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Die Herausbildung der modernen slowenischen Literatursprache im ...

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<strong>Die</strong> <strong>Herausbildung</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>slowenischen</strong> <strong>Literatursprache</strong> <strong>im</strong> Kontext <strong>der</strong><br />

Nationenbildung<br />

Der Vortrag umfasst drei Perioden:<br />

1. die Zeit von den Freisinger Denkmälern bis zum Protestantismus<br />

2. die Aufklärung und die nationale Erneuerung – pre(po)rod –<br />

mit <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Illyrischen Provinzen und<br />

3. den Vormärz, als die slowenische Sprache mit dem Dichter Francè Prešeren den ersten<br />

künstlerischen Höhepunkt erreichte.<br />

1. Von den Freisinger Denkmälern bis zum Protestantismus<br />

<strong>Die</strong> Freisinger Denkmäler sind die ältesten slawischen Denkmäler in lateinischer Schrift – auf<br />

Grund <strong>der</strong> paläographischen Analyse stammen sie aus dem 10. Jhd. und sind karantanischpannonischen<br />

Ursprungs (sie weisen kärntnerslow. dialektale Merkmale auf); es handelt sich<br />

um drei altslowenische rhythmisierte Texte (allgemeine Beichte, Auffor<strong>der</strong>ung zur Buße), die<br />

1803 in <strong>der</strong> Freisinger Bibliothek gefunden wurden: die dortigen Bischöfe hatten kirchlichen<br />

Besitz auch in Kärnten, z.B. in Maria Wörth/Otok, das zur Christianisierung <strong>der</strong> Karantanen<br />

(130 Jahre vor Mähren!) gegründet wurde. Vom Mittelalter bis zum Protestantismus <strong>im</strong> 16.<br />

Jhdt. herrscht <strong>im</strong> Geistes- und Kulturleben <strong>der</strong> Slowenen jedoch kein Vakuum. Bisher ist etwa<br />

ein Dutzend handschriftlicher Dokumente religiösen Inhalts gefunden worden. Dazu zählen<br />

die spätmittelalterlichen Handschriften von Klagenfurt, Stična, Kranj, Udine, Škofja Loka,<br />

Stara gora, Cividale und einige mehr. Am stärksten blühte wegen <strong>der</strong> schlecht verbreiteten<br />

Schriftlichkeit die gleichwertige mündliche Literatur, von <strong>der</strong> nur das erhalten geblieben ist,<br />

was vor allem <strong>im</strong> 19. Jahrhun<strong>der</strong>t aufgezeichnet wurde. Vom gesammelten Material kann man<br />

auf einen außerordentlichen Reichtum dieses heute kaum noch vorkommenden literarischen<br />

Schaffens schließen.<br />

Ich selbst konnte noch in den 70-er Jahren Beschwörungsformeln, apokryphe Gebete und<br />

Erzählungen mit mittelalterlichen Motiven in den Karawankentälern aufzeichnen. Viele <strong>der</strong><br />

Informanten konnten we<strong>der</strong> lesen noch schreiben, waren jedoch sprachgewaltig und<br />

mundartlich unverdorben. In einer Kärntner <strong>slowenischen</strong> Landpfarre mit 200 Seelen gab es<br />

Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, in dem wir uns aufhalten, laut Schreiben eines damaligen<br />

Ortspfarrers an den Bischof von Gurk nur drei lese- und schreibkundige Personen!<br />

Das Slowenische manifestiert sich in seiner Geschichte lange als gesprochene Sprache, sei es<br />

in den lokalen Mundarten, sei es als Wort Gottes, das in einer überdialektalen Form von <strong>der</strong><br />

Kanzel kommt und wegen seiner Heiligkeit und Erhabenheit <strong>im</strong> „feierlichen Gewand“<br />

präsentiert werden muss (von den Freisinger Denkmälern bis zum Barockprediger Janez<br />

SVETOKRIŠKI und vom Bischof Anton Martin SLOMŠEK <strong>im</strong> 19. Jhdt. bis in den<br />

heutigen Tag), sei es als Sprache <strong>der</strong> Volksdichtung, die relativ spät aufgezeichnet wurde. <strong>Die</strong><br />

erste systematische Sammlung slowenischer Volkslie<strong>der</strong> wird übrigens von Prof. Karel<br />

ŠTREKELJ Ende des 19. Jhdts. von Graz aus organisiert!<br />

<strong>Die</strong> slowenische Bevölkerung <strong>der</strong> Habsburger-Monarchie war in <strong>der</strong> Neuzeit auf die<br />

Kronlän<strong>der</strong> Krain, Kärnten, Steiermark, Görz und Triest aufgeteilt. Dazu kam eine starke<br />

sprachliche Glie<strong>der</strong>ung in 7 Dialektgruppen, mit etwa 40 Mundarten, die sich auch heute<br />

sowohl auf phonologischer, morphologischer als auch lexikalischer Ebene stark voneinan<strong>der</strong><br />

unterscheiden, eine Tatsache, <strong>der</strong>en sich die protestantischen Schreiber <strong>im</strong> 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

sehr wohl bewusst waren. Man braucht dazu nur das 13 Seiten starke lexikalische Register <strong>der</strong>


diatopischen Synoyme <strong>im</strong> Anhang zur ersten <strong>slowenischen</strong> Bibel (Jurij DALMATIN, 1584),<br />

aufzuschlagen.<br />

Nach den Protestanten, die in kurzer Zeit Großartiges geleistet hatten – 56 bibliographische<br />

