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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 5 TRISTRAM SHANDY (1759–67)<br />

5.1 DER NAME DES AUTORS<br />

zumeist nicht unter se<strong>in</strong>em eigenen Namen, son<strong>der</strong>n unter dem Pseudonym “Tristram<br />

Shandy” o<strong>der</strong> v. a. “Yorick” auftrat 5 . In Sternes Werk läßt sich <strong>der</strong> implizite<br />

Autor folglich nicht mehr von den Figuren <strong>der</strong> Welt im Text ablösen. 6 Die Auswirkungen<br />

von Sternes Pseudonymität waren also Konfusion über die Verb<strong>in</strong>dung von<br />

fiktionaler und realer Welt, die Sterne als sehr nützlich für die Gestaltung se<strong>in</strong>es Romans<br />

empfand und gleichzeitig Neugier auf die Verb<strong>in</strong>dung von Sternes Charakteren<br />

mit dem Autor, v. a. natürlich auch weil bei Autobiographien, wie Tristram Shandy,<br />

<strong>der</strong> Autorenname <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Identitätsbeziehung zum Namen <strong>des</strong> Protagonisten steht.<br />

Der Autorenname ist gerade bei e<strong>in</strong>er Autobiographie im Umfeld o<strong>der</strong> als Bestandteil<br />

<strong>des</strong> Titels und <strong>der</strong> dar<strong>in</strong> impliziten Gattungsangabe 7 e<strong>in</strong> konstitutives Element,<br />

das <strong>in</strong> Wechselwirkung mit dem Titel steht und für die beson<strong>der</strong>s enge Beziehung<br />

zwischen Autobiograph und Leser mit verantwortlich ist ( ”<br />

autobiographischer Pakt“<br />

im S<strong>in</strong>ne Philippe Lejeunes 8 ).<br />

In Tristram Shandy selbst treten darüberh<strong>in</strong>aus gleich drei verschiedene Autorennamen<br />

auf. Der pragmatische Status <strong>des</strong> Adressanten bleibt also unklar, da die<br />

Signaturen “I am / The Author.” (neutrale Bezeichnung <strong>in</strong> den Zueignungen <strong>der</strong><br />

Bände I [S. 3] und IX [S. 484]), “Tristram Shandy.” (Name <strong>des</strong> unterschobenen<br />

Autors <strong>in</strong> <strong>der</strong> “Virg<strong>in</strong>–Dedication” I, viii [S. 13f.]) und “I am / Laur. Sterne”<br />

(Onym <strong>des</strong> realen Autors <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zueignung Band V [S. 273]) Verwendung f<strong>in</strong>den. 9<br />

Die Existenz verschiedener Adressantennamen (v. a. das mehrdeutige “The Author”)<br />

hat e<strong>in</strong>e Irritation <strong>des</strong> Publikums als illokutorische Wirkung zur Folge, was<br />

e<strong>in</strong>er Aufgabe <strong>der</strong> Rezeptionssteuerung zur Unterstützung <strong>des</strong> Lesers, wie Genette<br />

sie als Hauptfunktion formulierte, gleichkommt. Dies verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die traditionelle<br />

Wirkungsmöglichkeit <strong>des</strong> Paratexts, i. e. die ”<br />

Transaktion“ zwischen den Kommunikationspartnern,<br />

da <strong>der</strong> Leser (Adressat) den Adressanten nicht immer kennt. Der<br />

Leser sieht sich somit auf die elementare Frage nach dem Partner im literarischen<br />

Kommunikationsmodell zurückgeworfen.<br />

Da sich die Orig<strong>in</strong>alveröffentlichungen von Tristram Shandy über sieben Jahre<br />

5 Vgl. Arthur H. Cash: “In Tristram himself [Volume VII, Anmerkungen d. Verf.], he [Sterne]<br />

drew another idealized self–portrait, as he had done earlier [Volume I] <strong>in</strong> the character of Parson<br />

Yorick.” In [17] Arthur H. Cash: Laurence Sterne: The Later Years. London und New York:<br />

Methuen, 1986, S. 197.<br />

6 Vgl. Alan B. Howes: “Furthermore, after Sterne became known personally through his triumphal<br />

London visit, no reviewer—and probably few rea<strong>der</strong>s, for that matter—was able ever aga<strong>in</strong><br />

to keep the personality and character of the man quite dist<strong>in</strong>ct from the character of his work.<br />

Actually, the public learned not about one man but about three; and Yorick, Tristram Shandy, and<br />

Laurence Sterne became hopelessly entangled <strong>in</strong> the public m<strong>in</strong>d.” In [30] Alan B. Howes: Yorick<br />

and the Critics: Sterne’s Reputation <strong>in</strong> England, 1760–1868. New Haven: Yale UP, 1958, S. 5.<br />

7 Vgl. Abschnitt 5.2 (S. 80).<br />

8 Tristram Shandy stellt nach dieser Theorie e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> wenigen Fälle e<strong>in</strong>er durchgehaltenen<br />

erfolgreichen Imitation e<strong>in</strong>es ”<br />

offenkundigen“ autobiographischen Paktes (vs. ”<br />

Romanpakt“) dar,<br />

i. e. <strong>der</strong> textuellen Ausgestaltung <strong>der</strong> gesetzten, behaupteten Namensidentität (Titelseite) von<br />

Autor, Erzähler und Protagonist. Vgl. [34] Philippe Lejeune: Der autobiographische Pakt. Aus dem<br />

Französischen von Wolfram Bayer und Dieter Hornig. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1994, S. 13–51,<br />

v. a. S. 27–38.<br />

9 Thesen zum Status und <strong>der</strong> Funktion <strong>der</strong> Zueignungen werden <strong>in</strong> Abschnitt 5.4 (S. 85) noch<br />

ausführlicher aufgestellt.<br />

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