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Paul Josef Cordes<br />
Solidarität oder Nächstenliebe?<br />
Komplementäres <strong>und</strong> Distinktives<br />
Im vergangenen Oktober beriet die Bischofssynode in Rom über das Thema „Die<br />
Eucharistie: Quelle <strong>und</strong> Höhepunkt des Lebens <strong>und</strong> der Sendung der Kirche“. Da<br />
das umfassende Abschlußdokument eine längere Zeit der Beratungen nötig<br />
macht <strong>und</strong> vom Papst selbst verantwortet wird, verfaßten die Synodenväter noch<br />
während der Zusammenkunft wieder einen kurzen Text; er wollte eine unmittelbare<br />
Antwort auf das öffentliche Interesse der Synode sein <strong>und</strong> soll verhindern,<br />
daß die Teilnehmer mit leeren Händen in die Diözesen zurückkehren. Er nennt<br />
sich Nuntius, wird von einer Redaktionsgruppe der Bischöfe rasch formuliert <strong>und</strong><br />
dann vom Plenum gebilligt. Er will ein authentischer Spiegel der erfahrenen<br />
Brüderlichkeit <strong>und</strong> des pastoralen Ringens sein.<br />
Beliebtheit des Begriffs „Solidarität“<br />
In der Einleitung dieser „Botschaft“ taucht gleich dreimal der Begriff „Solidarität“<br />
(Nr. 4 <strong>und</strong> 5) auf; auch anschließend wird er nochm<strong>als</strong> aufgenommen (Nr.<br />
13). Solche Häufung macht aufmerksam. Indessen verw<strong>und</strong>ert seine Herausstellung<br />
den nicht, der weitere offizielle kirchliche Stellungnahmen jüngeren Datums<br />
befragt. So gibt es im „Katechismus der Katholischen Kirche“ von 1992 23<br />
Stellen, ihn zu erläutern, <strong>und</strong> im „Kompendium der kirchlichen Soziallehre“ von<br />
2005 sind es gar 63 Hinweise. Vergleicht man nun allerdings diese Kumulation<br />
seiner Verwendung mit den Akten des Vaticanum II, so findet man in einer Konkordanz<br />
der zahlreichen <strong>und</strong> oft langen Beschlußtexte nur 9 Verweise. Weiter<br />
läßt sich feststellen, daß seine lateinische Version (solidarietas) in vorkonziliaren<br />
kirchlichen Verlautbarungen überhaupt fehlt, <strong>und</strong> daß sich auch das „Dictionaire<br />
de théologie catholique“ sogar ablehnend gegenüber seinem Gebrauch<br />
äußert: die soziale Solidarität sei der christlichen Liebe systematisch entgegengesetzt.<br />
Angesichts der Karriere des Wortes „Solidarität“ fragt sich der Beobachter, welche<br />
Gründe es so populär gemacht haben mögen. Natürlich kann ich den semantischen<br />
Prozeß nicht empirisch bestimmen wie man eine chemische Formel oder<br />
die Schwingungen eines Tones sichert. Ich will dazu nur einen Versuch beisteuern,<br />
der skizzenhaft bleibt <strong>und</strong> eher Zufälliges herausgreift.<br />
Solidarnosc<br />
Zunächst möchte ich an eine politische Bewegung in Polen erinnern, deren Zeitzeugen<br />
wir teilweise waren. Am 14. August 1980 kam es in Danzig auf der<br />
Schiffswerft zum Streik; 17.000 Arbeiter schlossen sich zur Gewerkschaft Soli-<br />
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