Einheiten in <strong>der</strong> 2. Hälfte des 16. Jhdts. (Pr<strong>im</strong>ož TRUBAR besorgte z.B. 1550 das erste<br />

slowenische Buch Catechismus in <strong>der</strong> Windischen Sprach), trat mit <strong>der</strong> Gegenreformation<br />

eine eher dunkle Periode <strong>im</strong> <strong>slowenischen</strong> Kulturleben ein. Der Laibacher Bischof Tomaž<br />

HREN ließ etliche protestantische Bücher mit Ausnahme <strong>der</strong> Dalmatin-Bibel um 1600<br />

verbrennen, auch erschienen <strong>im</strong> 17. Jahrhun<strong>der</strong>t keine nennenswerten <strong>slowenischen</strong> Drucke.<br />

Der dreißigjährige Krieg, Bauernaufstände, die Pest, Türkeneinfälle und das Desinteresse <strong>der</strong><br />

lokalen Kirche, aktiv etwas für die kulturelle Entwicklung des Volkes zu tun, taten das ihre.<br />

Zwar war sich Bischof Hren seiner sprachlichen Herkunft und <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Sprache für<br />

die Gestaltung des religiösen Bewusstseins gewahr, unternahm aber kaum etwas für die<br />

schriftliche Verbreitung des Slowenischen. Positiv anzurechnen bleibt dem Bücherverbrenner<br />

jedoch, dass er ein weit über die Grenzen seiner Diözese hinaus bekannter Kunstmäzen war:<br />

Er gewann nämlich slowenische, deutsche und italienische Maler und Bildhauer, mit <strong>der</strong>en<br />

Hilfe er eine große Anzahl von Kirchen, die von den Türken und Protestanten beschädigt<br />

worden waren, <strong>im</strong> alten Glanz erstrahlen ließ. Eine sehr fruchtbare Rolle spielen die Jesuiten.<br />

Allein in Klagenfurt erscheinen bis zum Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts rund zwei Dutzend<br />

slowenischer Drucke, darunter <strong>der</strong> Nachdruck <strong>der</strong> ersten <strong>slowenischen</strong> Grammatik des<br />

Protestanten Adam BOHORIČ (Articae horulae, 1584) in deutscher Sprache, ebenso wird<br />

das viersprachige Wörterbuch von Hieronymus MEGISER Dictionarium quattuor<br />

linguarum (lateinisch, windisch (=slow.), welsch (=it.), deutsch), ergänzt mit<br />

kärntner<strong>slowenischen</strong> Beispielen, neu herausgebracht. Zahlreiche slowenische Drucke<br />

besorgen die Jesuiten auch in <strong>der</strong> Steiermark und in Ljubljana (siehe Materialien zur<br />

Geschichte <strong>der</strong> Slawistik in <strong>der</strong> Steiermark, hrsg. von E. Prunč und L. Karničar, Graz 1987,<br />

Slowenistische Forschungsberichte II).<br />

Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t war die Tätigkeit <strong>der</strong> Protestanten jedoch lange schon vergessen und ihre<br />

Sprache nach 200 Jahren nicht einmal mehr in Krain, wo sie entstanden war, aktuell. <strong>Die</strong><br />

Bevölkerung in Kärnten verstand nicht mehr alles, die Steirer und die Küstenbewohner noch<br />

weniger, und die Bevölkerung <strong>im</strong> Übermurgebiet (Prekmurje) wohl kaum mehr etwas. Soweit<br />

vorhanden, blühte das regionale Schrifttum von Kärnten bis zum Übermurgebiet, welches sich<br />

des kroatischen Kajkavischen bediente, die ungarischen Buchstaben für Zischlaute<br />

verwendete und es sogar zu einer eigenen Übersetzung des Neuen Testaments auf einer gut<br />

funktionierenden pannonischen Dialektbasis brachte (Štefan KÜZMICH, Halle 1771). In<br />

Kärnten gab es eine Reihe von Volksdichtern – bukovniki genannt, die ihre Werke,<br />

Nachdichtungen und Übersetzungen in den <strong>slowenischen</strong> Mundarten besorgten. Einer von<br />

ihnen war <strong>der</strong> Dramatiker: Andrej ŠUSTER DRABOSNJAK aus Köstenberg bei Velden<br />

(Passionsspiel, Hirtenspiel, Das Spiel vom verlorenen Sohn usw.) – seine Werke wurden in<br />

einer Rosentaler Koiné in ganz Kärnten aufgeführt. In <strong>der</strong> Steiermark entwickelte <strong>der</strong> Pfarrer<br />

Peter DAJNKO (in <strong>der</strong> Nähe von Radkersburg) eine Literatur <strong>im</strong> oststeirischen Dialekt, er<br />

führte für die Zischlaute eigene Zeichen ein (dajnčica) und brachte zu Beginn des 19. Jhdt. an<br />

die 40.000 Bücher in dieser Schrift in Umlauf.<br />

2. <strong>Die</strong> Aufklärung<br />

<strong>Die</strong> Periode <strong>der</strong> Aufklärung und <strong>der</strong> nationalen Erneuerung (slow. prerod od. preporod,<br />

Wie<strong>der</strong>geburt) umfasst bei den Slowenen den zeitlichen Rahmen des aufgeklärten<br />

Absolutismus (Josef II.), <strong>der</strong> Illyrischen Provinzen (1809-1813) und des Vormärz — <strong>im</strong>


