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Fünftes und sechstes Forum Menschenwürdige Wirtschaftsordnung ...

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Akademie für Politische Bildung Tutzing<br />

kussion um den gerechten Preis <strong>und</strong> den gerechten Lohn. Dabei setzt sich der gerechte<br />

Preis zusammen aus dem Wert der zur Produkterstellung geleisteten Arbeit, den Ausgaben<br />

(Materialkosten, Transportkosten) sowie gegebenenfalls einem Aufschlag für die<br />

Seltenheit des Produktes <strong>und</strong> die Gefahren bei der Produkterstellung. Der gerechte Lohn<br />

ergibt sich aus dem anerkannten Wert der geleisteten Arbeit <strong>und</strong> der Würde der Person,<br />

die diese Arbeit leistet, <strong>und</strong> fußt auf einem gesellschaftlichen common sense über die<br />

Würde einzelner Tätigkeiten. Letzten Endes findet sich hier eine Vorstellung von Gerechtigkeit<br />

als proportionale Gleichheit wieder, die letztendlich auch als Gr<strong>und</strong>lage zur<br />

Bestimmung gerechter Preise <strong>und</strong> gerechter Löhne herangezogen wird <strong>und</strong> so die<br />

ökonomische Handlungssphäre bestimmt. Dem erzielbaren Nutzen im Sinne einer<br />

Profitmaximierung stehen dabei der Begriff der Ehre <strong>und</strong> die Gemeinwohlverpflichtung<br />

auch des individuellen ökonomischen Handelns gegenüber. Ausdrücklich bezieht sich<br />

beispielsweise Thomas von Aquin in seiner „Summa Theologica“ in der Frage nach<br />

dem gerechten Preis auf ein Beispiel Ciceros, der die Frage aufwirft, ob es ehrenwert<br />

sei, im Falle einer Hungersnot Getreide teurer als üblich zu verkaufen, im Gegensatz zu<br />

den Käufern wissend, dass noch andere Getreidelieferungen im Hungergebiet eintreffen<br />

werden. Zwar glaubt Thomas im Gegensatz zu Cicero nicht an eine unbedingte Pflicht,<br />

immer unaufgefordert die Wahrheit zu sagen, kommt aber dennoch zu dem Schluss,<br />

dass ein derartiges Verhalten obzwar nicht aus Rechtspflicht (justitia debito) geboten<br />

sei, wohl aber von großer Tugend zeuge.10 Noch drastischer kommt diese Vorstellung<br />

von „Gerechtigkeit“ als ehrenwertes Handeln im kaufmännischen Verkehr bei seinem<br />

Gewährsmann Cicero zum Ausdruck, der lobend das Beispiel Quintinius Scaevolas<br />

erwähnt, der dem Verkäufer eines Hauses 100 000 Sesterze mehr bezahlte als dieser<br />

verlangte, da es ihm diesen Preis wert schien.11<br />

Diese Vorstellung ist weit davon entfernt, Preise <strong>und</strong> Löhne als Ergebnis anonymer<br />

Marktkräfte zu betrachten, die per se als richtig, da in ihrer Allokationsfunktion effizient,<br />

betrachtet werden müssen. Entscheidend ist nicht die Nachfrage nach einem knappen Gut,<br />

die die Preise in die Höhe treibt, sondern der Nutzen, auf den der Verkäufer durch die<br />

Hingabe des Gutes verzichtet – hierfür ist ihm ein gerechter Ausgleich zu zahlen.<br />

Entsprechend heißt es bei Thomas:<br />

„[Zwar] […] kann etwas erlaubter Weise zu mehr verkauft werden, als es an sich wert<br />

ist, allerdings nicht zu mehr, als es Wert hat für den, der es besitzt. [...] Denn die<br />

Nützlichkeit, die dem anderen zuwächst, entstammt nicht dem Verkäufer, sondern der<br />

Lage des Käufers. Keiner aber darf dem anderen verkaufen, was nicht sein ist, mag er<br />

ihm auch den Schaden verkaufen können, den er leidet.“12<br />

Diese Vorstellung von Gerechtigkeit als Gr<strong>und</strong>lage ökonomischer Geschäftsbeziehungen<br />

beginnt sich erst im Laufe der Neuzeit zu verändern, wenngleich zunächst nur durch einen<br />

Perspektivenwechsel. Beziehen sich antike <strong>und</strong> mittelalterliche Autoren überwiegend auf<br />

10 Vgl. Aquin (1985), II-2 77, 3.<br />

11 Vgl. Cicero (1995), S. 3 <strong>und</strong> 62.<br />

12 Aquin (1985), II-2 77, 1.<br />

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