Fünftes und sechstes Forum Menschenwürdige Wirtschaftsordnung ...
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Institut für Wirtschaftsforschung Halle 3. Die Koordination über Handlungsfolgen bedeutet für die Konzeption einer Unternehmensethik: Nicht das für ein einzelnes Unternehmen unverfügbare Formalziel des unternehmerischen Handelns steht im Rahmen der Unternehmensethik zur Debatte, i. e. der systemische Zwang zur Gewinnerzielung unter Beachtung der rechtlich schon vorgegebenen Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen werden im Sinne der Vermutung, dass sie aus Verfahrensgründen schon ethisch legitim entstanden sind, als Grundlage des marktwirtschaftlichen Handelns vorausgesetzt. Die Unternehmensethik hat daher eine schon über Diskurse der Wirtschaftsethik legitimierte und vom Recht institutionalisierte Ausgangsbasis in der Wirtschaftsordnung. Diese Rahmenordnung kann und muss natürlich selbst auch immer wieder auf ihre Legitimität und auf ihre Reformbedürftigkeit hin diskursiv überprüft werden. Aber für den Moment sprechen einige gute Gründe für den marktwirtschaftlichen Wettbewerb: 58 1. Die Herstellung von Allokationseffizienz, 2. Die Garantie einer effizienten Bedürfnisbefriedigung, 3. Die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung, 4. Der ethische Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit. Ganz offensichtlich sind dies Leistungen, die den meisten Gesellschaften in der globalisierten Moderne äußerst wichtig sind und deswegen durch das marktwirtschaftliche Wettbewerbssystem hergestellt werden sollen. Allerdings gibt es erfahrungsgemäß in der konkreten Umsetzung dieser Ziele immer wieder besondere Konflikte. Bei der Unternehmensethik geht es daher um die installierten Freiheitsgrade des unternehmerischen Handelns, das sind die konkreten Inhalte bzw. Mittel, mit denen die Gewinne gemacht werden. Nicht alles, was für Unternehmungen gewinnbringend möglich ist, ist ethisch auch vertretbar. Die angesprochenen Skandale zeigen daher besonders plastisch, dass gerade auf der Mittelebene der unternehmerischen Handlungsstrategie der verantwortliche Gebrauch der unternehmerischen Freiheit das Problem ist. Nicht dass Unternehmen Gewinne erzielen, ist das Problem, sondern was sie dafür unternehmen. Der würdige Umgang mit Menschen, die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards, die Schonung der Umwelt, der Kampf gegen die Korruption, die Rechnungslegung, usw., das alles sind wesentliche Handlungsfelder, auf denen gesellschaftliche Konflikte weltweit an der Tagesordnung sind und Politik und Recht sich zunehmend schwerer tun, (allein) befriedigende Lösungen zu entwickeln und durchzusetzen. Eine hochsensibel gewordene Öffentlichkeit richtet deshalb ihre Kritik über NGOs (Non-Governmental Organizations) nicht nur an die Politik und die staatlichen Organe, sondern auch und besonders an die mächtigen privaten Akteure, die großen multinationalen Unternehmen als unmittelbare Ansprechpartner. Hier wird eine ethische Verantwortung der Unternehmen eingefordert, die über das rechtlich Kodi-
Akademie für Politische Bildung Tutzing fizierte zum Teil weit hinausgeht, weil es im Prozess der Globalisierung keine andere Instanz zur Formulierung und Durchsetzung von weltweit gültigen Gesetzen gibt. 4. In dieser Situation soll die Unternehmensethik dazu beitragen, Konflikte um das konkrete unternehmerische Handeln in einem Akt freier Selbstverpflichtung friedlich zu bewältigen. Natürlich kann das nicht alle möglichen gesellschaftlich relevanten Konflikte betreffen, sondern nur diejenigen, die im Zusammenhang mit der jeweils eigenen Unternehmensstrategie entstehen (können). Die ethische Verantwortung des Unternehmens betrifft die Ausgestaltung des eigenen Freiheitsgrades, also die freie Wahl des spezifischen Produkt-Markt-Konzeptes und seine Umsetzung durch die Unternehmenspolitik in allen Funktionsbereichen der Unternehmung. 5. Der soziale Frieden ist nach Paul Lorenzen definiert als freier Konsens. Er basiert – republikanisch betrachtet – damit zum einen auf der Freiheit des Individuums, und zwar in einem zweifachen Sinne: Er beruht auf seiner freien Zustimmung im Diskurs, und er beruht auf seiner freien, autonomen Selbstverpflichtung, dann auch entsprechend der diskursiv gewonnenen Einsichten zu handeln.55 Es ist die freie Selbstverpflichtung, welche die Brücke schlägt vom Reden zum Handeln, nicht schon die bloße Zustimmung zu einem Diskursergebnis; Selbstverpflichtung ist der Praxistest im konkreten Handeln, ohne jede philosophische Theorie.56 Selbstverpflichtung und Selbstbindung als Antwort auf die steigenden Legitimationsforderungen, und zwar öffentlich, sind deshalb unverzichtbare Bestandteile der Unternehmensethik und machen ihre praktische Relevanz aus. Der Konsens, zweites Element der Friedensdefinition, ist