Vergleich zu den Englän<strong>der</strong>n, Franzosen und Deutschen also eine zeitverzögerte geistige<br />

Strömung.<br />

<strong>Die</strong> Aufklärung ist ein <strong>im</strong> 17. und 18. Jhdt. aufkommen<strong>der</strong> Begriff für einen<br />

Erkenntnisprozess, <strong>der</strong> gerichtet ist auf die Befreiung von Traditionen, Konventionen und<br />

Normen, die nicht vernunftgemäß begründet werden können. Es handelt sich um eine<br />

gesellschaftskritische Bewegung, die den Prozess <strong>der</strong> Säkularisierung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Welt<br />

einleitet. Den verschiedenen Richtungen <strong>der</strong> Aufklärung ist die Autonomie <strong>der</strong> menschlichen<br />

Vernunft gemeinsam. <strong>Die</strong> Vernunft ist die letzte Instanz, die über Methoden, Wahrheit und<br />

Irrtum je<strong>der</strong> Erkenntnis entscheidet. Mit dem Glauben an die Vernunft verbindet sich <strong>der</strong><br />

Glaube an den Fortschritt. <strong>Die</strong> <strong>slowenischen</strong> Aufklärer sind keine Philosophen, son<strong>der</strong>n<br />

Praktiker, Physiokraten (= Landwirtschaft als Quelle nationalen Reichtums) und<br />

Volkserzieher.<br />

Maria Theresia begann 1747 eine neue Staatsverwaltung einzuführen, eine Art<br />

Landesregierungen mit niedrigeren Verwaltungsinstanzen - Kreisen. Sie beseitigte die<br />

Zollgrenzen zwischen den einzelnen Kronlän<strong>der</strong>n und schuf dadurch eine wirtschaftliche<br />

Einheit auf gesamtstaatlicher Ebene. Das Straßennetz von Wien nach Triest wurde verbessert,<br />

dadurch wurde auch die slowenischsprachige Bevölkerung von Kärnten bis Kroatien stärker<br />

miteinan<strong>der</strong> verbunden. Es entstand ein an<strong>der</strong>es Bewusstsein hinsichtlich <strong>der</strong> Einheit des<br />

<strong>slowenischen</strong> ethnischen Territoriums. Durch die heterogene Terrainmorphologie, die<br />

administrativen und kirchlichen Einheiten und die zahlreichen Mundarten mit ausgeprägten<br />

Profilen blieb die Kommunikation zwischen den <strong>slowenischen</strong> Gruppen und Gebieten<br />

nämlich noch ins 19. Jahrhun<strong>der</strong>t hinein erschwert. Eine Zunahme <strong>der</strong> Kommunikation<br />

erfolgte erstmals durch die Aufklärung, die schließlich auch zu einer Vernetzung mit an<strong>der</strong>en<br />

slawischen Gebieten inner- und außerhalb <strong>der</strong> Monarchie führte. Der Kärntner Jesuit und<br />

Aufklärer Oswald GUTSMANN führt in seiner Windischen Sprachlehre (1777) die<br />

Verbreitung <strong>der</strong> slawischen Sprachen genau an und unterstreicht die Bedeutung des<br />

Slowenischen; Bischof Slomšek meint in einer berühmten Predigt, man solle nicht so tun, als<br />

wäre <strong>der</strong> Wörthersee das größte Meer <strong>der</strong> Welt und als ob die Welt auf dem Loiblpass enden<br />

würde!<br />

Mit einem kaiserlichen Dekret 1774 wurde die Allgemeine Schulordnung erlassen, wodurch<br />

die Normal-, Haupt- und Trivialschulen errichtet wurden. Trotz des Bestrebens, den Staat<br />

mittels <strong>der</strong> deutschen Sprache kulturell zu vereinheitlichen, herrschte am Wiener Hof doch<br />

soviel Pragmatismus, dass die Kaiserin auch Schulen in einer Sprache zuließ, die das Volk<br />

verstand. So entstand die slowenische Grundschule, für die <strong>der</strong> Pädagoge Blaž KUMERDEJ<br />

<strong>im</strong> Jahre 1772 den Lehrplan erarbeitete. Und das war ein wichtiger Pfeiler für das slowenische<br />

nationale Erwachen.<br />

Schließlich sorgte eine bedeutende soziale Tat <strong>der</strong> aufgeklärten Gesellschaft für eine weitere<br />

Grundlage, auf <strong>der</strong> sich die slowenische nationale Erneuerung entwickeln konnte. Zu<br />

Allerheiligen 1781 erließ Josef II. das Untertanenpatent (= Aufhebung <strong>der</strong> Leibeigenschaft),<br />

das den Bauern die persönliche Freiheit gab, womit allmählich ein eigenes Bürgertum<br />

entstehen konnte, das zum Träger <strong>der</strong> nationalen Bewegung wurde.<br />

Vor dem großen Ereignis, <strong>der</strong> französischen Revolution hatte Josef II. nicht zu Unrecht<br />

Angst. Sie signalisierte einen Umbruch in <strong>der</strong> abendländischen Geistes- und Kulturgeschichte,<br />

denn in Frankreich scheiterte die Aufklärung durch die Überschätzung <strong>der</strong> Vernunft und<br />

pervertierte zum Dogmatismus und Terror. Allein in <strong>der</strong> Provinz Vendée <strong>im</strong> Norden wurden


<strong>im</strong> Namen <strong>der</strong> Freiheit fast 120.000 Einwohner, da sie als königstreu und katholisch galten,<br />

bestialisch ermordet und ein Fünftel <strong>der</strong> Häuser dem Erdboden gleichgemacht.<br />

