
wie es in dieser Form<br />
noch nie vorgelegt wurde. Denn der Autor<br />
<strong>schreibt</strong> aus unmittelbarer Erfahrung. Nach<br />
zehn gemeinsamen Jahren zerbrach seine<br />
ungewöhnliche Freundschaft mit einer Frau,<br />
die ihn erstaunte, irritierte und zurückließ.<br />
Neben der Brisanz <strong>des</strong> persönlichen Falles<br />
wird ein unerlässliches Quellenwerk für jeden<br />
geliefert, der dieses Tabuthema näher<br />
kennen lernen möchte.<br />
Andreas Schäfer: Ein letztes Tabu. Romneya-<br />
Verlag, 187 S., 13,80 € (D) • 14,20 € (A) • 19,80 sFr.,<br />
ISBN 978-3-934502-07-9, www.aschaefer59.de<br />
buchjournal 5/2011
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Ägypten – Reich der Pharaonen<br />
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Faszination Ägypten:<br />
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Buch entführt<br />
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Reich der Pharaonen. Zahlreiche<br />
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Geschichte lebendig.<br />
Susanne Rebscher: Ägypten – Reich der Pharaonen.<br />
Illustriert von Anne Bernhardi. Loewe Verlag,<br />
32 S., 24,90 € (D) • 25,60 € (A) • 35,50 sFr.<br />
Wenn es Nacht wird im Museum ...<br />
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Für Sarah ist das Museum<br />
wie ein zweites Zuhause.<br />
Eines Tages bekommt sie geheimnisvolle<br />
Rätselaufgaben<br />
zugespielt – eine echte Herausforderung<br />
für die clevere<br />
Tüftlerin und ihre Freunde.<br />
Doch aus dem Spiel wird<br />
bitterer, gefährlicher Ernst …<br />
Jonas Torsten Krüger: Drei fürs Museum.<br />
Die Nacht der Rätsel. Ueberreuter, 144 S.,<br />
durchgehend illustriert, 12,95 € (D/A) • 20,50 sFr.<br />
Sieben<br />
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431 S.<br />
geb.<br />
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86772-<br />
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Ost und West<br />
Zwei Bände<br />
Band 1:<br />
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<strong>des</strong> neuzeitlichen<br />
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bekannte Routen wie der Arctic Circle<br />
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Asiens, von den Skythen über<br />
die Hunnen, Kirgisen, Mongolen<br />
und Chinesen bis zur Russischen<br />
Föderation. Die DVD:<br />
Dokumentarfilm, Fotos, Musiken.<br />
– www.alouette-verlag.de<br />
Sewjan Weinshtein: Geheimnisvolles Tuwa.<br />
Alouette Verlag, Buch geb., 264 S., mit DVD-Video,<br />
39,90 € (D) • 41,10 € (A) • 62,50 sFr.<br />
Die Welt dreht sich um Asien<br />
Der langjährige Spiegel-<br />
Korrespondent Lorenz<br />
liefert realistische Einschätzungen<br />
zu Wirtschaft,<br />
Politik und Alltag in Asien,<br />
vor allem in China. Sein<br />
Fazit: Im Aufstieg <strong>des</strong> Neuen<br />
Ostens liegt eine Chance<br />
für Europa.<br />
Andreas Lorenz: Die asiatische Revolution.<br />
edition Körber-Stiftung, 280 S., mit Landkarten,<br />
16,00 € (D) • 16,50 € (A) • 28,60 sFr.<br />
Band 2:<br />
Die Zwänge<br />
der Macht<br />
und der Geist<br />
der Wahrheit<br />
Neun Vorträge 1916/17, 480 S., geb.<br />
ISBN 978-3-86772-039-7<br />
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Rudolf Steiner, aktueller denn je.<br />
Rudolf Steiner<br />
Leben<br />
im dritten<br />
Jahrtausend<br />
Eine<br />
Zusammenfassung<br />
der<br />
Geisteswissenschaft<br />
vor 2000<br />
Zuhörern<br />
Protest allein genügt nicht<br />
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Leggewie analysiert das<br />
Verhältnis von Zivilgesellschaft<br />
und politischen Institutionen.<br />
Er zeigt, worin die<br />
Potenziale der „Wutbürger“<br />
für die Demokratie bestehen<br />
und wie Bürger und Politiker<br />
zu neuer Verantwortung<br />
finden.<br />
Claus Leggewie: Mut statt Wut – Aufbruch in<br />
eine neue Demokratie. edition Körber-Stiftung,<br />
210 S., 14,00 € (D) • 14,40 € (A) • 25,30 sFr.<br />
Horizonte öffnen!<br />
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Im Wien der ersten Hälfte<br />
<strong>des</strong> zwanzigsten Jahrhunderts<br />
stößt die Naturwissenschaftlerin<br />
Marianna Güth<br />
sehr schnell an die Grenzen<br />
der menschlichen Fantasie.<br />
Einfach mal reinlesen:<br />
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Rolf Pfi ster: Der Seelentunnel. Band 1:<br />
Im Zeichen <strong>des</strong> Zirkel. Principal, 640 S.,<br />
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Zehn Vorträge<br />
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Diese Vorträge wurden vor 2000 Zuhörern<br />
1922 in Wien gehalten. Sie sind<br />
allgemein zugänglich, aber nicht ohne<br />
Tiefgang. Eine spannende Lektüre für<br />
jeden, der an der inneren Entwicklung<br />
und an den sozialen Problemen unserer<br />
Zeit interessiert ist.<br />
buchjournal 5/2011<br />
87<br />
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Wir lesen<br />
Luft anhalten<br />
Albträume, Diebstähle, Kämpfe mit Untoten –<br />
wir präsentieren Bücher, die sich mit dem<br />
Tod beschäftigen. Was sowohl spannend als<br />
auch heiter sein kann, wie unsere Rezensenten<br />
finden.<br />
Haarscharf daneben: Leben und Tod liegen manchmal dicht beieinander<br />
© Mila Supinskaya / shutterstock images<br />
© privat<br />
GESCHICHTE VOM LOSLASSEN<br />
Claire Schleeger (15)<br />
empfiehlt<br />
„Sieben Minuten<br />
nach Mitternacht“<br />
Die Wahrheit erkennen<br />
Conors Mutter ist unheilbar an Krebs erkrankt<br />
und er fühlt sich in seinem Schmerz allein<br />
und von allen verlassen. Bis eines Nachts um<br />
sieben Minuten nach Mitternacht ein Monster<br />
