is full of love Elen Kantopoulou - Goethe-Universität
is full of love Elen Kantopoulou - Goethe-Universität
is full of love Elen Kantopoulou - Goethe-Universität
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Johann Wolfgang <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong> Frankfurt am Main<br />
Kunstpädagog<strong>is</strong>ches Institut<br />
Seminar: Clipping Reality. Die Welt der Musikvideoclips<br />
Dozentin: Pr<strong>of</strong>. Dr. Birgit Richard<br />
Wintersemester 2004/05<br />
Referentin: <strong>Elen</strong> <strong>Kantopoulou</strong><br />
Björk: All <strong>is</strong> <strong>full</strong> <strong>of</strong> <strong>love</strong><br />
1. Allgemeine Daten<br />
• Länge des Videos: 4.07 Minuten<br />
• Insgesamt 60 Schnitte / 15 Schnitte pro Minute (andere Videos b<strong>is</strong> zu 42 Schnitte/Min.)<br />
vergleichswe<strong>is</strong>e Werbespots ca. 28 Schnitte/Min und Spielfilme ca. 10 Schnitte/Min.<br />
• beats per minute liegen bei etwa 80, insgesamt sehr ruhig<br />
• Entstehungsjahr: 1999<br />
• Clip-Reg<strong>is</strong>seur: Chr<strong>is</strong> Cunningham<br />
2. Beschreibung<br />
• Aus dem Dunkeln eine Kamerafahrt über Kabelgewirr in Richtung eines beleuchteten Raumes<br />
• Eine Gestalt liegt dem Betrachter zugewandt mit geschlossenen Augen auf einer Art Bank<br />
• Der Raum <strong>is</strong>t steril in schwarz und weiß gehalten und gleicht einer cleanen hoch entwickelten<br />
technolog<strong>is</strong>chen Fertigungsstätte ausgestattet mit Maschinen, die von Kabeln umhangen sind<br />
• Der Körper gleicht einem Maschinenmenschen bestehend aus mechan<strong>is</strong>chen Elementen,<br />
Kabeln, E<strong>is</strong>enteilen und angeschraubten Plastikabdeckungen<br />
• Das Gesicht mutet menschlich an; es <strong>is</strong>t das Björks: eine Androidin<br />
• Sie schlägt die Augen auf und blickt den Betrachter an und beginnt zu singen<br />
• Der Körper <strong>is</strong>t unvollständig, liegt ruhig auf der Bank und wird von Maschinen bearbeitet –<br />
dieser Vorgang gleicht der Montageband-Herstellung aus der Autoindustrie<br />
• Zw<strong>is</strong>chendurch werden Großaufnahmen von den Maschinenarmen beim Schrauben am<br />
Körper, und verschiedene Bauelemente der Androidin gezeigt (in milchiger Flüssigkeit)<br />
● Die Maschinen sind aus dem gleichen Material wie die Androidin<br />
• Sprühende Funken unterbrechen die schwarz-weiße Farbgestaltung<br />
• Die Gestalt sitzt mit leicht nach unten geneigtem Kopf auf der Bank, die Maschinen sind nicht<br />
mehr zu sehen, und singt<br />
• Jetzt tritt eine zweite weibliche Androide, ein Duplikat ihrer selbst, ihr gegenüberstehend in<br />
Erscheinung. Die beiden blicken sich innig an, die Stehende streckt der Sitzenden die Hand<br />
entgegen und lächelt sie liebevoll an<br />
• Großaufnahme eines milchigen Tropfens der nicht fällt sondern sich zurückentwickelt<br />
• Androidinnen singen einander „All <strong>is</strong> <strong>full</strong> <strong>of</strong> <strong>love</strong>“ im Dialog zu<br />
• Detailaufnahme vom Schoß der Sitzenden wie er mit milchiger Flüssigkeit umspült wird<br />
• Die Androidinnen knien nun in inniger Umarmung einander gegenüber. Intensiv umarmen und<br />
liebkosen sie einander und küssen sich innig<br />
• Die Maschinenarme haben währenddessen ihre Arbeit an den Körpern aufgenommen<br />
• Kurz komplette Dunkelheit
• Bei Wiederbeleuchtung tauschen die Androidinnen in gleicher Position zueinander immer<br />