2.1. <strong>Die</strong> erste Phase <strong>der</strong> nationalen Erneuerung<br />

Entscheidend für die nationale Erneuerung bei den Slowenen war <strong>der</strong> subjektive Wille einer<br />

Handvoll Intellektueller, die sich dieser kulturellen Aktion verschrieben haben, mit dem Ziel,<br />

<strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Sprache die gleiche Geltung zu verschaffen, wie sie die deutsche hatte.<br />

Zunächst einmal beabsichtigen sie aber die Sprache zu vereinheitlichen, wie es den Deutschen<br />

mit dem Hochdeutschen lange zuvor gelungen war, und dazu eine einheitliche Orthographie<br />

zu schaffen. Es war unmöglich, für die Geistlichen von einer Pfarre zur an<strong>der</strong>en zu eilen und<br />

in je<strong>der</strong> in einer an<strong>der</strong>en Mundart zu predigen.<br />

<strong>Die</strong> Geburtsstunde dieser Bewegung schlägt 1768 mit <strong>der</strong> Krainischen Grammatik des<br />

Discalzeaten (= barfüßiger Augustiner ) Pater Marko POHLIN. Geschrieben wurde sie auf<br />

Deutsch, das damals auch Bildungssprache <strong>der</strong> Slowenen war (die erste Grammatik von<br />

Adam Bohorič, 1584, war noch in Latein verfasst, die Grammatiken des 18. Jhdts. erschienen<br />

alle in Deutsch, die erste in slowenischer Sprache stammt von Valentin VODNIK (1811):<br />

Pismenost ali gramatika za perve šole, <strong>der</strong> auch mit <strong>der</strong> Grammatik M. Lomonosovs vertraut<br />

war).<br />

Pohlin war die meiste Zeit seines Lebens in Wien tätig und in Kontakt mit Michael DENIS,<br />

dem Barden Maria Theresias und Josefs II, dem Übersetzer des Ossian, <strong>der</strong> seinen Freund<br />

Pohlin auffor<strong>der</strong>te, „alte Lie<strong>der</strong>“ zu sammeln. In Wien wurde 1761 auch die Deutsche<br />

Gesellschaft gegründet mit <strong>der</strong> Absicht, die deutsche Sprache ins österreichische Kulturleben<br />

einzuführen, was den Wi<strong>der</strong>stand bei Konservativen hervorrief, die darin einen Angriff auf<br />

den Glauben und die Kirche sahen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, warum Pohlin<br />

das Gleiche für die Slowenen for<strong>der</strong>t, als er in <strong>der</strong> Einleitung unter an<strong>der</strong>em schreibt:<br />

“Schämen wir uns unserer Muttersprache nicht, liebe Landsleute. Sie ist nicht so schlecht, wie<br />

man glaubt!“ Und weiters fragt er sich, warum sich wegen einer Handvoll deutscher<br />

Herrschaft das ganze Volk in Krain mit dem Deutschen herum plagen sollte.<br />

Pohlins Verdienst ist es, dass er auf die reiche Volksdichtung und die Möglichkeit hinwies,<br />

man auch weltliche Inhalte versifizieren und klassische Dichtung ins Slowenische zu<br />

übersetzen. Er gab auch ein Wörterbuch (Tu malu besediše treh jezikov) heraus – wie in <strong>der</strong><br />

Regel die Grammatiker des 18. und 19. Jhdts. es taten —, denn ein Vogel kann nur fliegen,<br />

wenn er zwei Flügel hat, weiters ein Rechenbuch und eine wertvolle Enzyklopädie von<br />

Ratschlägen für die Bauern. Lei<strong>der</strong> distanzierte er sich von <strong>der</strong> alten ehrwürdigen<br />

Protestantentradition, ihre Sprache war ihm zu volksnah und zu antiquiert – er bezeichnete sie<br />

als Pöbelsprache. <strong>Die</strong> Sprache <strong>der</strong> Laibacher gebildeten Bürger sollte die Grundlage für einen<br />

Neuanfang bilden! Mit dieser engen Auffassung hätte er die unter großem italienischen und<br />

deutschen Druck stehenden Kärntner, Steirer und Triestiner von vornherein ausgeschlossen.<br />

In seinem Vorwort zur Grammatik kommen bereits Lexeme vor, die das Barock noch nicht<br />

kennt, z.B. Lob, Nutzen, Vortheil, vernünftig, Regel, Sinn, Verstand.<br />

Inzwischen war nicht nur die Sprache <strong>der</strong> Protestanten als veraltet aufgefasst worden, auch<br />

die Orthographie geriet außer Kontrolle, je<strong>der</strong> schrieb wie er konnte. <strong>Die</strong> Einsicht <strong>der</strong><br />

Notwendigkeit einer einheitlichen Sprache aber bestand bei den meisten Schreibenden — die<br />

Frage war nur, auf welcher Basis dies geschehen sollte. Pohlin schwebte, wie gesagt, das<br />

Laibacher Bürgerslowenisch vor, was später Jurij JAPELJ, <strong>der</strong> Sekretär des Laibacher<br />

Bischofs Herberstein, verhin<strong>der</strong>n konnte. Er nahm 1784 eine neue Bibelübersetzung in


Angriff und bewerkstelligte sie in 20 Jahren. Er und sein Gesinnungsgenosse Oswald<br />

Gutsmann aus Kärnten lehnten die Idee Pohlins entschieden ab und setzten sich für die<br />

