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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 5 TRISTRAM SHANDY (1759–67)<br />

5.4 DIE ZUEIGNUNGEN<br />

erwähnte allgeme<strong>in</strong>e Beziehung zu e<strong>in</strong>em öffentlichen Adressaten, e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Beziehung<br />

zwischen Adressant und Adressat o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Entstehung <strong>des</strong> Werks und dem<br />

Adressat. Bei <strong>der</strong> Zueignung an Pitt handelt es sich außerdem um e<strong>in</strong>e nachträgliche<br />

Zueignung für die zweite Auflage 1760 (erste Londoner Ausgabe 24 ), was nach Genette<br />

bereits e<strong>in</strong>e gewisse Unaufrichtigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Zueignung impliziert,<br />

denn je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zeitpunkt <strong>des</strong> Ersche<strong>in</strong>ens als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Orig<strong>in</strong>alausgabe wirkt ”<br />

unweigerlich<br />

wie e<strong>in</strong> ungeschickter Versuch, etwas nachzuholen, wie e<strong>in</strong>e nachträgliche<br />

und damit suspekte Zuneigung, da die Konvention <strong>der</strong> Zueignung erfor<strong>der</strong>t, daß<br />

das Werk für den Adressaten <strong>der</strong> Zueignung geschrieben wurde o<strong>der</strong> sich <strong>des</strong>sen<br />

Ehrung zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t nach Abschluß <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schrift aufgedrängt hat.“ 25 In gewisser<br />

Weise übernimmt die Zueignung (Band I) aber sogar Vorwortfunktion, wenn <strong>der</strong><br />

Adressant den Zweck <strong>des</strong> Werks <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erzeugung von Heiterkeit als Mediz<strong>in</strong> zur<br />

Schmerzl<strong>in</strong><strong>der</strong>ung und zum Wohlergehen <strong>des</strong> Menschen sieht 26 und damit letztendlich<br />

die Erkenntnis <strong>des</strong> Scheiterns <strong>der</strong> Darstellung se<strong>in</strong>es Lebens zur Belustigung <strong>des</strong><br />

Lesers nutzt:<br />

I live <strong>in</strong> a constant endeavour to fence aga<strong>in</strong>st the <strong>in</strong>firmities of ill health, and<br />

other evils of life, by mirth; be<strong>in</strong>g firmly persuaded that every time a man<br />

smiles,–but much more so, when he laughs, that it adds someth<strong>in</strong>g to this<br />

Fragment of Life. / [. . . ] [I]f I am ever told, it has made you [Mr. Pitt, Anm.<br />

d. Verf.] smile, or can conceive it has beguiled you of one moment’s pa<strong>in</strong>—I<br />

shall th<strong>in</strong>k myself [. . . ] much happier than any one [. . . ] that I ever heard of.<br />

[S. 3]<br />

Die Zueignung von Band IX pervertiert durch das Weglassen <strong>des</strong> Adressatennamens<br />

<strong>des</strong> “GREAT MAN” gänzlich die traditionelle Zueignungsfunktion nach Genette.<br />

Zwar s<strong>in</strong>d Abkürzungen von Adressatennamen als Ausdruck unterschiedlicher Grade<br />

<strong>der</strong> Distanz zwischen Autor und Empfänger durchaus gebräuchlich, nicht jedoch<br />

e<strong>in</strong> Platzhalter wie hier. 27 Der private“ Paratext wird also bis zur Anonymität<br />

”<br />

übersteigert. Das Spiel mit <strong>der</strong> vorgetäuschten Verwechslungsmöglichkeit <strong>der</strong> austauschbaren<br />

Namen Mr. Pit[t] und Lord Chatham repräsentiert durch Asteronyme<br />

licherweise, daß alle <strong>in</strong> Tristram Shandy auftauchenden Zueignungen, mit Ausnahme von I, viii<br />

(S. 13f.), von Laurence Sterne als Adressant verantwortet würden. Vgl. [28] Genette, S. 127f.<br />

24 Sterne schickte kurz vor <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> zweiten Auflage e<strong>in</strong>e Kopie <strong>der</strong> Zueignung<br />

an Pitt und bat offiziell um Erlaubnis, sie vor dem Text anbr<strong>in</strong>gen zu dürfen. Dabei nannte er den<br />

vollständigen Titel <strong>des</strong> Werks und signierte den Brief mit se<strong>in</strong>em Onym, e<strong>in</strong> weiterer deutlicher<br />

Verweis auf e<strong>in</strong> nicht ernst geme<strong>in</strong>tes Pseudonym.<br />

25 In [28] Genette, S. 125. Dabei muß aber e<strong>in</strong>geschränkt werden, daß die Londoner Erstveröffentlichung<br />

kurz nach <strong>der</strong> Orig<strong>in</strong>alveröffentlichung <strong>in</strong> York doch fast wie e<strong>in</strong>e orig<strong>in</strong>ale<br />

Veröffentlichung gewirkt haben muß.<br />

26 Vgl. auch Kapitel IV, xxxii (S. 270): “True Shandeism, th<strong>in</strong>k what you will aga<strong>in</strong>st it, opens<br />

the heart and lungs, and like all those affections which partake of its nature, it forces the blood<br />

and other vital fluids of the body to run freely thro’ its channels, and makes the wheel of life run<br />

long and chearfully round.” und A Tale of a Tub, SECT. X. (S. 89): “[L]aughter [. . . ] clears the<br />

breast and the lungs, is sovereign aga<strong>in</strong>st the spleen, and the most <strong>in</strong>nocent of all diuretics.”<br />

27 Vgl. Sternes A Political Romance, Addressed To — —, Esq; of York (1759). Platzhalter suggerierten<br />

jedoch traditionell zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t die Authentizität <strong>der</strong> anonymen Personenangabe, so daß<br />

die kundigen Leser den Adressaten auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Zueignung <strong>der</strong> ersten beiden<br />

Bände dabei sicher erschließen konnten.<br />

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