an sein Fenster klopft – und ihm drei Geschichten<br />
erzählt. Durch sie begreift der Junge<br />
langsam, dass man gleichzeitig „gut“ und<br />
„böse“ sein kann und dass es <strong>des</strong>halb manchmal<br />
nur hilft, die Wahrheit auszusprechen. Erst<br />
dann ist er bereit, „seine“ Geschichte, seinen<br />
Albtraum zu erzählen und zu akzeptieren,<br />
der sich um die eine<br />
Frage dreht, die ihn fast zerreißt:<br />
Darf er sich wünschen,<br />
seine Mutter mit all ihrem<br />
Leiden gehen zu lassen,<br />
obwohl er sie doch so sehr<br />
liebt? Ich fi nde dieses Buch absolut<br />
lesenswert! Es fesselt und berührt, weil es so<br />
stark erzählt ist. Und es geht letztendlich nicht<br />
um den Tod, sondern um das Leben.<br />
^ Patrick Ness, Siobhan Dowd: „Sieben Minuten<br />
nach Mitternacht“. Übersetzt von Bettina Abarbanell.<br />
cbj, 216 S., 16,99 € (D) • 17,50 € (A) • 24,50 sFr.<br />
© privat<br />
PACKENDE VERFOLGUNGSJAGD<br />
Auf Leben und Tod<br />
Demi und Baz (eigentlich Basquat) wohnen in einer südamerikanischen<br />
Großstadt bei einer Frau, die elternlose Kinder aufnimmt<br />
und ihnen das Stehlen beibringt. Die beiden kennen sich, seit der<br />
ein paar Jahre ältere Demi auf dem Markt ein kleines Mädchen<br />
fand, es mitnahm und Basquat taufte. Demi und Baz beherrschen<br />
Till Casimir (13) rät<br />
ihr Handwerk – bis ein Diebstahl ihr Leben für immer ändert: Ohne zu einem Abenteuer<br />
es zu ahnen, beklaut Demi einen der gefährlichsten<br />
Männer der Stadt. Eine Verfolgung auf Leben und Tod beginnt. Ob Baz ihn aus<br />
dem Schlamassel retten kann? Selber lesen! Ich fand die Story packend. Der<br />
Autor Will Gatti hat sie sehr modern geschrieben und detailreich erzählt.<br />
PFIFFIGER GRUSEL<br />
^ Will Gatti: „Diebe!“. Übersetzt von Karsten Singelmann. Beltz & Gelberg,<br />
416 S., 16,95 € (D) • 17,50 € (A) • 24,90 sFr.<br />
Allein gegen die Untoten<br />
Barnaby Grimes ist ein Kaminspringer, der Botengänge über die Dächer erledigt.<br />
Da am Hafen viele tote Fische sind, untersucht er den Meeresboden, wo<br />
ihn ein Monster mit riesengroßem Schlund angreift. Barnaby wehrt sich mit<br />
seiner Harpune, schneidet aus Versehen seinen Luftschlauch<br />
durch, schwimmt mit letzter Kraft nach oben. Dort sieht er,<br />
wie Kaiser Rotbart, der erst vor Kurzem beerdigte Anführer aller Räuberbanden,<br />
aus seinem Grab aufersteht. Wie soll Barnaby sich vor der<br />
größer werdenden Schar der Untoten retten? Ich fi nde das Buch spannend,<br />
es passiert unheimlich viel, es gibt sehr komische Situationen,<br />
aber auch aufregende, etwa wenn er am Ende gegen Halbtote kämpft.<br />
Lennart Rak (11)<br />
empfiehlt „Barnaby ^ Paul Stewart, Chris Riddell: „Barnaby Grimes. Die Legion der Toten“. Übersetzt<br />
Grimes“<br />
von Wolfram Ströle. Sauerländer, 212 S., 14,95 € (D) • 15,40 € (A) • 24,90 sFr.<br />
© privat<br />
88<br />
buchjournal 5/2011
LeseLotse<br />
© Anke Kuhl<br />
Bestes aus dem Büchermeer für Kids<br />
Die LeseLotse-Jury empfiehlt neue Bücher<br />
BILDERBUCH<br />
Sehnsucht<br />
Vater, Mutter, Sohn: Wer ist ein Seehund?<br />
Der raffinierte Bild-Komponist Heidelbach<br />
spielt mit dem Motiv magischer Verwandlung<br />
und thematisiert das Verlassenwerden.<br />
^ Nikolaus Heidelbach: „Wenn ich groß bin,<br />
werde ich Seehund“. Beltz & Gelberg, 32 S.,<br />
14,95 € (D) • 15,40 € (A) • 21,90 sFr., ab 7<br />
Gute Besserung!<br />
Wie schlimm, wenn man krank ist. Wie gut,<br />
dass im Krankenhaus gerade der kleine Tobi<br />
Tapir im Einsatz ist. Lustig, warmherzig<br />
und einfach wunderbar anzuschauen.<br />
^ Sharon Rentta: „Doktor Tobis Tierklinik“.<br />
Gerstenberg, 32 S., 12,95 € (D) • 13,40 € (A) •<br />
18,90 sFr., ab 3<br />
KINDERBUCH<br />
Verschwundene Mutter<br />
Plötzlich ist Lilas Mutter weg. Und eine<br />
fremde Frau behauptet, Lilas Tante zu sein.<br />
Überzeugen<strong>des</strong> Debüt mit einer starken<br />
Heldin, die in Erinnerung bleibt.<br />
^ Susanne Fischer: „Der Aufstand der Kinder“.<br />
Fischer Taschenbuch, 304 S., 12,95 € (D) •<br />
13,40 € (A) • 18,90 sFr., ab 10<br />
Schmuckstück<br />
Ein Stern landet im Gemüsebeet, ein Bleistift<br />
spricht: Die bezaubernden Miniaturgeschichten<br />
sind Denkanstöße, Traumbilder<br />
und setzen die Fantasie in Bewegung.<br />
^ Manfred Schlüter: „Vom Fischer, der ein<br />
Künstler war“. Mixtvision, 72 S., 12,90 € (D) •<br />
13,30 € (A) • 19,90 sFr., ab 7<br />
JUGENDBUCH<br />
Hahn im Korb<br />
Sex, Sex, Sex: Virtuell hat Benn schon oft,<br />
aber „echte“ Mädchen beunruhigen den<br />
16-Jährigen. Und plötzlich ist er von ihnen<br />
umzingelt! Ein Roman, in dem sich Jungen<br />
100-prozentig wiederfinden.<br />
^ Jaromir Konecny: „Krumme Gurken“. cbt,<br />
272 S., 12,99 € (D) • 13,40 € (A) • 18,90 sFr., ab 14<br />
Liebestrottel<br />
Roland ist mit Line zusammen, obwohl er<br />
noch in Sara verliebt ist. Die Liaison zu beenden<br />
ist schwieriger als gedacht. Über die<br />
Verlorenheit nach der ersten großen Liebe.<br />
^ Stein Eric Lunde: „Wie Liebe, nur anders“.<br />
Sauerländer, 192 S., 13,95 € (D) • 14,40 € (A) •<br />
23,50 sFr., ab 14<br />
FÄLLT AUS DEM RAHMEN<br />
Feuer, Wasser, Erde, Luft<br />
Eine Wolkenmaschine, die vier Elemente und drei<br />
neugierige Kinder: Dirk Steinhöfel lädt in seiner<br />
Interpretation von Shelleys Gedicht „Die Wolke“ mit geheimnisvollen<br />
und faszinierenden Collagen zum Immer-wieder-<br />
Angucken ein. Ein außergewöhnliches Werk von berückender<br />
Poesie.<br />
^ Dirk Steinhöfel: „P. B. Shelleys ‚Die Wolke‘“.<br />
Oetinger, 128 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 28,90 sFr., ab 10<br />