Erneuerung <strong>der</strong> Schriftsprache auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Bibelübersetzung von Dalmatin und einiger<br />

Barockwerke ein, womit für Kontinuität vom Protestantismus bis ins 18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

gesorgt wurde.<br />

Pohlin bemühte sich zwar sehr, die Sprache zu mo<strong>der</strong>nisieren und sie mit Ausdrücken des<br />

Oberkrainer Dialekts zu bereichern. Lei<strong>der</strong> fehlte ihm die notwendige sprachliche<br />

Ausbildung; er war zu zentralistisch ausgerichtet. In seinem Wörterbuch nahm er lediglich<br />

fünf Karantanismen auf, während <strong>der</strong> Kärntner Aufklärer Oswald Gutsmann für sein<br />

Deutsch-windisches Wörterbuch 1789 sehr wohl den gesamten Pohlin exzerpierte. Auch ist<br />

Gutsmanns Einleitung zur Windischen Sprachlehre 1777 (6 Auflagen!) eine wahre Apologie<br />

<strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Sprache.<br />

Neben dem Priesterkreis, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> nationalen Erneuerung verschrieb, war auch ein<br />

bürgerlicher Kreis in Ljubljana tätig, <strong>der</strong> sich um den reichen Baron Sigismund Žiga ZOIS<br />

sammelte. Dazu zählten <strong>der</strong> Dichter Valentin VODNIK (Priester), <strong>der</strong> Jurist, Historiker und<br />

Dramatiker Anton Tomaž LINHART und <strong>der</strong> Arzt und Botaniker französischer Herkunft<br />

Baltazar HACQUET. Warum so viele Geistliche? Einfach deshalb, da die Sprache bzw.<br />

Sprachwissenschaft ein Nebenprodukt <strong>der</strong> religiösen Ausbildung und Erziehung war. <strong>Die</strong><br />

Sprache war in <strong>der</strong> Katechese und Liturgie <strong>im</strong>mer ein Instrument für die Erreichung <strong>der</strong> Ziele,<br />

die die Christenlehre vermitteln wollte.<br />

Der bedeutendste Kopf dieser Runde war <strong>der</strong> Freigeist Linhart. 1788 und 1791 veröffentlichte<br />

er in zwei Teilen die erste wissenschaftliche Geschichte <strong>der</strong> Slowenen Versuch einer<br />

Geschichte von Krain und den übrigen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> südlichen Slaven Österreichs, in <strong>der</strong> er<br />

die Einheit des <strong>slowenischen</strong> Volkes unterstrich. In <strong>der</strong> Laibacher Zeitung schreibt er 1786<br />

unter dem Titel „Was sind wir Krainer?“ Folgendes: „Das Volk, das <strong>im</strong> Südteil <strong>der</strong><br />

österreichischen Län<strong>der</strong> zwischen <strong>der</strong> Drau und Adria lebt, zählt zum großen<br />

charakteristischen Volksstamm <strong>der</strong> Slawen, es ist seiner Sprache und Herkunft nach ein und<br />

<strong>der</strong>selbe Volkszweig und nur umständehalber, obwohl es historisch nicht ganz richtig ist, wird<br />

es in Krainer und Wenden (Slowenen) geteilt.“<br />

In <strong>der</strong> Geschichte beschreibt er die Lebensweise <strong>der</strong> Menschen, die Zivilisation und nicht so<br />

sehr Ereignisse und Schlachten. Lei<strong>der</strong> kam er nur bis zum Tode Karls des Großen. Er<br />

verwendet nicht den Ausdruck Wenden, son<strong>der</strong>n Krainer o<strong>der</strong> Karantanen. Das<br />

mittelarlterliche Karantanien ab dem 7. Jhdt. war ein slawisches Fürstentum, das bei Vodnik<br />

sehr viel Platz einn<strong>im</strong>mt. <strong>Die</strong> Fürsten, später Herzöge, wurden auf dem Fürstenstein bei<br />

Karnburg am Zollfeld, eingesetzt (bis 1414 war die Zeremonie in slowenischer Sprache).<br />

Be<strong>im</strong> Herzogstuhl folgte dann ein feudaler Rechtsakt - eine Zeremonie, die zahlreiche<br />

mittelalterliche Chroniken erwähnen. Sie wird auch als frühes Beispiel direkter Demokratie in<br />

Europa angeführt, denn <strong>der</strong> zukünftige Fürst erhält die Macht direkt aus den Händen des<br />

freien Bauern (kosez – Edling; vgl. den häufigen Ortsnamen Kazaze/Edling).<br />

Linhart verurteilte die Darstellung <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Geschichte nach Län<strong>der</strong>n. <strong>Die</strong> Einheit<br />

des gesamten <strong>slowenischen</strong> Volkes war die logische Konsequenz seiner Erkenntnis. Und<br />

diese Auffassung übernahmen in <strong>der</strong> Sprachwissenschaft Jernej KOPITAR in <strong>der</strong> ersten<br />

wissenschaftlichen Grammatik <strong>der</strong> slavischen Sprache in Krain, Kärnten und Steyermark<br />

(1808). In seinem Wir-Bewusstsein bezeichnet sich Kopitar noch abwechselnd als Krainer,<br />

Slowene, Slawe und Wende. In dieser Zeit beginnt sich nämlich auch <strong>im</strong> Deutschen <strong>der</strong> Name<br />

Slowenen und slowenisch durchzusetzen, und zwar nach 1811 (Urban Jarnik in <strong>der</strong>


