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sung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis<br />
verursacht werden. Der Ausdruck umfaßt nicht Schmerzen oder Leiden, die sich<br />
lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit<br />
verb<strong>und</strong>en sind.“<br />
In dieser Definition finden sich drei wichtige Elemente, die alle vorhanden sein<br />
müssen, wenn begründeterweise von ‚Folter‘ gesprochen werden soll. Es sind<br />
dies: „(1) ein objektiver Tatbestand, der mit der ‚Zufügung großer körperlicher<br />
oder seelischer Schmerzen oder Leiden‘ umschrieben wird, ferner (2) ein subjektiver<br />
Tatbestand, bestehend aus Vorsatz <strong>und</strong> einer bestimmten Intention <strong>und</strong><br />
schließlich (3) eine besondere Nähe des Täters zur staatlichen Gewalt“. 11<br />
Obwohl vor allem das erste Definitionselement – <strong>als</strong>o der Verweis auf große<br />
körperliche <strong>und</strong>/oder seelische Schmerzen <strong>und</strong> Leiden – gewiß noch der näheren<br />
Spezifizierung bedarf, ist kaum zu bestreiten, daß damit zumindest die wichtigsten<br />
der derzeit bekannten Foltermethoden (wie z.B. Schläge, Elektroschocks,<br />
gezielte Verbrennungen an empfindlichen Körperteilen, das Ausreißen von Finger-<br />
<strong>und</strong> Fußnägeln, Knochendurchbohrungen, Amputationen, sexueller Mißbrauch<br />
bis hin zur Vergewaltigung durch Tiere, Scheinhinrichtungen sowie psychische<br />
Manipulationen durch Schlafentzug, Gehirnwäsche, Verabreichung von<br />
Drogen oder die extrem prolongierte Verhinderung jedweder Sinneswahrnehmung)<br />
erfaßt werden. Beachtung verdient zudem das dritte Definitionselement,<br />
das die Folter von den verschiedenen Formen privater etwa häuslicher Gewalt<br />
abgrenzt, die trotz ihres gelegentlich systematischen <strong>und</strong> lang anhaltenden Charakters<br />
keinen Zusammenhang mit den Trägern staatlicher Gewalt aufweisen. 12<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Begriffsverständnisses soll nachfolgend das Problem<br />
der moralischen Bewertung von Folterhandlungen diskutiert werden.<br />
2. Zur Debatte um die sogenannte ‚Rettungsfolter‘<br />
In der gegenwärtigen Diskussion geht es nicht um eine generelle Erlaubnis der<br />
Folter zu beliebigen Zwecken. Niemand bestreitet ernsthaft, daß Folter zur Erlangung<br />
eines Geständnisses, zur Bestrafung von Kriminellen oder gar zur Einschüchterung<br />
von politischen Gegnern immer <strong>und</strong> unter allen Umständen verboten<br />
ist. Der Streit geht allein um die Frage, ob Folter zum Zwecke der Rettung<br />
von Menschenleben in bestimmten Extremsituationen wie dem berühmt -<br />
berüchtigten ticking bomb-Szenario erlaubt ist, in dem ein Terrorist das Leben<br />
Tausender unschuldiger Bürger mit einer tickenden Zeitbombe bedroht <strong>und</strong> damit<br />
eine Gefahrensituation heraufbeschwört, die sich zumindest prima facie nur<br />
dadurch beseitigen läßt, daß dem Täter unter der Folter der Zahlencode der versteckten<br />
Bombe abgepreßt wird.<br />
So unterschiedliche Autoren wie der Heidelberger Ordinarius für Öffentliches<br />
Recht Winfried Brugger 13 , der Hamburger Rechtsphilosoph Reinhard Merkel 14<br />
<strong>und</strong> der Münchener Historiker Michael Wolffssohn haben sich jüngst zustimmend<br />
zur Möglichkeit einer legitimen ‚Rettungsfolter‘ geäußert <strong>und</strong> damit nach<br />
Einschätzung vieler ihrer Kollegen einen Tabu-Bruch begangen, der nicht unwidersprochen<br />
bleiben darf. 15<br />
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