Die Jury<br />
Stefan Hauck <strong>Börsenblatt</strong>-Redakteur, Mitglied<br />
in verschiedenen Jurys<br />
Verena Hoenig Kulturjournalistin und<br />
Kinderliteratur-Expertin<br />
Katrin Maschke Buchhändlerin in München<br />
Ralf Schweikart Journalist und Literaturkritiker<br />
SACHBUCH<br />
Wie Bücher gemacht werden<br />
Was ist ein Typograf ? Und ein Fadenzähler?<br />
Anschaulich werden alle Schritte erklärt,<br />
die ein Buch braucht, um auf die Welt zu<br />
kommen. Nicht nur für Kinder spannend.<br />
^ Ron Heussen u. a.: „Das geheime Leben der<br />
Bücher vor dem Erscheinen“. Hermann Schmidt,<br />
96 S., 29,80 € (D) • 30,70 € (A) • 49,80 sFr., ab 7<br />
Nachdenken<br />
Zwölf philosophische Gegensätze werden in<br />
Bild und Text seziert: eine eindrucksvolle<br />
Einführung in die Welt <strong>des</strong> Denkens.<br />
Belohnt mit vielen schlauen Gedanken!<br />
^ Oscar Brenifier: „Was, wenn es nur so aussieht,<br />
als wäre ich da?“. Gabriel, 96 S.,<br />
14,90 € (D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr., ab 12<br />
buchjournal 5/2011 89
Lesestoff Kinder- und Jugendbuch<br />
Alles eine Frage der<br />
Perspektive<br />
TEXT: STEFAN HAUCK, VERENA HOENIG<br />
Fiese Typen, chaotische Gefühle, Herzflattern und steigende Adrenalinspiegel:<br />
Wir stellen wundervolle Romane für Jugendliche vor.<br />
© Hans Slegers<br />
<br />
<br />
Es gibt Geschenke, über die man sich<br />
immer wieder freut. Zum Beispiel über<br />
den BücherScheck, der nun schon seit<br />
30 Jahren für glückliche Gesichter sorgt.<br />
Kein Wunder, denn mit dem Bücher-<br />
Scheck verschenken Sie die freie Auswahl<br />
in fast 2.500 Buchhandlungen in<br />
ganz Deutschland. Nach dem Motto:<br />
In Frankfurt gekauft, nach Hamburg<br />
verschenkt und in Berlin eingelöst!<br />
Eine gute Idee!<br />
AB 11 KRIMI<br />
Böse Absichten<br />
Spannend bis zur letzten Seite:<br />
Anna Lisa und Raggi<br />
schwant nichts Gutes, als sie<br />
im Ferienkurs für Hochbegabte<br />
zum ersten Mal den<br />
Direktor sehen. Und wirklich:<br />
Obwohl die beiden<br />
Schüler keine Superhirne<br />
wie die anderen Teilnehmer<br />
sind – die Sekretärin hatte aus Versehen<br />
die Briefumschläge vertauscht –, kommen<br />
sie mit einem blinden und einer schüchternen<br />
Hochbegabten einem Genmanipulationskomplott<br />
auf die Spur. Die Hauptfiguren – besonders<br />
der wunderbar freche Raggi – sind einfühlsam<br />
gezeichnet.<br />
^ Yrsa Sigurðardóttir: „Die IQ-Kids und die geklaute<br />
Intelligenz“. Fischer Schatzinsel, 281 S., 12,95 € (D) •<br />
13,40 € (A) • 18,90 sFr.<br />
AB 12 STEINZEIT-EXPERIMENT<br />
Mogeln nicht erlaubt<br />
Kein Computer, kein Handy, weder Junkfood noch<br />
Make-up: Auf all das will die 14-jährige Cat sieben<br />
Monate lang verzichten. Sie möchte mit ihrem<br />
Projekt – Leben wie ein Steinzeitmensch – den<br />
ers ten Preis beim Schulwettbewerb gewinnen.<br />
Und insgeheim will die quirlige Cat herausfinden,<br />
wie es sich anfühlt, gut auszusehen. Wegen ihrer<br />
Speckrollen hat ihr bisher kein Junge hinterhergeguckt.<br />
Das soll sich ändern. Der Weg dahin jedoch<br />
ist weit – und bitter. Mit viel Herz und Humor<br />
kommt dieser inspirierende Coming-of-Age-<br />
Roman für Mädchen daher.<br />
Ständig lacht man laut auf<br />
und lernt nebenbei noch einiges<br />
übers Kochen. Eine<br />
süße Liebesgeschichte gibt’s<br />
obendrein.<br />
^ Robin Brande: „Fat Cat“.<br />
dtv pocket, 367 S., 7,95 € (D) •<br />
8,20 € (A) • 11,90 sFr.<br />
AB 12 ZEITDOKUMENT<br />
Schatten der Vergangenheit<br />
Jäh stößt die 14-jährige Mouchka auf die Vergangenheit,<br />
als sie das Tagebuch ihrer tragisch ums<br />
Leben gekommenen Mutter Nina entdeckt. Nina<br />
war Fotografin und eine Freundin <strong>des</strong> Balletttänzers<br />
Rudolf Nurejew, mit ihm wagte sie die Flucht<br />
aus der UdSSR. Als Mouchka im Paris der 1970er<br />
Jahre den 16-jährigen Gabriel kennenlernt, beginnt<br />
eine Romanze, die ins Wanken gerät, als sie<br />
etwas Unglaubliches herausfinden. Eine fesselnd<br />
geschriebene Geschichte – faszinierend, wie die<br />
90<br />
buchjournal 5/2011
AB 14 KOMBINATIONSLOGIK<br />
Spielzeit<br />
Autorin Liebesroman, Krimi und<br />
Zeitdokument zu einem Ganzen<br />
flicht.<br />
^ Marie Bertherat: „Ein<br />
Sommer am Montparnasse“.<br />
Urachhaus, 240 S., 13,50 € (D) •<br />
14,– € (A) • 19,90 sFr.<br />
det. Emma, so stellt sich heraus,<br />
ist sein Kind. Aus der<br />
im Jugendbuch ungewohnten<br />
Jungenperspektive erlebt der<br />
Leser die emotionale Achterbahnfahrt<br />
<strong>des</strong> jungen Papas,<br />
der die Situation lange nicht wahrhaben will und<br />
mit seinem jüngeren Bruder und dem Vater die<br />
Sache in den Griff zu kriegen versucht.<br />
^ Malorie Blackman: „Boys don’t cry“. Boje,<br />
304 S., 14,99 € (D) • 15,50 € (A) • 21,90 sFr.<br />
Ein fulminantes<br />
Werk für Kinder<br />
und Erwachsene!<br />
Bridge ist todsterbenslangweilig? Bestsellerautor<br />
Louis Sachar tritt den Gegenbeweis an: Da<br />
der Großonkel krank, aber stinkreich ist, wird<br />
der 17-jährige Alton von seinen Eltern dazu verdonnert,<br />
ihn zu seinen Bridgepartien zu begleiten.<br />
Noch ahnt Alton nicht, dass dieses<br />
klassische Kartenspiel sein Leben heftig aufwirbeln<br />
wird und der Onkel nicht das ist, was<br />
er scheint. Dann erlebt er auch noch seinen<br />
ersten kosmischen Kuss! Clever gemacht:<br />
Wer keine Lust auf<br />
detaillierte Spielregeln hat,<br />
kann dank eines Symbols die<br />
entsprechenden Stellen einfach<br />
überblättern. Also: Das<br />
Spiel kann beginnen.<br />