noch intensivere und innigere Gesten der Liebe aus<br />
• Die Musik ertönt nur noch aus dem <strong>of</strong>f<br />
• Kamerafahrt aus dem Raum heraus auf gleichem Weg wie hinein, zurück in die Dunkelheit<br />
über das Gewirr von Kabeln<br />
Kurzbeschreibung:<br />
wir wohnen der Montage einer Androidin auf einer Art Fließband bei, die im Verlauf des Clips<br />
auf ihr Ebenbild trifft, mit dem sie Liebe und Zärtlichkeiten austauscht<br />
Aspekte der Analyse<br />
Gesamteindruck des Videos:<br />
• beschreibt eine Zukunftsv<strong>is</strong>ion<br />
• insgesamt sehr ruhig; seichte, langsame Bewegungen, harmon<strong>is</strong>ch<br />
• durchgehende Reduktion der Farben auf schwarz und weiß<br />
Unterbrechung dessen nur durch gebrochenes Licht / sprühende Funken /<br />
rotes Emblem (Yamtajika), rosa und blaue Aura die die Köpfe umgibt<br />
• klin<strong>is</strong>ch weißer Raum: clean / steril / hochtechnolog<strong>is</strong>che Fertigungsstätte<br />
Material der Androidin aus Metall/Kabeln/Plastik<br />
Maschinen sind aus gleichem Material wie die Androidinnen<br />
● alles <strong>is</strong>t in Bewegung, alles <strong>is</strong>t im Fluß auch wenn langsam aber nicht träge!<br />
Funken sprühen<br />
milchige Flüssigkeit umspült die Stellen, die von den Maschinen bearbeitet werden<br />
Maschinen schrauben, bohren, setzen zusammen<br />
Androidinnen liebkosen, küssen sich<br />
● weiche Bildschnitte, langsame Kameraführung<br />
● Glanz in allem: Gesicht, Körper, Augen, milchige Flüssigkeit<br />
Analyse einzelner Aspekte<br />
● Aufwerfen mehrerer Widersprüche:<br />
▪ Vereinigung von Mensch und Maschine: Maschine als beseeltes Wesen<br />
Der Aspekt des Menschlichen steht hier für Gefühl in Form von Zärtlichkeit,<br />
Liebe, Erotik, Behutsamkeit, Sensitivität, Sensibilität<br />
Eine Maschine in Menschengestalt, ein Roboter vermittelt i.d.R. Kälte, Leblosigkeit,<br />
Gefühllosigkeit, Härte: hier aber nicht!<br />
Dem Betrachter werden aber trotz der Starre des an sich unbeweglichen, mit einer<br />
harten Oberfläche versehenen Körpers durchweg warme, liebevolle, intensive<br />
Gefühle transportiert. Bewegungen, die seicht und weich anmuten sind abgesehen<br />
von den Augen, den Lippen und der Zunge nur von den Gelenken ausgehend<br />
möglich. Die Lebendigkeit der Augen, die Aufnahme des Blickkontakts mit dem<br />
Betrachter unterstreichen den Umstand, daß es sich um beseelte Wesen handelt
▪ Ausdruck von äußerst intensiven und zärtlichen Gefühlen wird erreicht durch:<br />
Ausdruck der Augen<br />
sanfte Bewegungen<br />
runde Formen/weibliche Formen: Brüste/Bauch/Hintern<br />
▪ Körper gleicht einer Maschine – Gesicht we<strong>is</strong>t menschliche Züge auf<br />
Körper besteht aus E<strong>is</strong>enteilen, Kabeln, Elfenbein gleichenden Abdeckungen<br />
der Kopf <strong>is</strong>t ebenso maschinell, das Gesicht we<strong>is</strong>t menschliche Züge auf:<br />
* Augen, die sich wie beim Menschen bewegen<br />
* Gesicht <strong>is</strong>t glatt, fein, glänzend, weich – fein geformte Nase und Lippen<br />
was einer perfekten Maske gleicht, Mund und Zunge, bewegbar<br />
▪ Zuwe<strong>is</strong>ung von männlicher / weiblicher Rolle<br />
obwohl es sich hier ganz klar um zwei weibliche Androiden handelt wird durch das<br />
Umgeben einer Aura eine Rollenzuwe<strong>is</strong>ung vorgenommen; die Köpfe werden von<br />
einem rosa, bzw. blauen Licht umstrahlt<br />
▪ Kalt-Warm-Gegensatz<br />
cleaner, hermet<strong>is</strong>ch abgeriegelter Raum, Schwarz-Weiß-Farbigkeit, Maschinen,<br />
