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Mit der unveräußerlichen Menschenwürde auch des Straftäters kommt ein letzter<br />

qualitativer Gesichtspunkt in den Blick, der einem rein quantifizierenden Abwägungskalkül<br />

eine absolute Grenze zu ziehen <strong>und</strong> deswegen m. E. ein kategorisches<br />

Folterverbot durchaus plausibel zu begründen vermag. 42<br />

Allerdings sollte man sich zweier möglicher Folgeprobleme einer solchen Argumentation<br />

bewußt sein: erstens ist damit zu rechnen, daß die entscheidende,<br />

nicht zu überschreitende Grenze, an der die Autonomiefähigkeit eines Menschen<br />

durch staatliche Zwangsmaßnahmen irreversiblen Schaden nimmt, je nach Robustheit<br />

der betroffenen Person individuell variiert, so daß eine praktische Umsetzung<br />

dieser Verbotsnorm hohe Anforderungen an das praktische Urteilsvermögen<br />

aller Beteiligten stellt.<br />

Zweitens ist davon auszugehen, daß es eine ganze Reihe von polizeilichen<br />

Zwangsmaßnahmen gibt, die sicherlich noch unterhalb der Schwelle der Würdeverletzung<br />

bleiben. Präzisiert man daher das in der eingangs zugr<strong>und</strong>e gelegten<br />

Folterdefinition enthaltene objektive Tatbestandsmerkmal der ‚Zufügung starker<br />

körperlicher Schmerzen <strong>und</strong>/oder seelischer Leiden‘ i.S. der nachhaltigen Schädigung<br />

der für die Menschenwürde entscheidenden Autonomiefähigkeit des<br />

Betroffenen, dann bleiben immer noch verschiedene staatliche Zwangsmittel<br />

erlaubt, deren Einsatz dringend der formalen Regelung bedarf, auch wenn man<br />

diese Maßnahmen sinnvollerweise nicht mehr <strong>als</strong> ‚Folter‘ im strikten Sinne bezeichnen<br />

sollte.<br />

Die beiden genannten Probleme sind gewiß sehr ernst zu nehmen, doch wiegen<br />

sie m. E. nicht so schwer, daß sie die gr<strong>und</strong>sätzliche Plausibilität eines deontologischen<br />

Folterverbots zu erschüttern vermögen. Dies gilt um so mehr, <strong>als</strong> der<br />

Verweis auf die Menschenwürde in diesem Zusammenhang auch zwei nicht zu<br />

unterschätzende Vorteile hat: er erinnert uns nämlich zum einen daran, daß gerade<br />

auch in den für die Rettungsfolter einschlägigen psychologisch schwierigen<br />

Entführungs- <strong>und</strong> Erpressungssituationen jeder einzelne prinzipiell nur für sein<br />

eigenes Handeln (nicht aber für die voraussehbaren Folgen des Handelns anderer!)<br />

verantwortlich ist 43 , wodurch einer oftm<strong>als</strong> ins Phantastische übersteigerten<br />

Aufblähung unserer Verantwortung für die Rettung der Welt von vorneherein die<br />

Gr<strong>und</strong>lage entzogen wird.<br />

Zum anderen zeichnet sich die <strong>hier</strong> vertretene Position aber auch durch ihren<br />

nüchternen politischen Realismus aus. Bei dem immer wieder bemühten sog.<br />

ticking bomb-Szenario, in dem die Anwendung der Rettungsfolter erlaubt sein<br />

soll, handelt es sich nämlich um eine abstrakte Konstruktion, deren spezifische<br />

Bedingungen in der Realität bislang in noch keinem einzigen Fall angewandter<br />

Folterungen erfüllt waren. Statt der millionenfachen realen Anwendung der<br />

Folter durch den theoretischen Nachweis eines vermeintlichen Rechts auf die<br />

künftige Anwendung der Rettungsfolter ungewollt den Schein zumindest der<br />

Diskussionswürdigkeit (wenn nicht gar der Legitimität) zu verschaffen, zeichnet<br />

sich das klare deontologische Verdikt auch über die Rettungsfolter u.a. auch<br />

dadurch aus, für derartige politische Instrumentalisierungen prinzipiell untauglich<br />

zu sein.<br />

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