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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 5 TRISTRAM SHANDY (1759–67)<br />

5.7 DIE ANMERKUNGEN<br />

Realisierung ist. Horst Zan<strong>der</strong> sieht <strong>in</strong> dem Zwischentitel, bei dem sich das Scheitern<br />

nicht nur auf den Erzähl– son<strong>der</strong>n auch auf den dargestellten Schreibprozeß<br />

erstreckt, daher sogar ”<br />

e<strong>in</strong>e mise en abyme <strong>des</strong> Diskursverfahrens <strong>des</strong> gesamten Romans“.<br />

46<br />

Die Zufälligkeit <strong>des</strong> Lebens, die trotzdem o<strong>der</strong> gerade bedeutsam ist und <strong>des</strong>wegen<br />

lückenlos dargestellt werden muß, macht e<strong>in</strong>e teleologische Strukturierung se<strong>in</strong>er<br />

Geschichte <strong>in</strong> Kausalzusammenhängen für Tristram unmöglich und steht dem<br />

Gel<strong>in</strong>gen je<strong>der</strong> Erzählung mit Anfang, Mitte und Ende entgegen. Die konfuse Verwendung<br />

von Zwischentiteln und die undurchsichtige Kapitelglie<strong>der</strong>ung stellt für<br />

Tristram also e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> wenigen Mittel dar, Vor–, Gleich– und Nachzeitiges <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Sukzession von Ereignissen umzuwandeln (vgl. auch die blank chapters IX, xviii<br />

und xix, die erst nach Kapitel xxv kommen können), um somit zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t ”<br />

die<br />

formale Konsistenz jener Romanwirklichkeit [. . . ] [zu gew<strong>in</strong>nen], an <strong>der</strong>en materieller<br />

Inkonsistenz er als ’<br />

Historiker‘ scheitert.“ 47 So setzt und nutzt <strong>der</strong> Autor die<br />

Kapitelgrenzen nicht mehr als Glie<strong>der</strong>ungse<strong>in</strong>heiten, son<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong> um e<strong>in</strong>zuhalten,<br />

zu reflektieren 48 und neu zu beg<strong>in</strong>nen (vgl. auch das Vorwort mitten im<br />

Text). Das Ergebnis ist e<strong>in</strong> Versuch <strong>der</strong> Ordnung <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genz <strong>des</strong> sich ständig<br />

im Prozeß bef<strong>in</strong>dlichen Lebens, <strong>der</strong> erzählerisch, d. h. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Darstellung, somit nur<br />

scheitern kann.<br />

5.7 Die Anmerkungen<br />

Tristram Shandy weist Anmerkungen von mannigfaltiger Form (differente Statusdef<strong>in</strong>itionen)<br />

und Funktion auf. Genette spricht davon, daß Anmerkungen <strong>in</strong> fiktiven<br />

Texten häufig dem nicht–fiktionalen Aspekt <strong>der</strong> Erzählung gelten. Auch <strong>in</strong> Tristram<br />

Shandy handelt es sich wegen se<strong>in</strong>er historischen Bezüge, v. a. aber wegen<br />

<strong>der</strong> Prägung durch die philosophischen Reflexionen Walter Shandys zumeist um die<br />

(oft ironisch pedantische) editorische Angabe von Gewährsleuten, Dokumenten o<strong>der</strong><br />

Quellen 49 , die aber ihrerseits wie<strong>der</strong> (fiktive o<strong>der</strong> authentische) Informationen für<br />

46 In [56] Zan<strong>der</strong>, S. 139. Vgl. auch Peter Michelsen: ”<br />

Das ganze, ziemlich lange Kapitel 19<br />

besteht aus solchen Unterbrechungen. Diese haben sicherlich u. a. auch den S<strong>in</strong>n, die traditionelle<br />

Erzählweise zu ironisieren, aber ihre Funktion erschöpft sich doch ke<strong>in</strong>eswegs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Parodie<br />

[. . . ]. Die Unterbrechungen bedeuten bei Sterne nicht E<strong>in</strong>schnitte, die sich zwischen das eigentlich<br />

Erzählte schieben, son<strong>der</strong>n sie bilden das eigentlich Erzählte selbst.“ In [38] Michelsen, S. 13f.<br />

47 In [54] Warn<strong>in</strong>g, S. 55.<br />

48 Interessant ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch Sternes Verwendung von Zwischentiteln <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Sentimental Journey. Während die beiden Bücher nur rhematische E<strong>in</strong>– und Ausgänge haben,<br />

s<strong>in</strong>d die Abschnittüberschriften, <strong>in</strong> Kontrast zu Tristram Shandy und traditionellen Reiseberichten<br />

mit tagebuchartig exakten Angaben, ausschließlich thematisch. Die ständig wie<strong>der</strong>holten, oft<br />

reihenweise identischen unspezifischen Ortsnamen tragen hier nichts zur eigentlichen Orientierung<br />

<strong>des</strong> Lesers bei, sie s<strong>in</strong>d nach <strong>der</strong> Theorie <strong>des</strong> sentimental travellers nicht als Ortsangaben an sich<br />

von Interesse, son<strong>der</strong>n nur <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem ebenfalls angegebenen assoziierten Gegenstand,<br />

<strong>der</strong> den Reisenden emotional beschäftigt.<br />

49 Vgl. John M. Stedmond: “[Sterne] also tends to deal with his material somewhat <strong>in</strong> the style<br />

of an editor. He delights <strong>in</strong> contriv<strong>in</strong>g ‘sources’ on which he can comment. [. . . ] With a great show<br />

of scholarship, Tristram at times gives the orig<strong>in</strong>al of the document un<strong>der</strong> discussion; [. . . ] The<br />

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