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Fünftes und sechstes Forum Menschenwürdige Wirtschaftsordnung ...

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Akademie für Politische Bildung Tutzing<br />

derartig ambivalentes Konzept sollte besser nicht mit in die Analyse einbezogen werden<br />

<strong>und</strong> (im Notfall) maximal zur Deutung von anderweitig nicht erklärbaren „Restgrößen“<br />

herangezogen werden. Damit stehen wir allerdings wieder am Anfang der Diskussion:<br />

Kultur wird zum (wissenschaftlich höchst uneleganten) Lückenbüßer, der immer dann<br />

zum Einsatz kommt, wenn die Kerndisziplin nicht mehr weiter weiß.<br />

Angesichts dieser Konstellation erscheint es angebracht, den Begriff „Kultur“ noch einmal<br />

genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Verständnis von Kultur in diesem Beitrag<br />

geht über die Alltagsverwendung dieses Begriffs, die darunter Theater, Literatur, bildende<br />

Künste etc. subsumiert, hinaus. Letztere werden hier nur als „Träger“ von Kultur<br />

verstanden, die in der Gesellschaft herausgebildete Normen <strong>und</strong> Wertvorstellungen<br />

sowie ethische Gr<strong>und</strong>überzeugungen über Zeit <strong>und</strong> Raum hinweg tradieren. Die Kultur<br />

per se ist sehr viel mehr. Für Douglass North gilt, dass „[…] culture consists often the<br />

intergenerational transfer of norms, values and ideas“.15 Ganz ähnlich auch das Verständnis<br />

von Svetozar Pejovich, für den „[culture denotes the] informal constraints on<br />

human interactions. […] The prevailing culture in the community is a synthesis of the<br />

community’s traditions, customs, moral values, religious beliefs, and all other norms of<br />

behavior that have passed the test of time.“16 Diese Definition zeigt bereits sehr<br />

deutlich, dass „Kultur“ offensichtlich nicht monolithisch, starr <strong>und</strong> unbeweglich ist. Sie<br />

wird hier vielmehr als Konglomerat verschiedenster Elemente, Traditionen, Gebräuche,<br />

religiöser Überzeugungen, Wertvorstellungen etc. verstanden. Pejovich spricht weitergehend<br />

von einer „vorherrschenden“ Kultur, was bedeutet, dass es auch „periphere“<br />

Kulturen gibt – ein Land, mehrere Kulturen?17 Damit wird zum Ausdruck gebracht,<br />

dass die diversen Kultur-Konstituenten in unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen unterschiedlich<br />

kombiniert <strong>und</strong> betont werden. Des Weiteren wird die Bedingung des „Überlebens<br />

über die Zeit“ hervorgehoben. D. h., Kulturen sind keine ewigen Gebilde,<br />

sondern steigen im Laufe der Zeit auf <strong>und</strong> gehen nieder. Kulturen („vorherrschende“<br />

wie „periphere“) gehen durch krisenhafte Phasen hindurch, in denen sie sich behaupten,<br />

verändern oder verschwinden! In Anbetracht dieser Komplexität erscheint eine allgemeingültigere<br />

<strong>und</strong> damit abstraktere Definition von Kultur sinnvoll: „[Culture is] the<br />

collective programming of the mind that distinguishes the members of one category of<br />

people from those of another.“18 Gr<strong>und</strong>legendes Verständnis ist hierbei, dass Kultur<br />

nicht genetisch vererbt, sondern in gesellschaftlichen Sozialisierungsprozessen erlernt<br />

wird. D. h., jeder Mensch ist bei Geburt nicht kulturell determiniert <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

offen für jede Form von Prägung. Aber sofort nach der Geburt setzt eine kulturspezifische<br />

Sozialisierung ein <strong>und</strong> schafft besonders in den ersten Lebensjahren eine kultu-<br />

15 North (2005).<br />

16 Pejovich (2003).<br />

17 Es geht hier allerdings nicht um die gleiche Thematik wie in der aktuellen deutschen „Leitkulturdiskussion“.<br />

Während letztere sich um zunehmend überlappende regionale „Kulturkreisgrenzen“ <strong>und</strong><br />

das Miteinander großer, historisch eigenständig gewachsener Kulturen wie z. B. der christlicheuropäischen<br />

<strong>und</strong> der orientalisch-islamischen Kulturen dreht, gilt hier das Interesse spezifischen<br />

Sonderausprägungen innerhalb eines derartigen Kulturkreises.<br />

18 Hofstede, Bond (1988).<br />

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