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ganze Natur erhebt. Denn im Ruf des Gewissens erfährt der Mensch den Anspruch<br />

des Absoluten, dem er sich zwar verweigern, nicht aber entziehen kann.<br />

So erhält er eine Ahnung seiner Einmaligkeit <strong>und</strong> seiner Erhabenheit.<br />

Die Entdeckung des Sokrates war der Offenbarung des Judentums von Anfang<br />

an bekannt <strong>und</strong> zu eigen. In unvergleichlicher Weise wird die Stellung des Menschen<br />

in der Welt im 8. Psalm beschrieben: „Du hast den Menschen nur wenig<br />

geringer gemacht <strong>als</strong> Gott, hast ihn mit Herrlichkeit <strong>und</strong> Ehre gekrönt. Du hast<br />

ihn <strong>als</strong> Herrscher eingesetzt über das Werk Deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen<br />

gelegt.“ 1 Es ist eine königliche Würde, mit der jeder Mensch ausgestattet ist.<br />

Folglich gibt es, einem alten jüdischen Weisheitsspruch folgend, keine schlimmere<br />

Sünde, <strong>als</strong> daß ein Mensch seine Würde vergißt – jene Würde, die er besitzt,<br />

weil er die Fähigkeit hat, über die Grenze der Welt des Bedingten hinauszublicken<br />

in die Welt des Unbedingten.<br />

Das Christentum hat diese Einsicht ganz von Anfang an <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lage seines<br />

Menschenbildes übernommen <strong>und</strong> weiterentwickelt. Insbesondere in der Philosophie<br />

des Heiligen Thomas wird die völlige Übereinstimmung zwischen dem<br />

Anruf des Gewissens <strong>und</strong> den Ratschlägen der Vernunft ausgearbeitet. Der Begriff<br />

der Würde wird zum Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt eines Menschenbildes, das heute<br />

– mehr denn je – in unser Bewußtsein rückt. Denn allein dieser Begriff der Würde<br />

begründet, wie Papst Benedikt XVI. zutreffend bemerkt, die Ordnung der<br />

Macht von den Maßstäben des Rechts her. 2 Das ist europäisch gedacht, anders<br />

gesagt: In diesem Denken hat Europa zu seiner geistigen Ge stalt gef<strong>und</strong>en.<br />

Gerade im letzten Jahrzehnt haben etliche europäische Verfassungen den Begriff<br />

der Menschenwürde übernommen, so wie er Gegenstand des 1. Artikels des<br />

Gr<strong>und</strong>gesetzes der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland ist. 3 Die Menschenwürde ist<br />

Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Voraussetzung aller Menschenrechte. Schon auf den ersten Blick<br />

zeigt sich, daß der Begriff der Würde des Menschen – eine unantas tbare Würde –<br />

in einem absoluten Anspruch gründet, <strong>als</strong>o der Welt des Unbedingten entstammt,<br />

aber für die Welt des Bedingten keineswegs folgenlos bleibt. Obwohl die Herkunft<br />

des Begriffs der Würde jenseits der Welt unserer Sinneserfahrungen liegt,<br />

ist doch kein anderer Begriff in der politischen <strong>und</strong> sozialen Welt von einer vergleichbaren<br />

Prägekraft. Vielleicht ist es ja gerade diese Herkunft unserer Vorstellung<br />

von Menschenwürde, die dem Begriff eine solche Wirkmächtigkeit verleiht.<br />

Der Begriff ist allen Begrenzungen <strong>und</strong> Bedingungen enthoben: In seiner unantastbaren<br />

Würde hat der Mensch Anteil am Absoluten, wie ihm erst die Vergewisserung<br />

des Absoluten ein Verständnis seiner Würde ermöglicht.<br />

Dieser Gedanke ist in seiner Bedeutung für die innere Verfassung <strong>und</strong> Zielsetzung<br />

der Demokratie gar nicht hoch genug einzuschätzen. Denn im Begriff der<br />

Unantastbarkeit der Würde des Menschen findet alle Politik ihren Ausgangs- <strong>und</strong><br />

Endpunkt. Demokratie ist dann eben mehr <strong>als</strong> die Suche nach einem vernünftigen<br />

Kompromiß <strong>und</strong> das Verhandeln unterschiedlicher Interessen. Wenn die<br />

Würde des Menschen allein die Ordnung der Macht von den Maßstäben des<br />

Rechts her begründet, dann ist alles Politische einem Maßstab unterworfen, über<br />

den die Politik selbst niem<strong>als</strong> verfügen kann. Wer so denkt, der denkt europäisch.<br />

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