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imperien auch in der Türkei präsent sind, sich möglicherweise offiziell <strong>als</strong> islamische<br />
Bewegungen organisieren dürften. Es würde schließlich auch bedeuten,<br />
daß sich die Aleviten endlich <strong>als</strong> Religionsgemeinschaft <strong>und</strong> nicht nur in Kulturvereinen<br />
etablieren könnten. Das macht nicht nur echten Laizisten <strong>und</strong> den Anhängern<br />
der kemalistischen Staatsideologie mit ihrem Staatsislam Angst. Das<br />
scheint auch manchen europäischen Diplomaten soweit zu verstören, daß das<br />
Thema Religionsfreiheit geradezu zum Tabuthema zu werden scheint. Ein Blick<br />
auf Art. 9, Abs. 2 EMRK, der gesetzliche Beschränkungen der Religions- <strong>und</strong><br />
Bekenntnisfreiheit zuläßt, „sofern es sich um die in einer demokratischen Gesellschaft<br />
notwendigen Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der<br />
öffentlichen Ordnung, ... oder für den Schutz der Rechte <strong>und</strong> Freiheiten anderer“<br />
handelt, könnte da sicher weiterhelfen. Ein wehrhafter demokratis cher Rechtsstaat<br />
Türkei, der sich Religionsfreiheit im Sinne des Artikel 9 EMRK leisten<br />
kann, muß das gemeinsame Ziel sein.<br />
Die Zweifler<br />
Noch gibt es aber in der Türkei <strong>und</strong> darüber hinaus viele, die nicht glauben können<br />
oder wollen, daß die Türkei tatsächlich eines Tages Mitglied der Europäischen<br />
Union sein könnte.<br />
- Die Anhänger des türkischen Nationalismus, die Türken nicht einschließend<br />
definieren – alle Bürger der Türkei, gleich welcher Ethnie oder Religion sie<br />
angehören, sind Türken, wie es der Staatsgründer Atatürk wollte –, sondern ausschließend<br />
– Türke ist, wer türkischer Muttersprache <strong>und</strong> sunnitisch-islamischer<br />
Religionszugehörigkeit ist – <strong>und</strong> sich nicht mit dem Gedanken abfinden können,<br />
daß einst eine europäische Identität an die Stelle ihrer türkischen Identität treten<br />
könnte.<br />
- All jene in der Türkei <strong>und</strong> in Europa, die sich nicht vorstellen können, daß sich<br />
die Mentalität der Mehrheit der türkischen Bevölkerung in den nächsten zehn bis<br />
fünfzehn Jahren so weit fortentwickeln könnte, daß sie die Werte der Europäischen<br />
Union <strong>als</strong> ihre Werte betrachten würden.<br />
- Aber auch jene, die wie ein Teil der türkischen Medien <strong>und</strong> der türkischen<br />
Öffentlichkeit immer wieder darüber diskutieren, ob die maßgeblichen Akteure<br />
der türkischen Regierungspartei AKP – darunter Ministerpräsident Erdogan <strong>und</strong><br />
Außenminister Gül – doch keine geläuterten Islamisten seien <strong>und</strong> noch immer<br />
der Ideologie der Nationalen Sicht (Milli Görüs) anhängen. Ziel dieser Ideologie,<br />
die der Vorsitzende der islamistischen Nationalen Heilspartei <strong>und</strong> spätere türkische<br />
Ministerpräsident Necmettin Erbakan in den siebziger Jahren entwickelte<br />
<strong>und</strong> in Buchform publizierte, ist es, die laizistische Staatsordnung in der Türkei<br />
zu beseitigen <strong>und</strong> ein auf Koran <strong>und</strong> Scharia basierendes Rechts- <strong>und</strong> Gesellschaftssystem<br />
zu errichten. Erdogan <strong>und</strong> Gül etwa waren in den siebziger Jahren<br />
Jungfunktionäre von Erbakans Nationaler Heilspartei. (Millî Selamet Partisi/MSP).<br />
Die Nationale Heilspartei wurde nach dem Militärputsch vom 12. September<br />
1980 verboten, ihre ebenfalls islamistischen Nachfolgeparteien, die<br />
Wohlfahrtspartei (Refah Partisi/RP) <strong>und</strong> die Tugendpartei (Fazilet Partisi/FP) am<br />
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