Klagenfurter Zeitschrift Carinthia, und in Graz Johann Nepomuk Pr<strong>im</strong>itz, <strong>der</strong> Inhaber <strong>der</strong><br />

<strong>slowenischen</strong> Lehrkanzel).<br />

Linhart schrieb auch die ersten <strong>slowenischen</strong> Dramen: Županova Micka (1789) – eine freie<br />

Übersetzung Richters <strong>Die</strong> Feldmühle - und Ta veseli dan ali Matiček se ženi (1790) – eine<br />

selbstständige Bearbeitung Beaumarchais La folle journée ou le mariage de Figaro, letzteres<br />

durfte wegen des antifeudalen Inhalts (Spott usw.) bis zur Revolution 1848 nicht aufgeführt<br />

werden.<br />

Neben Linhart ist <strong>der</strong> Beitrag Vodniks zur Entwicklung <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Poesie und des<br />

nationalen Bewußtseins hervorzuheben. Er schreibt zahlreiche Gedichte und gründet die erste<br />

slowenische Zeitung Lublanske novice (1797). Mit diesem Blatt endete die 1. Phase des<br />

preporod. Ihr folgten noch zwei Perioden: die <strong>der</strong> Illyrischen Provinzen und des Vormärz.<br />

2.2. <strong>Die</strong> Zeit <strong>der</strong> Illyrischen Provinzen<br />

Nach dem dritten Sieg über Österreich (Wagram 1809) schnitt Napoleon Österreich vom<br />

Adriatischen Meer ab, indem er aus habsburgischen Teilgebieten die Illyrischen Provinzen<br />

bildete, die über Italien mit dem französischen Kaiserreich verbunden waren. Dazu zählten<br />

Oberkärnten um Villach, Krain, Görz, Triest, Istrien (= 2/3 des slow. Territoriums), Kroatien<br />

südlich <strong>der</strong> Save und Dalmatien einschl. Dubrovnik. <strong>Die</strong> Hauptstadt war Laibach, wo noch<br />

heute ein Napoleon-Denkmal zu bewun<strong>der</strong>n ist.<br />

<strong>Die</strong> Franzosen führten den Code civile ein, versorgten die Verwaltung mit eigenen Beamten,<br />

den Feudalherren wurden alle öffentlichrechtlichen Funktionen entzogen. <strong>Die</strong> Bauern<br />

profitierten wegen <strong>der</strong> hohen Kriegssteuern nichts, <strong>der</strong> Handel ging wegen <strong>der</strong><br />

Kontinentalsperre sogar zurück, es profitierte aber sehr wohl die slowenische Sprache, die an<br />

Bedeutung in <strong>der</strong> Öffentlichkeit (Schule und Administration) gewann. Der bereits erwähnte<br />

Valentin Vodnik machte den Entwurf für die Schulorganisation nach dem Prinzip, dass allen<br />

jungen Illyrern die Ausbildung in ihrer Muttersprache ermöglicht werden müsse. Er schrieb<br />

eine Ode auf Napoleon Ilirija oživljena (Wie<strong>der</strong>erstandenes Illyrien) und verfasste auch alle<br />

Lehrbücher für die slow. Grundschulen. An <strong>der</strong> Normalschule führten die Franzosen statt des<br />

Deutschen das Französische ein, ebenso in den Unterklassen des Gymnasiums. Somit hatten<br />

die slow. Schulen ein hohes Niveau erhalten, das sie in Österreich erst nach 1848 wie<strong>der</strong><br />

erreichen konnten. Nach <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage Napoleons bei Leipzig (Oktober 1813) nahmen die<br />

Franzosen den Hut und das österr. feudale und politische System kehrte zurück.<br />

Ein wichtiger soziolinguistischer Grund für das Aufblühen des slow. Nationalbewußtseins in<br />

dieser Zeit war das Auffinden <strong>der</strong> Freisinger Denkmäler. Das bedeutete die bereits <strong>im</strong><br />

Mittelalter erfolgte Einbindung <strong>der</strong> Karantanen in den westeuropäischen Kulturraum und<br />

stärkte erheblich das Selbstbewusstsein <strong>der</strong> Intellektuellen. Der Blick wird zusehends auf die<br />

historische Vergangenheit <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Sprache gerichtet und das historische Bild <strong>der</strong><br />

Sprache beginnt auf ihre „Zukunft“ einzuwirken. In <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts sind<br />

bereits Kontakte zwischen dem Alt<strong>slowenischen</strong> des 9./10. Jhdts. und dem Neu<strong>slowenischen</strong><br />

geknüpft! <strong>Die</strong> sogenannte Pannonische Theorie über die karantanisch-pannonische<br />

Provenienz des Altkirchenslawischen bleibt dann bis zum Ende des 19. Jhdts. aktuell.<br />

Auch Kopitars Grammatik <strong>der</strong> traditionellen Krainer Schriftsprache brachte neue<br />

Erkenntnisse. Sie führte langfristig zur Aufgabe regionaler schriftsprachlicher Varianten.<br />

Wegen <strong>der</strong> zahlreichen Mundarten setzte sich aber in <strong>der</strong> 1. Hälfte des 19. Jhdts. nicht das


phonetische, son<strong>der</strong>n das etymologisch-historische Prinzip <strong>der</strong> Orthographie durch eine für<br />

alle Slowenen annehmbare Rechtschreibung, die die Grundlage für die neuslowenische<br />

