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Otmar Oehring<br />
Die Türkei – auf dem Weg wohin?<br />
Daß sich die EU -Außenminister am 3. Oktober 2005 für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen<br />
mit der Türkei entschieden haben, ist gut – zumal damit über<br />
den Ausgang der Beitrittsverhandlungen, die ergebnisoffen geführt werden sollen,<br />
noch nichts ausgesagt ist. Denn niemand kann heute absehen, ob die Beitrittsverhandlungen<br />
überhaupt zu Ende geführt werden, oder ob sie nicht schon<br />
vorher abgebrochen werden bzw. mit einem anderen Ziel (Privilegierte Partnerschaft,<br />
abgestufte Integration o.a.) weitergeführt werden.<br />
Wären die Beitrittsverhandlungen nicht aufgenommen worden, hätte dies zu<br />
einer Stärkung der chauvinistischen Nationalisten <strong>und</strong> der Anhänger der türkisch-islamischen<br />
Synthese geführt. Wären die Beitrittsverhandlungen nicht<br />
aufgenommen worden, wäre in der Türkei aber auch das zarte Pflänzlein Demokratie<br />
ausgetreten worden, das erst noch richtig erblühen muß. Wären die Beitrittsverhandlungen<br />
nicht aufgenommen worden, dann hätten die Menschenrechte<br />
– denken wir z.B. an die Frauenrechte oder an Religionsfreiheit – auch weiterhin<br />
keine Chance. Wären die Beitrittsverhandlungen nicht aufgenommen worden,<br />
würden viele Tabus, über die nun zunehmend offen <strong>und</strong> kontrovers diskutiert<br />
wird – man denke an den Armeniergenozid, an die anti-griechischen Pogrome,<br />
an das sogenannte Kurdenproblem <strong>und</strong> vieles andere – Tabus bleiben.<br />
Und dennoch sind all jene europäischen Politiker, die in den beiden letzten Jahren<br />
wider besseres Wissen der Entscheidung zugunsten der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen<br />
das Wort geredet haben, aufs heftigste zu kritisieren. Die<br />
Entscheidung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hätte<br />
nämlich schlicht nicht fallen dürfen, hätten sich die europäischen Politiker an die<br />
von ihnen selbst formulierten Bedingungen gehalten, weil die Voraussetzungen<br />
dafür auch weiterhin nicht gegeben sind.<br />
Als Bedingungen für einen Beitritt hatte die EU 1993 auf dem Europäischen Rat<br />
von Kopenhagen drei Gruppen von Kriterien formuliert, die sogenannten „Kopenhagener<br />
Kriterien“, die alle Beitrittsländer erfüllen müssen:<br />
- Das „politische Kriterium“: Institutionelle Stabilität, demokratische <strong>und</strong> rechtstaatliche<br />
Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung <strong>und</strong> Schutz<br />
von Minderheiten.<br />
- Das „wirtschaftliche Kriterium“ : Eine funktionsfähige Marktwirtschaft <strong>und</strong> die<br />
Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU-Binnenmarktes standzuhalten.<br />
- Das „Acquis -Kriterium“: Die Fähigkeit, sich die aus einer EU-Mitgliedschaft<br />
erwachsenden Verpflichtungen <strong>und</strong> Ziele zu eigen zu machen, das heißt: Übernahme<br />
des gemeinschaftlichen Regelwerkes, des „gemeinschaftlichen Besitz-<br />
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