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Resistenzmöglichkeit“ 24 belassen, was durch die Folter aber gerade ausges chlossen<br />
sei, da diese regelmäßig auf die Totalunterwerfung des Gefolterten abziele.<br />
Was ist von einem solchen rechtsstaatlichen Begründungsansatz zu halten? Obwohl<br />
ich Reemtsmas Ziel der Begründung eines absoluten Folterverbots ausdrücklich<br />
teile, weist seine konkrete (nicht nur sprachlich ganz im Plausibilitätsrahmen<br />
der Habermasianischen Variante der Diskursethik verbleibende) Argumentation<br />
m. E. wenigstens drei gravierende Schwachpunkte auf: erstens hält<br />
seine Behauptung, auch eine streng reglementierte Zulassung der Rettungsfolter<br />
führe unweigerlich zur nachhaltigen Beschädigung der Substanz des Rechtsstaates<br />
einer empirischen Überprüfung nicht stand. Gerade die Erfahrungen des 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts zeigen, daß den zivilisatorischen Abstürzen z.B. im Vietnam- <strong>und</strong><br />
im Algerienkrieg ein „erstaunlich schnelles Sich-wieder-Berappeln“ der betroffenen<br />
rechtsstaatlichen Systeme folgte, das Reemtsma sogar ausdrücklich anerkennt.<br />
25 Zweitens hat der Verweis auf die engstens mit der Rechtssubjektivität<br />
verb<strong>und</strong>ene Forderung nach einer wenigstens minimalen Resistenzmöglichkeit<br />
des Bürgers den Nachteil, daß sie einerseits zuviel <strong>und</strong> andererseits zuwenig<br />
leistet. 26<br />
Zuviel leistet sie insofern, <strong>als</strong> auch andere staatliche Maßnahmen wie z.B. der<br />
finale polizeiliche Rettungsschuß dem Bürger die Resistenzmöglichkeit rauben<br />
<strong>und</strong> das Opfer in seiner Rechtssubjektivität zerstören, so daß neben der Folter<br />
noch weitere staatliche Gewaltmaßnahmen unter Reemtsmas striktes Verbotsurteil<br />
fallen müßten. Zuwenig leistet der Gedanke der totalen Aufhebung der Widerstandsfähigkeit<br />
des Bürgers dagegen insofern, <strong>als</strong> nur „eine keinerlei Beschränkungen<br />
unterliegende Folter ... die Chance des Opfers zum Widerstand zur<br />
Gänze auf(hebt)“ 27 , während einer ‚maßvollen‘ Folter zu widerstehen durchaus<br />
möglich bleibe. Müßte Reemtsma dann nicht konsequenterweise solche milderen<br />
Formen der Folter zulassen? Am gravierendsten scheint mir jedoch drittens der<br />
Umstand, daß sich Reemtsma einerseits dezidiert für einen rein formalprozeduralen<br />
Begründungsansatz stark macht 28 , andererseits dann aber doch<br />
seine Zuflucht zu „materiale(n) Äquivalente(n)“ 29 des Rechtsstaatsgedankens<br />
nehmen muß, um der argumentativen Schwäche der reinen Formalität aufzuhelfen.<br />
Das Ergebnis ist eine Art doppelte begründungstheoretische Buchführung.<br />
So erfrischend der Verzicht auf die übliche Beschwörung der moralischen Rechte<br />
<strong>und</strong> der Selbstzwecklichkeit des potentiellen Folteropfers auf den ersten Blick<br />
zu sein scheint, so wenig vermag sich der Gedanke der ‚Rechtssubjektivität‘ von<br />
diesem metaphysischen Hintergr<strong>und</strong> wirklich vollständig zu befreien <strong>und</strong> argumentativ<br />
für sich selbst aufzukommen.<br />
2.2 Die teleologische Begründungsvariante<br />
Eine zweite Argumentationsstrategie zugunsten eines strikten Folterverbots begegnet<br />
uns bei Werner Wolbert, der für „ein auf dem Gesichtspunkt der Güterabwägung<br />
basierendes (teleologisch begründetes) Nein zur Folter“ 30 plädiert.<br />
Wolbert weist zu Recht darauf hin, „daß mit der Feststellung, die Folter sei niem<strong>als</strong><br />
verantwortbar, (noch) nicht der zwischen Deontologen <strong>und</strong> Teleologen<br />
strittige Punkt getroffen ist“. 31 Richtig ist auch seine Beobachtung, daß das katholische<br />
Lehramt zwar in jüngster Zeit wiederholt auf die ausnahmslose<br />
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