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Editorial<br />
Unternehmer unter Ganoven?<br />
Für viele Arbeitslose <strong>und</strong> Rentenempfänger bewahrheitet sich der Satz von Walter<br />
Rathenau „Die Wirtschaft ist unser Schicksal“ auf verhängnisvolle Weise.<br />
Doch die Macht dieses Schicks<strong>als</strong> wird immer weniger <strong>als</strong> ein anonymes Strukturproblem<br />
wahrgenommen <strong>und</strong> diskutiert. Vielmehr trägt sie das Gesicht eines<br />
Unternehmens oder - noch einfacher, greifbarer <strong>und</strong> angreifbarer: den Namen<br />
eines Unternehmers. In seiner Person scheint sich die ökonomische Macht zu<br />
konzentrieren. Und an ihn richten sich zunehmend moralische Anforderungen,<br />
die ihn leicht überfordern.<br />
Dies ist inzwischen immer mehr zum Thema einer Ethik geworden, die nicht nur<br />
die sozialen Ordnungsbedingungen <strong>und</strong> Anreizsysteme der Wirtschaft reflektiert<br />
<strong>und</strong> zu gestalten versucht. Die Sozialethik wird sich vielmehr verstärkt mit der<br />
Entfaltung einer Bereichs- <strong>und</strong> Berufsethik einlassen müssen, der es besonders<br />
um die sittliche Prägung <strong>und</strong> die sozial-moralische Verantwortung von konkreten<br />
Personen geht. Denn die schönsten Systemkonstrukte brechen zusammen, wenn<br />
deren Subjekte korrupt <strong>und</strong> maßlos egoistisch sind.<br />
Ohne gemeinwohlbewußte, engagierte Demokraten gibt es keine Demokratie.<br />
Und ohne leistungsbereite, unternehmerische Entscheidungs- <strong>und</strong> Verantwortungsträger<br />
wird eine Marktwirtschaft nicht funktionieren. Daß die menschliche<br />
Natur seit dem Sündenfall durch egoistische Begehrlichkeiten <strong>und</strong> Laster geschwächt<br />
ist, war den christlichen Erfindern der Sozialen Marktwirtschaft bewußt.<br />
Sie konnten deshalb keine Ordnung anstreben, die erst dann funktioniert,<br />
wenn ihre personalen Subjekte völlig von den eigenen Interessen absehen <strong>und</strong><br />
nur tugendhaft leben. Auf dem schwachen Gerüst verschleißbarer Moral läßt sich<br />
keine stabile Wirtschaftsordnung aufbauen. Bekanntlich funktioniert der Leistungswettbewerb<br />
sogar unter Räuberbanden, <strong>und</strong> nach Angebot <strong>und</strong> Nachfrage<br />
verfährt auch der Sklavenmarkt bis heute erfolgreich. Vorausgesetzt, die Beteiligten<br />
halten sich an Regeln einer Minimalmoral.<br />
Zum gesicherten Bestand der Ganovenehre gehört die Einsicht, daß gerade wegen<br />
der Knappheit moralischer Ressourcen diese besonders zu pflegen sind. Die<br />
Opfer werden natürlich nicht gefragt, sie sind eben die Verlierer. Aber unter<br />
Ganoven, die ihren Interessen rücksichtslos nachgehen, setzt sich irgendwann die<br />
Erkenntnis durch, daß sie langfristig nur dann zu den Gewinnern gehören, wenn<br />
sie ihre Interessenwahrnehmung einigermaßen zügeln. Ist der moralische Grenznutzen<br />
erreicht, wird es Zeit, sich auf neue Regeln <strong>und</strong> Sanktionen zu einigen.<br />
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über neue Fälle von Korruption, Bilanzfälschung<br />
(„kreative Buchführung“), Betrug, Vertragsbruch, Diebstahl etc. berichtet<br />
wird. „Vergammelte Speisen zu überhöhten Preisen sind zurückzuweisen“, heißt<br />
es in einem lustigen, weil schwachsinnigen Schlagertext. Auf dem Podest der<br />
stets empörungsbereiten öffentlichen Aufmerksamkeit steht – neben Politikern –<br />
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