^ Louis Sachar: „König, Dame,<br />
Joker“. Bloomsbury, 362 S.,<br />
16,90 € (D) • 17,40 € (A) • 24,50 sFr.<br />
AB 15 ERWACHSENWERDEN<br />
Sich aufbauen<br />
Perspektiven sieht Sven keine, er hat sich immer<br />
mehr gehen lassen, ist auf der schiefen<br />
Bahn gelandet. Als seine Schwester in Australien<br />
entführt zu werden droht, steigt sein Adrenalinpegel:<br />
Der 19-Jährige zieht, auch mithilfe<br />
alter Freunde, sich selbst aus dem Sumpf, verwirklicht<br />
einen Traum, gründet eine Firma, um<br />
Lösegeld zahlen zu können. Erst<br />
nach und nach merkt er, dass ihn<br />
jemand reingelegt hat – wenn<br />
auch zu seinem Besten.<br />
^ Oliver Uschmann: „Nicht weit<br />
vom Stamm“. Script5, 524 S., 14,95<br />
€ (D ) • 15,40 € (A) • 25,50 sFr.<br />
AB 16 VATERSEIN<br />
Baby für Jungs<br />
Dante will gerade sein Studium beginnen, als<br />
ihm seine Exfreundin Melanie ein elf Monate<br />
altes Baby in den Arm drückt und verschwin-<br />
AB 16 GEFÜHLSCHAOS<br />
Nicht verlieben!<br />
Eine Katastrophe, wenn man sich<br />
in den Freund der besten Freundin<br />
verknallt. Emma passiert es,<br />
als sie ihre erste Wohnung bezieht,<br />
und Adrian schmilzt in<br />
ihren Händen, beide können<br />
einfach nicht voneinander lassen.<br />
Bis die Freundin schwanger<br />
ist. Emma pflegt jedoch auch<br />
eine enge Beziehung zu Markus – sie sind unzertrennlich.<br />
Ihr kleiner Bruder gerät bei einem Deal<br />
in Lebensgefahr… Immer wieder tief durchatmen<br />
ist bei diesem Roman angesagt.<br />
^ Katarina von Bredow: „Er ist der Freund meiner<br />
Freundin“. Beltz & Gelberg, 380 S., 14,95 € (D) •<br />
15,40 € (A) • 21,90 sFr.<br />
AB 16 DYSTOPIE<br />
Sich auflehnen<br />
Skrupellose Intrigen und fiesestes Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfen<br />
ist in Karmesin-Ost an<br />
der Tagesordnung. Die Menschen leben in einer<br />
Welt, in der Farbsichtigkeit ihre Rangordnung<br />
bestimmt: Je mehr Rot oder Gelb jemand sehen<br />
kann, umso höherwertiger soll er für die Gesellschaft<br />
sein. Die Jugendlichen Edward, ein Roter,<br />
und Jane aus der grauen Unterschicht lehnen<br />
sich dagegen auf – und versuchen Wege zu finden,<br />
die Gesellschaft mit ihren einengenden<br />
Regeln zu verändern. Spannung, Action, ständiger<br />
Kampf gegen den Tod, Liebe, ein detektivisches<br />
Enträtseln der Zusammenhänge und<br />
feinironische Sprache sind die<br />
Ingredienzen für einen<br />
absolut gelungenen Adoleszenzroman.<br />
^ Jasper Fforde: „Grau.<br />
Ein Eddie-Russett-Roman“.<br />
Eichborn, 490 S., 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 28,50 sFr.<br />
Mit farbigen Illustrationen | Gebunden<br />
264 Seiten | ISBN 978-3-407-79986-9<br />
Sag, wo kommen die Worte her?<br />
Rund 200 AutorInnen und<br />
IllustratorInnen haben auf diese<br />
Frage geantwortet – mit Gedichten<br />
und Bildern aller Art: komisch,<br />
kritisch, hintergründig, rätselhaft<br />
und direkt. Entstanden ist eine<br />
einzigartige Sammlung – und<br />
ein Buch, wie wir es lieben.<br />
Mittwoch, 12.10<br />
18:30 Uhr<br />
Hans Joachim Gelberg im Gespräch<br />
mit Sylvia Schwab (hr2-kultur)<br />
Anna Thalbach liest<br />
Neue Gedichte aller Art<br />
Foyer <strong>des</strong> hr-Sen<strong>des</strong>aals<br />
Bertramstraße 8, 60320 Frankfurt<br />
buchjournal 5/2011 91<br />
www.beltz.de
KALENDER<br />
Gepriesen sei der Wandkalender: Er bietet keinen Raum für stundengenaues Zeitmanagement –<br />
und entschleunigt zusätzlich mit optischen Reizen. Hübsche Neuheiten für 2012.<br />
Ritter, Frösche und Lakritzrollen<br />
TEXT: ANDREA RINNERT<br />
Haben Sie sich schon mal gefragt, welcher<br />
Zeitplanungstyp Sie sind? Und<br />
sich die Tipps gewiefter Zeitmanagement-<br />
Gurus durchgelesen? Nein? Dann lassen<br />
Sie’s ruhig auch jetzt, denn der Wandkalender<br />
ist für alle da – egal ob Sie an Aufschieberitis,<br />
der Hetzkrankheit oder simpler<br />
Lebenslust leiden. Er taugt als Basisinstrument<br />
der Orientierung im Heute und Morgen,<br />
ist der ansehnliche Kerl fürs Grobe,<br />
der das Jahr in handliche Monatsklötze<br />
spaltet – und jeden einzelnen Tag auf ein<br />
harmloses Nümmerchen zurechtstutzt.<br />
Doch genug der Lobhudelei. Damit der<br />
»Was im Laden<br />
gefällt, kann<br />
zu Hause<br />
urplötzlich nerven«<br />
Jahresbegleiter sein Wellness-Potenzial<br />
überhaupt entfalten kann, muss er optisch<br />
einiges bringen: Er hat den Stresstest täglichen<br />
Draufschauens zu bestehen. Was im<br />
Laden gefällt, kann nämlich zu Hause urplötzlich<br />
nerven.<br />
Für den visuellen Dauerbetrieb geeignet<br />
sind zweifellos die Produkte „Sagenhaftes<br />
Mittelalter“ (Heye), „Mittelalter“ (Edition<br />
Lempertz) und „Mythos Mittelalter“ (Ackermann)<br />
– zumin<strong>des</strong>t bei jener Klientel, die<br />
eskapistische Begierden vorzugsweise mit<br />
düsteren Burgen und Rittern in Leggings<br />
stillt. Wer sich hingegen lieber mit der gegenwärtigen<br />
Beschaulichkeit hiesiger Gefilde<br />
befasst, kann mit „Wilde Heimat“ (Weingarten)<br />
eintauchen in ein pittoreskes Ge-<br />
„Tinga Tinga“. Heye, 12 Blätter,<br />
70,7 x 50 cm, 36,– € (D / A) · 64,90 sFr.<br />
92<br />
buchjournal 5/2011
EINSTIMMEN<br />
AUF WEIHNACHTEN!<br />
„Frösche“.<br />
Weingarten,<br />
12 Blätter,<br />
34,5 x 45 cm,<br />
19,95 € (D / A) ·<br />
35,90 sFr.<br />
Weihnachten in<br />
unserer kleinen Stadt<br />
wimmel aus Füchsen, Frischlingen,<br />
Eichhörnchen & Co., während die Novität<br />
„Heimische Wildpilze“ (DuMont) mit Essbarem<br />
aus dem definitorischen Niemandsland<br />
zwischen Tier und Pflanze erfreut.<br />