allgemein (in Bezug auf alle Betroffenen eines strittigen Problems) genau dann, wenn keine Partikularinteressen ihn dominieren. Jeder Diskurspartner muss bei seiner Argumentation zugleich die Verantwortung für das Ganze im Auge haben, d. h. nicht dogmatisch auf seinen Interessen beharren, bloß weil es die eigenen sind. Das ist der wesentliche Unterschied zum interessengestützten Liberalismus, der nur den Kompromiss zwischen faktischen Interessen mit dem Ziel der stetigen Aufrechterhaltung dieser eigenen Interessen kennt. Solche Kompromisse sind daher stets labil und bedroht: Bei der kleinsten Widrigkeit werden sie aufgegeben, denn das eigene Interesse dominiert. Nach einem Ausdruck von Lorenzen muss man aber gerade diese seine eigenen Interessen transzendieren, man muss „transsubjektiv“ argumentieren, um zu einem Konsens zu gelangen. Transsubjektivität garantiert natürlich nicht unmittelbar Vernunft; aber ohne Transsubjektivität ist keine Vernunft möglich (vgl. auch Habermas: Universalisierungsgrundsatz).57 55 Vgl. näher Lorenzen (1991). 56 Zur Bedeutung der Unterscheidung von Zustimmung (im Diskurs) und Selbstverpflichtung (auf ein so gefundenes Handlungsziel) vgl. Hanekamp (2001), S. 60. 57 Vgl. Habermas (1983), Lorenzen (1984). Transsubjektiv zu argumentieren heißt natürlich nicht, die eigenen Interessen ohne Not aufzugeben. Es fordert lediglich die Bereitschaft, eigene Interessen unvoreingenommen und nichtdogmatisch in den Diskurs einzubringen und sie bei Vorliegen besserer Argumente zu revidieren. 59
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Nicht das für ein einzelnes Unternehmen unverfügbare Formalziel des<br />
unternehmerischen Handelns steht im Rahmen der Unternehmensethik zur Debatte,<br />
i. e. der systemische Zwang zur Gewinnerzielung unter Beachtung der rechtlich<br />
schon vorgegebenen Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen werden im<br />
Sinne der Vermutung, dass sie aus Verfahrensgründen schon ethisch legitim entstanden<br />
sind, als Gr<strong>und</strong>lage des marktwirtschaftlichen Handelns vorausgesetzt. Die<br />
Unternehmensethik hat daher eine schon über Diskurse der Wirtschaftsethik legitimierte<br />
<strong>und</strong> vom Recht institutionalisierte Ausgangsbasis in der <strong>Wirtschaftsordnung</strong>.<br />
Diese Rahmenordnung kann <strong>und</strong> muss natürlich selbst auch immer wieder auf ihre<br />
Legitimität <strong>und</strong> auf ihre Reformbedürftigkeit hin diskursiv überprüft werden. Aber<br />
für den Moment sprechen einige gute Gründe für den marktwirtschaftlichen Wettbewerb:<br />
58<br />
1. Die Herstellung von Allokationseffizienz,<br />
2. Die Garantie einer effizienten Bedürfnisbefriedigung,<br />
3. Die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung,<br />
4. Der ethische Gr<strong>und</strong>satz der Leistungsgerechtigkeit.<br />
Ganz offensichtlich sind dies Leistungen, die den meisten Gesellschaften in der<br />
globalisierten Moderne äußerst wichtig sind <strong>und</strong> deswegen durch das marktwirtschaftliche<br />
Wettbewerbssystem hergestellt werden sollen. Allerdings gibt es erfahrungsgemäß<br />
in der konkreten Umsetzung dieser Ziele immer wieder besondere Konflikte.<br />
Bei der Unternehmensethik geht es daher um die installierten Freiheitsgrade des<br />
unternehmerischen Handelns, das sind die konkreten Inhalte bzw. Mittel, mit denen<br />
die Gewinne gemacht werden. Nicht alles, was für Unternehmungen gewinnbringend<br />
möglich ist, ist ethisch auch vertretbar. Die angesprochenen Skandale zeigen daher<br />
besonders plastisch, dass gerade auf der Mittelebene der unternehmerischen Handlungsstrategie<br />
der verantwortliche Gebrauch der unternehmerischen Freiheit das<br />
Problem ist. Nicht dass Unternehmen Gewinne erzielen, ist das Problem, sondern<br />
was sie dafür unternehmen.<br />
Der würdige Umgang mit Menschen, die Einhaltung von Arbeits- <strong>und</strong> Sozialstandards,<br />
die Schonung der Umwelt, der Kampf gegen die Korruption, die Rechnungslegung,<br />
usw., das alles sind wesentliche Handlungsfelder, auf denen gesellschaftliche Konflikte<br />
weltweit an der Tagesordnung sind <strong>und</strong> Politik <strong>und</strong> Recht sich zunehmend<br />
schwerer tun, (allein) befriedigende Lösungen zu entwickeln <strong>und</strong> durchzusetzen.<br />
Eine hochsensibel gewordene Öffentlichkeit richtet deshalb ihre Kritik über NGOs<br />
(Non-Governmental Organizations) nicht nur an die Politik <strong>und</strong> die staatlichen<br />
Organe, sondern auch <strong>und</strong> besonders an die mächtigen privaten Akteure, die großen<br />
multinationalen Unternehmen als unmittelbare Ansprechpartner. Hier wird eine<br />
ethische Verantwortung der Unternehmen eingefordert, die über das rechtlich Kodi-