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Hier liegt wohl auch über die Verweise auf Solidarnosc <strong>und</strong> auf Charles Péguy<br />

hinaus der Gr<strong>und</strong> für die Beliebtheit dieses Begriffs in der kirchlichen Sprache.<br />

Er fasziniert, weil Solidarität das Engagement aller im gemeinsamen Kampf<br />

gegen Unrecht <strong>und</strong> für Gerechtigkeit verspricht.<br />

Grenzen<br />

Leider wird jedoch bei gründlicherem Nachdenken die Verzauberung durch ihn<br />

der Ernüchterung weichen. Schon bei seinem Aufkommen in Deutschland wurde<br />

gefragt, welche Kräfte denn der Idee der Verbrüderung <strong>und</strong> der Solidarität aller<br />

die erhoffte Effizienz verliehen. Johann Gottlieb Fichte (†1814) richtete seinen<br />

Appell an die Staatsträger, sie müßten die Solidarität von ihren Bürgern einfordern;<br />

er zweifelte <strong>als</strong>o offenbar daran, daß sie ein „Selbstläufer“ wäre. Auch in<br />

unseren Tagen gibt der Philosoph Jürgen Habermas zu bedenken, daß eine Solidarisierung<br />

mit anderen Personen <strong>und</strong> ihren Zielen nur möglich ist, wenn jene<br />

sich für diese Ziele auch selbst einsetzen. So möchte es sein, daß das Vertrauen<br />

in die Solidarität sich aus einem Idealismus speist, der die Natur des Menschen<br />

wie die Lehren der Geschichte mit rosaroter Brille liest. Sind nicht oft genug die<br />

hehren Gefühle verflogen, wenn die Last des grauen Alltags drückte? Solcher<br />

Argwohn straft den im Begriff steckenden Wahrheitsgehalt nicht Lügen, gießt<br />

aber doch nicht wenige Wermutstropfen in den berauschenden Trank.<br />

Und sie nötigt endlich dazu, den von Pierre Lerou eliminierten Begriff wieder<br />

ins Licht zu rücken: Charité. Ihn neu herauszustellen, muß zunächst festhalten,<br />

daß in manchen Aussagen zur jüngsten Geschichte Polens <strong>und</strong> zu den Appellen<br />

Péguys statt Solidarität durchaus der Begriff charité hätte gebraucht werden<br />

können. Die Überschneidung beider Begriffe lag ja auf der Hand. Und der Elan,<br />

den der Begriff Solidarität offenbar in sich trägt, macht auch seine zunehmende<br />

Verwendung in kirchlichen Dokumenten jüngster Vergangenheit verständlich.<br />

Dennoch darf ein f<strong>und</strong>amentaler Unterschied zwischen beiden Begriffen nicht<br />

verwischt werden: Solidarität wurde von einem Boden hervorgebracht, der Welt<br />

<strong>und</strong> Menschen empirisch-zweidimensional deutet; er anerkennt nur das Greifbare<br />

<strong>als</strong> relevant. Charité aber sollte im Licht von Offenbarung <strong>und</strong> Glaube gelesen<br />

werden; dieser Kontext hält dann neue Einsichten bereit, die von der Soziallehre<br />

der Kirche zu beachten sind.<br />

Recht <strong>und</strong> Liebe<br />

Die christliche Botschaft sprengt zunächst die Vorstellung von Gerechtigkeit, die<br />

mit dem Begriff solidarité angezielt wird.<br />

Vom römischen Recht her wurde Gerechtigkeit verstanden <strong>als</strong> „voluntas ius<br />

suum unicuique tribuendi – der Wille, jedem sein Recht zuzuteilen“. Sie lag <strong>als</strong>o<br />

umfassend im Wollen <strong>und</strong> Wirken des Menschen. Anders versteht schon das<br />

Alte Testament die Gerechtigkeit. Es enthält für die Schaffung eines gerechten<br />

Miteinanders im auserwählten Volk starke Hinweise auf die Intervention Jahwes.<br />

Er verpflichtet sich, daß sich Gerechtigkeit in den Sozialbeziehungen durchsetzt.<br />

Er fordert gerechten Lohn <strong>und</strong> unparteiische Rechtsprechung (vgl. Exod 23.1 ff).<br />

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