Trotz beigefügter Rezepte sind hiervon leider<br />
keine hexenmäßigen Flug-Rauschzustände<br />
zu erwarten, vielmehr sind für bewusstseinserweiternde<br />
Erfahrungen eher<br />
die Objekte aus „Faces“ (teNeues) zuständig:<br />
François Robert beweist, wie verblüffend<br />
häufig uns Alltagsgegenstände, sei es ein<br />
Vorhängeschloss oder ein Handfeger, aus<br />
freundlichen Gesichtern verschmitzt zulächeln.<br />
Ebenso ungewöhnlich, zumin<strong>des</strong>t<br />
für den beschränkten westlichen Museumsblick:<br />
„Aboriginal Art“ (Weingarten) mit<br />
Ornamentalem in warmen Erdtönen sowie<br />
»Das gute Stück<br />
muss nächstes Jahr<br />
sogar 366 Tage<br />
durchhalten«<br />
„Tinga Tinga“ (Heye) mit Gegenständlichem,<br />
nicht selten in Gestalt von Elefanten,<br />
Krokodilen und Giraffen. Kreaturen,<br />
die man in natura eben nicht an der nächsten<br />
Ecke erspäht. Halten wir daher als Zwischenergebnis<br />
unmissverständlich fest: Für<br />
manche Erlebnisse ist es unumgänglich,<br />
das Fernweh über das Fernsehen obsiegen<br />
zu lassen.<br />
Ziele für ein solches Unterwegssein liefern<br />
neben den Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />
buchjournal 5/2011 93<br />
von „Africa“ (Korsch) und „Indianerland“<br />
(Edition Panorama) zuverlässig in Farbe<br />
„Patagonien“ (Linnemann) sowie „Geheimnisvolles<br />
Jordanien“ (Weingarten) mit<br />
Impressionen aus dem Tal Wadi Rum. Aber<br />
Vorsicht: „Der Tourist zerstört, was er<br />
sucht, indem er es findet“, befand Hans<br />
Magnus Enzensberger – ein grässlicher<br />
Mechanismus, gegen den sich seit Jahren<br />
die Reiseführermarke Lonely Planet mit alternativer<br />
Weltenbummelei stemmt, nun<br />
auch in Form eines gleichnamigen Kalendariums<br />
(teNeues). Für Fans von Innenräumen<br />
gewiss lohnender: „Die schönsten<br />
Buchhandlungen Europas“ (DuMont) – wer<br />
weiß, wie lange es solche Pracht noch gibt.<br />
Bedroht ist auf diesem Planeten freilich<br />
auch das Fußvolk der Schöpfung – eine Tatsache,<br />
die „Endangered Animals“ (teNeues)<br />
und „Arche Noah“ (Heye) anhand niedlicher<br />
wie auch erhabener Spezies explizit<br />
verhandeln, während „A Place to be“ (Du-<br />
Mont) mit winzigen Elchen, Bären und Pavianen<br />
vor riesigen Naturkulissen subtil<br />
Melancholie verbreitet: als wären die Vorgestellten<br />
die jeweils Letzten ihrer Art.<br />
Und dann gibt es da noch Lebewesen, die<br />
man mitunter recht gern abschaffen würde<br />
– beispielsweise dann, wenn sie das Hinübergleiten<br />
in die Tiefschlafphase verhindern.<br />
Aber die Novität „Frösche“ (Weingarten)<br />
dürfte selbst bei Anrainern von Gartenteichen<br />
spontan eine nie gekannte<br />
Sympathie für diese feuchtfröhlichen Geschöpfe<br />
hervorrufen. Apropos Nachtruhe:<br />
Aufmunterung verschafft sich der postmoderne<br />
Mensch ja gern in Ballungsgebieten,<br />
und zwar am besten, wenn es 0<br />
Leonie und Jonas durchstöbern als<br />
abenteuerlustige „Weihnachtsreporter“<br />
ihre kleine Stadt, um herauszufinden,<br />
warum im Advent alles anders ist:<br />
Warum es oft so gut riecht, was die<br />
Trompeter bei klirrender Kälte auf<br />
den Turm treibt oder wie der liebe<br />
Gott Reklame macht. Die Kinder entdecken,<br />
was hinter dem Rummel und<br />
der Geschäftigkeit der vielen Weihnachtsvorbereitungen<br />
steckt.<br />
Der Kalender haftet mit Klebepunkten<br />
an der Scheibe. Er besteht aus<br />
einer transparenten Folie mit den<br />
bunten Bildepisoden und einer nummerierten<br />
Titelfolie, von der jeden<br />
Tag ein Stück abgezogen wird. Der<br />
Text wird aus dem dazugehörigen<br />
Begleitheft (vor)gelesen.<br />
ZUM ADVENT<br />
Fensterbild-Adventskalender<br />
DIN A2, transparente, farbige<br />
Fensterbild-Folie mit deckender<br />
Titelfolie zum Abziehen,<br />
inkl. Begleitheft DIN A4<br />
ISBN: 978-3-88997-191-3<br />
Preis: 14,95 €*<br />
* zzgl. 3,– € Versandpauschale<br />
je Lieferung innerhalb Deutschlands<br />
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Karl-Friedrich-Str. 76<br />
52072 Aachen | DEUTSCHLAND<br />
T 0241-93888-123 | F 0241-93888-188 |<br />
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Gültig bis 31.12.2011<br />
AB<br />
6 JAHRE<br />
www.buhv.de/Adventskalender<br />
www.fensterbild-adventskalender.de<br />
677-22
KALENDER<br />
„Big City Nights“. Ackermann, 12 Blätter,<br />
48 x 54 cm, 29,95 € (D/A) · 53,90 sFr.<br />
„Faces“. teNeues, 12 Blätter,<br />
30 x 30 cm, 12,95 € (D/A) · 33,90 sFr.<br />
0 dunkelt: „Big City Nights“ (Ackermann)<br />
traut sich an Metropolen wie Sydney<br />
heran, „Europe at night“ (Hannesschläger)<br />
erkundet stimmungsvoll architektonische<br />
Highlights von Moskau bis<br />
Rom. Eigentümlich kulissenhaft muten<br />
Großstädte wie Zürich und London in den<br />
gelbstichigen, wolkenverhangenen Fotos<br />
von Stéphane Ray-Gorrez bei „Cityscapes“<br />
(teNeues) an – als wäre das die Ruhe vor<br />
dem letzten Sturm und das Eintreten der<br />
Apokalypse bloß noch eine Frage von Minuten.<br />
Doch Schluss mit unlustig, schließlich<br />
gibt es genügend Zeitplaner, die sich<br />
versiert der Sonnenseite <strong>des</strong> Lebens widmen<br />
– vulgo: dem Essen und Trinken.<br />
Originell auf diesem Sektor: „Weinaromen“<br />
(DuMont). Gläser wurden hierfür<br />
nicht mit Gewürztraminer oder Sangiovese<br />
gefüllt, sondern lediglich mit deren Geschmacksnoten,<br />
sodass sich Lakritzrollen,<br />
Aprikosenhälften, Haselnüsse, Johannisbeeren,<br />
Honigtöpfchen, Ananasspalten, Vanilleschoten<br />
etc. verheißungsvoll türmen.<br />
Obendrein ist der Augenschmaus lehrreich,<br />