die Maschinenmenschen herstellen – all das würde normalerwe<strong>is</strong>e kalt, gar<br />
furchterregend auf den Betrachter wirken. Hier aber nicht! Gesamtes Arrangement<br />
<strong>is</strong>t auf Harmonie, Seichtheit, Vollkommenheit ausgerichtet<br />
▪ trotz Einsatz von Maschinen, die ident<strong>is</strong>che Kunstmenschen herstellen und des<br />
sterilen Ortes wird im Betrachter kein Unbehagen ausgelöst; es entsteht keine Angst<br />
vor der Möglichkeit des Eintritts einer solchen Situation irgendwann in der Zukunft<br />
erreicht wird dies dadurch, daß die Androidinnen als liebenswerte, zärtliche und<br />
ganz sanfte Geschöpfe dargestellt werden<br />
von ihnen geht keine Bedrohung aus, sie haben nichts Böses, Unbekanntes an sich<br />
sie werden menschlich, als beseelte Wesen dargestellt, die „auf Liebe programmiert<br />
sind“<br />
All <strong>is</strong> <strong>full</strong> <strong>of</strong> <strong>love</strong> <strong>is</strong>t ein Positivbe<strong>is</strong>piel für die Herstellung von Maschinenmenschen<br />
O die Programmierung der Maschinenmenschen <strong>is</strong>t das Entscheidende<br />
O ihre Gestaltung<br />
▪ Feuer / Wasser<br />
sprühende Funken / milchige Flüssigkeit<br />
● die Liebesszene nimmt fast die Hälfte des Videos ein. Die Androidinnen sind in den<br />
Austausch der Zärtlichkeiten und den Liebesspielen zutiefst versunken. Sie haben nur noch<br />
Augen füreinander. Ab dem Moment wo sie einander gegenüberstanden wird der Betrachter<br />
zum Voyeur, es wird kein Augenkontakt mehr mit ihm aufgenommen.<br />
● sie sind voneinander entzückt und verzaubert, voller Wonne und Glückseligkeit<br />
● all ihre Bewegungen beim Liebkosen sind anmutig, seicht, warm, verlangend<br />
● die Maschinen können ihre Leidenschaft nicht stören, sie sind völlig versunken<br />
die Liebesszene scheint endlos lange anzuhalten<br />
● Das Ebenbild als Spiegel zur eigenen Bewußtwerdung
● Aspekt der Zeit – inwieweit <strong>is</strong>t Zeit themat<strong>is</strong>iert – wird sie in Bilder transportiert?<br />
Zukunftsv<strong>is</strong>ion<br />
natürlicher Alterungsprozeß des menschlichen Körpers “ewige Maschinen“<br />
die Maschinen beschäftigen sich scheinbar endlos mit den Robotern, obwohl dafür<br />
teilwe<strong>is</strong>e keine Notwendigkeit sichtbar <strong>is</strong>t<br />
weibliche Androiden scheinen sich endlos zu küssen<br />
Zeit scheint aufgehoben zu sein: der Tropfen, der am Fallen gehindert wird könnte als ein<br />
Symbol der Zeit gedeutet werden. Die Zeit <strong>is</strong>t aufgehoben, spielt keine Rolle mehr<br />
● Aspekt des Gebärens / Fortpflanzung<br />
allgemein im Verlauf des Videos, in der Fertigung der Androidin<br />
in der Herstellung der zweiten Androidin<br />
in der Umspülung des Unterleibs der zuerst sichtbaren Androidin <strong>is</strong>t ein Verwe<strong>is</strong> auf<br />
den Gebärvorgang zu sehen. Danach tritt die zweite Androidin in Erscheinung<br />
Zitat von Chr<strong>is</strong> Cunningham<br />
„I always thought it would be nice to mix aesthetic <strong>of</strong> robotic fet<strong>is</strong>h<strong>is</strong>m with something<br />
completely conflicting. All <strong>is</strong> <strong>full</strong> <strong>of</strong> <strong>love</strong> <strong>is</strong> so much about romance and sexuality that I thought<br />
it might be interesting to push those ideas together with a sort <strong>of</strong> cold technology, and see if we<br />
could make it work.”