Schriftsprache bildete.<br />

In politisch-kultureller Hinsicht ist auch die Errichtung <strong>der</strong> ersten Lehrkanzel für Slowenisch,<br />

1811 am Grazer Lyzeum, von Bedeutung. Das war die weltälteste Slowenistik mit 60<br />

Studenten, vor allem Theologen und Juristen und einer entsprechenden Breitenwirkung. <strong>Die</strong><br />

Gründung war notwendig, da die steirische Bevölkerung zu 2/5 slowenisch-sprachig war,<br />

durch die Illyrischen Provinzen jedoch kein Zuzug von Priestern und Beamten aus Ljubljana<br />

mehr möglich war. Vielleicht handelte es sich auch um eine Gegenleistung <strong>der</strong> Habsburger<br />

für die größeren Öffentlichkeitsrechte des Slowenischen, die von den Franzosen in ihren<br />

Provinzen gewährt wurden. Lei<strong>der</strong> konnte <strong>der</strong> erste Lehrkanzelinhaber, <strong>der</strong> Aufklärer und<br />

Dichter Janez Nepomuk PRIMIC nur 3 Semester unterrichten und Studenten ausbilden,<br />

bevor er dem Wahnsinn verfiel (s. zweisprachige Gedenktafel an <strong>der</strong> Alten Universtät in<br />

Graz, enthüllt am 12. Oktober 2001).<br />

3. Der Vormärz<br />

Nach Napoleon folgt <strong>der</strong> Metternichsche Absolutismus, <strong>der</strong> sich je<strong>der</strong> nationalpolitischen<br />

Bewegung <strong>der</strong> Völker wi<strong>der</strong>setzt, umso mehr aber wurden die Sprache und diverse kulturelle<br />

Aktivität entwickelt. Das gilt für die Konservativen (Jernej Kopitar, <strong>der</strong> Metternichs Zensor<br />

war, Anton Slomšek und Janez BLEIWEIS, seit 1836 Herausgeber <strong>der</strong> bäuerlichen Zeitung<br />

Novice), als auch für die Liberalen (Urban Jarnik und France Prešeren).<br />

Slomšek, <strong>im</strong> Dom von Maribor begraben, blieb auch als Bischof dem Volk treu. Er war 12<br />

Jahre lang freiwilliger Lektor für Slowenisch am Priesterseminar in Klagenfurt und rief in<br />

seinen Predigten des öfteren zur Treue gegenüber <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Sprache auf,<br />

argumentierend, dass vor Gott alle Sprachen gleich seien und es somit keinen Unterschied<br />

zwischen Deutschen und Slowenen gäbe. Je<strong>der</strong> sei verpflichtet, die von den Eltern<br />

übernommene Sprache zu pflegen, zu erhalten und den Kin<strong>der</strong>n weiterzugeben. In Moosburg<br />

bei Klagenfurt, in <strong>der</strong> Pfarrkirche Urban Jarniks, <strong>der</strong> berühmtesten Kärntner <strong>slowenischen</strong><br />

Persönlichkeit in jener Zeit, predigte er zu Pfingsten 1838: Wer seine slowenische<br />

Muttersprache vergisst, vergräbt sein Talent leichtsinnig, doch Gott wird einst von ihm<br />

Rechenschaft for<strong>der</strong>n, und alle Verachter dieser ehrsamen Sprache werden in die ewige<br />

Finsternis geworfen werden. Er schrieb Schulbücher, z.B. Blaže in Nežica v nedeljski šoli<br />

(1842) und verfasste Gedichte, die zu Volkslie<strong>der</strong>n geworden sind. Nach 150 Jahren wurde er<br />

dann selig gesprochen. Er war Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hermagoras-Bru<strong>der</strong>schaft (Mohorjeva<br />

družba) in Klagenfurt, die bis zum Ende <strong>der</strong> Monarchie über 4 Millionen Bücher<br />

herausbrachte, sie über Pfarrhöfe vertrieb und dem einfachen Volk mit erbaulicher, harmloser<br />

Lektüre auf diese Weise das Lesen und Bildung beibrachte. Ansonsten war Slomšek<br />

konservativ und legit<strong>im</strong>istisch eingestellt, man konnte von ihm kein nationalpolitisches<br />

Engagement erwarten. Sein Verdienst war es auch, 1859 den Bischofsitz von St.Andrä <strong>im</strong><br />

Lavanttal nach Maribor verlegt zu haben.<br />

Slomšeks Zeitgenosse war <strong>der</strong> Gailtaler Dichter, Pfarrer, Lexikograph, Ethnologe Urban<br />

JARNIK, <strong>der</strong> in persönlichem und schriftlichem Kontakt zu einer Reihe von Intellektuellen<br />

stand: es besuchten ihn u.a. <strong>der</strong> russ. Slawist I. I. Sreznevskij, <strong>der</strong> Vertreter des Illyrismus<br />

Stanko Vraz, Bischof Slomšek und Prešeren; er korrespondierte mit Pr<strong>im</strong>itz in Graz, Kopitar<br />

in Wien, V. Vodnik in Ljubljana und vielen deutschsprachigen Intellektuellen in Kärnten.<br />

Erhalten sind über 200 Briefe. Als slawistischer Autodidakt kannte er die Werke von<br />

Dobrovský und Kopitar und übte mit seinen mehr als 20 Publikationen einen großen Einfluss


auf das geistige Leben <strong>der</strong> Slowenen aus. Als Wortführer <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Bewegung in<br />