weil er den Gaumen für die nächste Verkostung<br />
in differenzierte Vorfreude versetzt.<br />
„Genuss pur“ (Ars Vivendi) macht hingegen<br />
mit dem bewährten Touch nobler<br />
Landhausästhetik Appetit – nicht nur auf<br />
grünen Spargel und Wirsing. Und Schleckermäuler,<br />
die einen gedeckten Tisch ohne<br />
Süßes als ähnlich defizitär empfinden wie<br />
einen Pool ohne Wasser, können sich an<br />
„Cupcakes“ (teNeues und DuMont) versuchen,<br />
einer Art Trend-Muffin mit Creme-<br />
Haube. Kompetente Anleitung inklusive.<br />
Sinnvoll, denn ebenso wenig, wie man einfach<br />
drauflosbäckt, sollte man leichtfertig<br />
einen Wandkalender wählen. Schließlich<br />
muss das möglichst gute Stück nächstes<br />
Jahr sogar 366 Tage durchhalten. <br />
„Weinaromen“. DuMont, 12 Blätter,<br />
49 x 22 cm, 12,99 € (D / A) · 22,– sFr.<br />
„Wilde Heimat“. Weingarten, 12 Blätter,<br />
34,5 x 45 cm, 19,95 € (D / A) · 35,90 sFr.<br />
„Die schönsten Buchhandlungen Europas“.<br />
DuMont, 12 Blätter, 48 x 44,5 cm,<br />
24,99 € (D / A) · 39,90 sFr.<br />
„Mythos Mittelalter“. Ackermann, 12 Blätter,<br />
66 x 33 cm, 24,95 € (D/A) · 44,90 sFr.<br />
94<br />
buchjournal 5/2011
Der Lesezeit-Bücherherbst bei Klassik Radio<br />
Auch über DAB+<br />
Herbstzeit ist Lesezeit.<br />
Wenn die Tage länger werden… ist es besonders schön, sich mit<br />
einem guten Buch zurückzuziehen.<br />
Clemens Benke weiß schon jetzt, welche Bücher in diesem Herbst<br />
besonders lesenswert sind, und bespricht diese ausführlich in seiner<br />
Sendung.<br />
Die Klassik Radio Lesezeit - immer sonntags von 14-15 Uhr.<br />
Jan Seghers – Die Akte Rosenherz, rowohlt<br />
Der vierte Fall für Kommissar Marthaler: Wie man es vom Autor gewohnt ist, gibt es<br />
auch diesmal wieder Spannung vom Allerfeinsten.<br />
Kate Atkinson – Das vergessene Kind, Droemer<br />
Dies ist ein Buch, das einen so schnell nicht mehr loslässt - auch lange<br />
nachdem man es gelesen hat.<br />
Emma Donoghue – Raum, Piper<br />
Ein Romanhighlight <strong>des</strong> Bücherherbstes. Eine unglaublich spannende Geschichte,<br />
die an die Substanz geht. Ein Buch das nachhaltig bewegt.<br />
Jeffrey Eugeni<strong>des</strong> – Die Liebeshandlung, rowohlt<br />
Eine dramatische Dreiecksgeschichte und ein Roman über die Spielarten der Liebe.<br />
www.klassikradio.de/lesezeit<br />
find us on
Bücherköpfe<br />
TEXT: ANITA STRECKER<br />
Eva Padberg<br />
Frauenpower auf Bayerisch:<br />
Kabarettistin Lisa Fitz<br />
Sie hat ihren Namen zur Marke gemacht: Eva<br />
Padberg. Supermodel aus tiefster ostdeutscher<br />
Provinz, UNICEF-Botschafterin, Sängerin und<br />
Songwriterin von Dapayk & Padberg, dem Duo<br />
mit ihrem Mann Niklas Worgt, den sie liebt, seit<br />
sie 14 ist. Von den Medien wird sie vor allem mit<br />
zwei Attributen belegt: Die Padberg scheut keine<br />
Nacktfotos. Und: Sie ist sehr bodenständig. Was<br />
ihr selbst allein angesichts der Tatsache, mal<br />
eben erster Klasse von New York nach Paris oder<br />
Tokio zu jetten, doch zweifelhaft erscheint. Aber<br />
es ist wohl gerade dieser kritisch-reflektierte<br />
Blick, der dem 31 Jahre alten Multitalent Bodenhaftung<br />
bewahrt. Sie genießt ihren Beruf, ist innerlich<br />
aber unabhängig von Shows, Shootings<br />
und androgynen Idealmaßen<br />
geblieben, wie<br />
sie in „Model-Ich“<br />
(Diederichs) locker ausplaudert.<br />
Gegenrezept<br />
Marke Padberg: Lust<br />
am Leben, am Essen,<br />
Sport als Ausgleich –<br />
und sich nicht verbiegen<br />
lassen. <br />
© picture-alliance / Erwin Elsner<br />
Supermodel<br />
mit Bodenhaftung:<br />
Eva Padberg<br />
© Lisa Fitz<br />
Lisa Fitz<br />
Man kann sie sich gut auf einer Harley Davidson<br />
vorstellen, wie sie mit wehender Mähne<br />
dem Horizont entgegenbraust. Oder in Kostümchen<br />
und Hochhackigen im breiten<br />
Bayrisch bigotte Katholiken als Frauenhasser<br />
entlarvt. Oder im Dirndl „I mog di“ trällert. Für<br />
Lisa Fitz, Deutschlands erfolgreichste Kabarettistin,<br />
gibt es keine Grenzen – und keine Tabus.<br />
Toptrainierte Powerfrau eben. War aber ein<br />
ganz schön harter Weg vom streng behüteten<br />
Spross <strong>des</strong> Künstler-Clans Fitz bis zu der<br />
selbstbewussten Frau und Mutter, die sich von<br />
bayerischer Hitparade und allem Mainstream<br />
emanzipiert hat. Sex, Drugs und Rock ´n´ Roll<br />
– sogar das Dschungelcamp war darunter.<br />
Kompromisslos, aber immer neugierig auf alles<br />
hat die „Fitz Lisa“ ihr Ding gemacht. Dabei<br />
viele vor den Kopf gestoßen, sich auf Irrwegen<br />
verrannt, wurde von „Bild“ als sexhungrige<br />
Krawallschachtel verfolgt – und hat sich doch<br />
durchgesetzt. Sie will am Ende nicht sagen<br />
müssen, „mein Leben hat allen gefallen, nur<br />
mir selbst nicht“, <strong>schreibt</strong> die 60-Jährige in ihrer<br />
höchst lesenswerten Autobiografie. Bisher<br />
ist sie gut dabei.<br />
^ Lisa Fitz: „Der lange Weg zum Ungehorsam.<br />
Erinnerungen für die Zukunft“. Heyne,<br />
400 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 28,50 sFr.<br />
Elisabeth von<br />
Thurn und Taxis<br />
Sie attestiert sich einen Prinzessinnenkomplex.<br />
Und ausgerechnet sie muss die Kolumne „The Princess<br />
Diaries“ für „Finch’s Quarterly Review“ schreiben.<br />
Was kokett klingt, ist eher Kindheitstrauma: In<br />
der Schule war Elisabeth von Thurn und Taxis die<br />
scheel beäugte „Andere“; zu Hause, im Regensburger<br />
Schloss, streng behütet<br />
und zugleich in illustrer<br />
Welt mit Freunden wie Michael<br />
Jackson. Die 29-Jährige<br />
hat längst Schloss gegen<br />
Wohnung getauscht,<br />
arbeitet als Journalistin. Ihr<br />
