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e der Empfehlungen der Europäischen Kommission – verabschieden, wäre zwar<br />
die rechtliche Lage der Gemeindestiftungen etwas klarer. Für die Kirchen <strong>als</strong><br />
solche <strong>und</strong> die jüdische Gemeinschaft, wie auch für den Islam wäre dies aber<br />
rechtlich völlig unbedeutend, da sich am Rechtsstatus der Religionsgemeinschaften<br />
in der Türkei durch die Verabschiedung eines neuen Stiftungsrechts überhaupt<br />
nichts ändern würde.<br />
Es ist in diesem Zusammenhang ganz offensichtlich, daß die gr<strong>und</strong>legenden<br />
Probleme der nicht-muslimischen Minderheiten in der Türkei – insbesondere die<br />
Frage der fehlenden rechtlichen Anerkennung – nur dann zu lösen sind, wenn<br />
das Thema Religionsfreiheit im Hinblick auf die Türkei endlich ganz gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
diskutiert wird. Es hilft überhaupt nicht weiter, wenn immer wieder darauf<br />
hingewiesen wird, daß die Türkei ein laizistischer Staat sei. Das ist sie nicht. Die<br />
Türkei ist ein türkisch-nationalistischer Staat, der einen sunnitischen Staatsislam<br />
fördert bzw. verwaltet <strong>und</strong> sich ungeachtet dessen laizistisch nennt. Daran ändert<br />
auch der Umstand nichts, daß sich die Militärs, die sich <strong>als</strong> Hüter der kemalistischen<br />
Staatsideologie verstehen, bei den regelmäßigen Vorgehen gegen islamistische<br />
Umtriebe innerhalb der Streitkräfte <strong>und</strong> darüber hinaus auf das Verfassungsprinzip<br />
Laizismus beziehen, das in der Praxis nichts mehr mit dem französischen<br />
laïcisme zu tun hat. Daran ändert auch nichts, daß Staatspräsident Ahmed<br />
Necdet Sezer immer wider an die laizistischen Gr<strong>und</strong>lagen des türkischen Staates<br />
erinnert <strong>und</strong> im Mai 2004 sein Veto gegen ein Gesetzesvorhaben der Regierung<br />
Erdogan, das den Absolventen der Imam- <strong>und</strong> Predigerschulen wieder den direkten<br />
Zugang zu den wissenschaftliche Hochschulen er<strong>öffnen</strong> sollte, eingelegt hat.<br />
Auch wenn sich EU -Erweiterungskommissar Olli Rehn im Juni 2005 brieflich an<br />
Ministerpräsident Erdogan gewandt <strong>und</strong> die Verabschiedung des o.e. Stiftungsgesetzes<br />
angemahnt hat <strong>und</strong> wenn Sprecher der EU-Kommission zum wiederholten<br />
Male darauf hingewiesen haben, daß Religionsfreiheit in der Türkei höchste<br />
Priorität in den Beitrittsverhandlungen haben werde, bleiben doch Zweifel, ob<br />
das Thema Religionsfreiheit in den Beitrittsverhandlungen tatsächlich den Stellenwert<br />
haben wird, den es haben sollte. Im Gespräch mit Diplomaten aus EU-<br />
Ländern wird dann auch recht deutlich, daß Zweifel an der Ernsthaftigkeit der<br />
Befassung mit dem Thema Religionsfreiheit zumindest nicht völlig gr<strong>und</strong>los<br />
sind.<br />
Würde die Türkei, die seit 1950 Mitglied des Europarates ist <strong>und</strong> 1954, <strong>als</strong>o vor<br />
51 Jahren, die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert hat, Artikel 9<br />
der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) anwenden, der individuelle<br />
<strong>und</strong> kollektive Religionsfreiheit garantiert, würden sich die zentralen Probleme<br />
der nicht-muslimischen Minderheiten in der Türkei, <strong>als</strong>o etwa der Christen<br />
<strong>und</strong> Juden, ohne weiteres lösen lassen. Gleichzeitig müßte Art. 9 EMRK auch<br />
auf den Islam in der Türkei angewandt werden, was u.U. auch bedeuten würde,<br />
daß das Verbot der islamischen Orden, das in Artikel 174, Ziffer 3 der Türkischen<br />
Verfassung von 1982 ausdrücklich bestätigt wurde, aufgehoben werden<br />
müßte. Es würde auch bedeuten, daß die neuen islamischen Bewegungen wie die<br />
Nurcular, die Süleymancilar, eventuell auch Millî Görüs <strong>und</strong> andere, die sich<br />
bester Kontakte in die Politik rühmen können <strong>und</strong> schon bislang mit Wirtschafts-<br />
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