Kärnten trug er viel zur gesamt<strong>slowenischen</strong> Bewusstseinsbildung bei. Er veröffentlichte viel<br />

in <strong>der</strong> liberalen Klagenfurter Zeitschrift Carinthia und schlug u.a. als erster die neuen<br />

phonologisch-morphologischen Formen als gemeinsame Grundlage für die neu zu schaffende,<br />

allgemeinverpflichtende, normierte slowenische Schriftsprache vor; diese wurden von seinen<br />

slawistischen Nachfolgern als richtig erkannt. Lei<strong>der</strong> vermochte er durch seine Wirkung die<br />

fortschreitende Germanisierung nicht aufzuhalten.<br />

Am bedeutendsten für die nationale Entwicklung wurde aber <strong>der</strong> liberale Kreis um den<br />

größten <strong>slowenischen</strong> Dichter France PREŠEREN, mit dessen Poesie die slowenische<br />

Sprache den ersten künstlerischen Höhepunkt erreicht hatte. <strong>Die</strong>sem Kreis gelang auch die<br />

Lösung einiger Grundfragen des damaligen Slowenentums: so wurde in den 30-er Jahren die<br />

Einheit <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Sprache durchgesetzt und <strong>der</strong> sogenannte ABC-Krieg nicht zu<br />

Gunsten <strong>der</strong> Schrift <strong>der</strong> Protestanten (bohoričica = deutsche Ligaturen für die Zischlaute),<br />

son<strong>der</strong>n für die gajica (benannt nach dem Vertreter <strong>der</strong> kroat. Erneuerungsbewegung Ljudevit<br />

Gaj, <strong>der</strong> nach čech. Vorbild für Zischlaute den Haček einführte) entschieden. <strong>Die</strong> Zeitung<br />

Novice verhalf <strong>der</strong> gajica endgültig zum Sieg. Auch wurde die Verschmelzung <strong>der</strong><br />

<strong>slowenischen</strong> Sprache mit <strong>der</strong> kroatischen (<strong>der</strong> sog. Illyrismus) vereitelt. Seine Vertreter<br />

waren <strong>der</strong> Meinung, dass alle südslawischen Stämme ein einziges Volk seien – eine Idee, die<br />

bei einigen Slowenen bis ins 20. Jhdt. in verschiedenen Formen <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> auftaucht.<br />

Prešeren hob die slowenische Sprache durch sein vollendetes Schaffen auf ein Niveau, das<br />

den höchsten künstlerischen Ansprüchen gerecht wurde. Sein Trinklied an die Völker Žive naj<br />

vsi narodi wurde 150 Jahre später zur Hymne des <strong>slowenischen</strong> Staates. Ein konkretes<br />

nationalpolitisches Programm brachte aber erst die Märzrevolution, die das Metternich-<br />

Reg<strong>im</strong>e weggefegt hatte.<br />

<strong>Die</strong> neuen Sprachformen (nove oblike), wie sie von Jarnik und Miklošič vorgeschlagen<br />

wurden, ließ 1850 <strong>der</strong> Schriftsteller Luka Svetec veröffentlichen. Sie fanden schließlich<br />

Eingang in die Slovenska slovnica (Klagenfurt 1854 – 10 Auflagen!) von Anton Janežič, in<br />

jene Grammatik, nach <strong>der</strong> die Slowenen bis zum Ersten Weltkrieg ihre Sprache studierten.<br />

Bei <strong>der</strong> Durchsicht <strong>der</strong> repräsentativsten Dichter <strong>der</strong> Aufklärungszeit lässt sich feststellen,<br />

dass drei Stilrichtungen nebeneinan<strong>der</strong> bestehen: die barocke (Janez Damascen DEV, <strong>der</strong><br />

auch das erste slowenische Opernlibretto schreibt: Belin), die klassizistische (Valentin<br />

Vodnik) und die vorromantische (Urban Jarnik). Sie sind unterscheidbar und chronologisch<br />

feststellbar, doch ist keiner dieser Stile einheitlich. Man könnte von einem Synkretismus<br />

sprechen, <strong>der</strong> zu den Charakteristiken dieser Epoche gehört. Synkretistisch geblieben ist er<br />

vor allem deshalb, da die nationalerweckende und aufklärerische Funktion <strong>der</strong> Dichtung <strong>im</strong><br />

Vor<strong>der</strong>grund stand und nicht so sehr die künstlerische. <strong>Die</strong> Aufklärung ist auch die Zeit <strong>der</strong><br />

Konstituierung <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> weltlichen Literatur und ihrer Gattungen, mit Ausnahme <strong>der</strong><br />

Prosa, die erst drei Jahrzehnte später folgt.<br />

<strong>Die</strong> Zeit <strong>der</strong> nationalen Erneuerung und <strong>der</strong> Aufklärung war für die slowenische<br />

Nationalliteratur und –kultur eine entscheidende und ausschlaggebende Epoche. <strong>Die</strong> Schöne<br />

Literatur, Wissenschaft (auf die hier nicht eingegangen wurde) und eine einheitliche Sprache<br />

samt Bildungswesen, wenn auch vorwiegend unter dem Schirm <strong>der</strong> Kirche, konnten sich<br />

durchsetzen. Entstanden war die Bewegung aus einer Handvoll Intellektueller, vor allem <strong>der</strong><br />

Ordensgeistlichkeit, wurde aber später von breiten Schichten <strong>der</strong> <strong>slowenischen</strong> Bevölkerung,<br />

auch vom neu entstandenen Bürgertum, mitgetragen.

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