Cross-over-Leben hat sie<br />
aufgeschrieben: „Tagebuch<br />
einer Prinzessin“ Tagebuch: Elisabeth<br />
Hochadel <strong>schreibt</strong><br />
(Marion von Schröder). von Thurn und Taxis<br />
© ddp images / dapd<br />
Liz Mohn<br />
Die Mutter wollte, dass sie Zahnarzthelferin wird.<br />
Aber Tochter Liz ist statt<strong>des</strong>sen in den Aufsichtsrat<br />
der Bertelsmann AG und den Vorstand der Bertelsmann<br />
Stiftung aufgestiegen – an der Seite ihrer<br />
großen Liebe. Klingt wie ein Märchen, hat nur<br />
einen Haken: Liz Mohn hat hart dafür gearbeitet<br />
und vieles getragen. Im prüden Nachkriegsdeutschland<br />
war die Scheidung von seiner ersten<br />
Frau Magdalene für Bertelsmann-Chef Reinhard<br />
Mohn undenkbar, wie umgekehrt die drei Kinder<br />
mit Liz nicht unehelich aufwachsen durften.<br />
Scheinehe, Heimlichkeiten, erst 1982 wurde die<br />
Familie auch offiziell eine. Liz Mohn hat nie aufgegeben;<br />
wissbegierig ohne Ende, der Welt und<br />
Menschen offen zugewandt, war sie für Mohn Lebens-<br />
und Diskussionspartnerin, hat mit ihm neue<br />
Wege beschritten, mit denen Bertelsmann Geschichte<br />
schrieb: partnerschaftliches Miteinander<br />
© Bertelsmann AG<br />
Die Grande Dame<br />
von Bertelsmann:<br />
Liz Mohn<br />
von Geschäftsleitung und Mitarbeitern, Beteiligung<br />
am Unternehmensgewinn, die Gründung<br />
der Stiftung mit -zig Projekten in Sachen Völkerverständigung,<br />
Kultur oder Gesundheit. Ihre<br />
„Schlüsselmomente“ (C. Bertelsmann) hat sie<br />
jetzt aufgeschrieben. Ein Mutmachbuch für Frauen<br />
– und Lehrstück modernen Managements. <br />
96<br />
buchjournal 5/2011
GANZ ODER GAR NICHT<br />
10 FRAGEN AN<br />
David Nicholls<br />
Beatles oder Beethoven? Ideal wäre Bach, jeden Tag.<br />
Wenn das nicht geht, die Beatles.<br />
Obere oder untere Brötchenhälfte? Die obere, schön knusprig.<br />
Margeriten oder Rosen? Rosen. Obwohl ich ehrlich<br />
zugeben muss, dass ich gar nicht weiß, wie Margeriten aussehen …<br />
Brief oder E-Mail? Brief. Ich vermisse Briefe ungeheuer. Niemandem<br />
schlägt doch das Herz höher, wenn man eine E-Mail bekommt.<br />
Schokolade oder Popcorn? Popcorn ist lecker – einen Mund voll,<br />
dann schmeckt’s nach Packpapier. Also lieber Schokolade.<br />
Italien oder Alaska? Italien, auch wenn<br />
ich noch nie in Alaska gewesen bin. Alaska stelle ich mir mit<br />
gewissem melancholischem Charme vor.<br />
Tanzen oder Gläserschwenken? Ich habe seit 1993 nicht<br />
mehr getanzt, aus gutem Grund.<br />
Fahrrad oder Auto? Fahrrad. Ich hasse Autos.<br />
Stadt oder Land? Kommt auf die Stadt an. In Paris,<br />
Berlin oder Rom, dann Stadt. In Moskau, Southampton oder<br />
Birmingham lieber Land.<br />
Frühaufsteher oder Langschläfer? Theoretisch ein<br />
früher Vogel, in der Praxis ein Langschläfer.<br />
^ David Nicholls, Jahrgang 1966, war Schauspieler, ehe<br />
er als Schriftsteller und Drehbuchautor Erfolg hatte. Sein<br />
Roman „Zwei an einem Tag“ war monatelang<br />
ein Bestseller und startet als<br />
Leinwandadaption am 3. November in<br />
den Kinos (siehe S. 42).<br />
David Nicholls: Zwei an einem Tag.<br />
Kein & Aber, 832 S., 16,90 € (D) •<br />
17,40 € (A) • 24,90 sFr.<br />
© Anita Affentranger<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Börsenverein <strong>des</strong> Deutschen <strong>Buchhandels</strong> e.V.<br />
Redaktionsleiter<br />
Eckart Baier, e.baier@buchjournal.de ......................................................-373<br />
Redakteurin<br />
Dr. Sabine Schmidt, s.schmidt@buchjournal.de ...................................... -278<br />
Grafi k<br />
Denis Stanisic, d.stanisic@mvb-online.de ...............................................-398<br />
Schlussredakteurin<br />
Dr. Andrea Rinnert, a.rinnert@mvb-online.de<br />
Redaktionsservice<br />
Yvonne Messer, y.messer@mvb-online.de ..............................................-468<br />
Autoren dieser Ausgabe<br />
Ulrich Baron (ub), Christina Busse, Meike Dannenberg (md), Holger Ehling,<br />
Tobias Gohlis, Stefan Hauck (hc), Verena Hoenig, Constanze Kleis, Alexander<br />
Kluy (ky), Ronald Meyer-Arlt (rma), Petra Mies (pms), Andrea Rinnert,<br />
Wolfgang Schneider (wos), Christoph Schröder (cs), Sabine Schwietert,<br />
Cordula Stratmann, Anita Strecker, Hendrik Werner (wer)<br />
Verlag<br />
MVB Marketing- und Verlagsservice <strong>des</strong> <strong>Buchhandels</strong> GmbH<br />
Geschäftsführer: Ronald Schild<br />
Verlagsleiter: Dr. Torsten Casimir<br />
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Großer Hirschgraben 17 – 21, 60311 Frankfurt am Main<br />
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Druckhaus Main-Echo GmbH & Co. KG, Aschaffenburg<br />
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Die Rubriken Buchtipps und Leseprobe sind von Verlagen fi nanziert. Eine<br />
Verwertung der urheberrechtlich geschützten Zeitschrift und aller in ihr<br />
enthaltenen Beiträge und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung<br />
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Preisangaben in redaktionellen Beiträgen und im Anzeigenteil erfolgen<br />
ohne Gewähr, die mit € gekennzeichneten Preise für Bücher sind die in<br />
Deutschland geltenden gebundenen Ladenpreise. Preisangaben deutscher<br />
Verlage in € (A) sind unverbindliche Preisempfehlungen gemäß österreichischem<br />
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Das Buchjournal ist Mitglied der Informationsgemeinschaft<br />
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buchjournal 5/2011 97
Ratelust<br />
tropischer<br />
Vogel<br />
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Erek<br />
