28.12.2013 Aufrufe

Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

KAPITEL 5 TRISTRAM SHANDY (1759–67)<br />

5.5 DAS VORWORT<br />

(“Hav<strong>in</strong>g, a priori, <strong>in</strong>tended to dedicate The Amours of my uncle Toby to Mr. ***—<br />

I see more reasons, a posteriori, for do<strong>in</strong>g it to Lord *******.” [S. 483]) resultiert <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lösung, die Zueignung wegen <strong>der</strong> Austauschbarkeit e<strong>in</strong>er Charaktereigenschaft<br />

zwischen Staatsmännern und unschuldigen Liebenden, doch allgeme<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>en nicht<br />

näher benannten liebeskranken “gentle Shepherd” zu richten, dem diese “Diversion”<br />

L<strong>in</strong><strong>der</strong>ung verschaffen möge, wodurch diese Thematik erneut aktualisiert wird. Das<br />

Konzept <strong>des</strong> funktionalen ”<br />

Hilfsdiskurses“ im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er belangvollen Beziehungssetzung<br />

von Text und Adressat wird bewußt spielerisch ad absurdum geführt.<br />

E<strong>in</strong>e ironische Bloßstellung <strong>der</strong> Klischees <strong>der</strong> formelhaften Zueignungsgeste und<br />

implizite Kritik am weitgehend schon verfallenen Mäzenatentum stellt die “Virg<strong>in</strong>–<br />

Dedication” (I, viii und ix [S. 13–15]) dar. Der Erzähler Tristram übernimmt hier<br />

explizit Autorenfunktionen als unterschobener, fiktiver Autobiograph. Der pragmatische<br />

Status bleibt völlig offen: <strong>der</strong> fiktive Adressant “Tristram Shandy” richtet<br />

die Zueignung, die er auch signiert, <strong>in</strong> traditionell unterwürfiger, aber <strong>in</strong> diesem Fall<br />

s<strong>in</strong>nentleerter Form an e<strong>in</strong>en beliebig austauschbaren Adressaten, <strong>der</strong> als Platzhalter<br />

ersche<strong>in</strong>t (vgl. Kommentar I, ix). Ebenso erfüllt <strong>der</strong> Inhalt, da <strong>der</strong> Adressat ja<br />

nicht näher spezifiziert werden kann, ke<strong>in</strong>erlei traditionelle Funktionen e<strong>in</strong>er Zueignung.<br />

Und überdies ist <strong>der</strong> Anbr<strong>in</strong>gungsort nach <strong>der</strong> Funktion ebenfalls wi<strong>der</strong>s<strong>in</strong>nig<br />

mitten im Text 28 :<br />

My Lord,<br />

“I ma<strong>in</strong>ta<strong>in</strong> this to be a dedication, notwithstand<strong>in</strong>g its s<strong>in</strong>gularity <strong>in</strong><br />

the three great essentials of matter, form, and place: I beg, therefore, you<br />

will accept it as such, and that you will permit me to lay it, with the most<br />

respectful humility, at your Lordship’s feet [S. 13f.]<br />

Jeglicher traditionelle S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Zueignung wird hier spielerisch negiert, <strong>in</strong> Kapitel<br />

I, ix (S. 14f.) wird die vollständig textualisierte “Virg<strong>in</strong>–Dedication” dann<br />

öffentlich zum Verkauf angeboten, wobei <strong>der</strong> Adressant noch die transparente Struktur<br />

(S<strong>in</strong>nentleertheit) und die Orig<strong>in</strong>alität (Hobby–Horsical wit) werbend hervorhebt.<br />

Der potentielle, aus Werbezwecken bevorzugt adlige, Adressat soll den Platz<br />

vor <strong>der</strong> Zueignung für “fifty gu<strong>in</strong>eas” bekommen, wofür ihm alles, was ab Kapitel<br />

I, viii über Hobby–Horses handelt zugeeignet se<strong>in</strong> soll, während Tristram den Rest<br />

dem Mond zueignet, <strong>der</strong> auch sogleich angerufen wird. Kapitel I, ix modifiziert also<br />

nicht zuletzt auch die Zueignung an Pitt und ist darüberh<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> vielen<br />

Beispiele für die Thematisierung <strong>des</strong> Paratexts im Text durch den Erzähler 29 .<br />

5.5 Das Vorwort<br />

Das Vorwort von Tristram Shandy weicht ebenfalls sowohl <strong>in</strong> bezug auf die Statusdef<strong>in</strong>ition<br />

(Ort, Zeit etc.) als auch auf die Funktion (e<strong>in</strong>führende Informationsvergabe,<br />

Interpretation) erheblich von <strong>der</strong> traditionellen Form ab. Da Genette auf<br />

B<strong>in</strong>nenvorworte“ allgeme<strong>in</strong> kaum und auf diesen speziellen Son<strong>der</strong>fall natürlich<br />

” 28 Vgl. auch das Vorwort <strong>in</strong> Abschnitt 5.5 (S. 87).<br />

29 Vgl. die Abschnitte 5.6 (S. 92) und 5.7 (S. 94).<br />

87

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!