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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 4 A TALE OF A TUB (1704/10)<br />

4.3 DIE ZUEIGNUNGEN<br />

odistischen Werks.<br />

4.3 Die Zueignungen<br />

Nach dem schon erwähnten parodistischen Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> ”<br />

mo<strong>der</strong>nen“ Paratextanhäufung<br />

23 f<strong>in</strong>den sich auch zwei ungewöhnliche Zueignungen <strong>in</strong> Form von ausführlichen<br />

Widmungsepisteln am Beg<strong>in</strong>n von A Tale of a Tub, die beide formal bis auf jeweils<br />

e<strong>in</strong> Element (Adressant bzw. Adressat) noch dem traditionellen Status <strong>des</strong> <strong>Paratexte</strong>lements<br />

entsprechen. In e<strong>in</strong>er offiziellen auktorial verantworteten, also lediglich<br />

”<br />

pseudoverlegerischen“ Zueignung an e<strong>in</strong>en öffentlichen Zueignungsempfänger<br />

adressiert zunächst <strong>der</strong> “Bookseller” das Werk “to the right honourable<br />

/ JOHN LORD SOMERS [1651–1716].” (S. 10–13), e<strong>in</strong>em bedeutenden Politiker,<br />

Bibliophilen und angesehenen Mäzen <strong>der</strong> Zeit, zu dem Swift (als Anhänger<br />

<strong>der</strong> Whigs noch) e<strong>in</strong> freundschaftliches Verhältnis hatte. 24 Die darauffolgende fiktiv<br />

auktoriale Zueignung <strong>des</strong> hack ist dagegen ostentativ an e<strong>in</strong>e kollektive Entität 25<br />

gerichtet, “the epistle dedicatory, / to his royal highness / PRINCE POS-<br />

TERITY.” (S. 14–18) macht hier den traditionell privaten Paratext, e<strong>in</strong>em lediglich<br />

öffentlichen Akt bei dem <strong>der</strong> Leser nur als Zeuge anwesend ist, durch den Adressaten<br />

zum öffentlichen Paratext. Die Aufgabenverteilung <strong>der</strong> beiden Zueignungen ist<br />

dabei zugespitzt aber adressantengemäß stimmig: während sich <strong>der</strong> Verleger um den<br />

Absatz kümmert, sorgt sich <strong>der</strong> Autor alle<strong>in</strong> um se<strong>in</strong>en literarischen (Nach–)Ruhm.<br />

Die fiktiv allographe Zueignung <strong>des</strong> “Bookseller” verb<strong>in</strong>det beißenden Spott<br />

für die s<strong>in</strong>nentleerte Konvention e<strong>in</strong>er Zueignung und <strong>der</strong>en Adressanten (mo<strong>der</strong>ns)<br />

mit e<strong>in</strong>er ernsthaften Zueignung an den Adressaten. In paratextueller H<strong>in</strong>sicht erschöpft<br />

sich die Zueignung weitgehend im Formzitat, <strong>der</strong> Inhalt verhält sich dazu<br />

antithetisch, er ist als Parodie auf unterwürfige selbstzweckhafte Schmeicheleien zu<br />

verstehen. E<strong>in</strong>e feierliche Überreichung <strong>des</strong> Werks als s<strong>in</strong>nvolle symbolische o<strong>der</strong> gar<br />

Ehrengabe als Argument für e<strong>in</strong>e Aufwertung <strong>des</strong> Texts f<strong>in</strong>det hier nicht mehr statt.<br />

Durch die <strong>in</strong>szenierte parodistische Selbstreflexion über den eigentlich performativen<br />

Akt <strong>der</strong> Zueignung wird bereits jegliche traditionelle praktische o<strong>der</strong> textbezogene<br />

Funktion aufgelöst, da erstere sicher vom Adressat nicht gewährt, letztere dagegen<br />

gar nicht beabsichtigt ist. In e<strong>in</strong>em ausfühlichen Bericht schil<strong>der</strong>t <strong>der</strong> illusionslose<br />

Grub–street–Verleger die Prozedur <strong>der</strong> Adressatenwahl, das Erf<strong>in</strong>den o<strong>der</strong> Plagiat<br />

schmeichelhafter Lügen und die Vorgehensweise bei <strong>der</strong> Komposition, die schon hier,<br />

23 Die etwa e<strong>in</strong> Drittel <strong>des</strong> Gesamttextes ausmachende Titelei von A Tale of a Tub setzt sich<br />

aus folgenden Elementen (entstanden/veröffentlicht) zusammen (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Reihenfolge <strong>der</strong> Ausgabe<br />

von 1710): “AN APOLOGY / For the &c.” (1709/1710) (S. 1-10), “POSTSCRIPT.” (1710/1710)<br />

(S. 10), Zueignung <strong>des</strong> Verlegers an John Lord Somers (1702/1704) (S. 10–13), Vorwort <strong>des</strong> Verlegers<br />

an den Leser (1704/1704) (S. 13), Zueignung <strong>des</strong> Autors an die Nachwelt (1697/1704) (S. 14–<br />

18), “THE PREFACE” (1697/1704) (S. 18–25).<br />

24 Vgl. für e<strong>in</strong>e Diskussion <strong>der</strong> komplizierten Beziehung zwischen Swift und Somers und <strong>der</strong><br />

Zueignung auch [12] Robert M. Adams: “In Search of Baron Somers”. In: Perez Zagor<strong>in</strong> (Hg.),<br />

Culture and Politics. From Puritanism to the Enlightenment. Berkeley/Los Angeles/London: U. of<br />

California P., 1980, S. 165–202, v. a. S. 186–193.<br />

25 Vgl. [28] Genette, S. 130.<br />

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