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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 4 A TALE OF A TUB (1704/10)<br />

4.3 DIE ZUEIGNUNGEN<br />

(textdienlich begründet) passend ist o<strong>der</strong> das Lob tatsächlich mit Bedacht gewählt<br />

wurde, so bleibt es doch alle<strong>in</strong> durch die Adressatenwahl bestehen, denn es stellt sich<br />

schließlich heraus, daß selbst die entlegensten ”<br />

Verb<strong>in</strong>dungen“ von Somers mit den<br />

größten und ruhmreichsten Persönlichkeiten <strong>der</strong> Wahrheit entsprechen ( ”<br />

authentisches“<br />

tradierbares Charakterporträt [S. 12]). Alle<strong>in</strong> die Tatsache, daß <strong>der</strong> Adressat<br />

überhaupt solche ”<br />

unverschämten“ ent<strong>in</strong>dividualisierten Zueignungen bekommt,<br />

spricht für se<strong>in</strong>e überragende Stellung im Mäzenatentum. Der Kontrast zwischen <strong>der</strong><br />

Qualität <strong>der</strong> Zueignung und <strong>der</strong> Qualität <strong>des</strong> Empfängers erzielt hier natürlich den<br />

größten satirischen Effekt. 28 Die Zueignung bestätigt daher zwar letztlich das ”<br />

DE-<br />

TUR DIGNISSIMO“ für John Lord Somers, nur wird e<strong>in</strong>e traditionelle, spezifisch<br />

paratextuelle Funktion kaum mehr erfüllt.<br />

Auch die Widmungsepistel <strong>des</strong> hack selbst verfolgt aber ironischerweise, trotz <strong>der</strong><br />

völlig konträren und uneigennützigen, wenngleich offensichtlich gänzlich absurden<br />

Motive, kaum textdienliche Ziele im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er primär paratextuellen Kommentierung.<br />

Erneut steht vielmehr die formelhafte Verwendung traditioneller Floskeln<br />

im Zentrum: schon zu Beg<strong>in</strong>n stilisiert sich <strong>der</strong> hack im Paratext (wi<strong>der</strong>sprüchlich<br />

zur textuellen Ausgestaltung als Berufsschriftsteller) unter Verwendung <strong>des</strong> klischeehaften<br />

Bescheidenheitstopos als Amateur (S. 14). Außerdem überwiegt erneut das<br />

maßlose Lob für den Adressaten. Bereits durch den ungewöhnlichen Zueignungsempfänger<br />

ist die unmittelbar pragmatische Funktion für den Text als Lektüreanreiz<br />

aber aufgegeben. Dafür wird e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> zentralen Motive <strong>der</strong> Satire e<strong>in</strong>geführt,<br />

nämlich die Geschichts– und damit Zukunftslosigkeit <strong>der</strong> Grub–street–Produktionen.<br />

Die Zueignung entpuppt sich als e<strong>in</strong>e lange, selbstentlarvende Verteidigungsrede mit<br />

Vorwortcharakter für die Werke <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ns schlechth<strong>in</strong>, als e<strong>in</strong> Wertsteigerungsversuch<br />

durch e<strong>in</strong>en rhetorischen Überredungsapparat (mock panegyric 29 ). Dadurch<br />

soll <strong>der</strong>en Streben nach geschichtlicher Anerkennung unterstützt werden, <strong>der</strong> sie<br />

trotz ihrer Betonung <strong>der</strong> geschichtslosen Eigenständigkeit bedürfen. Dabei ist die<br />

rhetorische Verteidigungsrede im gehobenen (Grub–street–)Stil zwar dem Adressaten<br />

angemessen (decorum), alle<strong>in</strong> stilistisch aber schon antithetisch zum Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Verteidigung. Die Allegorie ist zudem, bed<strong>in</strong>gt durch die Wirkungsabsicht <strong>des</strong><br />

movere, überladen mit rhetorischen Appellfiguren (Apostrophe, Aporie, Interrogatio),<br />

wodurch <strong>in</strong>tentional die Künstlichkeit <strong>der</strong> Argumentation und die Wertlosigkeit<br />

<strong>des</strong> Gegenstands noch betont wird.<br />

Die Bezugnahme auf das Verhältnis zwischen Autor und Adressat mit <strong>der</strong> Bitte<br />

um Schutz und Unterstützung ist zwar als traditionelle Funktion <strong>der</strong> Zueignung dom<strong>in</strong>ant,<br />

jedoch nicht mehr konkret paratextuell für den Text selbst <strong>in</strong>dividualisiert.<br />

Die Zueignung übernimmt dadurch aber bereits e<strong>in</strong>e Vorwortfunktion, sie versucht<br />

über den Anschluß an den <strong>in</strong>terpretativen Titelkommentar “Written for the Universal<br />

Improvement of MANKIND” den Nutzen <strong>der</strong> Grub–street–Werke ironisch gerade<br />

über den geistigen und gesellschaftlichen Wert für die Geschmacksausbildung<br />

<strong>des</strong> noch jungen PRINCE POSTERITY (“a person [. . . ] not at all regarded, or<br />

thought on by any of our present writers” [S. 10]) herauszustellen, <strong>in</strong>dem das Werk<br />

28 Vgl. [45] Rogers, S. 222.<br />

29 Vgl. [52] Starkman, S. 116.<br />

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