isländ.<br />
Autor<br />
(†1998)<br />
Arbeitszimmer<br />
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röm.<br />
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500<br />
livländ.<br />
Längenmaß<br />
Landschaftsform<br />
Kulturzentrum<br />
in<br />
München<br />
Einzelstück<br />
ungefähr<br />
1<br />
7<br />
9<br />
dt. Unterhaltungsautorin<br />
Landenge<br />
von<br />
Malakka<br />
(Indien)<br />
kurz für:<br />
bevor<br />
Moscheeturm<br />
Lederpeitsche<br />
2<br />
amerik.<br />
Riesenkröte<br />
Gartengemüse<br />
3<br />
Tadel,<br />
Maßregelung<br />
neuseeländischer<br />
Vogel<br />
Eierpfannkuchen<br />
japan.<br />
Romancier<br />
syrischer<br />
Staatsmann<br />
(†, Hafiz)<br />
großer<br />
Papagei<br />
Kosewort<br />
für<br />
Großmutter<br />
dt.<br />
Fantasyautor<br />
(Walter ...)<br />
flüssiges<br />
Fett<br />
Abk.:<br />
Sekunde<br />
Hauptstrom<br />
der<br />
französisch:<br />
Steiermark<br />
Ära<br />
10<br />
lettische<br />
Währung<br />
Im Blickpunkt: Island<br />
Ein isländischer Autor wurde<br />
bislang mit dem Literaturnobelpreis<br />
ausgezeichnet. Wie heißt<br />
einer seiner wichtigen Romane?<br />
dt.<br />
Krimiautorin<br />
Musikzeichen<br />
im<br />
Psalm<br />
Schwerathlet<br />
6<br />
8<br />
schlecht<br />
ein<br />
Balte<br />
eine<br />
Geliebte<br />
<strong>des</strong> Zeus<br />
4<br />
norweg.<br />
Krimiautor<br />
Wiesenpflanze<br />
Elfenkönig<br />
Schaumwein<br />
Männername<br />
norddeutsch:<br />
betrunken<br />
11<br />
vertraute<br />
Anrede<br />
Abk.:<br />
Neuerscheinung<br />
Sauerstoffaufnahme<br />
Zustimmung<br />
Formgestaltung<br />
5<br />
ätzende<br />
Flüssigkeiten<br />
erstes<br />
öffentliches<br />
Auftreten<br />
Abk.:<br />
europäische<br />
Norm<br />
DEIKE-PRESS-1812-05<br />
‚Irland‘<br />
in der<br />
Lan<strong>des</strong>sprache<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11<br />
Senden Sie Ihre Lösung per E-Mail an raetsel@buchjournal.de oder per Postkarte an: Redaktion Buchjournal, Postfach<br />
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haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsen<strong>des</strong>chluss: 15. November 2011<br />
Auflösung aus Heft 4 / 2011<br />
K M<br />
P V<br />
E S R A I N D R I D A S O N I L<br />
C I A A E I N N A H M E D A<br />
H A Q U E R P A S S P O D E X<br />
A L L Z U<br />
A N I O N<br />
M A T T E S<br />
D O E<br />
F O R E<br />
K O B R A S<br />
L E I D Z S U O R S<br />
R H E I N U W E L T F R E M D<br />
O F S E R A A U A I O E<br />
B R A T H E R I N G P L U N D E R<br />
N E S S E R G L A S K U G E L N<br />
LINDHOLM<br />
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Das nächste<br />
Buchjournal<br />
erscheint am<br />
25. November<br />
In der letzten Ausgabe<br />
2011 geht es um die besten<br />
Winterschmöker,<br />
Bild- und Geschenkbände.<br />
Neben den Themen<br />
Krimi, Bio grafien<br />
und Basteln wird es<br />
außerdem den Schwerpunkt<br />
„Kinder- und<br />
Jugendbuch“ geben.<br />
98<br />
buchjournal 5/2011
Sie jetzt Ihr<br />
Wir suchen Buchjournal-Leserinnen<br />
und -Leser, die gern schreiben!<br />
Dr. Ingrid Böttcher<br />
Mitglied im Literarischen<br />
Beirat der Schule<br />
<strong>des</strong> Schreibens<br />
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schreiben können, denn dadurch<br />
● werden Sie erfolgreicher im Beruf,<br />
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interessantes Hobby,<br />
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und Bestätigung,<br />
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Über 40 Jahre in der Vermittlung <strong>des</strong> kreativen<br />
Schreibens im Fernunterricht haben uns immer<br />
wieder bestätigt: Wer den Wunsch hat zu schreiben,<br />
besitzt auch die Fähigkeit, um erfolgreich zu<br />
schreiben. Warten Sie also nicht auf die große Inspiration<br />
– fangen Sie einfach an!<br />
Die meisten Autoren werden „gemacht“.<br />
Unser tägliches „Lesefutter“ kommt in der Regel von<br />
guten, aber unbekannten Autoren. Diese Menschen<br />
haben ihren Wunsch vom Schreiben verwirklicht:<br />
Sie haben das Schreiben gründlich und von der Pike<br />
auf gelernt. In sorgfältiger Arbeit _ und mit einer<br />
systematischen Ausbildung. Schreiben ist nicht das<br />
Privileg weniger Auserwählter, sondern erlernbares<br />
Handwerk, und das kann Ihnen die Schule <strong>des</strong><br />
Schreibens vermitteln.<br />
Lesen Sie diesen Brief<br />
bitte nur, wenn Sie<br />
das Gratis-Angebot<br />
nicht annehmen wollen!<br />
Liebe Buchjournal-Leserin,<br />
lieber Buchjournal-Leser,<br />
Corinna Luerweg<br />
Lektorin der Schule <strong>des</strong><br />
Schreibens<br />
als Lektorin der Schule <strong>des</strong> Schreibens bin ich<br />
etwas überrascht.<br />
Für viele Leser dieser Zeitschrift ist das professionelle<br />
Schreiben – die Schriftstellerei – der große Lebenstraum.<br />
Aber nur erstaunlich wenige fordern dann auch<br />
tatsächlich unser Gratis-Angebot an.<br />
Ich frage mich natürlich – warum? Halten Sie sich etwa<br />
für zu wenig begabt? Fehlt Ihnen der Mut, jetzt aktiv zu<br />
werden? Oder befürchten Sie gar, dass das Gratis-Angebot<br />
für Sie doch nicht kostenlos und unverbindlich ist?<br />
Ich möchte Ihnen noch einmal versichern: Sie erhalten<br />
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Also, tauchen Sie ein in die Welt <strong>des</strong> Schreibens.<br />
Lesen Sie zu Hause alle Informationen ganz in Ruhe<br />
durch. Sie brauchen uns nichts zurückzuschicken.<br />
Mit freundlichem Gruß<br />
Ihre<br />
Corinna Luerweg<br />
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