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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 4 A TALE OF A TUB (1704/10)<br />

4.4 DIE VORWORTE<br />

Rezeption <strong>des</strong> Textes bewußt im Weg steht. 53<br />

Der elitäre 54 antike“ Maßstab <strong>der</strong> Urteilsfähigkeit (wit, taste, humour) bildet<br />

”<br />

jetzt positive Identifikationsmuster für die Leser heraus, die sich von den mo<strong>der</strong>nen“<br />

Schreiberl<strong>in</strong>gen (Kritiker) distanzieren: das Werk ersche<strong>in</strong>t jetzt für ancients ”<br />

geschrieben. Gestützt wird dies durch die Berufung auf Sir William Temple, das<br />

Modell e<strong>in</strong>es moralischen Bürgen. Die textdienliche Funktion se<strong>in</strong>es Namens wird<br />

jetzt weit deutlicher <strong>in</strong> Anspruch genommen als noch Somers’ Name <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zueignung<br />

<strong>des</strong> Verlegers, <strong>in</strong>dem die humanistische Bildung deutlich über die scholastische<br />

Bildung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ns gestellt wird 55 . Freilich muß das Auftreten <strong>der</strong> “APOLOGY ”<br />

gleichzeitig <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit den ebenfalls 1710 neu h<strong>in</strong>zugefügten auktorialen und<br />

allographen Anmerkungen 56 gesehen werden. Diese verleihen dem Text e<strong>in</strong>en völlig<br />

neuen Status e<strong>in</strong>es dauerhaften (klassischen) Texts, <strong>der</strong> sich deutlich vom früheren<br />

fiktiven Status e<strong>in</strong>es (mo<strong>der</strong>nen) Gebrauchstexts unterscheidet.<br />

Daher spielt auch das Thema Autorschaft, das auch auf textueller Ebene zentral<br />

ist, für Swift als Besitzanspruch auf e<strong>in</strong> Werk e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, trotz se<strong>in</strong>er<br />

gehüteten Anonymität. Die Rechtfertigung verbittet sich falsche Zuschreibungen <strong>des</strong><br />

anonymen Werks o<strong>der</strong> Zuschreibungen an<strong>der</strong>er Werke an den verme<strong>in</strong>tlichen Autor:<br />

solche Versuche s<strong>in</strong>d sämtlich zum Scheitern verurteilt. Außerdem diskreditieren diese<br />

Strategien den Kritiker moralisch, wenn dieser e<strong>in</strong> Werk willkürlich e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er<br />

Fe<strong>in</strong>de zuschreibt, nur um dann beide zusammen zu verurteilen. Das kurze “POST-<br />

SCRIPT.” ist e<strong>in</strong>e unmittelbare Reaktion auf A Complete Key to the Tale of a Tub:<br />

with some Account of the Authors, the Occasion and Design of Writ<strong>in</strong>g it, and Mr.<br />

Wotton’s Remarks Exam<strong>in</strong>ed (1710) hg. von dem Raubdrucker Edmund Curll, das<br />

kurz vor <strong>der</strong> fünften Auflage von A Tale of a Tub erschien, Swifts Vetter Thomas als<br />

Koautor nannte und nur die diesem zugeschriebene B<strong>in</strong>nenhandlung <strong>des</strong> Tale annotierte.<br />

57 Dort weist <strong>der</strong> Sprecher jegliche Spekulation über die Autorschaft, über die<br />

er sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> “APOLOGY ” noch amüsiert hatte (S. 10), strikt zurück. Das Werk<br />

entstamme, von e<strong>in</strong>em gebildeten Menschen leicht erkennbar, e<strong>in</strong>er Hand: wer auch<br />

nur Anspruch auf drei Zeilen erheben könne, <strong>des</strong>sen Name solle auf dem Titelblatt<br />

<strong>der</strong> nächsten Ausgabe ersche<strong>in</strong>en (S. 10).<br />

Funktional trägt die “APOLOGY ” also zur parodistisch komischen additiven<br />

Ansammlung von Vorworten bei. Der paratextuelle Wert bleibt aber ambivalent: e<strong>in</strong>erseits<br />

handelt es sich (für den orig<strong>in</strong>alen Leser) vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> schweren<br />

Anschuldigungen um e<strong>in</strong>e mustergültige Verteidigung und Rechtfertigung <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>er nachgeholten Rezeptionssteuerung im S<strong>in</strong>ne Genettes. An<strong>der</strong>erseits aber bereitet<br />

<strong>der</strong> Paratext den neuen Leser ke<strong>in</strong>eswegs auf den Text vor, <strong>der</strong> ihn schon vom<br />

nächsten Paratext an tatsächlich erwartet, denn das Tale konterkariert die klassische“<br />

Rechtfertigung formal und <strong>in</strong>haltlich auf das schärfste. Daß Swift diesen ”<br />

Kon-<br />

53 Vgl. [28] Genette, S. 94.<br />

54 Vgl. [39] Mueller, S. 112.<br />

55 Vgl. [42] Paulson, S. 165.<br />

56 Vgl. Abschnitt 4.6 (S. 72).<br />

57 Vgl. die E<strong>in</strong>leitung zu [11] Swift (Guthkelch/Smith), S. xiii f. Swift bezeichnete den Key <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Brief an Benjam<strong>in</strong> Tooke wie<strong>der</strong>um als “so perfect a Grub street piece”. In und zit. n. <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>leitung zu [11] Swift (Guthkelch/Smith), S. xvi.<br />

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